Im Gegensatz zu den offen propagandistischen Hetzfilmen wie zum Beispiel Jud Süß (1940) von Veit Harlan, erfreuen sich viele Unterhaltungsfilme und Stars des Dritten Reiches auch heute noch großer Beliebtheit, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, daß pro Woche mindestens ein deutscher Film dieser Zeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wird. Die Absicht dieser Arbeit besteht darin, das vermittelte Frauenbild gerade dieser unverfänglich daherkommenden Unterhaltungsproduktionen zu beleuchten und sie in den Kontext ihrer Zeit und des Frauenbildes der nationalsozialistischen Ideologie zu stellen.
In die Thematik einführend soll zuerst das Frauenbild des Nationalsozialismus erläutert werden. Im folgenden Abschnitt behandle ich die Gleichschaltung des Mediums Film durch die Nationalsozialisten. Dies ist insbesonders deswegen von Interesse, weil alle sogenannten Unterhaltungsfilme mit Zunahme des nationalsozialistischen Einflusses auf die zunächst privaten Filmfirmen in einem politisch-ideologischen Kontext betrachtet werden müssen. Darauf folgend analysiere ich zwei Filme aus den Jahren 1937 und 1939, die trotz des gemeinsamen Genres doch höchst unterschiedlich zu betrachten sind. Der erste Film "Capriolen" von Gustaf Gründgens erschien mir typisch für eine Reihe von Unterhaltungsfilmen seiner Zeit mit eskapistischer Handlung. Der zweite Film "Frau am Steuer" von Paul Martin ist dagegen ein typischer Vertreter jener Unterhaltungsfilme, die direkt propagandaunterstützend wirken sollten. Beide Filme werden auf die Darstellung der berufstätigen Frau hin, als auch auf deren visuelle Darstellung untersucht und in Bezug auf das nationalsozialistische Frauenbild bewertet. Die Arbeit schließt mit einer Schlußbetrachtung, die das Ergebnis der Filmanalysen gegenüberstellt und im Kontext des nationalsozialistischen Frauenbildes zu werten versucht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Rolle der Frau im Nationalsozialismus
3. Zur Gleichschaltung des Films im Nationalsozialismus
4. Filmanalyse 1: Capriolen
a. Inhalt
b. Darstellung der berufstätigen Frau
c. Die visuelle Darstellung der Protagonistin
5. Filmanalyse 2: Frau am Steuer
a. Inhalt
b. Darstellung der berufstätigen Frau
c. Die visuelle Darstellung der Protagonistin
6. Schlußbetrachtung
7. Anhang
a. Filmographie
b. Bibliographie
1. Einleitung
Im Gegensatz zu den offen propagandistischen Hetzfilmen wie zum Beispiel Jud Süß (1940) von Veit Harlan, erfreuen sich viele Unterhaltungsfilme und Stars des Dritten Reiches auch heute noch großer Beliebtheit, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, daß pro Woche mindestens ein deutscher Film dieser Zeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wird[1].
Die Absicht dieser Arbeit besteht darin, das vermittelte Frauenbild gerade dieser unverfäng-lich daherkommenden Unterhaltungsproduktionen zu beleuchten und sie in den Kontext ihrer Zeit und des Frauenbildes der nationalsozialistischen Ideologie zu stellen.
In die Thematik einführend soll zuerst das Frauenbild des Nationalsozialismus erläutert wer-den. Im folgenden Abschnitt behandle ich die Gleichschaltung des Mediums Film durch die Nationalsozialisten. Dies ist insbesonders deswegen von Interesse, weil alle sogenannten Unterhaltungsfilme mit Zunahme des nationalsozialistischen Einflusses auf die zunächst privaten Filmfirmen in einem politisch-ideologischen Kontext betrachtet werden müssen.
Darauf folgend analysiere ich zwei Filme aus den Jahren 1937 und 1939, die trotz des gemeinsamen Genres doch höchst unterschiedlich zu betrachten sind. Der erste Film Capriolen von Gustaf Gründgens erschien mir typisch für eine Reihe von Unterhaltungsfilmen seiner Zeit mit eskapistischer Handlung. Der zweite Film Frau am Steuer von Paul Martin ist dagegen ein typischer Vertreter jener Unterhaltungsfilme, die direkt propagandaunterstützend wirken sollten.
Beide Filme werden auf die Darstellung der berufstätigen Frau hin, als auch auf deren visuelle Darstellung untersucht und in Bezug auf das nationalsozialistische Frauenbild bewertet. Die Arbeit schließt mit einer Schlußbetrachtung, die das Ergebnis der Filmanalysen gegenüberstellt und im Kontext des nationalsozialistischen Frauenbildes zu werten versucht.
Gießen im Februar 1996
2. Die Rolle der Frau im Nationalsozialismus
Die Nationalsozialisten betrieben mit Beginn der Machtergreifung eine Politik, die die Frau dorthin zurückwerfen sollte, wo sie nach Einschätzung der nationalsozialisitischen Führungsriege hingehörte - nämlich ins traute Heim an den Herd.
Diese Politik kam nicht unerwartet oder plötzlich, schon während der Weimarer Republik haben die Nationalsozialisten den Frauen das Recht auf politische Betätigung abgesprochen. Bereits 1921, zwei Jahre nachdem sich die Frauen erstmals das Wahlrecht erkämpft hatten, beschloß die NSDAP auf ihrer Generalmitgliederversammlung einstimmig, daß Frauen nicht in die Führung der Partei oder in leitende Ausschüsse aufgenommen werden können. Zu keiner Zeit zwischen 1921 und 1933 zogen Frauen für die NSDAP in Gemeinde- oder Landesparlamente oder gar in den Reichstag[2].
Hitler selbst hatte bereits in seinem in Landsberger Festungshaft geschriebenen Buch „Mein Kampf“ seine Vorstellungen zur Rolle der Frau im nationalsozialistischen Staat ausgeführt. Frauen hätten lediglich die Funktion, Kinder zu gebären. „Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutter zu sein“[3]. Für die von den Frauen erkämpften Rechte hatte er nur Spott und Verachtung übrig. Das Wort von der Frauen-Emanzipation sei ein nur vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort und der Inhalt von demselben Geist geprägt[4].
Inhaltlich ähnlich doch in Ton und Formulierung weitaus subtiler äußerte sich Propagandaminister Joseph Goebbels zur Rolle der Frau: „Den ersten, besten und ihr gemäßesten Platz hat die Frau in der Familie und die wunderbarste Aufgabe, die sie erfüllen kann, ist die, ihrem Land und Volk Kinder zu schenken, Kinder, die Geschlechterfolgen fortsetzen und die Unsterblichkeit der Nation verbürgen“[5].
Zwischen der von den Naziführern entworfenen Zurück-an-den-Herd Ideologie und den realen Gegebenheiten der dreißiger Jahre klaffte allerdings eine unübersehbare Kluft. Die Berufsarbeit von Frauen und damit deren wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Mann vermochte der Nationalsozialismus nicht zurückzudrängen. Vielmehr führten diverse Faktoren, ganz im Gegensatz zum offiziellen Frauenbild, zu einer Zunahme der Erwerbsarbeit von Frauen. Diese Faktoren waren die Überwindung der Weltwirtschaftskrise 1936 und die Vergrößerung der Wehrmacht, die dem Arbeitsmarkt männliche Arbeitskräfte entzog[6].
Der Prozeß der Zunahme weiblicher Erwerbsarbeit beschleunigte sich 1938 bis Kriegsausbruch nochmals und dies insbesondere in „typischen Männerberufen“[7]. Die Gründe hierfür sind sicherlich in der abnehmenden Verfügbarkeit männlicher Arbeitskräfte zu suchen. Ein weiterer Grund war jedoch auch sicherlich die Tatsache, daß Frauen schlichtweg schlechter bezahlt wurden und dementsprechend billiger waren[8]. Nach Kriegsausbruch mußten viele Frauen den Arbeitsplatz des Mannes einnehmen. Viele Frauen wurden für kriegswichtige Arbeiten umgeschult und traten erstmals in die Erwerbsarbeit ein.
Diese wirtschaftlich wohl notwendige, aber eigentlich nicht ideologiekonforme Zunahme weiblicher Erwerbsarbeit nahmen die Nationalsozialisten gern in Kauf - zumal dieser Zustand nur zu Kriegszeiten Bestand haben sollte. Nach dem Krieg hätten die Männer die ihnen gemäß der nationalsozialistischen Ideologie zustehenden Plätze ohnehin wieder eingenommen.
Einer solchen Ausnahmesituation wurde bereits vor Kriegsausbruch propagandistisch mit dem Mittel des „unverfänglichen“ Unterhaltungsfilms der Boden geebnet. Der zweite von mir analysierte Film Frau am Steuer von Paul Martin steht dabei nur stellvertretend und doch symptomatisch für Komödien, in denen ungewöhnliche Umstände die Berufstätigkeit von Frauen erfordern, an deren Ende der Mann jedoch immer wieder ideologiekonform seine Stellung einnimmt und die alten Zuständen wiederherstellt.
3. Zur Gleichschaltung des Films im Nationalsozialismus
Die herausragende Bedeutung des Mediums Film als Mittel der Propaganda hatten führende Nationalsozialisten, insbesondere Joseph Goebbels bereits früh erkannt und versucht, das Medium für die nationalsozialistische Bewegung einzuspannen. In einer Rede vor Filmschaffenden am 9. Februar 1934 führte Joseph Goebbels die Intentionen der Nationalsozialisten zum Medium Film folgendermaßen aus :“ Wir sind der Überzeugung, daß der Film eines der modernsten und weitreichendsten Mittel zur Beeinflussung der Masse ist, die es überhaupt gibt. Eine Regierung darf deshalb den Film nicht sich selbst überlassen.“[9]
Schon 1927 drehte die NSDAP eigene Werbefilme und sofort nach der Machtübernahme machte sich Goebbels daran, die gesamte Filmwirtschaft sowohl finanziell als auch politisch unter Kontrolle zu bringen.
Der Boden für die Nationalsozialisten war bereits geebnet. Schon 1917 begann General Ludendorff die Dienstbarmachung der Filmindustrie zu Propagandazwecken. Dies geschah in der Weise, daß sich die wichtigsten Filmproduzenten in der Universum-Film-AG (Ufa) kartellartig zusammenschließen mußten und der Kontrolle des Kriegsministeriums unterstanden[10].
In der Weimarer Republik geriet die Ufa (1927), also ein bedeutender Teil der deutschen Filmwirtschaft, unter die Kontrolle des reaktionären, deutschnationalen Verlegers Alfred Hugenberg, der an Hitlers Aufstieg unmittelbar beteiligt war. Die Eingliederung eines Teils der Filmindustrie und die Dienstbarmachung für das rechte politische Spektrum fand demnach bereits weit vor der nationalsozialistischen Machtergreifung statt. Kriegsverherrlichende und autoritätsgläubige Filme, wie zum Beispiel Luise, Königin von Preußen (1931) von Carl Froehlich oder Morgenrot (1933) von Gustav Ucicky entstanden noch in der Weimarer Republik, doch wessen Geistes Kind sie waren, zeigte sich insbesondere bei Morgenrot schnell. Der Film erlebte 1939, pünktlich zum Beginn des nationalsozialistischen Angriffkrieges, seine Wiederaufführung in den deutschen Kinos[11].
Mit der Machtergreifung 1933 und der Zerschlagung des demokratischen Staates ging im Rahmen der nun folgenden Institutionalisierung des nationalsozialistischen Systems auch der Aufbau eines nationalsozialistischen Filmwesens einher. Diese Aufgabe oblag dem neugegründeten Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels. Als erster Schritt zur Einbindung des Filmwesens wurden Kontrollinstitutionen wie die Reichsfilmkammer und die Filmkreditbank GmbH installiert.
Insbesondere der Filmkreditbank GmbH kam besondere Bedeutung zu, litten doch fast alle Filmproduktionsfirmen, aufgrund der Weltwirtschaftskrise und der Umstellung auf den Tonfilm, unter akuter Finanznot. Da die Vergabekriterien für die Kredite der Handlungsfreiheit der Regisseure enge Grenzen zogen, kann man hier durchaus schon von einer Vorzensur sprechen. Die Reichsfilmkammer kontrollierte sämtliche Berufsgruppen und Institutionen im Filmgewerbe, die Mitgliedschaft wurde zur Pflicht. Unerwünschte Filmschaffende wurden von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, viele emigrierten notgedrungen, um ihre Arbeit fortzusetzen. Was die Nationalsozialisten „Generalreinigung der deutschen Filmwirtschaft“ nannten, war in Wirklichkeit ein enormer intelektueller Aderlaß, dem so wichtige Künstler wie Fritz Lang, Robert Siodmak oder Fritz Kortner, aber auch unzählige weitere zum Opfer fielen.
1934 erreichten die Nationalsozialisten mit der Änderung des Lichtspielgesetzes von 1920 die endgültige inhaltliche Kontrolle des Filmwesens. Das neue Gesetz installierte einen sogenannten Reichsfilmdramaturg, der alle Film vor ihrer Entstehung zu prüfen hatte. Maßstab der Zensoren war, ob „... die Vorführung des Films geeignet ist, lebenswichtige Interessen des Staates oder die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden, das nationalsozialistische, religiöse, sittliche oder künstlerische Empfinden zu verletzen ...“[12]
Nach der Installierung der Reglementationsinstanzen in der deutschen Filmwirtschaft, setzte ab 1935 ein Abschnitt ein, in dem die Nationalsozialisten versuchen, ihren Einfluß zu vervollständigen. Aufgrund des engen inhaltlichen Spielraumes werden hauptsächlich Revue- und Unterhaltungsfilme gedreht. Stars wie Marika Rökk, Johannes Heesters oder Zarah Leander machen eine steile Karriere.
Auf der Produzentenseite findet, aufgrund der immer aufwendigeren Produktionen, gleichzeitig ein enormer Konzentrationsprozeß statt, dem insbesondere kleinere Filmproduktionen zum Opfer fielen. Der nationalsozialistische Staat macht sich dies zu Nutzen, indem er Filmfirmen aufkaufte und zusammenfaßte. Bis 1939 war diese schleichende Verstaatlichung fast abgeschlossen. Vier gigantische Filmunternehmen, Ufa, Terra, Tobis und Bavaria, teilten den Großteil des Marktes unter sich auf[13].
[...]
[1] Meine eigenen Recherchen ergaben in den letzten acht Wochen einen Schnitt von zwei bis vier Filmen pro
Woche
[2] vgl. Renate Wiggershaus: Frauen unterm Nationalsozialismus, S.15
[3] Hitler, Mein Kampf, München 1941, S.459ff
[4] vgl. B.Drewniak: Der deutsche Film 1938-45, S.251ff
[5] J.Goebbels, Signale der neuen Zeit, München 1938, S.118ff
[6] vgl. Drewniak, S.261
[7] vgl. Drewniak, Tabelle S.262
[8] Die Bedeutung dieserTatsache ist in der Literatur umstritten, während AutorInnen wie Rita
Thalmann dem Sachverhalt große Bedeutung beimessen, bestreitet beispielsweise Drewniak die
Wichtigkeit des finanziellen Aspekts
[9] Joseph Goebbels zitiert nach Albrecht: NS-Filmpolitik, S.22
[10] vgl. Jürgen Spiker: Film und Kapital. Der Weg der deutschen Filmwirtschaft zum national-
sozialistischen Einheitskonzern, Berlin 1975
[11] vgl. Bandmann/Hembus: Klassiker des deutschen Tonfilms 1930-1960, München 1980, S.75f
[12] zitiert nach Albrecht, NS-Filmpolitik, S.512
[13] vgl. Courtade/Cadars: Geschichte des Films im Dritten Reich, München 1975, S.29f
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.