Bei einer Beschäftigung mit dem Unheimlichen als literarische Gattung stößt man recht schnell auf Edgar Allan Poe und hier besonders auf sein Werk "The Fall of the House of Usher". Die Erzählung bietet eine nahezu unerschöpfliche Vielfalt an Ansatzpunkten, die allesamt einer näheren Betrachtung wert wären. Bereits der Titel mit der zweifachen Bedeutung des Wortes "Haus" (sowohl Gebäude als auch Geschlecht) verrät die Tiefe dessen, was Poe geschaffen hat, die Erzählung handelt nicht nur vom Zusammenbruch eines Gebäudes sondern ebenfalls vom tragischen Untergang eines alten Geschlechtes. Mit diesem Hauptthema scheinen unendlich viele weitere Stränge verknüpft zu sein.
Doch die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer viel grundlegenderen Frage: Ist die Zuordnung von "The Fall of the House of Usher" zum Unheimlichen berechtigt? Gehört es nicht vielleicht doch einer anderen Gattung an, die - ebenso wie das Unheimliche - auf dem Phantastischen basiert - dem Wunderbaren?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Über Edgar Allan Poe
2. Über das Werk
2.1 Inhalt
2.2 Zuordnung der Erzählung zu den Arabesken
2.3 Personen
3. Zwei Definitionen des Unheimlichen
3.1 Freud
3.2 Lehmann
4. Das Unheimliche im Werk
4.1 Das Haus und die Umgebung
4.2 Madelines Tod
4.3 Auferstehung Madelines und Fall des Hauses
5. Abgrenzung zum Wunderbaren
5.1 Definitionen nach Todorov
6. Die Erklärbarkeit der unheimlichen Vorfälle
Schluss
Literaturverzeichnis
Einleitung
Bei einer Beschäftigung mit dem Unheimlichen als literarische Gattung stößt man recht schnell auf Edgar Allan Poe und hier besonders auf sein Werk "The Fall of the House of Usher". Die Erzählung bietet eine nahezu unerschöpfliche Vielfalt an Ansatzpunkten, die allesamt einer näheren Betrachtung wert wären. Bereits der Titel mit der zweifachen Bedeutung des Wortes "Haus" (sowohl Gebäude als auch Geschlecht) verrät die Tiefe dessen, was Poe geschaffen hat, die Erzählung handelt nicht nur vom Zusammenbruch eines Gebäudes sondern ebenfalls vom tragischen Untergang eines alten Geschlechtes. Mit diesem Hauptthema scheinen unendlich viele weitere Stränge verknüpft zu sein.
Doch die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer viel grundlegenderen Frage: Ist die Zuordnung von "The Fall of the House of Usher" zum Unheimlichen berechtigt? Gehört es nicht vielleicht doch einer anderen Gattung an, die - ebenso wie das Unheimliche - auf dem Phantastischen basiert - dem Wunderbaren?
Nach einer kurzen Vorstellung des Autoren und des Werkes gibt diese Arbeit eine knappe Zusammenfassung zweier Definitionen des Unheimlichen (Freud, Lehmann). Auf dieser Grundlage und unter Rückbezug auf diese beiden Theorien sollen die unheimlichen Elemente des Werkes aufgezeigt werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf dem wichtigen Motiv der Auferstehung Madeline Ushers liegen wird. Abschließend gilt es noch, die Zuordnung zum Wunderbaren auszuschließen, was auf der Basis der Definitionen Todorovs erfolgen wird.
1. Über Edgar Allan Poe
Edgar Poe wurde am 19. Januar 1809 als Sohn zweier Schauspieler in Boston (USA) geboren. Nachdem sein Vater die Familie bereits 1810 verlassen hatte, starb seine Mutter nur ein Jahr später an Tuberkulose[1]. Das Waisenkind wurde von der Familie Allan aufgenommen und auf den Namen Edgar Allan Poe getauft, unter dem er heute bekannt ist. In den kommenden Jahren folgten Umzüge nach Schottland und New York, ein kurzer Aufenthalt an der Universität, den er aufgrund zu geringer finanzieller Mittel abbrechen musste und schließlich eine Verpflichtung bei der Armee. Mitte der 1830er folgten Engagements bei Zeitungen. 1836 heiratete Edgar Allan Poe seine Cousine Virginia Clemm, die im 1847 an Tuberkulose starb. Nach ihrem Tod folgten nur noch einige lose Bekanntschaften. Im Oktober 1849 starb Edgar Ellen Poe in einem Hospital in Baltimore (USA), vermutlich an den Folgen übermäßigen Alkoholgenusses.
Seine Veröffentlichungen umfassten neben seinem ersten Gedichtband von 1831 und vielen weiteren Werken auch die "Tales of the Grotesque and the Arabesque" (1839), die unter anderem "The Fall of the House of Usher" beinhalteten. Sein wohl bekanntestes Werk "The Raven" wurde 1845 veröffentlicht.
2. Über das Werk
2.1 Inhalt
Auf einen Hilferuf Roderich Ushers hin begibt sich der Erzähler zu dessen Haus, das in einer beängstigenden Landschaft liegt. Er findet einen (psychisch) kranken Mann (Usher) und eine ebenso (physisch) kranke Frau vor (Madeline, seine Schwester). Er verbringt dort einige Zeit, bis Madeline stirbt. Sie wird in den Katakomben des Hauses aufgebahrt. In einer stürmischen Nacht, nur kurze Zeit nach der Aufbahrung, tun sich seltsame Dinge im Haus. Usher selbst hört bereits seit einiger Zeit Geräusche aus den Katakomben und wirft sich vor, seine Schwester lebendig begraben zu haben. Der Erzähler - der nichts hört - versucht, ihn mit einem Buch zu beruhigen, das jedoch alles noch schlimmer macht. Parallel zu den Handlungen des Buches nehmen auch die Geräusche im Haus zu. Passend zum Höhepunkt des Buches schwingt die Tür auf und Madeline steht dort, ihr Kleid blutverschmiert und sie sichtlich erschöpft. Sie taumelt auf ihren Bruder zu und reißt ihn mit sich zu Boden. Der Erzähler flüchtet panisch aus dem Haus, welches schließlich vor seinen Augen auseinander bricht und im Teich versinkt, Bruder und Schwester unter sich begrabend.
2.2 Zuordnung der Erzählung zu den Arabesken
Die im Werk "Tales of the Grotesque and the Arabesque" erschienene Erzählung "The Fall of the House of Usher" zählt zu den Arabesken. Im Gegensatz zu den Grotesken, in denen die vorkommenden Personen - oft ein gutes Dutzend oder mehr - nur eindimensional und dazu in überzeichneter Weise als Karikatur vorkommen, wartet die Arabeske mit weitaus weniger Charaktere auf. Sie haben jedoch einen ausgeprägteren Charakter als ihre Gegenstücke in der Groteske. Die Personen und ihre Schicksale sind oft miteinander verstrickt wie ineinander verwickelte Äste[2]. Gerade dieser Charakterzug der Arabesken kommt in "The Fall of the House of Usher" zum Tragen. Das wohl am deutlichsten herausgearbeitete Motiv ist hier die Verknüpfung der Existenz Roderich Ushers mit der des Gebäudes. Diese Verknüpfung, die bereits im Titel hergestellt wird - mit der doppelten Bedeutung des Wortes Haus, einmal im Sinn von "Gebäude", das andere Mal im Sinn von "Geschlecht" -, wird im weiteren Verlauf der Erzählung kontinuierlich fortgeführt und ausgebaut.
2.3 Personen
"The Fall of the House of Usher" wartet nur mit einer begrenzten Anzahl von Personen auf, zumindest Roderich Usher selbst ist jedoch ein höchst vielschichtiger Charakter[3].
Im Haus Usher leben im engeren Sinne nur zwei Personen: Roderich Usher und seine Zwillingsschwester Madeline, die beiden letzten noch lebenden Mitglieder der Familie Usher, die laut Roderich in "fast unnatürlicher Liebe und Zärtlichkeit aneinander"[4] hängen[5].
Roderich ist ein blasser Mann mit großen Augen und dünnem rabenschwarzem Haar[6], ein Melancholiker, der sich der Kunst verschrieben hat. Zu seiner physisch schwächlichen Erscheinung kommt eine psychische Labilität hinzu, ein "ererbtes Familienübel"[7]. Er leidet unter einer "nervösen Angegriffenheit"[8], die sich in einer Überempfindlichkeit all seiner Sinne äußert:
Er vertrug nur absolut ungewürzte Kost; er vermochte nur Kleider aus ganz bestimmtem Geweben zu tragen; jeglicher Blumenduft war ihm verhasst; selbst der geringste Lichtschein schmerzte sein Auge, und nur ganz wenige Töne einzelner Saiteninstrumente waren seinem Ohr erträglich[9].
"Existence itself is a tormet for Roderick"[10]. Und schon seit Jahren wagt er es nicht mehr, das Haus zu verlassen, weil ihn ein "abergläubisches Gefühl darin festbannte"[11],
ein Gefühl, das lediglich dem Einfluß entsprang, den bestimmte Absonderlichkeiten in der Form und Beschaffenheit seines Stammschlosses auf ihn ausübten, und das, wie er sagte, nach endlosem Leiden seinen Geist nun völlig in Fesseln geschlagen hatte[12].
Doch das ist nicht der einzige Grund für seine Niedergeschlagenheit. Auch die Sorge um seine Schwester Madeline drückt auf sein Gemüt. Madeline leidet unter einer Krankheit, die den Ärzten "schon seit langem manches unlösbare Rätsel aufgegeben"[13] hat. "Eine beständige Apathie, ein allmähliches Hinschwinden und häufige, wenn auch rasch vorübergehende Anfälle eines partiellen Starrkrampfs - das war das höchst sonderbare Krankheitsbild"[14].
Neben den beiden eigentlichen Bewohnern tauchen noch ein Diener, ein Lakai und ein Arzt auf, sie sind jedoch nicht viel mehr als Statisten, die nur einmal kurz "durch das Bild" huschen.
Die dritte größere Rolle hat der Erzähler inne, über den jedoch der Leser nicht viel erfährt, außer dass er und Usher "als Knaben besonders vertraute Gefährten gewesen"[15] sind und dass Usher sich von seiner "erheiternden Gesellschaft Besserung seines Leidens"[16] erhoffte.
3. Zwei Definitionen des Unheimlichen
Nahezu jeder Leser wird wohl zustimmen, "The Fall of the House of Usher" der Gattung des Unheimlichen zuzuordnen. Doch ist diese Zuordnung überhaupt berechtigt? Im Folgenden soll kurz auf zwei Theorien des Unheimlichen eingegangen werden. Durch ihre Anwendbarkeit auf die vorliegende Erzählung lässt sich die intuitive Zuordnung ebenfalls theoretisch begründen.
[...]
[1] Die Tatsache, dass der zweijährige Edgar dem Tod seiner Mutter beiwohnte, mag Einfluss auf viele seiner immer wieder kehrenden Motive gehabt haben, u.a. die sterbende schöne Frau oder auch des lebendig begraben werdens. (Vgl. Kerlen, Dietrich: Edgar Allan Poe. Elixiere der Morderne. München: Piper 1988. Seite 7.)
[2] Vgl. Hoffman, Daniel: Poe Poe Poe Poe Poe Poe Poe. London: Robson Books Limited 1973. Seite 206.
[3] Vgl. 2.2 Zuordnung der Erzählung zu den Arabesken
[4] Poe, Edgar Allan: Der Untergang des Hauses Usher. In: Erzählungen. München: Winkler-Verlag 1959. Seite 88.
[5] In dieser Umschreibung des Verhältnisses kann sich ein Hinweis auf eine inzestuöse finden, die im weiteren Verlauf der Arbeit noch einmal Erwähnung findet.
[6] Die Ähnlichkeit der Beschreibung des Hauses mit der Roderichs ist bei näherer Betrachtung nicht zu übersehen - auch hier wird das Motiv der Verknüpfung Roderichs mit dem Haus weiter herausgearbeitet.
[7] Poe, Edgar Allan: Der Untergang des Hauses Usher. Seite 80.
[8] Ebd. Seite 80.
[9] Poe, Edgar Allan: Der Untergang des Hauses Usher. Seite 80.
[10] New essays on Poe's major tales. Ed. by Kenneth Silverman. Cambridge: Cambridge Univ. Press 1993. Seite 50.
[11] Poe, Edgar Allan: Der Untergang des Hauses Usher. Seite 81.
[12] Ebd. Seite 81.
[13] Ebd. Seite 82.
[14] Ebd. Seite 82.
[15] Ebd. Seite 75.
[16] Ebd. Seite 74.
- Arbeit zitieren
- Claudia Sieber (Autor:in), 2005, Wunderbar unheimlich? Über die Zuordnung von Poes „The Fall of the House of Usher“ zur literarischen Gattung des Unheimlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77406
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