Im Jahre 1150 starb Pribislaw-Heinrich, der Slawenfürst des Hevellerlandes. Zu seinem Nachfolger hatte er Albrecht den Bären, den Markgrafen der Nordmark, bestimmt. Dieser trat das Erbe an, und besetzte den Hauptort des Hevellerlandes: die Brandenburg. Doch Albrecht hatte einen Konkurrenten. Ein gewisser Jacza nutzte die Abwesenheit Albrechts, um seinerseits Erbansprüche geltend zu machen und die Brandenburg zu erobern.
Wer war nun dieser Jacza? Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit eben dieser Frage. Bei ihrer Beantwortung bin ich in zwei Schritten vorgegangen. Im ersten Teil, dem ich den größten Platz eingeräumt habe, werden die wichtigsten Quellen dargestellt und analysiert.
Gegenstand des zweiten Teils sind die verschieden Interpretationen des vorliegenden Materials. Dabei geht es vor allem darum, welche Quellen sich auf den Eroberer der Brandenburg beziehen lassen.
Es gilt zu klären, ob sich die Jaczas der einzelnen Quellen miteinander identifizieren lassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Quellen
2.1. Die Chronik des Heinrich von Antwerpen
2.2. Die Münzen des Jacza von Köpenick
2.3. Die polnischen Quellen
2.4. Sonstige Quellen
3. Die Interpretationen
3.1. Herbert Ludat
3.2. Hans-Dietrich Kahl
3.3. Johannes Schultze
4. Fazit
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1. Quellen
5.2. Literatur
1. Einleitung
Im Jahre 1150 starb Pribislaw-Heinrich, der Slawenfürst des Hevellerlandes. Zu seinem Nachfolger hatte er Albrecht den Bären, den Markgrafen der Nordmark, bestimmt. Dieser trat das Erbe an, und besetzte den Hauptort des Hevellerlandes: die Brandenburg. Doch Albrecht hatte einen Konkurrenten. Ein gewisser Jacza nutzte die Abwesenheit Albrechts, um seinerseits Erbansprüche geltend zu machen und die Brandenburg zu erobern.
Wer war nun dieser Jacza? Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit eben dieser Frage. Bei ihrer Beantwortung bin ich in zwei Schritten vorgegangen. Im ersten Teil, dem ich den größten Platz eingeräumt habe, werden die wichtigsten Quellen dargestellt und analysiert.
Gegenstand des zweiten Teils sind die verschieden Interpretationen des vorliegenden Materials. Dabei geht es vor allem darum, welche Quellen sich auf den Eroberer der Brandenburg beziehen lassen.
Es gilt zu klären, ob sich die Jaczas der einzelnen Quellen miteinander identifizieren lassen.
Wegweisend für meine Untersuchungen war die Arbeit Herbert Ludats, in der er nicht nur einen Überblick über die (aus heutiger Sicht) ältere Literatur gibt, sondern auch eine Reihe unwissenschaftlicher Interpretationen zurückweist.
2. Die Quellen
2.1. Die Chronik des Heinrich von Antwerpen
Die1 Untersuchung der Quellen möchte ich mit dem Tractatus de captione urbis Brandenburg des Brandenburger Domherrn Heinrich von Antwerpen beginnen. Er berichtet, wie die Brandenburg vom Slawenfürsten Pribislaw-Heinrich auf den deutschen Markgrafen Albrecht den Bären überging und welche Rolle das Stift Leitzkau in dieser Zeit bei der Christianisierung der Heveller spielte.
Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass die Leistung und Bedeutung des Leitzkauer Stifts eventuell überhöht wurden, um einen Vorrang gegenüber dem konkurrierenden Brandenburger Stift zu gewinnen.2
Hans-Dietrich Kahl macht weiterhin darauf aufmerksam, dass der Traktat wohl auch den Zweck hatte, die Ansprüche der Askanier auf das Land und die Burg Brandenburg zu sichern.3 Auf den Bericht der Jaczaepisode dürften diese Absichten jedoch keinen Einfluss gehabt haben.
Der Tractatus de captione urbis Brandenburg wurde erstmals am Ende des 13. Jahrhunderts abgeschrieben und in die Fundatio ecclesiae Letzkensis eingefügt. Dabei wurden dem Text auch eine Einleitung und eine Schlussschrift angefügt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erfolgte eine zweite Abschrift als Teil der Fundatio.4
Die Entstehungszeit des Traktats ist umstritten. Während Sello 1165 als Entstehungsjahr annimmt,5 argumentiert Ludat für das Ende des 12. Jahrhunderts nach 1192.6
Zum einen beruft Sello sich auf die Worte, die der Kompilator aus dem 13. Jahrhundert dem Haupttext voranstellte: dieser erwähnt dort, dass Heinrich von Antwerpen zur Zeit der Abfassung seines Traktates Ephebe, das heißt im Jünglingsalter, war. Sello hält den Brandenburger Domherren Heinrich von Antwerpen, der in Urkunden zwischen 1217 und 1227 genannt wird, für ein und dieselbe Person wie jenen Domherren Heinrich, der uns aus Urkunden zwischen 1197 bis 1209 bekannt ist. Sollte Sellos Vermutung richtig sein, müsste die Chronik einige Zeit vor 1197 abgefasst worden sein, damit Heinrich Zeit hatte, vom Epheben zum Brandenburger Domherren aufzusteigen.
Zum zweiten begründet er seine Ansicht mit dem Berichtszeitraum der Chronik: wäre die Chronik nach 1165 entstanden, hätte noch eine Verleihung von Prärogativen für das Brandenburger Stift aus dem Jahr 1166 Aufnahme finden müssen, so Sello.
Ludat entgegnet, dass die Identität des Heinrichs der Urkunden von 1197 bis 1209 mit Heinrich von Antwerpen keinesfalls sicher ist. Auch seien die Hinzufügungen des Kompilators 100 Jahre nach der Abfassungszeit des Traktats mit Vorsicht zu genießen.
Außerdem macht Ludat darauf aufmerksam, dass Heinrich von Antwerpen das hohe Alter von über 80 Jahren erreicht haben müsste, wenn diese Identifizierung und das daraus folgende Abfassungsjahr 1165 korrekt sein sollten.
Das bedeutendste Argument Ludats ist aber die Bezeichnung Wichmanns als "in Magdeburg tunc metropolitanus."7 Wichmann war bis zu seinem Tode 1192
Erzbischof von Magdeburg. Damit wäre es erst nach diesem Zeitpunkt korrekt, ihn den damaligen Metropolitan von Magdeburg zu nennen. Weitere Indizien für seine Auffassung sind die Unklarheiten der Chronik etwa in der Frage des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Pribislaw-Heinrich und Jacza, auf das ich noch zu sprechen kommen werde.
Alles in allem scheint Herbert Ludat die besseren Argumente zu haben, so dass der Traktat wohl auf das Jahr 1192 datiert werden kann. Doch das muss keinen grundlegenden Zweifel an seinem Bericht aufkommen lassen. Der Chronist hatte auch zu diesem Zeitpunkt noch Gelegenheit, mit Zeugen der Ereignisse auf der Brandenburg zu sprechen. Diese Ereignisse schildert er folgendermaßen:
Ubi autem huismodi fama, qua nullum malum velocius [vom Tode Pribislaw- Heinrichs], in auribus Jaczonis in Polonia tunc principantis, avunculi supradicti nobilis sepulti, percrepuit, permaxime de morte nepotis sui doluit, et quia proxima linea consanguinitatis defuncto iunctus erat, perpetuo se de urbe exhereditatum considerans miserabiliter ingemuit. Verum tempore brevi elapso inhabitantibus urbem pecunia corruptis proditam ab eis nocturno silencio cum magno exercitu Polonorum, reseratis amicabiliter portis castri, intravit et homines marchionis, qui urbem tradiderant, in Poloniam ducens simulatorie captivavit.8
Welche Informationen lassen sich aus diesem Absatz gewinnen? Erstens. Jacza und Pribislaw sind in nächster verwandschaftlicher Linie miteinander verbunden. Jacza wird als avunculus, das heißt als Bruder der Mutter, Pribislaw-Heinrichs bezeichnet und dieser als sein Neffe. Dabei muss es sich allerdings nicht um das exakte Verwandtschaftsverhältnis der beiden handeln. Es kann auch zum Ausdruck bringen, dass Pribislaw und Jacza überhaupt auf irgendeine Weise miteinander verwandt waren. Ob das ausreichte, um den Erbschaftsanspruch Jaczas auf die Brandenburg zu rechtfertigen, wird wohl im Dunkeln bleiben.9
Wendt, Germanisierung der Länder östlich der Elbe, Bd. 2, o.O. 1889, S. 26, Anm. 1.8 Traktatus de captione urbis Brandenburg, in: Sello, Traktatus, S. 10, §8.
Deutsche Übersetzung nach: Quellenbuch zur brandenburgisch-preu ß ischen Geschichte. Denkwürdige Urkunden und Quellenberichte, Bearb. von Fr. Zurbonsen, Berlin 1889, S. 5-7. Zitiert nach: W. Schich, J. Strzelczyk, Slawen und Deutsche an Havel und Spree. Zu den Anfängen der Mark Brandenburg, Hannover 1997, Q 5, S. 35.
„Sobald aber das Gerücht, von den Übeln das schnellste, dieses zu den Ohren Jaxas brachte, der damals in Polen herrschte und Oheim des genannten Edlen war, bekümmerte sich dieser tief über den Tod seines Neffen, und weil er dem Verstorbenen in nächster verwandtschaftlicher Linie verbunden war, klagte er heftig darüber, daß er sich auf immer der Brandenburg enterbt sah. Nach Verlauf einer kurzen Zeit jedoch bestach er die Einwohner der Burg mit Geld und drang mit einem großen Polenheer nächtlicherweile, indem die Tore der Festung im Einverständnis geöffnet wurden, hinein, die Leute des Markgrafen, welche ihm die Burg ausgeliefert hatten, entführte er nach Polen und hielt sie in simulierter Gefangenschaft."
[...]
1 Tractatus de captione urbis Brandenburg, MGH, S. 482-484. Ich orientiere mich an der Fassung von Sello: Sello, Tractatus, S. 8-12.
2 Ludat, Legenden, S. 10 mit Bezug auf P. v. Niessen, Sitzungsberichte des Vereins für die Geschichte der Mark Brandenburg, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 13 (1900), S. 569f.
3 Kahl, Triglaw, S. 74f.
4 Sello, Traktatus, S. 2f.
5 Sello, Traktatus, S. 4f.
6 Ludat, Legenden, S. 10-12.
7 Traktatus de captione urbis Brandenburg, in: Sello, Traktatus, S. 10, §9. Ludat bezieht sich hier auf G.
9 Sollte Jacza wirklich der avunculus Pribislaw-Heinrichs gewesen sein, hätte er auf die Erbschaft
- Quote paper
- Martin Miehe (Author), 1999, Wer war der Slawenfürst Jacza? Eine Betrachtung der "Chronik des Heinrich von Antwerpen" und der "Münzen des Jacza von Köpenick", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76807
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