Angesichts rückläufiger Geburtenzahlen steigt das mediale Interesse an den Ursachen der Kinderzurückhaltung der Deutschen. Die jüngsten familienpolitischen Reformbemühungen stellen unter anderem auf eine stärkere Einbindung der Väter in die Familienarbeit ab. Damit rücken nun auch verstärkt Männer in den Fokus der Familien- und Geschlechterforschung.
Die Hausarbeit geht der Frage nach, wie sich das Verhältnis von Beruf und Familie für Männer heute gestaltet - insbesondere im Kontrast zu traditionellen Männlichkeitsbildern. Was begünstigt, was blockiert die Entstehung so genannter "neuer Männlichkeit"?
Auf der Suche nach Antworten werden neben den großen repräsentativen Männerbefragungen der letzten drei Jahrzehnte auch theoretische Konzepte wie das der "hegemonialen Männlichkeit" (Connell) befragt. Als äußerst aufschlussreich erweist sich darüber hinaus die vergleichende Analyse männlicher Einstellungen und tatsächlich praktizierter Verhaltensweisen, die in dieser Arbeit am Indikator Zeitaufwendung für Familien- und Hausarbeit operationalisiert wurden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Entwicklungsdynamik männlicher Selbstverständnisse
2.1 Klassische repräsentative Studien zu männlichen Selbstverständnissen
2.1.1 Selbsteinschätzungen zu Arbeit und Beruf
2.1.2 Selbsteinschätzungen zu Familie und Partnerschaft
2.1.3 Selbsteinschätzungen zu Erziehungs- und Hausarbeit
2.1.4 Methodologische Anmerkungen
2.2 Wie sehen sich Männer heute?
2.2.1 Männertypologie
2.2.2 Selbsteinschätzungen zu Arbeit und Beruf
2.2.3 Selbsteinschätzungen zu Familie und Partnerschaft
2.2.4 Selbsteinschätzungen zu Erziehungs- und Hausarbeit
2.2.5 Kritische Spiegelung: Wie sehen Frauen Männer?
2.3 Vergleichendes Zwischenfazit I: Männlichkeiten in Bewegung?
3 Vom Selbstverständnis zur Selbstverständlichkeit: Einstellung vs. Verhalten
3.1 Überprüfung am Indikator Zeitverwendung
3.2 Männliche Handlungsorientierungen: Beiträge qualitativer Studien
3.3 Vergleichendes Zwischenfazit II: Männlichkeit in Bewegung?
4 Veränderungsscheue Männlichkeit? Mögliche Erklärungsansätze
4.1 Das Verhältnis von Männlichkeiten zueinander: Hegemoniale Männlichkeit
4.2 Strukturelle Barrieren ‚neuer’ Vaterschaft
4.3 Reproduktion geschlechtlicher Rollenbilder in der Sozialisation
4.4 Wollen Frauen den neuen Mann?
5 Resümee: Mögliche Akzeleratoren und Blockaden ‚neuer’ Männlichkeit in Beruf und Familie
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Verteilung der Männertypen nach Alter (Zulehner 2004, S. 9)
Abb. 2: Wichtigkeit des Berufs und der Erwerbsarbeit (5 = Hohe Ablehnung) (eigene Darstellung nach Zulehner & Volz 1998, S. 75)
Abb. 3: Wichtigkeit der Lebensbereiche Arbeit und Familie (in Prozent, eigene Darstellung nach Zulehner & Volz 1998, S. 84)
Abb. 4: Tätigkeiten der Männer nach Rollentypen (in Prozent, Zulehner & Volz 1998, S. 135)
Abb. 5: Gewünschte Rollen und Zuständigkeiten (in Prozent, modifiziert nach Zulehner & Volz 1998, S. 145)
Abb. 6: Haushaltsarbeiten, die von Männern an Partnerin delegiert werden (in Prozent, Zulehner & Volz 1998, S. 153)
Abb. 7: Zeitverwendung von Männern nach Alter (Anteile ausgewählter Aktivitätsbereiche an der Gesamttageszeit ohne Wegezeiten in Prozent) (Döge & Volz 2004a, S. 197)
Abb. 8: Zeitverwendung von Männern nach Alter des jüngsten Kindes in ausgewählten Aktivitätsbereichen ohne Wegezeiten in Minuten pro Tag (Döge & Volz 2004a, S. 198)
Abb. 9: Quote der aktiv erwerbstätigen Frauen und Männer (15- bis 64-Jährige) nach dem Alter des jüngsten Kindes in Deutschland 2004 (Dessel, Cornelißen et al. 2005, S. 291)
Abb. 10: Zeitaufwand von Männern im Alter von 25 bis 45 Jahren für Haus- und Familienarbeit sowie Kinderbetreuung nach dem Alter des jüngsten Kindes (eigene Darstellung nach Döge & Volz 2004b, S. 15f.)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Wofür sich Männer in der Familie eher zuständig fühlen (in Prozent, nach Zulehner 2004, S. 8)
Tab. 2: Verteilung der Hausarbeit (Männersicht) (in Prozenz, nach Zulehner & Volz 1998, S. 155)
1 Einleitung
“ZEIT: Was bedeutet heute Männlichkeit für Sie?
Vater: Ich weiß nicht, ob es das noch gibt. Das vermischt sich im Beruf, im Verhalten. In zehn Jahren gibt es außer dem biologischen vielleicht gar keinen Unterschied mehr.“
(Simon & Soboczynski 2006, S. 59)
Man könnte behaupten, dass es vor allem einem der familienpolitischen Großprojekte der Großen Koalition zu verdanken ist, dass das öffentliche Interesse an und die Diskussion über Fragen von Geschlecht und Elternschaft und dem Zusammenhang zwischen beidem in den vergangenen Monaten stark zugenommen haben. Die geplante und inzwischen beschlossene Einführung des Elterngeldes wurde konzertiert von einem schon länger präsenten Klagechor über zurückgehende Geburtenraten und sonntagabendlichen Fernsehdiskussionen über die Vereinbarkeitsfrage von Familie und Beruf, wobei der Fokus auffällig häufig auf die jungen Frauen als sich dem gesellschaftlichen Auftrag versagende Mütter gerichtet war[1]. Die Beteiligung des Partners (resp. der Partnerin) an der Elternzeit, die in Form zweier ‚Bonus’-Monate beim Elterngeld honoriert werden soll, zielt explizit auch auf die Einbindung der bisher weniger stark repräsentierten Väter in die Erziehungsarbeit ab.
Wie aber gestaltet sich das Verhältnis von Männern zur Vaterschaft und insbesondere zur Familienarbeit? Welchen Stellenwert nehmen demgegenüber der Beruf und die Erwerbsarbeit ein? Welche Veränderungsprozesse lassen sich auf dem Weg zu einer neuen Männlichkeit in Vaterschaft und Beruf feststellen, und welche Bedingungen begünstigen oder blockieren derartige Prozesse? Wie begründet ist die Einschätzung einer völligen Auflösung geschlechterbezogener Spezifitäten, wie sie in dem Eingangszitat in einem ZEIT-Interview mit drei Männergenerationen zum Ausdruck kommt? Diesen zentralen Leitfragen, die zunehmend auch öffentlich und medial diskutiert werden (vgl. auch Krupa 2006), geht diese Hausarbeit nach.
Bereits in der unmittelbaren alltäglichen Lebenserfahrung wird deutlich, wie unterschiedlich sich verschiedene Männer in dieser Hinsicht äußern und verhalten. Um einen differenzierten und empirisch gesicherten Blick auf männliche Selbstverständnisse zu erlangen, werden deshalb in einem ersten Schritt die Ergebnisse der drei großen repräsentativen deutschsprachigen Männerbefragungen unter der speziellen Fragestellung ausgewertet und verglichen. Auf diese Weise lassen sich auch erste Aussagen über zeitliche Veränderungsprozesse treffen, da die Studien einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten abdecken.
Nach diesem Grundlagenteil, der vor allem eine Bestandsaufnahme männlicher Selbsteinschätzungen und weiblicher Außenansicht darstellt, geht es im dritten Kapitel um empirische Daten zum Verhalten der Männer im Beruf und als Väter in der Familienarbeit und Kinderbetreuung. Die Analyse stützt sich dabei vor allem auf den Indikator Zeitverwendung, bezieht aber auch Ergebnisse der qualitativen Forschung mit ein. Im abschließenden Teil dieser Arbeit steht die Frage im Mittelpunkt, welche Faktoren die Entwicklungsdynamiken neuer männlicher Selbstverständnisse im Hinblick auf Vaterschaft und Familienarbeit bedingen und welche sie hemmen. Dabei werden stark rezipierte theoretische Konzepte wie das der Hegemonialen Männlichkeit von Robert Connell und die Beiträge der neueren deutschen Männerforschung einbezogen und auf ihre Erklärungsbeiträge hin befragt.
Abschließend bietet das Resümee eine vorsichtige begründete Einschätzung zu derzeitigen Chancen und Grenzen ‚neuer’ Männlichkeit und ‚neuer’ Vaterschaft. Ausdrücklich werden in diesem Kontext auch offen gebliebene sowie neu entstandene Fragen aufgeworfen und weiterführende Untersuchungsperspektiven skizziert.
2 Entwicklungsdynamik männlicher Selbstverständnisse
Im Zentrum des Interesses dieser Hausarbeit stehen männliche Selbstverständnisse. Wie sich diese im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte im Hinblick auf die Aspekte Beruf und Vaterschaft verändert haben, wird im Folgenden anhand dreier repräsentativer quantitativer Erhebungen männlicher Selbstbeschreibungen rekonstruiert. Als strukturierende Orientierung für die Darstellung dieser inhaltlich nicht trennscharfen Aspekte dienen drei thematische Blöcke: Selbsteinschätzungen zu Arbeit und Beruf, zu Familie und Partnerschaft sowie zu Erziehungs- und Hausarbeit.
2.1 Klassische repräsentative Studien zu männlichen Selbstverständnissen
Pionierarbeit auf dem Gebiet repräsentativer Untersuchungen über Selbstbilder von Männern leistete die Soziologin Helge Pross mit ihrer 1978 vorgelegten Studie Die Männer. Insgesamt wurden dabei westdeutsche Männer zunächst in qualitativer Vorstudie, anschließend mittels eines quantitativen Fragebogens befragt. Nur acht Jahre später folgte eine zweite, ebenfalls von der Zeitschrift Brigitte in Auftrag gegebene repräsentative Studie von Metz-Göckel und Müller, die sich in ihrem Vorgehen an die Studie von Pross anlehnt.[2] Im Folgenden möchte ich aus den beiden Studien prägnante Ergebnisse im Kontext der drei eingangs genannten Bereiche darstellen.
2.1.1 Selbsteinschätzungen zu Arbeit und Beruf
Die Erwerbsarbeit ist nach den Ergebnissen der Studie von Pross konstitutiv für die männliche Geschlechtsrolle. Obwohl die befragten Männer nur etwa zur Hälfte zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit sind, ist die Berufstätigkeit eine Selbstverständlichkeit: „Einen Beruf zu haben, gehört einfach zur männlichen Identität“ (Pross 1978, S. 69). In den qualitativen Einzel- und Gruppeninterviews im Vorfeld der repräsentativen Fragebogenerhebung wurde die Möglichkeit einer Existenz ohne Beruf „nicht ein einziges Mal […] auch nur erwogen, nicht ein einziges Mal auch nur als Wunschtraum genannt“ (ebd., S. 68). Auch die acht Jahre später veröffentlichte zweite Brigitte-Studie kommt zu keinem anderen Schluss: „Die Berufsrolle ist mit der männlichen Identität fest verknüpft“ (Metz-Göckel & Müller 1986, S. 71). Dies wird untermauert durch den Erwerbsstatus der repräsentativ Befragten: Von den 1.445 befragten Männern waren 83 Prozent vollzeitlich berufstätig, lediglich zwei Prozent der Befragten arbeiteten Teilzeit, ein gleichgroßer Anteil war zum Befragungszeitpunkt arbeitslos. Die restlichen 13 Prozent der Männer befanden sich in Berufsausbildung oder Studium (vgl. ebd.). Welch große Bedeutung der Erwerbsarbeit für die männliche Geschlechtsidentität zukommt, verdeutlicht der Blick auf die männliche Bewertung weiblicher Berufstätigkeit. Prinzipiell bewertete bereits in der ersten Studie die große Mehrheit der Männer diese positiv, solange sie isoliert betrachtet wurde (vgl. Pross 1978, S. 74f.). So konnten sich beispielsweise bereits vor knapp dreißig Jahren 78 Prozent der Männer eine Bundeskanzlerin und gar 94 Prozent weibliche Führungskräfte in Spitzenpositionen der Wirtschaft vorstellen. Pross erklärt diese hohen Zustimmungswerte u.a. mit den „Abständen der persönlichen Betroffenheit“ (ebd., S. 80), was angesichts der Tatsache, dass fast jeder dritte Befragte angibt eine weibliche Vorgesetzte nicht anzuerkennen, durchaus plausibel erscheint. Generell beharrt die Mehrheit der Männer von 1978 auf ihrer beruflichen Überlegenheit und will beispielsweise „keine Ehe oder Partnerschaft, „in der die Frau mehr verdient und eine höhere berufliche Position einnimmt als der Mann“ (ebd., S. 79). Neben dem sich in dieser Aussage ausdrückenden Unwillen ordnen die Männer die Berufe in weibliche und männliche und sprechen den Frauen die Eignung für gewisse Tätigkeiten ab. Sie entwickeln eine „Eignungshierarchie der Geschlechter“ (ebd., S. 77), in der Frauen als „Lebewesen irgendwo zwischen Mann und Kind“ (ebd., S. 78) verortet werden, wie es die Autorin lakonisch formuliert.
2.1.2 Selbsteinschätzungen zu Familie und Partnerschaft
Auch die Männer von 1986 bewerten die weibliche Berufstätigkeit grundsätzlich positiv und als selbstverständlich (vgl. Metz-Göckel & Müller 1986, S. 72ff.). Diese Einschätzung ändert sich allerdings, wenn nicht mehr isoliert nach ihr gefragt wird, sondern im Kontext mit der Familiengründung. Sind Kinder unter zehn Jahren zu betreuen, stimmen 80 Prozent der Männer einem Modell im Sinne des traditionellen Ernährers (vollzeitlich berufstätiger Mann und nicht berufstätige Hausfrau) zu.[3] Eine halbtätige Berufstätigkeit beider Partner hält jeweils die Hälfte der Männer für eine gute bzw. eine schlechte Lösung. Nur 14 Prozent finden diese Lösung auch für sich ideal (vgl. ebd., S. 88f.). Mit dem ersten Kind verlangen Männer von ihren Frauen offenbar eine „Umwertung ihrer Prioritäten“ (ebd., S. 95), die die eigenen beruflichen Interessen in den Hintergrund treten lässt. Die Befragung von 1978 brachte hervor, dass nur jeder zehnte Mann einem egalitären Modell (beide Partner halbtags berufstätig) zustimmt. Offene Ablehnung hingegen äußerten jedoch ebenfalls lediglich zehn Prozent der Männer. Pross rekurriert bei ihrer Deutung des bemerkenswert großen Mittelbaus von scheinbar Flexiblen auf die Diskussionen und Interviews im Vorfeld der repräsentativen Erhebung, wo „kaum ein Redner […] Sympathien für die Rollenhalbierung“ (1978, S. 97) aufbrachte und stattdessen zahlreiche Gründe gegen sie genannt wurden. Sie deutet die große Zurückhaltung der Männer entsprechend weniger als mögliche Veränderungsbereitschaft, sondern vielmehr als Verschleierung nicht mehr offen aussprechbarer Ablehnung gegen gleichberechtigte Aufgabenteilung (vgl. ebd.).
2.1.3 Selbsteinschätzungen zu Erziehungs- und Hausarbeit
Metz-Göckel und Müller (1986) erkennen die Verteilung der Hausarbeit als einen wichtigen Indikator für die Erreichung des Ideals der Gleichberechtigung. Sie kommen zu dem Schluss, dass „die Belastung der Männer, die mit einer Partnerin zusammenleben, in der Tat nicht allzu groß ist“ (ebd., S. 48). Zu demselben Ergebnis kam zuvor bereits Pross: „Insgesamt scheinen die meisten Männer nicht überstrapaziert“ (1978, S. 94). Sie stellt eine klare Arbeitsteilung in den Ehen fest, nach der die Frau für den Haushalt zuständig ist und der Mann lediglich gelegentlich hilft. Seine Beiträge erschöpfen sich größtenteils in Reparaturen und Gartenarbeiten. Dies sei jedoch nicht nur auf Bequemlichkeit zurückzuführen, sondern auch auf Männlichkeitsvorstellungen, die von einer „Unvereinbarkeit der Hausarbeit mit der männlichen Würde“ (ebd., S. 95) geprägt sind.
Zu ähnlichen Ergebnissen verleiten auch die acht Jahre später erhobenen Daten (vgl. Metz-Göckel & Müller 1986, S. 47ff.). Von 15 ankreuzbaren Haushaltstätigkeiten macht die Mehrzahl der Männer sieben Aufgaben nie.[4] Auch eine überwiegende Zuständigkeit findet sich bei der Mehrzahl der Männer nicht. Ausschließlich als ihre Sache sieht eine Mehrheit von 55 Prozent das Erledigen von Reparaturen an, jeder fünfte Mann sorgt darüber hinaus für die Beseitigung des Mülls. Die Autorinnen stellen darüber hinaus fest, dass die Vaterschaft „offenbar keinen oder sogar einen negativen Einfluss auf die Mitwirkung des Mannes im Haushalt“ (ebd., S. 51) hat. Für die Mehrheit der befragten Männer wäre es dagegen durchaus vorstellbar, unter Umständen zu Hause zu bleiben, um die Kinder zu betreuen. Wesentlich ernüchternder fällt diese Zahl aus, wenn nicht nach Vorstellbarkeit, sondern Gewünschtheit gefragt wird. Gewünscht wird die Hausmannrolle lediglich von drei Prozent der Männer, gerade einmal zwei Prozent praktizieren sie nach eigenen Angaben (vgl. ebd., S. 66f). Die Autorinnen führen diese Diskrepanz darauf zurück, dass die Hausmannrolle mehrheitlich bei anderen Männern akzeptiert werde, nicht jedoch selber praktiziert werden soll (vgl. ebd.). Pross bilanziert in ihrer Studie, dass „sich die Väter nicht als besonders aktive Erzieher“ (1978, S. 133) darstellen, und insbesondere ihre Zurückhaltung gegenüber schulischen Unterstützung für die Kinder bemerkenswert sei. Auf die Frage, an welchen Tätigkeiten für die Kinder sie sich als Vater beteiligen, gaben die Väter durchschnittlich 1,3 Nennungen ab, obwohl deutlich fünf Tätigkeiten genannt werden konnten. Pflegebezogene Tätigkeiten erledigen nahezu ausschließlich die Mütter, was die Väter damit begründeten, dass diese „aus natürlichen Gründen eine engere Bindung an das Kind“ (ebd., S. 131) habe. Gleiches gilt auch für den Krankheitsfall, für den allein die Mutter zuständig ist (vgl. ebd., S. 134). In Anbetracht der erhobenen Selbstauskünfte der Männer kommt Pross zu dem Schluss, dass diese „die Vaterrolle faktisch als Nebenrolle einstufen“ (ebd., S. 135).
2.1.4 Methodologische Anmerkungen
In beiden dargestellten Untersuchungen wurde ein paralleles Vorgehen gewählt: qualitativen Gruppendiskussionen und Einzelinterviews folgte eine standardisierte schriftliche Befragung. Den Frage-Items der Untersuchung von Pross wurde vorgeworfen, dass sie als „tendenziös und auf tradierte Geschlechtsstereotype rekurrierend“ (Pech 2002, S. 22) anzusehen seien. Dieser Vorwurf ist meines Erachtens teilweise gerechtfertigt. Ein Beispiel ist Frage 3: „Wie sehen Sie eigentlich grundsätzlich die Tatsache, daß Frauen in immer mehr Berufe eindringen?“ (Pross 1978, S. 36). Allein die Verwendung des Verbs eindringen impliziert einen gewaltsamen und illegitimen Angriff auf männliche Domänen.[5] Neben der Formulierung der Fragen unterscheidet sich auch deren inhaltliche Ausrichtung in der zweiten Erhebung. Die Autorinnen verfolgen mit ihrer Studie das Ziel, „Äußerungen der Männer gegenüber Frauen“ zu erheben um auszuloten, „ob und bei welchen Problemen wir in den Männern Bündnispartner haben auf dem Weg zu einem egalitären Verhältnis der Geschlechter zueinander“ (Metz-Göckel & Müller 1986, S. 8). Die Konzeption der Studie entspricht dieser frauenpolitisch motivierten Zielsetzung, was sich unter Anderem darin äußert, dass der Aspekt Vaterschaft in der Auswertung der Männerbefragung auf die Übernahme von Hausarbeit beschränkt bleibt. Differenzierte Angaben zur Art der Tätigkeiten der Väter mit ihren Kindern, zu Erziehungszielen und zur aufgebrachten Zeit für die Kindererziehung blieben entsprechend unberücksichtigt. Obwohl die Befragung prinzipiell in Analogie zur Pross-Studie konzipiert wurde, strichen oder veränderten die Autorinnen Fragen und nahmen neue hinzu. Insofern räumen sie bereits im Vorwort ein, dass von einer Vergleichbarkeit „nur tendenziell“ (ebd.) auszugehen sei.
2.2 Wie sehen sich Männer heute?
Erstmals auf Männer in ganz Deutschland bezog sich die von der Männerarbeit der evangelischen Kirche und der Gemeinschaft katholischer Männer in Auftrag gegebene Studie von Zulehner und Scholz aus dem Jahr 1998. Eine Besonderheit der Studie ist der Einbezug von Frauen als Probandinnen, die zu den gleichen Inhalten befragt wurden und somit einen Vergleichswert für die männlichen Aussagen bieten. Weitere Unterschiede zu den beiden vorangegangenen Studien bestehen darin, dass es sich um eine rein quantitative Fragebogenerhebung ohne vorherige qualitative Exploration handelt, die sich zudem nicht auf den Fragebogen der beiden vorherigen Studien bezieht. Ferner wird die Studie – einschließlich der Auswertung – im Gegensatz zu den beiden vorherigen von männlichen Autoren verantwortet (vgl. Pech 2002, S. 27). Herzstück der Studie ist die Entwicklung einer „empirisch gesicherten Männertypologie“ (Zulehner 2004, S. 5), die zunächst kurz vorgestellt wird, bevor wie bei den Studien von Pross und Metz-Göckel/Müller zuvor für die interessierenden Aspekte relevante Ergebnisse in den Vordergrund rücken.
2.2.1 Männertypologie
Volz und Zulehner nehmen die Zuordnung zu den von ihnen entwickelten Typen „im Sinne einer maximalen Kontrastierung“ (Pech 2002, S. 27) anhand einer bipolaren Skala vor. Auf der einen Seite der Skala finden sich als traditionell bezeichnete, auf der anderen Seite als modern deklarierte Merkmale[6]. Zwischen diesen beiden Grundtypen (traditionelle vs. moderne Männer), die verkürzt als Befürworter einer Geschlechterhierarchie bzw. einer Geschlechterdemokratie bezeichnet werden können (vgl. ebd.), verorten die Autoren zwei weitere Typen, die keinem der beiden Extreme zuzuordnen sind. Der pragmatische Männertyp zeichnet sich dadurch aus, dass er sowohl einzelnen traditionellen als auch einzelnen modernen Merkmalen zustimmt, während diese für die beiden extremen Typen unvereinbar sind. Der letzte Typus des unbestimmten (früher auch: unsicheren) Mannes fühlt sich weder traditionellen Merkmalen verhaftet noch von modernen Merkmalen angezogen, so dass er sich in einer Art „Entwicklungsstandby“ (Zulehner 2004, S. 7) befindet. Es zeigt sich, dass mit zunehmendem Alter der Anteil der traditionellen und pragmatischen Männer zu- und der der modernen Männer abnimmt. Die größte Gruppe stellt der unbestimmte Männertypus (vgl. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Verteilung der Männertypen nach Alter (Zulehner 2004, S. 9)
2.2.2 Selbsteinschätzungen zu Arbeit und Beruf
Die vier Männertypen unterscheiden sich mitunter stark in der Wichtigkeit, die sie dem Beruf und der Erwerbsarbeit beimessen (vgl. Abb. 2). Während traditionelle Männer im Mittelwert noch eher zustimmen, dass der Lebenssinn des Mannes die Erwerbsarbeit ist, verhält es sich bei modernen Männern in der Tendenz deutlich umgekehrt. Quantitativ „dreimal so wenig neue als traditionelle Männer […] in der beruflichen Arbeit ihren Lebenssinn“ (Zulehner & Volz 1998, S. 86)[7] sehen. Deutlich wird die große Bedeutung der Erwerbsarbeit für den traditionellen Mann auch in der wahrgenommenen Bedrohung, die von einem Verlust der Erwerbsarbeit ausgeht. Mehr als die Hälfte der traditionellen Männer stimmen entsprechend zu, dass Arbeitslosigkeit den Lebenssinn von Männern mehr bedroht als jenen von Frauen, etwa 40 Prozent sehen in dem Verlust der Erwerbsarbeit auch einen Verlust des gesellschaftlichen Ansehens, während dem beim modernen Männertypus nur etwa jeder Vierte oder Fünfte Mann zustimmt (vgl. Zulehner 2004, S. 7)[8].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Wichtigkeit des Berufs und der Erwerbsarbeit (5 = Hohe Ablehnung) (eigene Darstellung nach Zulehner & Volz 1998, S. 75)
Obwohl auch die Traditionellen eine Bewertung (bzw. Abwertung) im Karrieresinne erfolgloser Männer als Versager eher ablehnen, ist der Grad der Ablehnung im Vergleich zu den anderen Männertypen deutlich geringer (vgl. Abb. 2). Entsprechend der hohen Identifikation mit dem Beruf und der hohen Bedeutung der Erwerbsarbeit fühlen sich traditionelle Männer auch wesentlich stärker bedroht von männlicher und vor allem weiblicher Konkurrenz als moderne Männer (vgl. Zulehner 2004, S. 7). Gleichzeitig befürworten Sie im Falle knapper Erwerbsarbeit zu 71 Prozent, Frauen vor Männern zu entlassen, während lediglich acht Prozent der modernen Männer dies befürworten (vgl. Zulehner & Volz 1998, S. 95ff.). Die Autoren leiten daraus den Schluss ab, dass „für die Traditionellen die Erwerbsarbeit vorrangig Männersache“ sei, während moderne Männer bereit seien, „Arbeit auch dann zu teilen, wenn diese knapp wird“ (ebd., S. 96).
[...]
[1] So lautete das Thema der beliebten Polit-Talkshow „Sabine Christiansen“ am 30. April 2006 „Deutsche Frauen – zurück zu Herd und Wickeltisch?“. In den Tagen der Fertigstellung der vorliegenden Arbeit erscheint begleitet von großem Medieninteresse das neue Buch der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, in dem diese den Feminismus für gescheitert erklärt und von modernen Frauen eine Rückbesinnung auf die Hausfrauenrolle fordert (vgl. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,434902,00.html).
[2] Einen knappen Überblick über die Ergebnisse gibt Detlef Pech, allerdings vorrangig mit Bezug auf das für seine Forschungsfrage relevante Verhältnis der beiden Partner zueinander Pech 2002.
[3] Für sich selber hält jedoch nur etwa die Hälfte dieser Männer das traditionelle Modell für das beste (vgl. ebd.).
[4] Diese Aufgaben sind: bügeln, Wäsche waschen, Fenster putzen, nass wischen, Wäsche aufhängen, Bad, Blumen pflegen (vgl. ebd., S. 49).
[5] In Fragen 54 und 55 wird im Hinblick auf unterschiedliche Tätigkeiten gefragt, welche Männern ihren Frauen „zugestehen“ und welche sie „für sich in Anspruch nehmen“ würden. Die Art der Fragestellung suggeriert dabei deutlich eine Entscheidungsstruktur, in der der Mann prinzipiell über die Freizeitgestaltung seiner Frau entscheidet, während er seine eigene Zeiteinteilung einfach beanspruchen kann (vgl. ebd., S. 50).
[6] Als traditionell wird bspw. die Ansicht bezeichnet, dass Frauen für den Haushalt und die Kinder da seien, während es Aufgabe des Mannes sei, durch den Beruf für die finanzielle Versorgung aufzukommen. Als modern bezeichnen die Autoren hingegen die Ansicht, dass beide Partner gleichermaßen für Erwerb und Familienarbeit zuständig sind (vgl. Zulehner 2004, S. 6).
[7] Volz und Zulehner (1998) benutzen die Termini neu und modern ebenso synonym wie die Begriffe unsicher und unbestimmt.
[8] Bei diesen Angaben muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass Zulehner nicht erwähnt, wie er die prozentuale Zustimmung zu den entsprechenden Aussage-Items methodisch ermittelt hat.
- Arbeit zitieren
- Daniel Fischer (Autor:in), 2006, Neue Männlichkeit in Vaterschaft und Beruf?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77815
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