Verschafft man sich einen Überblick über die Literatur, die zum Thema Gustav Stresemann verfügbar ist, so fällt auf, daß es eine Reihe von Werken gibt, die sich sehr gezielt auf einzelne Aspekte seines Schaffens als Politiker und Außenminister beschränken . Bei den meisten der Werke steht sein Handeln als Außenminister im Rahmen der Verständigungs- und Revisionspolitik der 20er Jahre im Vordergrund. Das innenpolitische Schaffen Stresemanns und hierbei vor allem das Verhältnis Stresemanns zu "seiner" Partei, der DVP, blieb bisher weitgehend unberücksichtigt. Lediglich Henry A. Turner legt in seiner Monographie zu Stresemanns politischem Wirken den Schwerpunkt auf die innenpolitische Seite. Doch auch in seinem Buch vermißt man, obwohl ein knapper biographischer Abriß gegeben ist, die Verbindung des politischen Wirkens und des weltanschaulichen Hintergrunds, der Stresemanns politischem Streben und Wirken zugrunde lag.
Die Ideen des Liberalismus und die Interpretationen Stresemanns dieser Ideen sind jedoch eine wichtige, nicht zu vernachlässigende Grundlage eben dieses Wirkens. Dies läßt sich sehr gut an der Entstehung und Entwicklung der DVP als liberaler Partei unter Stresemanns Führung und starkem Einfluß nachvollziehen. Da man die DVP allenfalls als Notlösung bezeichnen kann, die nur aus den gescheiterten Verhandlungen zur Gründung einer liberalen Gesamtpartei Ende 1918 hervorging, stellt sich die Frage, wie es zum Scheitern dieser Verhandlungen kam und wie Stresemann agierte. Denn das Verhalten Stresemanns in diesen Verhandlungen und seine Ansichten zum Thema einer gemeinsamen Parteigründung lassen einige Rückschlüsse auf seine politische Philosophie und die Grundlagen seiner Weltanschauung zu.
Es wird daher mein Ziel sein in dieser Arbeit, den biographischen Hintergrund und die politischen Grundsätze Stresemanns darzustellen, die sein Verhalten während der Verhandlungen sowie seine grundsätzliche Einstellung zu einer Fusion der liberalen Parteien bestimmten. Doch Stresemann und seine Ansichten waren nicht ausreichend, um über Erfolg und Mißerfolg der Verhandlungen zu entscheiden. Deswegen werde ich in dieser Arbeit auf die weiteren Faktoren eingehen, die den Verlauf der Verhandlungen wesentlich bestimmten. Es soll darum gehen, den Widerstreit zwischen individuellen Ansprüchen und parteiübergreifenden Programmatiken darzustellen und ihre jeweiligen Rollen in den Verhandlungen zu deuten.
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Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die ideologischen Wurzeln und die Entwicklung Stresemanns
- Soziale Herkunft und frühe Entwicklung
- Die politische Karriere Stresemanns bis zum Beginn des 1. Weltkriegs
- Die politischen und weltanschaulichen Einflüsse Stresemanns
- Stresemann im ersten Weltkrieg und seine annexionistischen Vorstellungen
- Die Lage nach Ende des Ersten Weltkriegs und die Verhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Partei
- Handlungsspielräume und Situation des Liberalismus
- Die Initiierung der Verhandlungen
- Die Verhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Partei
- Die Gespräche des 15. November
- Die zweite Phase der Verhandlungen: das Vorspiel des 18. November
- Der Verlauf der Verhandlungen vom 18. November und ihre Auswirkungen
- Der 3. Dezember – zweiter Versuch und zweite Niederlage
- Gustav Stresemann und seine Rolle während der Einigungsversuche
- Zusammenfassung / Bewertung der Vorgänge
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Rolle Gustav Stresemanns bei den Verhandlungen zur Gründung einer liberalen Partei im Jahr 1918. Ziel ist es, seinen biographischen Hintergrund und seine politischen Grundsätze aufzuzeigen, die sein Verhalten während der Verhandlungen beeinflusst haben. Die Arbeit untersucht zudem die anderen Faktoren, die den Verlauf der Verhandlungen bestimmten, um den Widerstreit zwischen individuellen Ansprüchen und parteiübergreifenden Programmatiken zu beleuchten.
- Die politische Entwicklung Stresemanns vor 1918
- Die politischen und weltanschaulichen Einflüsse auf Stresemann
- Die Verhandlungen zur Gründung einer gemeinsamen liberalen Partei
- Die Rolle Stresemanns während der Verhandlungen
- Die Gründe für das Scheitern der Verhandlungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungslücke und die Zielsetzung der Arbeit dar. Sie argumentiert, dass die innenpolitische Tätigkeit Stresemanns, insbesondere sein Verhältnis zur DVP, bisher unzureichend beleuchtet wurde. Die Arbeit verspricht, sowohl den biographischen Hintergrund als auch die politischen Prinzipien Stresemanns im Kontext der gescheiterten Verhandlungen zur Gründung einer liberalen Gesamtpartei zu untersuchen.
Das zweite Kapitel zeichnet Stresemanns Entwicklung bis 1918 nach, wobei seine soziale Herkunft, sein politischer Werdegang vor dem Ersten Weltkrieg und seine politischen und weltanschaulichen Einflüsse beleuchtet werden. Das Kapitel betont die Bedeutung von Stresemanns Engagement im National-Sozialen Verein Friedrich Naumanns und seinen späteren Eintritt in die Nationalliberale Partei. Es verdeutlicht zudem Stresemanns imperialistische Ideale und seine frühe politische Karriere.
Das dritte Kapitel beschreibt die Situation des Liberalismus nach dem Ersten Weltkrieg und die Verhandlungen zur Gründung einer gemeinsamen Partei. Es analysiert die Handlungsspielräume und die verschiedenen Phasen der Verhandlungen, einschließlich der Gespräche vom 15. November, des Vorspiels vom 18. November und dem Verlauf der Verhandlungen am 18. November. Es wird auch auf den zweiten gescheiterten Versuch am 3. Dezember eingegangen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die folgenden Themen: Gustav Stresemann, liberale Partei, Deutschland, 1918, Verhandlungen, politische Philosophie, Weltanschauung, Imperialismus, DVP, Nationalliberale Partei, Friedrich Naumann, biographischer Hintergrund, politische Grundsätze, Handlungsspielräume, parteiübergreifende Programmatiken.
- Citar trabajo
- Martin Roeder (Autor), 1999, Gustav Stresemann und seine Rolle bei den Vereingungsverhandlungen zur Gründung einer liberalen Partei 1918, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7886