Sigmund Freud (1856-1939), Begründer der Psychoanalyse, setzte durch seine Entdeckungen eine geistige Revolution in Bewegung, welche die Denkweise der Menschen unwiderruflich veränderte. Seine Erkenntnisse sind nicht nur von unentbehrlicher Bedeutung für Psychologie und psychiatrische Forschung, sondern haben darüber hinaus auch Einfluss auf alle anderen Kulturwissenschaften. Wie Darwin, Marx, Nietzsche und Schopenhauer gehört er zu jenen resümierenden großen Denkern der Weltgeschichte, welche Kultur- und Denkweise eines ganzen Jahrhunderts revolutionierten, indem sie alte Denkformen zerbrachen und traditionelle Vorurteile entlarvten. In den Arbeiten Freuds, einem „Kind seiner Zeit“, einer Zeit des Umbruchs, spiegeln sich verschiedene Strömungen und Ereignisse wider, die ihn beeinflussten: Wissenschaftsglaube und Evolutionismus, Industrialisierung, Krieg, seine Angehörigkeit zu gehobenen Wiener Kreisen, seine Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben sowie die Lektüre der Arbeiten vieler großer Denker. Es würde den Rahmen sprengen, alle Einflüsse im Einzelnen aufzugreifen und näher auf diese einzugehen. Der vorliegende Text beschränkt sich deshalb auf den Einfluss der Epoche der Romantik, welche viele große Denker hervorgebracht hat, die wichtige Ideen Freuds bereits angedacht hatten. Basierend auf Ellenbergers Werk „Die Entdeckung des Unbewußten“ soll gezeigt werden, dass Sigmund Freud Erbe einer bestimmten geistigen Tradition war, ohne die er seine Ideen nicht hätte derart entwickeln und durchsetzen können, und es ihm dadurch ermöglicht wurde, selber zum Urheber einer eigenen, bis dahin nie so formulierten, Geistesströmung zu werden. Im Besonderen wird Freuds Werk auf die Einflüsse der Arbeiten Schopenhauers und Nietzsches untersucht, welche beide als wichtige Vorreiter der Tiefenpsychologie gelten.
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Einfluss der Romantik
3. Die eigentlichen Stammväter der Tiefenpsychologie
3.1 Wille und Vorstellung im ES und ICH
3.2 Der Einfluss Nietzsches Gedankenguts auf Freuds Denkweise
4. Freud als Kind einer Zeit von Größe und Begrenztheit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Sigmund Freud (1856-1939), Begründer der Psychoanalyse, setzte durch seine Entdeckungen eine geistige Revolution in Bewegung, welche die Denkweise der Menschen unwiderruflich veränderte. Seine Erkenntnisse sind nicht nur von unentbehrlicher Bedeutung für Psychologie und psychiatrische Forschung, sondern haben darüber hinaus auch Einfluss auf alle anderen Kulturwissenschaften. Wie Darwin, Marx, Nietzsche und Schopenhauer gehört er zu jenen resümierenden großen Denkern der Weltgeschichte, welche Kultur- und Denkweise eines ganzen Jahrhunderts revolutionierten, indem sie alte Denkformen zerbrachen und traditionelle Vorurteile entlarvten. In den Arbeiten Freuds, einem „Kind seiner Zeit“, einer Zeit des Umbruchs, spiegeln sich verschiedene Strömungen und Ereignisse wider, die ihn beeinflussten: Wissenschaftsglaube und Evolutionismus, Industrialisierung, Krieg, seine Angehörigkeit zu gehobenen Wiener Kreisen, seine Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben sowie die Lektüre der Arbeiten vieler großer Denker. Es würde den Rahmen sprengen, alle Einflüsse im Einzelnen aufzugreifen und näher auf diese einzugehen. Der vorliegende Text beschränkt sich deshalb auf den Einfluss der Epoche der Romantik, welche viele große Denker hervorgebracht hat, die wichtige Ideen Freuds bereits angedacht hatten. Basierend auf Ellenbergers Werk „Die Entdeckung des Unbewußten“ soll gezeigt werden, dass Sigmund Freud Erbe einer bestimmten geistigen Tradition war, ohne die er seine Ideen nicht hätte derart entwickeln und durchsetzen können, und es ihm dadurch ermöglicht wurde, selber zum Urheber einer eigenen, bis dahin nie so formulierten, Geistesströmung zu werden. Im Besonderen wird Freuds Werk auf die Einflüsse der Arbeiten Schopenhauers und Nietzsches untersucht, welche beide als wichtige Vorreiter der Tiefenpsychologie gelten.
2. Der Einfluss der Romantik
Die Romantik (1800-1830) hatte ihren Ursprung in Deutschland. Der Kult des Irrationalen und des Individuums, welcher diese Epoche auszeichnet, ist als kulturelle Reaktion auf die Epoche der Aufklärung, welche im Gegensatz dazu die Vernunft und die Werte der bürgerlichen Gesellschaft hoch pries, zu verstehen. Das vorherrschende Gefühl für die Natur, Empathie, Einfühlung in verschiedene Geschichtsperioden, Traditionen, Mythen, Weltanschauungen, das Interesse für Träume und die Faszination für Geisteskranke, stellten das Gemüt über den Intellekt. Diese Epoche inspirierte viele Dichter und Künstler zu großen Werken, auf welche Freud sich in seinem auf 1900 datierten Werk „Die Traumdeutung“ explizit berief. Thomas Mann formulierte zu Freuds 81. Geburtstag in seinem Aufsatz „Freud und die Zukunft“: „Das mythische Interesse ist der Psychoanalyse genauso eingeboren, wie allem Dichtertum das psychologische Interesse eingeboren ist. Ihr Zurückdringen in die Kindheit der Einzelseele ist zugleich auch schon das Zurückdringen in die Kindheit des Menschen, ins Primitive und in die Mythik.“[1][…] Er beschrieb damit eben jene Parallele zwischen dem Geist der Romantik und der Psychoanalyse. Durch die Konzentration auf die innersten Eigenschaften fand man Zugang zum Unbewussten, und so konnte aus der Grundvorstellung der romantischen Philosophie von Urphänomenen und Metamorphosen, die aus diesen hervorgingen, die Fallgeschichte psychisch Erkrankter mit ihrer Lebensgeschichte in Beziehung gesetzt werden. Im Gegensatz zu der klinischen Medizin seiner Zeit, die Psyche und Somatik strikt trennte, entwickelte Freud unter anderem die Theorie, dass Hysterie nicht in Hirnanomalien, sondern in der Lebensgeschichte ihre Ursache hätte. Anknüpfend an die Denker der Romantik stellt sich in seiner Trieblehre der „Ödipuskomplex“, als Urphänomen, als der Kernkomplex der Neurose dar. Freuds Interesse für Mythen war nicht nur von großer Bedeutung für die Traumdeutung sondern auch für die Entwicklung der Trieblehre, wobei er Triebe als große mythische Wesen darstellte. Um 1830 wurde die Romantik als Epoche des Irrationalen von dem Glauben an das wissenschaftlich Machbare, unter dem Einfluss der Industrialisierung abgelöst, aber später von den Denkern wiederentdeckt. Gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts gab es drei klare Strömungen in der Erforschung des Unbewussten, welche Freuds Denk- und Arbeitsweise beeinflusst haben. Dieses war zum einen die Strömung der Dichter wie Goethe und Novalis, zum anderen die der Naturphilosophen wie Schelling und die, der medizinisch, philosophisch Interessierten, wie C.G. Carus, Schopenhauer und Nietzsche. Letztere formulierten psychologische Hypothesen und erdachten Modelle für die menschliche Persönlichkeit, auf die Freud später zurückgreifen konnte .Im Jahre 1885 bildete sich jene intellektuelle Richtung aus, die auf den Realismus und Wissenschaftsglauben antwortete, indem sie eine neue Interpretation des romantischen Gedankenguts etablierte und weiterentwickelte, welches damals so abrupt zugunsten der aufklärerischen Tendenzen aufgegeben wurde, die „Neuromantik“. Die Romantik kehrte in einer solchen Weise zurück, dass sie als Reaktion gegen den Naturalismus und den Positivismus, somit den Kult der Fakten und des Wissenschaftsglaubens, welche die Epoche der Romantik beendet hatten, zu verstehen war. Anders als in der Romantik wurde nicht Wachsen und Werden, sondern der Verfall, nicht das Einfühlen in Geschichtsperioden, sondern Dekadenz glorifiziert. Der Kult des Individuums wurde bis zum Narzissmus betrieben. Das allgemein vorherrschende Gefühl war Pessimismus. Gerade in dieser Zeit erkrankten viele an der „romantischen Krankheit“, einer tiefen Sehnsucht nach etwas Unerreichbaren, heute, nach Freud, mit Depression gleichzusetzen. Die neuromantische Denkweise, eine eigenständige intellektuelle Richtung, entwickelte sich zeitlich parallel, inhaltlich im Widerspruch, zum Wissenschaftsglauben, dem Positivismus, der den damaligen Zeitgeist mitbestimmte. Die Sehnsucht der Menschen nach Inhalt, die der Positivsmus jener Zeit nicht stillen konnte, fand ihren Ausdruck unter anderem in der Naturphilosophie. Schelling (1775-1854) begründete sie als einen Ableger der Romantik. Ihre Anhänger waren nicht nur Philosophen, sondern auch Naturwissenschaftler. Das erste Grundprinzip, das der Einheit von Mensch und Natur, wobei Geist und Natur dem Absoluten entsprechen, somit alles an einer kosmischen Bewegung teilhat, einerseits und das zweite andererseits, welches als Voraussetzung für alles Leben antagonistische, einander entgegengesetzte Kräfte, Polaritäten, ansieht, begründeten das naturphilosophische Menschenbild. Das zweite Grundprinzip zeigt, noch nicht ausformuliert, schon Züge von Freuds Auffassung vom Seelenleben, welches von Dualismen bestimmt ist. Freud formuliert in seinen Werken klassische Dualismen, die den Menschen bestimmen, wie Subjekt-Objekt, Lust-Unlust, Passiv-Aktiv, Lebenserhaltungs- und Destruktionstrieb. Freud, von dem wissenschaftsgläubigen Denken seiner Zeit geprägt hatte stets das Ziele, auch die Psyche des Menschen mit naturwissenschaftlichen Methoden zu erfassen und zu erklären. So bezog er sich in seiner Theorie über menschliche Verhaltensweisen zum Beispiel auf Analogien zur Physik: „Dieses Mit- und Gegeneinanderwirken der beiden Grundtriebe ergibt die ganze Buntheit der Lebenserscheinungen. Über diesen Bereich des Lebens hinaus führt die Analogie unserer beiden Grundtriebe zu dem im Anorganischen herrschenden Gegensatzpaar von Anziehung und Abstoßung.“[2]Für Freud waren die Arbeiten von C.G. Carus, Schopenhauer und Nietzsche von besonderem Interesse, weil ihre Werke seinem Denken den Weg bereiteten Theorien über das Unbewusste und daraus seine Triebtheorie und die Traumdeutung wissenschaftlich, zu entwickeln. C.G. Carus (1789-1869) veröffentliche sein Werk „Psyche“ 1846. Diese Arbeit enthält eine Unterscheidung zwischen drei Schichten des Unbewussten: Der des Umfassenden, absolut Unbewussten, welches dem Bewusstsein völlig unzugänglich sei, der des teilweise absolut Unbewussten, das die bewusst erfahrbaren Gefühle beeinflusst und der des sekundär Unbewussten, welches alle Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen, die einst bewusst waren, aber ins Unbewusste verdrängt wurden, enthält. Freud hingegen entwickelte die Theorie, dass das Bewusste, als solches flüchtig, stets ins Unbewusste übergehe. Dabei kann es einerseits in eine Analogie des oben genannten teilweise absolut Unbewussten übergehen, das „Vorbewusste“, welches nach Freud leicht wieder ins Bewusstsein, die Erinnerung, zurückgerufen werden kann, andererseits in das, was Freud das „Unbewusste“ nennt. Zu diesem sei kein so leichter Zugang durch Erinnern oder Wiederbewusstmachen zu finden, wie zu vorher genanntem, es müsse sich durch Erraten, Erschließen und Übersetzen in einen bewussten Ausdruck zugänglich gemacht werden. Diese Abstufung des Unbewussten vereinigt in sich die Eigenschaften sowohl des absolut unzugänglich Unbewussten, als auch die des sekundär Unbewussten, wie C.G. Carus es beschrieb. Freud jedoch verzichtet in seiner Theorie auf eine Unterscheidung innerhalb des Unbewussten, da seiner Meinung nach der Zugang zu beiden Abstufungen, die C.G. Carus beschrieb, welche den Menschen beeinflussen, verschlossen ist, es deshalb nur eine Unterscheidung zwischen vorbewusst und unbewusst gibt. Oben genanntes Erschließen und Übersetzen, das Unbewusste dem Bewusstsein zugänglich zu machen, ermöglicht Freud sich durch die Deutung von Bildern und Symbolen, mit denen sich das Unbewusste Ausdruck verschafft und die für das Bewusstmachen nur „übersetzt“ werden müssen. In seinem Werk „Die Traumdeutung“, formuliert Freud, davon ausgehend, dass sich das Unbewusste auf einer uns sonst verschlossenen, symbolischen Ebene mitteilt: „Der zielbesetzte Gedankengang wird unter gewissen Bedingungen fähig, die Aufmerksamkeit des Bewußtsein auf sich zu ziehen, und erhält dann durch dessen Vermittlung eine ´Übersetzung´.“[3]Nach Freud sind Traumgedanken und Trauminhalte nur zwei Darstellungen desselben Inhalts in zwei verschiedenen „Sprachen“, die durch Vergleich ineinander überführt, “übersetzt“, werden können. Ein Zeitgenosse von C.G. Carus, Arthur Schopenhauer (1788-1860), veröffentlichte schon 1819 sein Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“, welches jedoch erst nach 1850 zu angemessener Würdigung kam, als der Zeitgeist der Neuromantik seinen Gedanken neue Aktualität verlieh. Er beschreibt die Welt durch die „Vorstellung“ einerseits, die jedes Individuum sich selbst nur für sich von der Welt macht, als den „Willen“ andererseits, mit dem er eine alles durchdringende Antriebskraft meint, welche oft mit dem Unbewussten nach Freud gleichgesetzt wird. Der Mensch ist nach Schopenhauer durch die irrationale Macht des Willens bestimmt, die den Grundprinzipien der Lebenserhaltung und der Sexualität entspricht. Friedrich Nietzsche (1844-1900), welcher Schopenhauers Werke studierte, sah das Unbewusste als einen Bereich wirrer Gedanken, Triebe und Gefühle, aber auch als die Wiederholung früherer Stadien des Individuums und der Art. Nietzsche hat sehr viele Prinzipien der Psychologie bereits angesprochen und viele von Freud entwickelte Theorien angedacht.
[...]
[1]Mann, Thomas: Freud und die Zukunft (S. 30)
[2]Freud, Sigmund: Abriß der Psychoanalyse- Das Unbehagen in der Kultur
[3]Freud, Sigmund: Gesammelte Werke, Band II/III, Die Traumdeutung (S. 599)
- Arbeit zitieren
- Dominika Wosnitza (Autor:in), 2002, Der Einfluss der Romantik auf Freuds Denk- und Arbeitsweise unter besonderer Berücksichtigung der Werke von Schopenhauer und Nietzsche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76569
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