Wie ein roter Faden ziehen sich zwei erzieherische Grundanliegen durch die wesentlichen Dokumente, in denen der Freistaat Bayern das Bildungswesen regelt: Die Erziehung zu kritischem Denken einerseits, die Erziehung zur Nächstenliebe andererseits. Dabei wird das Bestreben erkennbar, diese beiden Anliegen in der Grundspannung, in der sie in der Praxis zueinander stehen, nicht gegeneinander auszuspielen, sondern gleichermaßen zu verwirklichen.
In dem Artikel legt der Autor dar, warum Humor im Sinne dieses Bestrebens besser als oberstes Bildungsziel geeignet ist als die nach wie vor als solches festgeschriebene "Ehrfurcht vor Gott".
Frank Schulze
Humor als oberstes Bildungsziel
Plädoyer für eine Änderung der Bayerischen Verfassung
Wie ein roter Faden ziehen sich zwei erzieherische Grundanliegen durch die wesentlichen Dokumente, in denen der Freistaat Bayern das Bildungswesen regelt[1]: Die Erziehung zu kritischem Denken einerseits, die Erziehung zur Nächstenliebe[2] andererseits. Dabei wird das Bestreben erkennbar, diese beiden Anliegen in der zumindest vermeintlichen Grundspannung, in der sie zueinander stehen, nicht gegeneinander auszuspielen, sondern gleichermaßen zu verwirklichen. Und das ist im Kern ohne Einschränkung zu begrüßen. Denn die Zukunft der sich globalisierenden Menschheit wird wohl unter anderem davon abhängen, ob die beiden Prinzipien der vorbedingungslosen Anerkennung des Anderen und der frei artikulierbaren Kritik im konkreten Umgang miteinander – von der zwischenstaatlichen bis zur individuellen Ebene – in eine vernünftige Balance gebracht werden können.
Angesichts dessen stellt sich jedoch die Frage, warum dieser fundamental wichtige Aspekt nicht endlich auch explizit den Verfassungsrang erhält, den er immanent schon genießt und den er verdient. Ob dies noch nicht geschehen ist, weil niemand die Festschreibung der Ehrfurcht vor Gott als erstem der obersten Bildungsziele in der Bayerischen Verfassung (Artikel 131, Abs. 2) antasten will oder kann, oder weil einfach der Begriff fehlt, auf den man diesen Aspekt bringen kann, soll hier nicht weiter thematisiert werden – hierzu kann sich jeder sein eigenes Bild machen. Mit einem philosophisch und pädagogisch fundierten Humorbegriff soll jedoch ein solcher Begriff, der die Ehrfurcht vor Gott als oberstes Bildungsziel in diesem Sinne ablösen könnte bzw. sollte, vorgeschlagen und kurz erläutert werden. Zunächst jedoch zur Frage, warum die bestehende Verfassung überhaupt geändert werden sollte.
Die Festschreibung der Ehrfurcht vor Gott als höchstem Bildungsziel ist ihrer primären Intention nach völlig verständlich und ehrenwert. Denn unter dem noch frischen Eindruck des Grauens, das vom Dritten Reich ausgegangen war, wurde 1946 die Bayerische Verfassung verabschiedet „in dem festen Entschluß, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechts dauernd zu sichern“, wie es in der Präambel heißt. Gleich im ersten Satz der Präambel wird jedoch formuliert, dies geschehe „angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott [...] geführt hat“.
Die Menschenwürde wird zwar – wie auch in der Aufzählung der obersten Bildungsziele – ebenfalls genannt, allerdings erst in der Folge bzw. als Folge. Vor diesem Hintergrund läßt sich also ohne Übertreibung sagen, daß hier der leider auch heute noch verbreitete, aber fatale Irrtum manifestiert wird, eine Moral bräuchte eine metaphysische oder religiöse Begründung. Die Überwindung dieses Irrglaubens ist mehr als überfällig – zumal heute klar ersichtlich sein sollte, daß „wahrer Glaube“ nicht nur nicht vor Unmenschlichkeit schützt, sondern diese oft erst legitimiert. Ob dies „mißbräuchlich“ geschieht oder nicht, ist in diesem Zusammenhang vollkommen gleichgültig. Alleine die „Kriminalgeschichte“ (Deschner) des Christentums und der islamistische Terror unserer Tage sprechen hier schon Bände. Da es immer die Un menschlichkeit, niemals aber die Un gläubigkeit ist, die zu solchen Exzessen wie dem Holocaust führt, muß endlich eine Ethik Platz greifen, deren höchste Maxime bereits Feuerbach formulierte: Tu das Gute um des Menschen willen !
[...]
[1] An erster Stelle müssen hier genannt werden: Artikel 131 der Bayerischen Verfassung, Gesamtkonzept zur politischen Bildung (1991), Rahmenplan für das Fach Sozialkunde (weil bedeutsam für die politische Bildung).
[2] Die christlichen Implikationen dieses Begriffes sollen hier unberücksichtigt bleiben. Es geht im Kern um eine Art „Grundhumanität“. Anders formuliert: um vorbehaltlose Anerkennung des Nächsten als gleichwertiges Mitgeschöpf. Der Begriff „Nächstenliebe“ scheint zur korrekten Wiedergabe des Geistes der Bayerischen Verfassung aber angemessen, da sie die Ehrfurcht vor Gott zum obersten Bildungsziel erhebt.
- Quote paper
- M.A. Frank Schulze (Author), 2003, Humor als oberstes Bildungsziel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76932
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