Die Situation von Jugendlichen in der Sowjetunion der 1920er und 30er Jahre ist bislang wenig erforscht. Dies mag angesichts der tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen in Russland seit der Oktoberrevolution wenig erstaunlich sein, richtet sich der historische Blick doch meistens auf diese „großen“ Ereignisse. Betrachtet man jedoch die damalige gesellschaftliche Situation in der Sowjetunion etwas genauer, erscheint die Vernachlässigung dieses Themas vonseiten der historischen Forschung geradezu bedenklich. So machte beispielsweise im Jahr 1926 die Gruppe der unter 30-jährigen fast 40% der Bevölkerung der RSFSR aus.1 Die große Jugendlichkeit der Bevölkerung verdeutlicht, dass die neue sowjetische Gesellschaft in hohem Maße von Angehörigen der jüngeren Generationen gebildet wurde. In Bezug auf den hier zu untersuchenden Zeitraum der Anfangsjahre des Stalinismus stellt sich die Frage, welchen Anteil die Unterstützung des Stalinismus durch die Jugend, und insbesondere durch den Komsomol, an der erfolgreichen Etablierung des Regimes hatte.
Der zeitliche Schwerpunkt der Darstellung wird auf den Jahren 1928 bis 1934, also ungefähr der Zeit der ersten beiden Fünfjahrpläne, liegen. Da die Wende von 1928 jedoch ohne die Vorgeschichte des Komsomol unverständlich erscheinen muss, werden die Jahre des Bürgerkrieges und der NEP dort, wo sie für das Verständnis notwendig sind, mit einbezogen.
Der erste Teil der Arbeit gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Jugendkonzepte in der bolschewistischen Ideologie von der Zeit des Bürgerkrieges bis zum 1. Fünfjahrplan. Im zweiten Teil wird den Jugendvorstellungen der Partei das Selbstverständnis des Komsomol gegenübergestellt. Am Beispiel des achten Kongresses des Jugendverbandes wird im dritten Teil das Verhältnis von Komsomol und Partei untersucht. Im vierten Teil folgt ein Exkurs über den Zusammenhang von Jugend und Gewalt. Der fünfte Teil ist den Motiven der Komsomolzen gewidmet, die unter Einbeziehung von Selbstzeugnissen beleuchtet werden. Im Schlussteil wird schließlich der Versuch unternommen, die Ausgangsfrage zu klären.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Jugend in der bolschewistischen Ideologie
- Selbstverständnis des Komsomol
- Der achte Kongress des Komsomol
- Jugend und Gewalt
- Motive und Erfahrungen Jugendlicher im Stalinismus
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Situation der Jugend in der Sowjetunion während der Anfangsjahre des Stalinismus. Sie untersucht, inwieweit die Jugend, insbesondere der Komsomol, zum Aufstieg und der Etablierung des stalinistischen Regimes beitrug. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob die von der Partei propagierte "enthusiastische" Zustimmung der Jugend zum Stalinismus auf staatlicher Repression beruhte oder ob sie in einer tatsächlichen emotionalen Unterstützung begründet lag.
- Jugend und der Stalinismus: Die Rolle der Jugend in der Etablierung des stalinistischen Regimes
- Der Komsomol: Selbstverständnis und Verhältnis zum Stalinismus
- Jugend und Gewalt: Erfahrungen und Auswirkungen auf die Jugend
- Motive und Erfahrungen Jugendlicher im Stalinismus: Ein Blick auf die Selbstzeugnisse
- Das Konzept der Jugend in der bolschewistischen Ideologie: Die Entwicklung von Jugendbildern in den 1920er und 1930er Jahren
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in die Thematik ein und beleuchtet die Forschungslücke zur Jugend in der Sowjetunion der 1920er und 1930er Jahre. Sie stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit dar: In welchem Verhältnis stand die Jugend zum Stalinismus?
- Kapitel 2 analysiert die verschiedenen Jugendkonzepte in der bolschewistischen Ideologie. Es zeigt, wie sich der Blick auf die Jugend und die Ansprüche an sie während der Etablierung der Sowjetmacht wandelten.
- Kapitel 3 setzt sich mit dem Selbstverständnis des Komsomol auseinander und stellt dieses den Jugendvorstellungen der Partei gegenüber.
- Kapitel 4 untersucht das Verhältnis von Komsomol und Partei anhand des achten Kongresses des Jugendverbandes.
- Kapitel 5 widmet sich dem Zusammenhang zwischen Jugend und Gewalt.
- Kapitel 6 beleuchtet die Motive der Komsomolzen und ihre Erfahrungen im Stalinismus, basierend auf Selbstzeugnissen.
Schlüsselwörter
Jugend, Stalinismus, Komsomol, Sowjetunion, 1. Fünfjahrplan, Repression, Ideologie, Selbstverständnis, Gewalt, Motive, Erfahrungen, Selbstzeugnisse, historische Forschung.
- Quote paper
- Thomas Neumann (Author), 2006, Zwischen Repression und Revolution - Jugend in den Anfangsjahren des Stalinismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77803