1. Die Bedeutung des Artikels 82 EG im Kontext des Europäischen Wettbewerbsrechts Die Aufgaben des Europäischen Wettbewerbsrechts wurden im EG - Vertrag als die Auf-rechterhaltung und der Schutz des Systems unverfälschten Wettbewerbs im gemeinsamen Markt festgelegt.1 Zur Erfüllung dieser Problemstellung wurde den Wettbewerbshütern der Europäischen Kommission im ersten Abschnitt der Wettbewerbsregeln ein differenziertes Instrumentarium zur Verfügung gestellt. Während das Kartellverbot und die Fusionskontrolle nicht wettbewerbskonformes Entstehen marktbeherrschender Stellungen fokussieren, richtet sich das Augenmerk der Missbrauchsaufsicht auf bereits bestehende dominante Stellungen im Markt. Somit wird auch deutlich, dass der EG - Vertrag marktbeherrschende Positionen nicht per se verbietet. Erst die Ausnutzung bestehender Marktmacht für Verhaltensweisen, die auf den Erhalt oder Ausbau der dominanten Positionen gerichtet sind, wird als wettbewerbsrecht-lich bedenklich eingeschätzt. Dies verdeutlicht auch, dass die Missbrauchsaufsicht nach Arti-kel 82 EG das kartellrechtliche Instrumentarium abrundet und somit eine Vervollständigung des Schutzes unverfälschten Wettbewerbs darstellt. Derzeit gewinnt die Missbrauchsaufsicht vermehrt an Bedeutung: Globalisierte Märkte, Un-ternehmenskonzentrationen und politisch geförderte „Nationale Champions“ lassen markt-mächtige Unternehmen in den Fokus der Wettbewerbshüter rücken. Europaweit geht die Kommission bspw. aktuell gegen hohe Strom- und Gaspreise vor. Durchsuchungen in den Zentralen der großen deutschen Stromversorger aufgrund vermuteter wettbewerbsbehindern-der Absprachen und die gegenwärtige Androhung der Trennung von Netzen und Energieer-zeugung sind hierfür die offensichtlichsten Kennzeichen. Der wohl bedeutendste Fall der EU - Missbrauchsaufsicht ist jedoch die Kommissionsentscheidung gegen das US – Unternehmen Microsoft Corp.2 Auf dem Markt für PC - Betriebssysteme verfügte Microsoft mit dem Pro-dukt „Windows“ über ein Quasi - Monopol, weigerte sich ...
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Die Bedeutung des Artikels 82 EG im Kontext des Europäischen Wettbewerbsrechts
2 Das Diskussionspapier der Europäischen Kommission
2.1 Definition des relevanten Marktes
2.1.1 Kreuzpreiselastizität
2.1.2 Produkteigenschaften und Verwendungszweck
2.1.3 Regionenübergreifender Vergleich
2.2 Marktbeherrschende Stellung
2.2.1 Wirtschaftliche Macht
2.2.2 Wettbewerbsbehinderung und unabhängiges Handeln
2.2.2.a Marktzutritts- und Expansionsschranken
2.2.2.b Marktposition von Abnehmern
2.2.3 Besonderheiten kollektiver Marktbeherrschung
2.3 Rahmenkonzept der Missbrauchsanalyse
2.3.1 Hauptanliegen und Prüfung auf Marktabschottung
2.3.2 Preisbasiertes- vs. nichtpreisbasiertes missbräuchliches Verhalten
2.3.3 Horizontale vs. Vertikale Behinderung
2.3.4 Mögliche Verteidigungen
2.3.4.a Objektive Notwendigkeit
2.3.4.b Eintritt in Konkurrenzverhalten
2.3.4.c Effizienzvorteile
2.4 „Missbrauchsbeispiel“ – Lieferweigerung
2.4.1 Allgemeines
2.4.2 Bewertungsgrundsätze
2.4.2.a Charakterisierung als Abbruch / Verweigerung einer Lieferbeziehung
2.4.2.b Marktbeherrschung
2.4.2.c Wahrscheinlichkeit des Eintretens wettbewerbsverzerrender Effekte
2.4.2.d Unerlässlichkeit
2.4.2.e Mögliche Verteidigungen
2.4.3 Lizenzverweigerungen bei geistigen Eigentumsrechten
3 Stellungnahmen zum Diskussionspapier der Europäischen Kommission
3.1 Relevanter Markt
3.2 Marktbeherrschung
3.3 Analyse des Rahmenkonzepts
3.4 Missbrauchsarten
4 Zusammenfassende Beurteilung der Konzeption
5 Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Die Bedeutung des Artikels 82 EG im Kontext des Europäischen Wettbewerbsrechts
Die Aufgaben des Europäischen Wettbewerbsrechts wurden im EG - Vertrag als die Aufrechterhaltung und der Schutz des Systems unverfälschten Wettbewerbs im gemeinsamen Markt festgelegt.[1] Zur Erfüllung dieser Problemstellung wurde den Wettbewerbshütern der Europäischen Kommission im ersten Abschnitt der Wettbewerbsregeln ein differenziertes Instrumentarium zur Verfügung gestellt. Während das Kartellverbot und die Fusionskontrolle nicht wettbewerbskonformes Entstehen marktbeherrschender Stellungen fokussieren, richtet sich das Augenmerk der Missbrauchsaufsicht auf bereits bestehende dominante Stellungen im Markt. Somit wird auch deutlich, dass der EG - Vertrag marktbeherrschende Positionen nicht per se verbietet. Erst die Ausnutzung bestehender Marktmacht für Verhaltensweisen, die auf den Erhalt oder Ausbau der dominanten Positionen gerichtet sind, wird als wettbewerbsrechtlich bedenklich eingeschätzt. Dies verdeutlicht auch, dass die Missbrauchsaufsicht nach Artikel 82 EG das kartellrechtliche Instrumentarium abrundet und somit eine Vervollständigung des Schutzes unverfälschten Wettbewerbs darstellt.
Derzeit gewinnt die Missbrauchsaufsicht vermehrt an Bedeutung: Globalisierte Märkte, Unternehmenskonzentrationen und politisch geförderte „Nationale Champions“ lassen marktmächtige Unternehmen in den Fokus der Wettbewerbshüter rücken. Europaweit geht die Kommission bspw. aktuell gegen hohe Strom- und Gaspreise vor. Durchsuchungen in den Zentralen der großen deutschen Stromversorger aufgrund vermuteter wettbewerbsbehindernder Absprachen und die gegenwärtige Androhung der Trennung von Netzen und Energieerzeugung sind hierfür die offensichtlichsten Kennzeichen. Der wohl bedeutendste Fall der EU - Missbrauchsaufsicht ist jedoch die Kommissionsentscheidung gegen das US – Unternehmen Microsoft Corp.[2] Auf dem Markt für PC - Betriebssysteme verfügte Microsoft mit dem Produkt „Windows“ über ein Quasi - Monopol, weigerte sich jedoch hierzu ausreichend Schnittstelleninformationen freizugeben. Eigenen Verbundprodukten, wie dem „Windows Media Player“, wurden so Wettbewerbsvorteile verschafft und versucht, das Monopol auf andere Märkte auszudehnen. Wie aus der Rekordstrafe von 497 Mio. € deutlich wird, die 2006 auf, immer noch einen Ausnahmewert, 280,5 Mio. € reduziert wurde, lag nach Kommissionseinschätzung hier ein drastischer Verstoß vor.[3] Der damalige Wettbewerbskommissars Monti begründete die Entscheidung in einem Kommentar mit den „innovations- und verbraucherfeindlichen“ Auswirkungen, die vom Verhalten Microsofts ausgingen.[4]
2 Das Diskussionspapier der Europäischen Kommission
Ein Rückblick auf die Arbeit der Europäischen Kommission der letzten Jahre zeigt deren Be-streben, einen „more economic approach“ im Europäischen Wettbewerbsrecht zu implementieren.[5] Nach Überarbeitung der Fusionskontrolle und des Kartellverbots stellt die weithin ge-forderte Reformierung der Missbrauchsaufsicht, mit dem vermehrten Einbezug ökonomischer Betrachtungsweisen, den logischen nächsten Schritt dar. Der Ausgangspunkt ist in der Beauftragung der EAGCP[6] mit der Erstellung eines Gutachtens zu diesem Thema zu sehen, welches im Juli 2005 veröffentlicht wurde.[7] Ihre eigenen Vorstellungen zur zukünftigen Missbrauchs-aufsicht nach Artikel 82 EG, zunächst beschränkt auf Behinderungsmissbräuche, präsentierte die Kommission im Dezember 2005 in Form eines Diskussionspapiers.[8] Um die Konzeption auf eine möglichst breite Basis zu stellen, wurden jegliche Interessengruppen ausdrücklich gebeten Stellungnahmen einzureichen. Diese sollten bei der ursprünglich geplanten, inzwischen in Frage gestellten, Umsetzung in Leitlinien berücksichtigt werden. Bei der öffentlichen Diskussion des Konzeptionsentwurfs im Juni 2006 erklärte der Generaldirektor für Wettbewerb Philip Lowe zu diesem Punkt, dass die Umsetzung zurzeit „ein offener Prozess“ sei.[9]
Die Zielsetzung der Überarbeitung wurde von der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes als Erstellung eines umfassenden Analysekonzepts beschrieben, welches verstärkt die Auswirkungen von Verhaltensweisen fokussiert. Marktbeherrschenden Unternehmen soll so die Möglichkeit zu effektiven Wettbewerbsverhalten gegeben werden, was eine Wohlfahrtssteigerung mit sich bringt.[10] Das zweite Hauptziel wird in der Förderung einer europaweit einheitlichen Entscheidungsfindung benannt: Die Bereitstellung verbindlicher Leitlinien und somit identischer Entscheidungskriterien soll die Bewertung der Missbrauchsaufsicht, sowohl der dezentralen Instanzen als auch der Kommission, in Konsistenz und Effektivität verbessern.
Inhaltlich basiert das Diskussionspapier der Europäischen Kommission vornehmlich auf der ständigen Rechtssprechung des EuGH und Entscheidungen der Kommission. Nach einer kurzen Darstellung der Beziehungen zu anderen Wettbewerbsvorschriften wird ausführlich das Prüfschema vorgestellt. Dieses folgt dem Vorgehen der bisherigem Missbrauchsaufsicht: Aufbauend auf einer Marktabgrenzung und der Abschätzung der jeweiligen Machtverhältnisse, wird erst in einem dritten Schritt die Prüfung auf missbräuchliche Verhaltensweisen durchgeführt. Dieser allgemeinen Darstellung folgen im Diskussionspapier die beispielhaften Umsetzungen auf Beurteilungsgrundsätze der gängigsten Behinderungsmissbrauchsarten.
2.1 Definition des relevanten Marktes
Die zweifelsfreie Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung, die für Untersuchungen des Artikels 82 EG eine Bedingung darstellt, setzt begriffslogisch ein Objekt der Beherrschung, einen relevanten Markt, voraus.[12] Der Grundzweck dessen Ermittlung wurde mit der „Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes“[13] formuliert:[11]
„Die Definition des Marktes dient zur genauen Abgrenzung des Gebietes, auf dem Unternehmen miteinander in Wettbewerb stehen. Damit kann der Rahmen festgelegt werden, innerhalb dessen die Kommission das Wettbewerbsrecht anwendet. Hauptzweck der Marktdefinition ist die systematische Ermittlung der Wettbewerbskräfte, denen sich die beteiligten Unternehmen zu stellen haben. Die Abgrenzung eines Marktes in sowohl seiner sachlichen als auch seiner räumlichen Dimension hat zum Zweck, zu ermitteln, welche konkurrierende Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich jeglichem effektiven Wettbewerbsdruck zu entziehen…“[14]
Die Europäische Kommission betont die weiterhin geltende Leitfunktion dieser Bekanntmachung. Die Ausführungen im Rahmen des Diskussionspapiers sollen dementsprechend nur als zusätzliche Interpretationshilfe hinsichtlich der spezifischen Problemstellung des Artikels 82 EG anzusehen sein. Zum Grundverständnis der Vorgehensweise werden jedoch zunächst die Grundannahmen der oben genannten Bekanntmachung erläutert. Bei der Ermittlung der marktbestimmenden Faktoren, also derer, die Einfluss auf die Wettbewerbsbedingungen haben, geht die Kommission schwerpunktmäßig von drei Wettbewerbskräften aus: Nachfrage- und Angebotssubstituierbarkeit sowie potentiellem Wettbewerb.[15] Der Nachfrageseite wird dabei die größte Disziplinierungskraft auf das Wettbewerbsverhalten zugeschrieben. Diesem Umstand wird auch im vorliegenden Diskussionspapier Rechnung getragen, indem die Substituierbarkeit von Produkten, an erster Stelle aus Sicht der Abnehmerseite, ermittelt wird.
2.1.1 Kreuzpreiselastizität
Entsprechend der Disziplinierungsmacht, die der Abnehmerseite zugeschriebenen wird, sind zunächst auch die Grenzen des relevanten Marktes aus Konsumentensicht zu bestimmen. Über die Untersuchung der Ausweichreaktionen von Konsumenten auf Preiserhöhungen, die sogenannte Kreuzpreiselastizität, soll die spezifische Substitutionsnähe ermittelt werden. Sowohl in räumlicher als auch produktspezifischer Hinsicht erwartet man so Erkenntnisse über die jeweiligen Marktverhältnisse und -grenzen zu erhalten.[17] Im Diskussionspapier wird dieses theoretische Kriterium, im englischen SSNIP - Test[18] genannt, in seiner Funktionsweise kurz dargestellt. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt jedoch auf der Problematik, die hinsichtlich der Anwendbarkeit und Aussagekraft für den Artikel 82 EG bestehen können.[16]
Ausgehend von der aktuellen Situation wird bei diesem Test eine geringe, dauerhafte Erhöhung der relativen Preise angenommen. Fällt die Rückwirkung auf die Nachfrage gering aus, halten die Käufer anders ausgedrückt an dem Produkt fest, so ist von getrennten Märkten auszugehen. Steigt dagegen die Nachfrage nach Substituten zu Lasten des verteuerten Produktes, müssen weitere Gebiete und Produkte in die Untersuchung einbezogen werden.[19] Der so ermittelte Substitutionszusammenhang in Abhängigkeit vom Preis liefert eine Übersicht der marktbestimmenden Kräfte in geographischer und sachlicher Hinsicht. Zusätzlich werden be-reits Erkenntnisse für die weiteren Untersuchungen gewonnen. So können zum Beispiel über den Wirkungszusammenhang von Preis und Nachfrage Rückschlüsse auf die jeweiligen Marktstrukturen gezogen werden. Dies beinhaltet auch die für die Missbrauchsaufsicht wichtige Frage, ob aufgrund der Marktgegebenheiten eine Monopolisierung überhaupt möglich ist.
Die Kommission hat jedoch bei der uneingeschränkten Anwendung dieses Kriteriums Bedenken und stellt daher im Diskussionspapier Interpretationshilfen bereit. Vor allem sieht sie bei der Anwendung dieses Tests auf Behinderungsmissbräuche die Gefahr, dass ein zu großer Markt zugrunde gelegt wird. Begründet sieht sie diese Annahme darin, dass aufgrund der an dieser Stelle gängigen Vorgehensweise, der aktuell herrschende Preis als Ausgangspunkt herangezogen wird. Aufgrund der ex – post - Perspektive der Missbrauchsaufsicht würde bei einer bestehenden dominanten Position, und den daraus resultierenden monopolistischen Handlungsfreiräumen, der derzeitige Preis bereits über dem theoretischen Wettbewerbsniveau liegen. Somit können bestehende Wettbewerbsbeschränkungen nicht im vollen Ausmaß erkannt werden und das Ergebnis des Tests an Aussagekraft verlieren. Diese Erkenntnis ist auch unter der angelsächsischen Bezeichnung „cellophane fallacy“ bekannt, was auf die erstmalige Berücksichtigung dieser Problematik in einem Fall der US-amerikanischen Rechtssprechung zurückzuführen ist.[20] Daraus resultiert, dass ein fehlerfreier SSNIP - Test als Ausgangsbasis den Wettbewerbspreis voraussetzt. Diesen zu ermitteln, stellt jedoch in der Praxis ein ebenso großes Problem dar, wie die Ermittlung konkreter Nachfragekurven, die ebenfalls zu einer korrekten Abschätzung der Marktverhältnisse nötig sind. Beide Größen stellen in der Volkswirtschaftslehre gängige Begriffe dar, sind jedoch in der Praxis aufgrund ihrer Konzeption meist nur zu schätzen.[21]
Trotz der genannten Schwierigkeiten, schreibt die Kommission der Kreuzpreiselastizität auch bei der Definition des relevanten Marktes Anwendungsbereiche zu, von denen zwei explizit angeführt werden. Einerseits wird davon ausgegangen, dass Untersuchungen der Kreuzpreiselastizität auf Basis aktueller Preise Erkenntnisse über das Substitutionsverhalten der Abnehmer generieren. Produkte und Bereiche, denen bei vorherrschenden Preisen kein substitutiver Charakter zuzuschreiben ist, wird dieser auch bei niedrigeren Wettbewerbspreisen unwahrscheinlicher Weise beizumessen sein. Eine zweite Anwendungsmöglichkeit wird darin gesehen, dass im Falle einer Ausdehnung der Marktmacht auf einen zweiten Markt der Kreuzpreiselastizität eine höhere Aussagekraft zukommen kann. Da auf dem zweiten Markt die Annahme legitim wäre, dass der aktuelle Preis (noch) nicht über dem Wettbewerbsniveau liegt, würden die Ergebnisse des SSNIP - Tests für diesen Markt keiner Verfälschung unterliegen.
2.1.2 Produkteigenschaften und Verwendungszweck
Aus der Problematik der „cellophane fallacy“ wird deutlich, dass eine einzelne Methode zur Abgrenzung des relevanten Marktes für die Zwecke des Artikels 82 EG nicht zielführend ist. Die Kommission beabsichtigt dementsprechend, neben der Kreuzpreiselastizität weitere Instrumente einsetzen zu wollen. Vorgesehen ist die Betrachtung und der Vergleich von Nachfrageelastizitäten, Produkteigenschaften und beabsichtigten Einsatzmöglichkeiten, wodurch ein Substitutionsgrad der betreffenden Güter aus Sicht der Konsumenten ermittelt wird. Über diesen können den betreffenden Unternehmen unterschiedliche effektive Beschränkungen des Handelns durch den Wettbewerb attestiert werden, bis hin zu Unabhängigkeit im Wirtschaftsprozess, aufgrund fehlender Produktkonkurrenz. Die Kombination dieser Instrumente und der Kreuzpreiselastizität zur Ermittlung des Substitutionsgrades der Produkte entspricht somit dem von der Kommission entwickelten Prinzip der “subjektiven Äquivalenz“.[23] Hinsichtlich der Ausgestaltung der Vorgehensweise wird darauf hingewiesen, dass die vorzunehmende Abschätzung auf einer breiten Datenbasis vorgenommen werden muss. Entsprechend statistischen Erkenntnissen genügt es nicht, als Basis eine begrenzte Konsumentengruppe heranzuziehen. Einen legitimen Bezugspunkt kann nur eine Gruppe repräsentativen Umfangs und Charakters darstellen. Deren kumulierte Präferenzen ermöglichen die Ermittlung eines marginalen Konsumenten, welcher als Maßstab zu verwenden ist. Über dieses Vorgehen kann festgestellt werden, ob ein Konkurrenzprodukt aus Sicht der Konsumenten ein gutes Substitut darstellt und somit beide Produkte zum gleichen Markt zu zählen sind, vice versa.[22]
Auch das Bestehen unterschiedlicher Nachfrageelastizitäten soll in die Bewertung einfließen. Gelingt einem Alleinanbieter demnach eine perfekte Diskriminierung seiner Konsumenten, was die Verhinderung des Handels seiner Produkte unter Abnehmern mit unterschiedlichen Elastizitäten beinhaltet, so wäre er in der Lage - im volkswirtschaftlichen Vokabular - die Konsumentenrente abzuschöpfen. Eine mögliche Lösung hierfür wird in der Definition getrennter Märkte für Konsumentengruppen mit verschiedenen Nachfrageelastizitäten gesehen.
2.1.3 Regionenübergreifender Vergleich
Neben den oben erläuterten Instrumenten zur Marktabgrenzung beabsichtigt die Kommission auch interregionale Preisvergleiche vornehmen zu wollen. Über dieses Vorgehen sollen in erster Linie Erkenntnisse über die räumliche Ausdehnung des relevanten Marktes, also die Bestimmung von Gebieten mit hinreichend homogenen Wettbewerbsbedingungen,[25] gewonnen werden. Aber auch für die sachliche Ebene, so die Ausführungen im Diskussionspapier, soll dieses Instrument Rückschlüsse zulassen. Das Zusammenfallen hoher Marktanteile und hoher Preise wird dabei als Hinweis angesehen, dass der maßgebliche Wettbewerbsdruck vermutlich von anderen, als auf dem jeweiligen Markt präsenten, Anbietern der betreffenden Produktart ausgeht. Aktiven Herstellern anderer Produkte, die zum gleichen Markt gezählt werden, wird so die Macht zur Beeinflussung des Marktverhaltens betreffender Unternehmen abgesprochen. Diese Preisvergleiche müssen jedoch auch die Ausprägungen von diversen Marktfaktoren berücksichtigen. Aus Unterschieden resultiert auch die Notwendigkeit zur Anpassung der Bedeutung dieser Einflüsse, was die Marktbedingungen direkt beeinflusst. Zu diesen Gegebenheiten sind Unternehmens- bzw. Produktionsstandorte, Zugang zu Absatzmärkten, Marktzutrittsschranken oder Transportfähigkeit und –kosten der Produkte zu zählen.[24]
2.2 Marktbeherrschende Stellung
Die im vorherigen Abschnitt erläuterte Abgrenzung des relevanten Marktes stellt eine grundlegende Vorarbeit für die Ermittlung des Tatbestandsmerkmals der marktbeherrschenden Stellung des Artikels 82 EG dar. In der vorgestellten Konzeption folgt die Kommission weiterhin den vom Europäischen Gerichtshof bereits in den 1970ern definierten Kriterien für das Bestehen einer beherrschenden Stellung: einer Position wirtschaftlicher Macht, die Möglichkeit zur Beeinträchtigung oder Behinderung effektiven Wettbewerbs sowie Spielraum für unabhängiges Verhalten auf dem relevanten Markt.[26] Marktstellungen mit Wettbewerbsverhinderungspotential und fehlender Wettbewerbsdruck bedingen sich jedoch immer gegenseitig, sind somit als dynamisches Element zu begreifen.[27] So wird erst durch die Möglichkeit zu Wettbewerbsverhinderung fehlender Wettbewerbsdruck ermöglicht, und umgekehrt.
Explizit weist die Kommission darauf hin, dass auch auf der Nachfrageseite Marktmacht bestehen kann. In der bisherigen Praxis wurde diese mit zu denen der Anbieterseite identischen Kriterien beurteilt.[28] Im Diskussionspapier wird auf eine mögliche unterschiedliche Handhabung nicht eingegangen. Lediglich das Zusammenfallen von Nachfrage- und Angebotsmacht wird in Abschnitt 2.2.2.2. thematisiert.
2.2.1 Wirtschaftliche Macht
Eine Position wirtschaftlicher Macht ist grundsätzlich, neben der eigenen Leistungsfähigkeit, auch von - in einem funktionierenden Wettbewerb - für das betreffende Unternehmen exogenen Faktoren abhängig. Im Diskussionspapier wird eine solche Stellung definiert als:[29]
„the power to influence market prices, output, innovation, the variety of goods and services, or other parameters of competition on the market for a significant period of time.”[30]
Ist das Unternehmen also in der Lage, diese Wettbewerbsfaktoren zu beeinflussen, so kann diesem im betrachteten Markt ein hoher Einfluss auf die Wettbewerbsbedingungen, somit wirtschaftliche Macht, zugeschrieben werden. Aus der Vielfalt der zu untersuchenden Größen resultiert eine ebenso unterschiedliche Erscheinungsform wirtschaftlicher Macht, die auch mitverantwortlich für die Problematik der Definition eines allgemeingültigen Marktmacht -Indikators ist. Die angeführten Größen sind jedoch generell von sich bedingenden Faktoren abhängig: der Größe des relevanten Marktes, sowie dem Wettbewerbsniveau. Die im Abschnitt 2.1 dargestellte Konzeption der Kommission zur Abgrenzung des Marktes stellt somit eine essentielle Vorarbeit dar. Die Abgrenzung des räumlichen und sachlichen Marktes, aber auch die umfassende Identifikation aller relevanten Marktakteure werden so vorgenommen.
In der Regel werden in der Rechtssprechung zur Bemessung wirtschaftlicher Stärke die aktuellen Marktanteile von Unternehmen, die äquivalent zur Marktabgrenzung ermittelt werden, als Ausgangspunkt herangezogen.[31] Auch zukünftig plant die Kommission dauerhafte Marktanteile als ersten Indikator für die wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmen einzusetzen. Deren Aussagekraft soll dabei abhängig von Marktstruktur und –bedingungen unterschiedlich hoch anzusetzen sein. Große Schwankungen der Marktanteile im Zeitablauf sind demnach als Hinweis auf funktionierenden Wettbewerb zu deuten, aktuelle Anteile verlieren so an Gewicht. Hohe Marktdynamik aus dem Wettbewerbsprozess hinaus, z.B. organisches Wachstum begründet in Innovation, Wachstum oder anderen Marktgegebenheiten, wird somit als wünschenswert angesehen. Explizit klammert die Kommission dagegen Schwankungen der Marktanteile die durch Fusionen ausgelöst werden, von dieser Bewertung aus, da diese keinen belastbaren Rückschluss auf die vorherrschende Konkurrenzsituation liefern können.[32]
[...]
[1] Artikel 2 EG Abs.1 lit.g
[2] Entscheidung der Kommission vs. Microsoft Europe; Fall COMP / C – 3 / 37.792
[3] Vgl. zum Verfahrensverlauf http://www.heise.de/newsticker/meldung/75368
[4] Pressemitteilung IP/04/382 v. 24.03.2004
[5] Vgl. Mäger (2006) S.32, Rn. 125
[6] Economic Advisory Group for Competition Policy = Gruppe unabhängiger, akademischer Ökonomen mit
beratender Funktion für die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission
[7] Vgl. Rey (2005)
[8] Vgl. Generaldirektion Wettbewerb (2005b)
[9] Vgl. Lowe (2006) von 2:30 min bis 3:30 min
[10] Vgl. Generaldirektion Wettbewerb (2005a)
[11] Generaldirektion Wettbewerb (2005b), S.6 – 9, Rn. 11 - 19
[12] Vgl. Schröter (2003) S.609 Rn. 120
[13] Bekanntmachung der Kommission üner die Definition des relevanten Markt, EGABl. Nr. 372 v. 09.12.1997
[14] siehe Fn. 13, Rn. 2
[15] siehe Fn. 13, Rn. 13
[16] Generaldirektion Wettbewerb (2005b) S.7f., Rn. 13 - 17
[17] Vgl. Mäger (2006) S.33; Erstmals in: EuGH v. 14.2.1978, Slg. 1978, S.207- 350
[18] “Small but Significant, Non-transitory Increase in Price”
[19] S. Fn. 13, Rn.17
[20] US v. E. I. du Pont de Nemours & Co., 351 U.S. 377, 391 (1956)
[21] Siehe Arrow- Paradoxon, z.B. in Fritsch/Wein/Ewers (2003); S.379ff.
[22] Generaldirektion Wettbewerb (2005b), S.8, Rn. 18
[23] Vgl. Schröter (2003) S. 615, Rn. 131 und siehe Fn. 13 Rn..7
[24] Generaldirektion Wettbewerb (2005b), S.8, Rn.19
[25] Vgl. Schröter (2003) S. 621, Rn.147
[26] Vgl. in Fn. 17 genannten Fall sowie EuGH v. 13.2.1979, Slg. 1979, S.461
[27] Vgl. Schröter (2003) S. 581, Rn. 67
[28] Vgl. Schröter (2003) S. 584, Rn.74
[29] Generaldirektion Wettbewerb (2005b), S. 10 - 12., Rn. 28 - 33
[30] Generaldirektion Wettbewerb (2005b), S. 9f., Rn. 24
[31] EuGH v. 13.2.1979, Slg. 1979, S. 461- 601, Rn. 41; EuGH v. 03.07.1991, Slg. 1991, S.3359 - 3478
[32] Generaldirektion Wettbewerb (2005b) S.11, Rn. 29
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