"Geht es um geistige Raffinesse und Ironie oder um das Training bestimmter Muskeln?" (Max Goldt)
Ob man die Texte Max Goldts nun als „Chronik alltäglicher Verrücktheiten“ oder humoristisches Sprachspiel betrachtet – der „Eigensinn und allegorische Ernst seiner Schnappschüsse absurder Zivilisationsdetails“ (Johannes Ullmaier) erscheint in einer solchen Deutung verkürzt. Hubert Winkels würde sagen: „Leicht kann sie [die Literatur] daher kommen, aber leicht kann sie nicht gemacht sein.“
Ich möchte darum fragen, inwiefern abseits jeglicher Schenkelklopfer-Qualitäten eine ernsthafte künstlerisch-methodische Arbeit hinter dem Sprachwitz in seinen Essays steht, insbesondere im Hinblick auf die Ästhetik der Themen ‚Werbung’ und ‚Wareninszenierung’. Genauer möchte ich mich der Frage widmen, wie sich durch die inhaltliche Aufnahme von Waren und Werbung – sowie durch die formale Darstellung dieser Inhalte – in seinen Texten eine Ästhetik entfaltet.
Klar ist: Max Goldt archiviert Alltagskultur und überwacht den Sprachraum. Seine Beschreibungen pop- wie hochkultureller Inhalte weisen das Merkmal einer „doppelten Ästhetik“ (Heinz J. Drügh) auf.
Im Laufe meiner Analyse werde ich die semantische Dichte dieser Texte überprüfen, und in Kombination mit Überlegungen von u. a. Moritz Baßler, Jean-François Lyotard, Jean Baudrillard, Leslie Fiedler, Wolfgang Fritz Haug, Hubert Winkels, Viktor Sklovskij und Michail M. Bachtin meiner Eingangsfrage nachgehen. Letztlich wird es darum gehen, welche Wirkung einzelne von Goldt angewandte Verfahren auf die ästhetische Anmutung des Textes haben, und inwiefern dieser demnach als Ganzes ästhetisch erscheinen kann.
Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG
II. HAUPTTEIL
1. Basics: Goldts ‚Reden über’
2. Assoziativität: Assoziative Struktur und semantische Dichte
3. Aneignung von Werbesprache und Wareninszenierung
3.1 Parodisierende Aneignung durch Nachahmung und ironische Brechung
3.2 Stilparodie und Kontrastierung von Sprachstilen zur Erzeugung von Spannung
4. Goldts Intention: Sprachkritik – und es besser machen
5. ‚Was haben wir gelacht’ – Oder ernsthaft: Die (ästhetische) Wirkung der einzelnen Verfahren und des Textes als Ganzem
III. SCHLUSS
IV. LITERATUR
I. EINLEITUNG
Ob man die Texte Max Goldts nun als „Chronik alltäglicher Verrücktheiten“ oder humo-ristisches Sprachspiel betrachtet – der „Eigensinn und allegorische Ernst seiner Schnapp-schüsse absurder Zivilisationsdetails“ erscheint in einer solchen Deutung verkürzt.[1] Hubert Winkels würde sagen: „Leicht kann sie [die Literatur] daher kommen, aber leicht kann sie nicht gemacht sein.“[2]
Ich möchte darum fragen, inwiefern ernsthafte künstlerisch-methodische Arbeit hinter dem Sprachwitz in seinen Essays[3] steht, insbesondere im Hinblick auf die Ästhetik der Themen ‚Werbung’ und ‚Wareninszenierung’. Genauer möchte ich mich innerhalb dieses Themas der Frage widmen, wie sich durch die inhaltliche Aufnahme von Waren und Werbung – sowie durch die formale Darstellung dieser Inhalte – in Goldts Texten eine Ästhetik entfaltet.[4] Dabei gehe ich von der These aus, dass durch verschiedene Formen der sprachlichen Aneignung gewisse semiotische Qualitäten in den Text eingehen und zudem durch die Gegenüberstellung von einerseits Werbesprache und andererseits Literatursprache, sowie diverse Wortspiele und andere rhetorische Stilmittel, eine ästhetisch produktive Spannung entsteht. Ich stütze mich dabei auf einen semiotischen Kulturbegriff und begreife Ästhetik als umfassende Theorie der sinnlichen Wahrnehmung (Aisthesis).
Zur Beantwortung der Eingangsfrage sowie der Überprüfung meiner Thesen sollen einige Textpassagen aus diversen Essays in akribischer Lektüre untersucht werden. Die Basis meiner Überlegungen bilden Annahmen von Moritz Baßler zum spezifischen Stil Goldtschen Schreibens. Das begriffliche Rüstzeug für die Analyse in Abschnitt 2 entlehne ich Peter Blumenthal, vor allem konkrete Analysekategorien und Ideen zur semantischen Dichte. Diese methodischen und konzeptuellen Grundlagen werden im Laufe der Untersuchung erläuternd eingearbeitet.
An den Rändern des Textes versuche ich eventuellen Verweisen in ihren kulturellen Kontext zu folgen, um so bedeutungsvolle Zusammenhänge nachzuzeichnen. Eine solche Vorgehensweise wird durch den spezifischen Betrachtungsgegenstand geradezu gefordert, wie im Verlauf dieser Arbeit deutlich werden wird. Ich werde also vom konkreten Wortmaterial und dessen Analyse ausgehen, um zu Sinn deutenden Interpretationen zu gelangen. Umgekehrt werde ich im Laufe der Untersuchung entwickelte Hypothesen wiederum am Wortmaterial zu überprüfen suchen, weshalb auf formaler Ebene dieser Arbeit analytische und hermeneutische Passagen alternieren werden.
Eine untergeordnete Relevanz kommt dem humoristischen Aspekt in Goldts Essays zu, der gemeinhin in der Besprechung seiner Literatur das Zentrum der Aufmerksamkeit bildet. Gleichwohl werden sich auch hier relevante Einflüsse auf die Ästhetik seiner Texte ausmachen lassen.
Klar ist: Max Goldt archiviert Alltagskultur und überwacht den Sprachraum. Seine Beschreibungen weisen das Merkmal einer „doppelten Ästhetik“[5] auf. Während Moritz Baßler allerdings die dokumentarische Seite daran interessiert, möchte ich mich vornehmlich mit der anderen, nämlich poetologischen Qualität seiner Verfahren im Hinblick auf ihre ästhetische Effizienz befassen.
Welche Wirkung die einzelnen Verfahren letztlich auf die ästhetische Anmutung des Textes haben, und inwiefern dieser demnach als Ganzes ästhetisch erscheinen kann, werde ich anhand der Überlegungen von Michail M. Bachtin erwägen.
II. HAUPTTEIL
1. Basics: Goldts ‚Reden über’
Beginnen wir mit den Bedingungen der Goldtschen Schreibspezifik. Goldts ‚Reden über’, das die Basis seines Schreibens darstellt, beruht auf den Tätigkeiten des Sammelns und Generierens.[6] Damit der Text gelingt, ist die Kenntnis des kulturellen Paradigmas unabdingbar – sonst geht (nicht nur) der Witz nach hinten los. Denn „an der intersubjektiven Plausibilität seiner Paradigmen hängt das ästhetische Gelingen des [Goldtschen] Textes.“[7]
Mit dem Wissen darum bezieht Goldt seine Informationen über Werbung und Waren aus der Lebenswelt, die ihn umgibt – höchstwahrscheinlich aus Werbesendungen, der aufmerksamen Wahrnehmung von Einkaufsregalen in Supermärkten und den obligatorischen ‚O-Tönen von der Straße’. Er legt sich sozusagen qua Feldforschung im Alltag einen enzyklopädischen Vorrat der Merkmale von Werbung und Wareninszenierungen als kulturelle Elemente an. Die erworbene Kenntnis der kulturellen (und sprachlichen) Regeln von Wareninszenierung und Werbesemiotik, machen es ihm möglich, in seiner Literatur Serien, Dialoge und sprachliche Bilder zu generieren, die „echt kling[en]“.[8]
Das, was Baßler für die „Superzeichen“[9] aus der Waren- und Werbewelt als Teil unseres kulturellen Wissenshintergrundes bei Benjamin von Stuckrad-Barre beobachtet, gilt ebenso in der Literatur Goldts:[10] Die Besonderheit der kulturellen Elemente aus dem Bereich ‚Waren und Werbung’ zeigt sich darin, dass sie als überhöhte Zeichen bereits selbst daraufhin konstruiert sind, viele Bedeutungen in sich zu tragen. So, wie das Wort ‚Chips-Partytüten’ bei Stuckrad-Barre dank Werbespot den Gedanken an das zwanghaft gut gelaunte Vernaschen der Chips im biederen Freundeskreis mitträgt, haftet dem Wort ‚Wüstenrot-Idylle’ bei Goldt die werbe-semiotische Konnotation von einer glücklichen Familie vor dem neuen Eigenheim an.[11] Das Superzeichen ‚Wüstenrot’ ist als Element unserer medial und werbegeprägten Alltagskultur ohnehin bereits kultursemiotisch aufgeladen. Worauf es in dieser Hinsicht aber ankommt, ist, dass es als Inhalt der Werbung explizit auf semantische Dichte hin konzipiert ist und somit eine eigene ästhetische Qualität in sich trägt. Diese zeigt sich hier im gedanklichen Bild, das analog zur Darstellung im Werbespot entsteht, und in dem die Situation in ihrer idyllischen ‚Schönheit’ exponiert ist. Das ideale Eigenheim samt glücklicher Ideal-Familie davor und der damit gedanklich verbundenen Sicherheit sowie der Gewissheit, das gesellschaftliche Ziel (guter Job – tolle Familie – super Eigenheim) erreicht zu haben, weckt Begehrlichkeiten.[12]
Wie nebenbei gelangen durch ihre Thematisierung nicht nur die Gegenstände selbst, sondern auch die ihnen anhaftenden und teilweise von der Werbung ästhetisch inszenierten Konnotationen in den Text. Dies wird besonders deutlich in folgendem Beispiel, in dem das Design eines Staubsaugers, der Dank innovativer Technologie ohne Staubbeutel auskommt, und seine ästhetische Wirkung auf den Erzähler inhaltlich gleich mitreflektiert werden. Das futuristische Design des Produkts spricht für sich: „Das Gerät sah herrlich aus.“[13] Seine ästhetische Anmutung erinnert den Sprecher – wenn auch nur schwach – an die Urkrebse „ Triops “ und den interaktiven Roboterhund „ Aibo “, als er das erste Mal „die Staubsaugerbilder in den Zeitschriften bestaunt“.[14]
Die unendliche Saugkraft versprechende „grau-gelbe Designpreziose“ weckt das Begehren des Konsumenten, dem der „DYSON DC 02 mit dual cyclone technoloy “ einen ästhetischen Mehrwert verspricht. Und dies nur sekundär, weil sein Design und die technischen Daten ein besseres Reinigungsergebnis verheißen. Wichtiger ist, dass zur akustisch ästhetischen Er-fahrung der Schmutzbeseitigung („Ich liebe das knisternde Geräusch, wenn Krümel und kleine Steinchen das metallene Rohr hinauffliegen.“) eine optische Komponente tritt: Das dank überflüssig gewordenem Staubbeutel und Plexiglas nun auch sichtbare Reinigungsergebnis stellt den eingesaugten Schmutz geradezu wieder aus, wie in einem Schaufenster. Zuvor lediglich „graue[s] Gewölle“, wird das Eingesaugte in der – per Transparenz quasi verdop-pelten ästhetischen Handlung des Reinigens des edlen „persischen Handwerks“ – zu „ kosmische[m] Prachtschmutz“ befördert, der als „Ernte“ eingefahren wird. Als Beute des Konsumenten, wird es zur stolz hergezeigten Ware. Die ästhetische Qualität des Gerätes geht auf den damit in Berührung gekommenen Schmutz über „wie eine gelungene Wertschöpfung“. Der Staubsauger entpuppt sich somit tatsächlich als „Wunderding“, sozusagen als goldener Esel im Aibo-Gewand.
2. Assoziativität: Assoziative Struktur und semantische Dichte
Die Essays von Max Goldt sind durch eine große Vielzahl solcher Superzeichen und sich daraus entwickelnder Themen gekennzeichnet. Er selbst spricht in Interviews immer wieder von der „Polythematik“ seiner Texte.[15] Sie ist es, die das inhaltliche Wesen seiner Essays ausmacht – dass sie randvoll sind mit Beobachtungen aus dem Alltag, gespickt mit Verweisen und Seitenhieben in alle kontextuellen Richtungen. Daraus scheint sich auch die rein assoziative Verknüpfung der Gedanken zu ergeben. Lange, kunstvolle Überleitungen von einem Themenkomplex zum nächsten bleiben aus. Die Ablösung erfolgt abrupt, die Themen wechseln schnell. Innerhalb von 114 Wörtern schafft es Goldt, von einem vermeintlichen Kompliment („Haut wie ein Pfirsich“) zu dessen Gegenteil, oder besser: der Betonung von dessen Phrasenhaftigkeit („wie ein Dosenpfirsich“), dann über Käsebrote zu absurden philosophischen Überlegungen („was es alles nicht gibt und was es vielleicht niemals geben wird“) zum Musikgeschäft und dessen Einfallslosigkeit zu kommen.[16]
Da drängt sich unweigerlich die Frage auf: Wie schafft es Goldt, dass der Text trotz all dem Disparaten, das sich darin sammelt, nicht in seine einzelnen Themen zerfällt – wo diese doch ‚nur’ assoziativ miteinander verknüpft sind? Denn die Darstellung ästhetisch inszenierter Inhalte – sowie die Nutzung dieser Energien für den Text – würde letztlich ins Leere laufen, wenn es dem Autor nicht gelänge, die einzelnen Themen zu einem stimmigen, kohärenten Ganzen zusammenzufügen. Betrachten wir also die Verknüpfungen im Text genauer.
Auf den ersten Blick scheinen sie nur oberflächlicher Art zu sein. Besonders augenscheinlich sind hier, auf der Ebene der druckschwarz manifesten Zeichen – die Verknüpfungen von einem Wort mit einem anderen desselben Wortstamms, oder mit einem Kompositum, dass dieses Wort enthält: „Unablässig werden neue Varianten lanciert, nie aber hört man davon, dass eines dieser Formate wieder vom Markt verschwindet. | Das liegt daran, dass der Ver-marktungs stop eines Produktes nicht vermarktet wird.“[17]
Goldt verwendet Verfahren der Repetition häufig, um über einen thematischen Bruch, der meist durch einen Absatz markiert ist, auf der Oberfläche des Textes hinweg zu ‚gleiten’: „Schauspielern – das tun Amateure. Echte Schauspieler spielen. | Ich spiele ebenfalls, und zwar mit dem Gedanken, meinesteils unter die Buchautoren zu gehen.“[18] Hier als Figura etymologica realisiert, wird das im neuen Absatz wiederholte ‚spielen’ durch sein Einge-bundensein in eine Redewendung zum Homonym. Die assoziativ aufeinander folgenden Gedanken sind hier zusätzlich mittels Kolligation über die Absätze hinweg verbunden.[19] An dieser Stelle lohnt ein Ausflug in die Linguistik, weil sich Assoziativität einerseits im Text als assoziative Struktur niederschlägt, andererseits aber auch bedeutet, dass im Leser durch bestimmte Worte und Wortverbindungen gedankliche Bilder hervorgerufen werden.[20] Analysierbar ist beides nur auf Textebene, weshalb hier eine akribische Lektüre notwendig wird.[21]
Meiner Untersuchung einzelner Textstellen liegt die Annahme zu Grunde, „dass bei der Konstituierung der Redebedeutung eines Zeichens nicht alle [Neben-] Assoziationen wieder beiseite geschoben werden, sondern dass im Gegenteil eine oder mehrere von ihnen sogar ins Bewusstsein treten.“[22] Dies geschieht einmal auf paradigmatischer Ebene, wo unter dem Oberbegriff der Tropen – vor allem Metapher und Metonymie – das ersetzte Wort und seine Bedeutung ins Bewusstsein des Rezipienten gelangen, obwohl es nicht im Text realisiert ist, und zudem auf syntagmatischer Ebene, wo sich die Relationen als Verhältnisse von Opposi-tion, Ähnlichkeit und Kontiguität identifizieren lassen. So wird ‚süß’ mit ‚salzig’ assoziiert, ‚Weltkugel’ mit ‚Globus’ und ‚Tisch’ mit ‚Stuhl’.[23] Assoziationen sind als solche nicht erfassbar, sondern nur auf der Ebene ihrer Realisierung, als semantische Relationen im Text.[24] Diese „bilden auf der syntagmatischen und der paradigmatischen Achse die sprachlichen Voraussetzungen für Assoziationen und damit für die Entstehung semantischer Dichte.“[25]
Kommen wir mit diesem Wissen zurück zur Passage des bereits zitierten Design-Staub-saugers:[26] Die Verweise auf die Assoziationen des Sprechers („ Triops“, „Aibo“) sind offen-sichtlich nur der Funktion geschuldet, den Text im Ganzen zusammen zu halten und zugleich dessen semantische Dichte zu erhöhen. So ruft „ Aibo “ als Metapher die zuvor medienkulturell gesetzte Assoziation von futuristischer Technik und glatten, metallisch-matt glänzenden Oberflächen hervor, die sich mit dem Bild, das sich allmählich von der „grau-gelben Designpreziose“ in der Vorstellung des Lesers formt, verbindet. Über die sachliche Ähnlichkeit als jeweils technisches Ding legt sich in der Verschmelzung beider die im Text realisierte Ähnlichkeitsverbindung. Die anonyme Firma aus Japan wird ohne Zögern vom Leser als „Sony“ ergänzt, ohne im Text realisiert zu sein.[27] Essentiell für die besondere Verknüpfung, sogar über die gesamte Länge des Textes, ist aber nicht der Roboterhund, es sind die Urkrebse. Und zwar, weil sie in einen hochgradig komplexes Netz von Verweisen eingewoben sind, das sich durch den gesamten Text spinnt: Sie stehen über sachliche und sprachliche Kontiguität mit dem „Gurkenglas“-Aquarium (108) in Verbindung, welches qua Ähnlichkeit mit „Goldfischglas“ in der Überschrift und dessen Wiederholung im Text korreliert. Über den dort jeweils realisierten Wortteil stehen beide Elemente auch in latenter Verbindung zu „Glas“ bzw. „Glas Saft“ (104). Dieses verknüpft sich über sachliche und gleichzeitig sprachliche Kontiguität mit „Geschirrspülmaschine“, was über „Meeresrauschen“ und „Meeresbrandung“ wieder an „Urkrebse“ (als Wasser- bzw. Meeresbewohner) denken lässt. Des Weiteren besteht eine Beziehung zu (üblicher Weise an Meeresufern gebauten) „Kurmuscheln“, einmal über „Meeresrauschen“, zudem über die sachliche Kontiguität von „Urkrebse“ und „Muschel“, und somit schlussendlich zu „Muschel“ (des Telefonhörers) am Ende des Textes (110).[28]
[...]
[1] Johannes Ullmaier: Von Acid nach Adlon. Eine Reise durch die deutschsprachige Popliteratur, Mainz 2001, S. 91.
[2] Hubert Winkels: Grenzgänger. Neue deutsche Pop-Literatur, in: Sinn und Form, 51. Jg. Heft4/1999, Berlin 1999, S. 586.
[3] Ich verwende im Folgenden ‚Essay’ oder schlicht ‚Text’, da weder ‚Alltagsbeobachtung’ (im kulturwissen-schaftlichen Sinn eine minutiöse Beschreibung mit anschließender Deutung) noch ‚Kolumne’ als Bezeichnung (lediglich eine Sparte in einer Zeitung, mit beliebigem Inhalt) treffend erscheinen.
[4] Wareninszenierung und Werbesprache unterscheiden sich natürlich von der Ware selbst in der Art, wie Goldt sie als Superzeichen für die eigene poetische Funktion des Textes nutzt. Im Rahmen dieser Arbeit stehen die Inszenierung von Waren sowie die Werbesprache im Mittelpunkt, nicht die Waren selbst. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Werbesprache insofern eine Sonderstellung einnimmt, als es sich bei ihrer Verarbeitung im Text um eine Verdopplung des Gesagten handelt – im Essay also um die Bewertung einer schon außerhalb des Textes stehenden (sprachlich ausgedrückten) Bewertung.
[5] Heinz J. Drügh: Schlussbemerkung: Die Kinder des Kutschers. Literarische Beschreibung in Post- oder Pop-moderne, in: Ästhetik der Beschreibung, Poetische und kulturelle Energie deskriptiver Texte 1700-2000, Tübingen 2006, S. 410-421, siehe S. 417.
[6] Das Sammeln im „profanen Raum“ spiegelt sich im Anlegen von Listen im literarischen Text wieder. Unter Generieren ist die Rekonstruktion kultureller Paradigmen in Form narrativer Routinen zu verstehen. Vgl. Moritz Baßler: Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten, S. 95-97. Ich verwende die Begriffe Paradigma und Syntagma in dieser Arbeit mit unterschiedlichen Besetzungen. Besonders in Abschnitt 2 gebrauche ich ‚Paradigma’ im linguistischen Sinne. Sonst heißt es in Anlehnung an Baßler explizit ‚kulturelles Paradigma’.
[7] Ebd., S. 104.
[8] Interview mit dem Magazin Live! Unter: http://home.snafu.de/think/goldt/presse/max0100.htm (letzter Zugriff: 04.07.2006). Dies kann man von den fiktiven Dialogen auch auf andere Konstruktionen in Goldts Texten übertragen. Zur kultur-enzyklopädischen Arbeitsweise Goldts siehe Baßler: Der deutsche Pop-Roman, S. 95-97.
[9] Wofgang F. Haug: Warenästhetik und kapitalistische Massenkultur (I): ‚Werbung’ und ‚Konsum’. System-atische Einführung in die Warenästhetik, Berlin 1980, S. 182. Mit Superzeichen benennt Haug – im Rückgriff auf Roland Barthes ‚mythische Zeichen’, wie er sie in seinen ‚Mythen des Alltags’ entwickelt – die komplexen Zeichen der Werbung, die eine Ware mit einem Versprechen verbinden, z. B.: wer den Sekt von Freixenet trinkt, ist ein feuriger Liebhaber. Eine bereits etablierte Verknüpfung von Siginfikat und Signifikant, z. B. das Bild einer Sektflasche, wird dabei mit einer weiteren, neuen Bedeutung unterlegt, z. B. einer leidenschaftlichen Nacht. Das Warenbild wird hierbei zum Superzeichen für das, was allgemein erstrebenswert in der Gesellschaft gilt. Vgl. Roland Barthes: Mythen des Alltags, dt. von Helmut Scheffel, 1.-7. Tsd., Frankfurt a. M. 1964.
[10] Vgl. Baßler: Der deutsche Pop-Roman, S. 105.
[11] Max Goldt: Der heile Krug, In: Der Krapfen auf dem Sims, 3. Aufl., Reinbek 2003, S. 114. Ich verwende ‚Konnotation’ im weiteren linguistischen Sinn als Mit-Bezeichnetes bzw. assoziative (Neben-)Bedeutung.
[12] Vgl. Haug: Warenästhetik und kapitalistische Massenkultur, S. 182.
[13] Vgl. Max Goldt: Ich zog ein elektronisches Goldfischglas hinter mir her, in dem ein Wetter herrschte wie auf der Venus, in: Der Krapfen auf dem Sims, 3. Aufl., Reinbek 2003, S. 102 – 110, hier und im Folgenden siehe S. 106 – 108.
[14] In Abschnitt 2 wird es gezielt um die ausgelösten Assoziationen dieser beiden Elemente gehen.
[15] Vgl. Interview mit der Zeitung Jungle World. Unter: http://home.snafu.de/think/goldt/presse/max040204.htm (letzter Zugriff: 04.07.2006).
[16] Vgl. Max Goldt: Besser als Halme: Blutmagen, grob, in: Ä, 4. Aufl., Reinbek 2005, S. 7-15, siehe S. 8.
[17] Goldt: Der Heile Krug, S. 114. Hervorhebung TK. Zudem wird durch den ostentativen Gebrauch des Wortes ‚Markt’ die Zyklik der ökonomischen Werbedynamik angesprochen: Alles dreht sich um den Absatz der Ware am Markt. Dieser ist nicht nur der Ort, an dem jedwedes Angebot und jede Nachfrage zusammenfinden, sondern auch einziger Bezugspunkt der werbewirtschaftlichen Denke.
[18] Goldt: Besser als Halme, S. 11. Hervorhebung durch Unterstreichen TK, da ‚spielen’ bereits im Text kursiv gesetzt ist.
[19] Linguistisch lassen sich beide Fälle den syntagmatischen semantischen Relationen zuordnen. Wobei erster einen verhältnismäßig banalen Grenzfall von Ähnlichkeit darstellt. Vgl. Peter Blumenthal: Semantische Dichte. Assoziativität in Poesie und Werbesprache, Tübingen 1983, S. 60.
[20] Assoziationen werden zwar „um so individueller und zufälliger […], je weiter die Assoziationskette fort-schreitet“, aber aufgrund empirischer Befunde darf man von einer gewissen Kollektivität von Assoziationen innerhalb einer Sprach- (und Kultur-) Gemeinschaft ausgehen. Vgl. ebd. S. 6 f.
[21] Auch Michail M. Bachtin fordert von einer ästhetischen Analyse – was diese Arbeit zumindest in Ansätzen und unter anderem auch sein möchte – zunächst die linguistische Analyse ohne Blick auf die ästhetische Wahr-nehmung. Vgl. Michail M. Bachtin: Die Ästhetik des Wortes, hg. von Rainer Grübel, Frankfurt a. M. 1979, S. 104.
[22] Blumenthal: Semantische Dichte, S. 5.
[23] Vgl. ebd., S. 12.
[24] Sie bezeichnen eine Art Sinnüberschuss, Bedeutungen, die, im Gegensatz zu syntaktisch-semantischen Rela-tionen, für das Zustandekommen sinnvoller Sätze nicht unabdingbar sind. Vgl. ebd., S. 8-10.
[25] Blumenthal: Semantische Dichte, S. 9. Für eine detaillierte Typologie semantischer Relationen siehe ebd., S. 15-94.
[26] Goldt: Ich zog ein Goldfischglas hinter mir her, vgl. im Folgenden S. 107-109.
[27] Sogar die Vermeidung des Firmennamens stellt also eine syntagmatische (sachliche) Kontiguität her, die aller-dings nur zustande kommt, wenn man als Leser den kulturellen Hintergrund kennt.
[28] Genau genommen bündelt sich alles im Motiv des Staubsaugers, da ja die Urkrebse selbst als vom Sprecher thematisierte Assoziation auch auf ihn verweisen.
- Arbeit zitieren
- Tanja Alexandra Küchle (Autor:in), 2006, Kosmischer Prachtschmutz - Zur ästhetischen Qualität von Max Goldts Schreibspezifik am Beispiel von Werbung und Wareninszenierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76983
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