Im März 1927 hatten die Streikposten in Shanghai für einen kuren Augenblick der Geschichte die Macht. Im April schlug Tschiang Kai-shek den Aufstand mit seiner Armee nieder. Die Kommunisten hatten damit nicht gerechnet und dazu geraten die Waffen nicht gegen ihn zu erheben. Das war die direkte Konsequenz aus Stalins Politik innerhalb der Kommunistischen Internationale. Diese Arbeit analysiert im ersten Teil die Ereignisse in Shanghai 1927 und im zweiten die Debatten innerhalb des Politbüros in Russland. Insbesondere Leo Trotzki nahm in der Opposition eine Position ein, die eine anderen möglichen Verlauf der Ereignisse andeutet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.A) Die Kommunistische Partei Chinas
1.B) Die Kommunistische Internationale
1.C) Die Kuomintang (KMT)
2. Hauptteil
2.A) Der Aufstand von Shanghai März 1927
2.B) Die Taktik und Rolle der Komintern
3. Fazit
4. Quellenverzeichnis
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 12. April 2007 jährt sich die Niederschlagung des Aufstandes in Shanghai durch Chiang Kai-Shek zum achtzigsten Mal. Dieses Datum fällt in eine Zeit, in der China sich in einer Übergangsphase zum Kapitalismus befindet, wie der letzte Volkskongress bestätigt hat.[1] Dieses Datum fällt in eine Zeit, in der ca. 200 Proteste und Demonstrationen pro Tag in China stattfinden, die teilweise brutal unterdrückt werden - so geschehen in Zhushan.[2] Bei allen Unterschieden des heutigen China gegenüber dem China von 1927, kann die Arbeiterklasse,[3] sowohl weltweit als auch in China, aus ihrer Tradition, ihrer Geschichte und den gemachten Fehlern wichtige Schlussfolgerungen und Hoffnung für die Zukunft ziehen. Die Intention dieser Arbeit ist es, dazu einen äußerst bescheidenen Beitrag zu leisten.
Da die Geschichte Chinas in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein meist unbekanntes Terrain für westliche Historiker ist, wird der Einleitung eine kurze Einführung in die Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas,[4] der Kommunistischen Internationalen[5] und der Kuomintang angefügt. Ziel dieser Arbeit ist es, den Zusammenhang zwischen den Ereignissen in Shanghai 1927 und der Politik der Komintern aufzuzeigen. Wie gezeigt werden wird, trägt insbesondere Stalin die Verantwortung für den Tod tausender Aktivisten und Kommunisten in China. Im ersten Teil dieser Arbeit werden die Ereignisse im März und April 1927 in Shanghai dargestellt, im zweiten werden die Anordnungen der Komintern untersucht und die Debatten innerhalb der KPdSU über die chinesische Revolution angerissen.
Die Taktik der KPCh, beziehungsweise der Komintern 1925 – 1927, war der Gegenstand zahlreicher Untersuchungen[6], obwohl die moderne chinesische Geschichte eher ein Nischenthema in der westlichen Geschichtsschreibung ist. Wie in den Untersuchungen zur russischen Geschichte, vollzog sich in der Literatur ein Wandel, der den Fokus verstärkt auf die Ereignisse in China selbst, statt auf die Debatten innerhalb der Komintern, legte. Jedoch liegen dem überwiegenden Teil der Literatur nur die Dokumente der Komintern zugrunde, deren Archive im Laufe der 90er Jahre geöffnet wurden. Viele chinesische Archive sind bis heute nicht zugänglich gemacht worden, weshalb sich zum Beispiel Steve A. Smith in seinem Buch über Shanghai an chinesischen Quellen nur auf einige Zeitungen sowie auf Polizeiakten Shanghais stützen kann.[7] Dem Autoren dieser Arbeit liegen neben der Forschungsliteratur nur übersetzte und ausgesuchte Dokumente der Komintern sowie einiger sowjetischer Kommunisten vor.
A. Die kommunistische Partei Chinas
Sozialistische Strömungen und Organisationen kamen in China erst am Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Sie wurden maßgeblich von Studenten angeregt, die im Ausland mit sozialistischen Ideen in Berührung kamen.[8] Später waren Studenten und vereinzelte Intellektuelle von der Oktoberrevolution in Russland beeindruckt und fingen an sich mit den bol'sheviki zu beschäftigen. Im Juli 1919 verfasste die Sowjetregierung eine Erklärung an das chinesische Volk, in der sie auf alle Eroberungen des Zarenreiches, die Boxerkontributionen, sämtliche Privilegien und Entschädigungen verzichteten. Die Erklärung wurde nicht nur von Intellektuellen enthusiastisch aufgenommen.[9] Nach einem Besuch Woitinskis, wurde 1920 in Shanghai die erste kommunistische Organisation gegründet. Im Juli 1921 fand der erste Parteitag mit 57 Mitgliedern statt.[10] Der Aufbau war aufgrund der Unerfahrenheit der Mitgliedschaft sehr schwierig. Sie konnten sich nicht auf die Stärken einer sozialdemokratischen Tradition beziehen und nur ein winziger Teil der Schriften Lenins, Marx und Engels waren ins Chinesische übersetzt worden.[11]
Im Jahre 1922 traten auf Initiative des Kominterndelegierten Maring Mitglieder der KPCh der Kuomintang[12] bei, wobei sie fortschrittliche Forderungen der Kuomintang unterstützen wollten, auch wenn diese Arbeit niemals die Eigenständigkeit der KPCh gefährden sollte.[13] Die Partei richtete die Aktivität ihrer 342 Mitglieder, aufgrund eines Rückschlags der Arbeiterbewegung, verstärkt auf die Kuomintang aus.[14] Das änderte sich 1925 mit einem Aufschwung der Bewegung, hervorgerufen durch die Gründung des Allchinesischen Gewerkschaftsbundes mit 540 000 Mitgliedern, Studentenprotesten in Shanghai sowie einem Generalstreik in Hongkong. Die KPCh wuchs von 995 Mitgliedern, wozu 2635 Mitglieder der kommunistischen Jugend zu rechnen sind, im Januar 1925 auf eine Größe von 10 000 Mitgliedern der KPCh und 9000 Mitglieder der Jugend im November 1925 an.[15] Dieser Prozess setzte sich fort bis April 1927, als die KPCh eine Größe von 57 963 Mitglieder und 35 000 Mitglieder der kommunistischen Jugend erreichte.[16]
Die KPCh unterstand einer enormen Kontrolle bzw. Anleitung durch die Komintern. Die Führung der KPCh hatte gerade erst angefangen, sich mit dem Marxismus zu beschäftigen – von der Masse der Mitgliedschaft, trotz ihres Aktivismus, ganz zu schweigen.[17] Doch hatte sie innerhalb kürzester Zeit eine wichtige Rolle innerhalb der großen Politik spielen müssen. Dabei konnte sie eine Menge an Erfahrungen sammeln, wobei sie der Linie aus Moskau zu wenig entgegensetzen konnte, obwohl Kritik vorhanden war. Das explosive Wachstum der KPCh trug außerdem dazu bei, dass zu wenig Zeit blieb, die neuen Mitglieder auszubilden. Zusätzlich war sie aufgrund der stark zentralistischen Struktur der Komintern gezwungen, sich an die kleinsten Beschlüsse zu halten. Deren Einhaltung wurde von Vertretern der Komintern vor Ort überwacht. Die grundlegende Linie wurde ab 1925 in Moskau um so stärker ausgearbeitet.[18]
B. Die Kommunistische Internationale
Die Komintern ging aus der Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung, im Zuge des ersten Weltkrieges, und unter dem Eindruck der Oktoberrevolution in Russland hervor. Formell wurde sie im März 1919 gegründet. Unter der Erwartung, dass in den europäischen Ländern sozialistische Revolutionen unmittelbar bevorstanden, bekam sie eine streng zentralistische Struktur.[19] Als Vorsitzender des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale[20] wurde Sinowjew gewählt.[21] Sie rief dort wo es noch nicht geschehen war dazu auf, kommunistische Parteien zu bilden. Mit dem fünften Weltkongress und der Annahme der 'Theorie des Sozialismus in einem Land', gab sie den Anspruch sozialistische Revolutionen in anderen Ländern durchzuführen auf. Mit der Festigung von Stalins Macht, wurde die Internationale immer mehr das Instrument seiner Außenpolitik und ihre Politik wurde maßgeblich durch ihn bestimmt.[22] Im Jahre 1927 war dieser Prozess nicht abgeschlossen, sondern noch durch politische Kämpfe innerhalb des Politbüros und der Internationalen geprägt. Maßgeblichen Einfluss auf Stalin nach seinem Bruch mit Sinowjew hatte Woitinski, der Vorsitzende des Fern-Östlichen Büros innerhalb des EKKI.[23]
C. Die Kuomintang (KMT)
Die Kuomintang war eine von Sun Yat-sen gegründete Partei, deren erste Vorläufer auf das Jahr 1894 zurückgehen. Ihr Ziel war im wesentlichen ein unabhängiger bürgerlicher Nationalstaat. Dieser war 1911 mit dem Sturz der Mandschu-Dynastie schon greifbar, doch der durch einen Kompromiss mit Sun an die Macht gekommene Präsident Yüan Shih-k'ai schaltete kurze Zeit später das Parlament aus und verbat die KMT.[24] China zerfiel daraufhin in Einflussgebiete regionaler Warlords und koloniale Gebiete westlicher Länder. Die KMT konnte dabei Gebiete im Süden Chinas unter ihre Kontrolle bringen. Nach dem Tode Sun Yat-sens am 12. März 1925[25] hatte sich im November in der KMT ein rechter Flügel gebildet.[26] Chiang Kai-shek, Mitglied der KMT, konnte im März durch einen Staatsstreich unumschränkter Herrscher in Kanton werden. Er wurde kurze Zeit später Führer des Nordfeldzuges der KMT.[27] Ende des Jahres 1926 vollzog sich faktisch die Spaltung der Partei zwischen der National-revolutionären Armee[28] auf der einen Seite und der Nationalregierung in Wuhan auf der anderen.[29] Die Komintern und die KPCh hatte diese Spaltung unterschätzt und versuchte bis April 1927 es zu keinen Bruch mit dem Flügel um Chiang Kai-shek kommen zu lassen. Die Mitgliedschaft, als auch die politische Ausrichtung der KMT war von Anfang an sehr weit gestreut. In ihr organisierten sich Kaufleute, Großgrundbesitzer, Akademiker, Studenten sowie Arbeiter aus allen Bereichen und auch einige Bauern.[30]
2. Hauptteil
A. Der Aufstand in Shanghai März 1927
Sowohl die Arbeiterklasse als auch die KPCh konnte sich in Shanghai auf eine Reihe von Erfahrungen in ökonomischen und bewaffneten Kämpfen stützen. Im 'langen heißen Sommer' von 1926 kam es zu einer langen Kette von Streikmaßnahmen - allein im Juni mit 69 556 Streikenden in 107 Betrieben. Auslöser der Streiks war der Anstieg des Preises für Reis.[31] Im Oktober 1926 kam es zum so genannten 'ersten bewaffneten Aufstand',[32] gefolgt von einem Generalstreik im Februar 1927, der sich in einen zweiten bewaffneten Aufstand verwandelte.[33] In dieser Zeit sammelten die Arbeiter enorme Erfahrungen und, um sich zu schützen, bildeten sie ständige Streikposten, die aus Mangel an Waffen nicht in eine Miliz umgewandelt werden konnten.[34] Der Gewerkschaftsbund vereinigte in Shanghai 187 Gewerkschaften mit 76 000 Mitgliedern, obwohl er illegal war.[35] Durch den Aufstand konnte er bis zum 27. März auf 821,280 Mitglieder in 502 Gewerkschaften allein in Shanghai anwachsen.[36] Die KPCh konnte ihre Mitgliedschaft in Shanghai von 3856 am 4. März 1927 auf 8374 am 4. April mehr als verdoppeln. Die KMT vergrößerte sich sogar von 2700 im Januar auf 16 000 im April 1927.[37] Das zeigt den großen Einfluss, den diese Organisationen entfalten konnten und wie weit ihre Politik wahrgenommen wurde.
[...]
[1] Spiegel Online, Volkskongress. China schützt Privateigentum, 16.03.2007, http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,472051,00.html [letzter Zugriff 20.03.2007].
[2] Bei Massenprotesten gegen die Erhöhung von Fahrpreisen wurde ein Student getötet und viele weitere Demonstranten verletzt. James Reynolds, Reporting Protest in Rural China, BBC-News, 16.03.2007, http://news.bbc.co.uk/2/hi/asia-pacific/6458565.stm [letzter Zugriff 20.03.2007].
[3] In dieser Arbeit wird stellenweise marxistische Terminologie verwendet. Zur Begriffsklärung empfiehlt sich Konrad Lotter, Reinhard Meiners, Elmar Treptow, Das Marx-Engels-Lexikon. Begriffe von Abstraktion bis Zirkulation, Köln 2006.
[4] Folgend als KPCh abgekürzt.
[5] Folgend als Komintern abgekürzt.
[6] Vgl. Alexander Pantsov, The Bolsheviks and the Chinese Revolution 1919 – 1927, Richmond 2000, 1. [folgend zitiert als Pantsov, Bolsheviks]
[7] Steve A. Smith, A Road is Made. Communism in Shanghai 1919 – 1927. Richmond 2000, 284.
[8] Vgl. Peter Cardorff, Über den Charakter der chinesischen Revolution und der KP Chinas, Frankfurt a.M. 1978, 39. [folgend zitiert als Cardorff, chinesische Revolution]
[9] Vgl. G ünther Kleinknecht, Die kommunistische Taktik in China 1921 – 1927, Köln/Wien 1980, 102. [folgend zitiert als Kleinknecht, kommunistische Taktik].
[10] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 41-42.
[11] Vgl. Pantsov, Bolsheviks, 25-32 und Cardorff, chinesische Revolution, 47.
[12] folgend als KMT agekürzt.
[13] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 48-49.
[14] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 50.
[15] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 56-57.
[16] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 63.
[17] Vgl. Smith, A Road is Made, 171.
[18] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 54.
[19] Vgl. Kleinknecht, kommunistische Taktik, 47.
[20] folgend als EKKI abgekürzt.
[21] Vgl. Helene Carrere d'Encausse, Lenin, München 2000, 361.
[22] Vgl. Alexander Pantsov, Stalins Policy in China, 1925-1927. New Light from Russian Archives. In: Issues&Studies 34, 1998, 129-160, 130. [folgend zitiert als Pantsov, Stalins Policy].
[23] Vgl. Pantsov, Bolsheviks, 84.
[24] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 21-23.
[25] Trotzki ehrte ihn an seinem ersten Todestag als „großen Chinesen und Revolutionär [...] Führer und getreues Abbild einer unvollendeten Revolution.“ Trotzki, Schriften, 2.1., 85.
[26] Vgl. Kleinknecht, kommunistische Taktik, 234.
[27] Vgl. Cardorff, chinesische Revolution, 57-60.
[28] folgend abgekürzt als NRA.
[29] Vgl. M. Leutner / M. L. Titarenko u.a. (Hrsg.), KPdSU(B). Komintern und die national-revolutionäre Bewegung in China: Dokumente. Bd. 2. Münster 1998, 721. [Einleitung zur Teil 3, folgend abgekürzt als Komintern, Dokumente].
[30] Vgl. Smith, A Road is Made, 171 und Cardorff, chinesische Revolution, 59.
[31] Vgl. Smith, A Road is Made, 135.
[32] Vgl. Smith, A Road is Made, 147-150.
[33] Vgl. Kleinknecht, kommunistische Taktik, 232.
[34] Vgl. Smith, A Road is Made, 157.
[35] Vgl. Smith, A Road is Made, 153.
[36] Vgl. Smith, A Road is Made, 186.
[37] Vgl. Smith, A Road is Made, 168-170.
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