Die EU-Osterweiterung am 1. Mai 2004 hat viele Veränderungen mit sich gebracht; nicht nur auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, sondern auch auf unternehmerischer Ebene. Der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen hängt nicht nur mit erfolgreichen Produkten und deren Vermarktung zusammen, sondern auch mit einer funktionierenden Logistik. Besonders im Hinblick auf die geographische Ausdehnung von Unternehmen durch Produktionsverlagerung in die neuen Beitrittsländer der EU gilt es neue und erweiterte Logistikkonzepte und Lösungen zu entwickeln, um wettbewerbsfähig zu sein. Die Senkung von Logistikkosten und Lieferservice tragen dazu bei. Im Zuge der EU-Osterweiterung ergeben sich für Unternehmen vielschichtige Möglichkeiten und Potenziale, Logistikkosten einzusparen und gleichzeitig den Lieferservice nach Westeuropa wie auch nach Osteuropa aufrechtzuerhalten.
Der Wegfall von Zollformalitäten zwischen den Mitgliedstaaten der EU hat nicht nur eine schnellere Abwicklung an den Grenzübergängen zur Folge, sondern ermöglicht auch die Neugestaltung von Distributionsstrukturen. Die Warendistribution erfolgte bisher bei international operierenden Unternehmen meist über eigene Verteilstützpunkte oder Regionallager in jedem Land. Diese Form europa- oder gar weltweiter Distribution fand früher in umfangreichen Grenz- und Zollformalitäten ihre Begründung. Doch heute ist eine länderübergreifende und europaweite Logistik gefragt, bei der Unternehmen entweder komplett aus einem Land in Ost- oder Westeuropa durch ein zentrales Distributionslager versorgt werden, oder durch Lieferanten, die mit dem Verlagerungstrend ihre Produktion Richtung Osten verlagert haben.
Die bestehende Transport- und Logistiklandschaft in Mittel- und Osteuropa wird sich in den kommenden Jahren wandeln. Besonders Polen, Tschechien und die Slowakei könnten sich dadurch zur Ost-West-Drehscheibe und zum Ausgangspunkt für die Erschließung weiter östlich gelegener Märkte wie z.B. Russland oder dem asiatischen Raum entwickeln, indem dort Zentrallager oder Europäische Distributionszentren aufgebaut werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Ein wachsender europäischer Markt
2 Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Logistik der Unternehmen
2.1 Der Trend zur Standortverlagerung nach Osteuropa
2.2 Logistische Risiken der Verlagerung
2.3 Entwicklungstendenzen und Herausforderungen in der Logistik durch die EU-Osterweiterung
2.3.1 Zunahme des grenzüberschreitenden Güterverkehrs
2.3.2 Wegfall komplizierter Zollformalitäten
2.3.3 Grenzenlose Distribution durch Erweiterung der Transportnetze
2.3.4 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur der neuen EU-Länder
3 Potenziale für Lieferservice und Logistikkosten durch den EU-Beitritt
3.1 Logistikkosten und Lieferservice als konkurrierende Zielgrößen in der Logistik
3.1.1 Lieferservice
3.1.2 Logistikkosten
3.2 Kosteneinsparungen durch Produktionsverlagerung
3.2.1 Standortverlagerung von OEMs zieht auch Lieferanten nach Osteuropa
3.2.2 Kostenersparnis durch Eliminierung nichtwertschöpfender Aktivitäten
3.2.3 Verlagerung kompletter Produktgruppen
3.3 Outsourcing von Logistikaktivitäten an externe Dienstleister
3.4 Distributionskonzepte als Möglichkeit zur Lieferservicegestaltung
3.4.1 Die Notwendigkeit zur Optimierung von Distributionssystemen
3.4.2 Entwicklung geeigneter Distributionsvarianten für Osteuropa
3.4.3 Einsatz neuer Techniken
3.5 Die Wahl des Verkehrsträgers
4 Veränderung der europäischen Distributionsstrukturen
Quellenverzeichnis
Anhang
Anhang 1:
Anhang 2:
Anhang 3:
Anhang 4:
Anhang 5:
Anhang 6:
Anhang 7:
Anhang 8:
Anhang 9:
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 : Distributionssysteme vor der EU-Osterweiterung und künftige Systeme ohne Beachtung von Grenzen (Eigene Darstellung)
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Logistikkosten und Lieferservice (Dietel 1997, S. 189).
Abbildung 3 : Der neue Mittelpunkt Europas (vgl. Straube)
Abbildung 4: Entwicklung des deutschen Außenhandels mit den EU-Beitrittsländern (vgl. Ruschinski)
Abbildung 5: Arbeitskosten im Vergleich (vgl. Dudenhöffer)
Abbildung 6: Unternehmensgewinnsteuersätze im Vergleich (vgl. Dudenhöffer)
Abbildung 7 : Ein- und Ausfahrten an der deutsch-polnischen Grenze im Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2005 (Januar 2004 = 100) (vgl. BAG)
Abbildung 8: Autohersteller der EU-Erweiterungsstaaten (vgl. Dudenhöffer)
Abbildung 9: Belieferung osteuropäischer Märkte aus Deutschland (vgl. Bäumerich)
Abbildung 10: Errichtung eines Zentrallagers in Polen (vgl. Bäumerich)
Abbildung 11: Belieferung in Osteuropa über nationale Regionallager (vgl. Bäumerich)
Abbildung 12: Bestimmungsvariablen für die Art des Transportmittels (eigene Darstellung, vgl. Zingel)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Ein wachsender europäischer Markt
Der 1. Mai des Jahres 2004 war ein wichtiges Datum für viele europäische Unternehmen. Nach mehr als zehn Verhandlungsjahren wurde die Europäische Union um 10 Staaten erweitert - aus der alten EU 15 wurde die neue erweiterte EU 25. Mit dem Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Malta und Zypern stieg die Zahl der Einwohner um knapp 20 Prozent auf 455 Millionen und das Bruttoinlandsprodukt auf fast neun Billionen Euro (vgl. FAZ 2004). Durch diese größte Beitrittsrunde in der Geschichte der Union und der Annäherung der benachbarten Volkswirtschaften Mittel- und Osteuropas wurde die Europäische Union nicht nur zum größten zusammenhängenden Wirtschaftsraum der Erde, sondern auch zum größten Binnenmarkt der westlichen Welt. Die Folgen dieser Vergrößerung waren neben einer Zunahme der EU-internen Wirtschafsbeziehungen auch eine gestiegene Bedeutung Europas für den Welthandel.
Schon lange vor der EU-Osterweiterung zählten die neuen Beitrittsländer zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Westeuropas, allen voran Deutschland. Der Handel zwischen Ost- und Westeuropa hat sich seit 1989 mehr als verdreifacht (vgl. DB Logistics 2005). Durch die gestiegenen Handelsbeziehungen und eine zunehmende Produktionsverlagerung von Unternehmen nach Osteuropa (siehe Anhang 1) lässt sich ein stetig wachsender Gütertransfer nicht nur innerhalb der Länder, sondern auch zwischen den Ländern ableiten.
Die Öffnung Osteuropas und Angleichung an den restlichen europäischen Wirtschaftsraum vereinfacht den Warentransfer zwischen dem Westen und den Beitrittsländern zum Beispiel durch den Wegfall von langwierigen Zollformalitäten. Zentrale Frage der Arbeit ist es, welche Chancen sich durch die EU-Osterweiterung für Unternehmen ergeben einerseits ihre Logistikkosten zu senken, und andererseits dabei ein hohes Lieferserviceniveau zu gewährleisten. Bei Veränderungen und Anpassungen des Transport- und Distributionssystems an den erweiterten Europäischen Markt sollte der Zielkonflikt zwischen Logistikkosten und Lieferservice beachtet werden. Denn die Senkung der Logistikkosten kann auf der einen Seite auch das Lieferserviceniveau schmälern. Auf der anderen Seite bietet das Einsparpotenzial bei den Logistikkosten die Möglichkeit, den Lieferservice für die Kunden in ganz Europa zu verbessern. Aktuellen Studien bestätigen, dass durch strategische Distributionsplanung 20% der Logistikkosten eingespart werden können (vgl. Bäumerich 2004). Europa ist mehr denn je ein großer Markt und die Logistik muss sich darauf einstellen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sich der geographische (und auch wirtschaftliche) Mittelpunkt in Europa verschoben hat. Dies hat auch große Auswirkungen auf die Rolle Deutschlands in Europa, denn Deutschland entwickelt sich ohne Zweifel zu einem Transitland zwischen Norden, Süden, Westen und Osten und ist durch die Osterweiterung in den geographischen Mittelpunkt der Europäischen Union gerückt.
2 Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die Logistik der Unternehmen
2.1 Der Trend zur Standortverlagerung nach Osteuropa
Nach Angaben des ifo Instituts in München haben bereits 44 Prozent aller deutschen Unternehmen Betriebsteile oder komplette Produktionsstandorte aus verschiedenen Gründen nach Osteuropa verlagert oder planen dies zu tun (vgl. Bäumerich 2004). Die Tendenz ist steigend. Besonders in den Bereichen Automobil- und Zulieferindustrie, Maschinenbau, bei der Herstellung von Eisen-, Stahl- und Metallerzeugnissen und in der Bekleidungsindustrie kann eine Standort- und Produktionsverlagerung festgestellt werden (vgl. Ullmann et al. 2006). Bereits zum Zeitpunkt des EU-Beitritts am 1. Mai 2004 wurden über 460.000 Arbeitsplätze durch deutsche Firmen in Osteuropa geschaffen (vgl. Bäumerich 2004).
Die Gründe zur Standort bzw. Produktionsverlagerung sind vielfältig. Alle befragten Unternehmen einer Studie, durchgeführt von Miebach Logistics, nennen Kostengründe, wie Personalnebenkosten, Tarifentgelte sowie Steuern und Gebühren als Hauptgründe für eine Produktionsverlagerung (vgl. Müller-Dauppert 2005b). So rechnet zum Beispiel die Automobilindustrie in Deutschland mit Lohn- und Lohnnebenkosten von 33 Euro pro Stunde. Im Vergleich dazu liegen Polen mit 5 Euro, Tschechien und die Slowakei mit 4 Euro pro Stunde, bei gleicher Produktivität, deutlich darunter (siehe Anhang 2). Das Institut der deutschen Wirtschaft bestätigt, dass sich die Lohnkosten in Osteuropa nur sehr langsam an westliches Niveau annähern werden (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft). Aber auch bei den Unternehmensgewinnsteuern wie Körperschaftsteuer und Gewerbeertragsteuer sind die Einsparungen in Osteuropa beachtlich (siehe Anhang 3). Die durchschnittliche Steuerbelastung in Deutschland beträgt derzeit 39% was im Vergleich zu den neuen Mitgliedstaaten Polen (19 %), Ungarn (18%), Litauen (15%) enorm hoch ist (vgl. Düdenhöffer 2005).
Es ist zu erkennen, dass die EU-Beitrittsländer auch auf lange Sicht für Unternehmen interessant bleiben werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn nicht nur die dauerhaft niedrigen Produktionskosten genutzt werden sollen, sondern auch investitionsfreundliche Rahmenbedingungen und geringe Steuern locken.
2.2 Logistische Risiken der Verlagerung
Auch wenn osteuropäische Länder mit Steuervorteilen und niedrigeren Standortkosten werben, ist eine Verlagerung, verbunden mit hohem Zeitaufwand und hohen Kosten, immer ein Risiko. Zwei Hauptrisiken liegen laut Bäumerich insbesondere in der räumlichen Trennung zwischen Produktionsstandort und Beschaffungsmärkten oder Produktionsstandort und den Absatzgebieten. Besonders die mangelhafte Verkehrsinfrastruktur in Osteuropa (vgl. 2.3.4) hat längere Transportlaufzeiten als in Westeuropa zur Folge und bietet enorme Verbesserungs- und Ausbaupotenziale. Außerdem sind erhöhte Logistikkosten durch entferntere Warentransporte zwischen Mittel- und Osteuropa zu erwarten (vgl. Bäumerich). Die Risiken können somit in zwei Gruppen unterteilt werden: Das Risiko der Verkehrsinfrastruktur und das Risiko erhöhter Kosten durch entferntere Gütertransporte.
2.3 Entwicklungstendenzen und Herausforderungen in der Logistik durch die EU-Osterweiterung
2.3.1 Zunahme des grenzüberschreitenden Güterverkehrs
Das Bundesamt für Güterverkehr hat eine sprunghafte Steigerung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs seit dem 1. Mai 2004, durch eine erhöhte Anzahl von Transporten (siehe Anhang 4) zwischen Deutschland und den neuen Beitrittsländern, festgestellt (vgl. BAG 2004). Nicht nur die eben angesprochene Entstehung neuer Produktionsstandorte und die sich daraus ergebenen Produktionszuwachsraten in Osteuropa führen zu einer Vervielfachung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs, sondern auch der wachsende Außenhandel mit den alten EU Staaten, insbesondere mit Deutschland. Die deutsche Außenhandelsverflechtung mit den Beitrittsländern hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich intensiviert. 2005 stiegen Menge und Wert der in die osteuropäischen Länder exportierten Waren um jeweils 10 Prozent (vgl. BAG 2006). Dies ist vor allem den Exporten von chemischen Erzeugnissen, Kraftfahrzeugen bzw. Kraftfahrzeugteilen, Eisen und Stahlproduktion, Lebensmitteln und Mineralölerzeugnissen zuzuschreiben. So wird im Zeitraum von 1997 bis 2015 eine Verdreifachung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs zwischen den neuen EU-Beitrittsländern und den alten EU-Ländern prognostiziert (vgl. Vastag 2006). Grenzübergänge und die gesamte Infrastruktur stehen vor der Herausforderung, diesen Anstieg der Warentransporte zu meistern.
2.3.2 Wegfall komplizierter Zollformalitäten
Mit dem Beitrittstermin wurde der Warentransfer durch denn Wegfall von Grenzkontrollen und Zollformalitäten deutlich vereinfacht. Der Abbau von Zollgrenzen bringt generell Zeitverkürzungen, Kostenersparnisse und relative Planungssicherheit für die Transportabwicklung im Verkehr zwischen Ost- und Westeuropa. Dennoch ist besonders in den ersten 2 bis 5 Jahren nicht mit einer deutlichen Entlastung der Grenzübergänge zu den Beitrittsländern zu rechnen. Für LKW wird sich die Abfertigungsdauer nur marginal durch geringere administrative Aufgaben verkürzen (vgl. Jauernig 2004, S 16). Aufgrund des oben erwähnten hohen Güteraufkommens müssen sich Unternehmen dennoch auf hohen Wartezeiten an den Grenzübergängen einstellen.
2.3.3 Grenzenlose Distribution durch Erweiterung der Transportnetze
Der Wegfall von Zollformalitäten zwischen den Mitgliedstaaten der EU hat nicht nur eine schnellere Abwicklung an den Grenzübergängen zur Folge, sondern ermöglicht auch die Neugestaltung von Distributionsstrukturen. Die bisherige Stufigkeit (Abbildung 1 links) der Warenverteilung kann durch länderübergreifende Distributionsnetze (Abbildung 1 rechts) in der EU abgelöst werden. Die Warendistribution erfolgte bisher bei international operierenden Unternehmen meist über eigene Verteilstützpunkte in jedem Land. „Diese Form europa- oder gar weltweiter Distribution fand früher in aufwendigen Zoll- und Grenzabwicklungsprozeduren ihre Rechtfertigung“ (vgl. Gühring 2006). Doch heute ist eine länderübergreifende und europaweite Logistik gefragt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Distributionssysteme vor der EU-Osterweiterung und künftige Systeme ohne Beachtung von Grenzen (Eigene Darstellung)
Die Unterschiede zwischen West- und Osteuropa und die rasante Entwicklung der neuen EU-Länder machen die Planung eines optimalen Logistiknetzes zu keiner leichten Aufgabe. Aber durch eine optimale strategische Neuposition von Distributionsnetzen die einen „bestimmten Radius im Markt in der geforderten Zeit abdecken und außerdem ein Minimum aus Transport- und Lagerkosten bedeuten“ (vgl. Gühring 2006), lassen sich je nach Freiheitsgrad Logistikkosten von mehr als 20 Prozent einsparen (vgl. Bäumerich 2005). Auf die Möglichkeiten der Neugestaltung von Distributionsnetzwerken wird zu einem späteren Zeitpunkt näher eingegangen.
2.3.4 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur der neuen EU-Länder
Ein Problem, welches die Entwicklung effizienter Logistikstrukturen erschwert, ist die unzureichende Verkehrsinfrastruktur in den neuen Mitgliedstaaten. Diese scheint im Wesentlichen von der Verkehrsplanung sowjetischen Zeiten geprägt zu sein (vgl. Jauernig 2004, S 28). Die Verkehrsverbindungen bringen strategisch-militärische Überlegungen der ehemaligen Sowjetunion zum Ausdruck, was sich zum Beispiel im stärkeren Ausbau von Ost-West Verbindung (zur Versorgung der Truppen und Nachschubbereitstellung), und in der Vernachlässigung leistungsstarker Nord-Süd Verbindungen, darstellt (vgl. Jauernig 2004, S. 28). Außerdem wurden im sowjetischen Zeitalter Montan- und Landwirtschaftsgüter überwiegend mit der Bahn transportiert was zu einem dichten, wenn auch nicht sehr leistungsstarkem, Eisenbahnnetz führte. Für einen raschen und effizienten Gütertransfer, der in Zukunft weiter steigen wird wie oben bereits beschrieben, wird der Straßenverkehr eine weitaus größere Rolle spielen. Jauernig vermutet jedoch, dass das weitestgehend unterentwickelte Straßennetz dem steigenden Güteraufkommen kaum gewachsen sein wird (2004, S. 27). Die Unterschiede in der Verkehrsinfrastruktur zwischen den alten und neuen EU Ländern sind sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht enorm. Es werden somit hohe Anforderungen an den Ausbau der Infrastruktur wie z.B. Brücken, Straßen, Schienen aber auch Grenzübergängen, gestellt. Ohne eine funktionierende Infrastruktur bewegt auch das beste Distributionsnetz nichts. Eine Herausforderung an die Logistik ist es bis dahin, dieses unzulängliche Verkehrsnetz so optimal wie möglich zu nutzen. Denn bis die Infrastruktur auf westeuropäischen Stand ist, werden noch einige Jahre vergehen.
3 Potenziale für Lieferservice und Logistikkosten durch den EU-Beitritt
3.1 Logistikkosten und Lieferservice als konkurrierende Zielgrößen in der Logistik
„In der logistischen Terminologie stellt der Lieferservice den Output des Logistiksystems dar, dessen Input aus den Kosten besteht, die durch die Aktivitäten innerhalb eines Logistiksystems verursacht werden“ (Dietel 1997, S. 189).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Logistikkosten und Lieferservice (Dietel 1997, S. 189).
Wie die Abbildung verdeutlicht, wird auf der rechten Seite durch logistische Aktivitäten ein bestimmtes Lieferserviceniveau erreicht, was auf der anderen Seite Kosten (Logistikkosten) verursacht (vgl. Dietel 1997, S. 189). Im Allgemeinen wird angenommen, dass zwischen Lieferservice und Logistikkosten eine Konfliktsituation besteht, die sich darin widerspiegelt, dass Aktivitäten zum Erreichen eines bestimmten Lieferservice Kosten verursachen. Aufgrund dessen kann eine Verbesserung des Lieferserviceniveaus auch prinzipiell zu einer Ertragsverschlechterung führen (vgl. Dietel 1997, S. 189). Auf der anderen Seite kann wiederum auch angenommen werden, dass die bei den Logistikaktivitäten eventuell eingesparten Kosten in den Erhalt des Lieferserviceniveaus investiert werden können.
3.1.1 Lieferservice
Die Lieferservicequalität, die zentrale Leistung der Logistik, ist zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Wenn eine aufwendig geworbene Ware nicht lieferbar ist, hat dies unter Umständen nicht nur einen Kunden- und Umsatzverlust zu Folge, sondern auch einen schwer wieder gut zu machenden Imageverlust. Das Lieferserviceniveau umfasst im Allgemeinen die Lieferfähigkeit, Lieferflexibilität, Lieferzeiten, Lieferqualität, Liefertreue und Auskunftsbereitschaft über Lieferungen (vgl. Gudehus 2005, S. 559). Im Verlauf des Textes sollen diese Indikatoren zusammengefasst werden als Lieferservice.
3.1.2 Logistikkosten
Wie Abbildung 2 zeigt, erfordert der Lieferservice als Output den Einsatz von Kosten (Input). Die Logistikkosten können laut Gudehus in zwei Gruppen eingeteilt werden: spezifische Logistikkosten und logistische Zusatzkosten (2005, S. 148). Spezifische Logistikkosten, die auch logistische Leistungskosten genannt werden, sind die Kosten die unmittelbar von der logistischen Leistungserstellung ausgelöst werden wie zum Beispiel Transport, Lagerung, Umschlag, Kommissionierung und Bereitstellung. Logistische Zusatzkosten, oder logistische Bereitschaftskosten fallen für das Bereitstellen und Bereithalten logistischer Kapazitäten wie Versandverpackung, Ausladen, Konfektionieren oder für administrative Leistungen wie Planung, Disposition, Controlling und Qualitätssicherung, an (vgl. Gudehus S. 148).
Hohe Logistikkosten müssen nicht als gegebenes Datum hingenommen werden. Besonders im Zuge der EU-Osterweiterung ergeben sich für Unternehmen vielschichtige Möglichkeiten und Potenziale, Logistikkosten einzusparen und gleichzeitig den Lieferservice nach Westeuropa wie auch nach Osteuropa aufrechtzuerhalten. „Trotz der überwiegenden Zufriedenheit der untersuchten Unternehmen mit der Expansion ihrer Aktivitäten in die Beitrittsländer Osteuropas, bewerten weniger als die Hälfte der von Miebach Logistik untersuchten Unternehmen ihre Logistikkosten als zufrieden stellend. Dabei erkennen die meisten Unternehmen sowohl in den Transport- als auch in den Lagerungs- und Bestandskosten ein erhebliches Verbesserungspotenzial.“ (vgl. Miebach Logistik 2005b).
Im Folgenden sollen einige dieser Möglichkeiten angesprochen werden, die sich im Zuge des EU-Beitritts im Jahre 2004 ergeben haben. Durch den Wegfall von (Zoll)grenzen sind die Länder Europas politisch und volkswirtschaftlich näher aneinander gerückt. Praktisch gesehen haben sich die Entfernungen innerhalb Europas jedoch vergrößert was Auswirkungen auf die Logistikaktivitäten verschiedener Unternehmen hat. Das Eingangszitat besagt, dass sich die bestehende Transport- und Logistiklandschaft in Mittel- und Osteuropa grundlegend verändern wird (vgl. Roland Berger) und dazu tragen die vielen Unternehmen, die sich auf den vergrößerten Europäischen Markt einstellen müssen, bei. An dieser Stelle muss jedoch auch erwähnt werden, dass Logistikstrategien von Unternehmen zu Unternehmen und von Produkt zu Produkt differieren können. Aus diesem Grund soll hier lediglich ein Querschnitt durch die möglichen Einsparungspotenziale und Verbesserungspotenziale die Unternehmen zur Verfügung stehen, gegeben werden.
3.2 Kosteneinsparungen durch Produktionsverlagerung
3.2.1 Standortverlagerung von OEMs zieht auch Lieferanten nach Osteuropa
Der Trend zur Produktionsverlagerungen bzw. zur Standortverlagerungen nach Osteuropa (vgl. 2.1) wurde auch besonders durch die Automobilindustrie stark verfolgt (vgl. Dudenhöffer 2005). Diese Original Equipment Manufacturer (OEMs) wie Audi, VW, Opel und Toyota siedelten sich besonders in Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei an (siehe Anhang 5). Dies hat nicht nur die Abwanderung von Arbeitsplätzen zur Folge, sondern auch die Abwanderung weiterer Unternehmen, speziell in diesem Beispiel, der Automobilzulieferer. Die Autoindustrie hat die EU-Osterweiterung bereits seit zehn Jahren antizipiert und kontinuierlich Werke in Osteuropa aufgebaut. Bis etwa zum Jahre 2000 standen Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei im Vordergrund der Neugründungen. Doch der Ostwertstrend setzt sich immer weiter fort und so drängen nun in die Produzenten immer weiter in den Osten in Länder wie Rumänien, die Ukraine und Russland. Die Automobilhersteller haben große Hoffnungen an diese Produktions- und Absatzmärkte, und mit ihnen die Automobilzulieferer, die ebenfalls ihre Produktion verlagern, um möglichst nah an den Kunden zu sein. Diese Verlagerungstendenz wird zusätzlich auch dadurch unterstützt, dass die Automobilhersteller immer weiter Kosteneinsparungen von ihren Lieferanten erwarten. Die Zulieferer können somit nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie sich an ihren Kunden orientieren und auch ihre Produktion verlagern. Dudenhöffer sagt, dass Autozulieferer neue Kapazitäten fast ausschließlich im Ausland errichten, und das überwiegend in Automobilclustern (vgl. Dudenhöffer 2005). Automobilcluster haben den Vorteil, dass eine große Anzahl von Unternehmen der Automobilindustrie in einem Gebiet angesiedelt ist. Dies schafft enorme Vorteile nicht nur durch die niedrigeren Produktions- und Arbeitskosten in Osteuropa, sondern auch durch die Nähe der Lieferanten zu den Kunden. Durch die geographische Nähe können die OEMs und Zulieferer nicht nur Transportkosten, Lagerkosten und Handlingkosten einsparen, sondern auch den Lieferservice deutlich absichern. Lange Transportzeiten, lange unsichere Transportwege und Umschlagspunkte werden überflüssig. Es kann über einen direkten Distributionspfad vom Lieferanten zum Kunden geliefert werden.
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- Arbeit zitieren
- Luise Neumann (Autor:in), 2006, Verbesserungspotenziale für Lieferservice und Logistikkosten durch die EU-Osterweiterung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78690
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