1 Einführung: Das Märchen und seine Definition
Wer kennt es nicht: das Bild von der Großmutter, die abends am Bett ihrer Enkel sitzt und ein Märchen erzählt. Heutzutage wird das Märchen mit phantastischen Begebenheiten und mit seiner Adressierung an Kinder assoziiert. Doch eigentlich war das Märchen erst ab dem 18. Jahrhundert für Kinderohren bestimmt, als die deutschen Gebrüder Grimm ihre Haus- und Kindermärchen (1812/13) veröffentlichten und darin bereits bekannte Volksmärchen kindgerecht präsentierten.
Volksmärchen gelten als die älteste Literaturgattung der Menschheit und wurden stets mündlich überliefert. Die Ursprünge jenes „Conte populaire" sind nicht eindeutig festgelegt. Das Lexikon der französischen Literatur datiert sie im 13.Jh. v. Chr. mit dem „Conte égyptien" Les Deux frères. Seit dem 12. Jh. n. Chr. wird unter Conte ein „Sammelbegriff für sämtliche epische Gattungen, bevorzugt... Abenteuergeschichten" verstanden und seit dem 17. Jahrhundert steht der Begriff für erzählende Kurzformen in Vers und Prosa". Perrault löste mit seinen Contes (1697) die Mode des „Conte de fées" aus. Von da an wurde der Conte "mehr und mehr mit dem Märchenhaften, dem „merveilleux" in Verbindung gebracht" und etablierte sich als eine feste Form der Prosa. Das Wörterbuch Le Petit Robert (1993) definiert merveilleux als etwas „qui est inexplicable de façon naturelle; le monde du surnaturel". Auch Le Petit Larousse (2001) bringt das merveilleux mit dem Übernatürlichen in Verbindung: „Ce qui s'eloigne du caractere ordinaire des choses ; ce qui parait miraculeux, surnaturel". Für Marc Soriano repräsentieren die Contes "recits de voie orale, dont I'origine est vraisemblablement anterieure aux civilisations historiques et qui, d'une epoque ä I'autre, se manifestent parfois dans la litterature ecrite sous forme d'adaption".
Im 18. Jh. wurde jenes merveilleux, jenes Märchenhafte, eingesetzt, um philosophische, religiöse oder politische ...
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung: Das Märchen und seine Definition
2 Der Conte merveilleux
3 Der Conte de fées
4 Ein Conte de fees : La Princesse Rosette
4.1 Elemente des Conte merveilleux
4.2 Merkmale des Conte de fées
5 Der Conte philosophique
5.1 Der Conte oriental als Vorbild
5.2 Merkmale des Conte philosophique
6 Ein Conte philosophique: La Princesse de Babylone
6.1 Merkmale des merveilleux
6.2 Der Conte als Parodie des Romans
6.3 Humorvolle Elemente
6.4 Die philosophische Botschaft
6.5 Voltairescher Spott am weiblichen Geschlecht
7 La Princesse Rosette und La Princesse de Babylone im Vergleich
7.1 Gemeinsamkeiten
7.2 Unterschiede
8 Schlussbemerkung
9 Bibliographie
1 Einführung: Das Märchen und seine Definition
Wer kennt es nicht: das Bild von der Großmutter, die abends am Bett ihrer Enkel sitzt und ein Märchen erzählt. Heutzutage wird das Märchen mit phantastischen Begebenheiten und mit seiner Adressierung an Kinder assoziiert. Doch eigentlich war das Märchen erst ab dem 18. Jahrhundert für Kinderohren bestimmt, als die deutschen Gebrüder Grimm ihre Haus- und Kindermärchen (1812/13) veröffentlichten und darin bereits bekannte Volksmärchen kindgerecht präsentierten.
Volksmärchen gelten als die älteste Literaturgattung der Menschheit und wurden stets mündlich überliefert. Die Ursprünge jenes „Conte populaire" sind nicht eindeutig festgelegt. Das Lexikon der französischen Literatur datiert sie im 13.Jh. v. Chr. mit dem „Conte égyptien"Les Deux frères. Seit dem 12. Jh. n. Chr. wird unter Conte ein „Sammelbegriff für sämtliche epische Gattungen, bevorzugt... Abenteuergeschichten"[1] verstanden und seit dem 17. Jahrhundert steht der Begriff für "erzählende Kurzformen in Vers und Prosa". Perrault löste mit seinen Contes (1697) die Mode des "Conte de fées" aus. Von da an wurde der Conte "mehr und mehr mit dem Märchenhaften, dem "merveilleux" in Verbindung gebracht"[2] und etablierte sich als eine feste Form der Prosa. Das Wörterbuch Le Petit Robert (1993) definiert merveilleux als etwas „qui est inexplicable de fa.;on naturelle; le monde du surnaturel". Auch Le Petit Larousse (2001) bringt das merveilleux mit dem Übernatürlichen in Verbindung: „Ce qui s'eloigne du caractere ordinaire des choses ; ce qui parait miraculeux, surnaturel". Für Marc Soriano[3] repräsentieren die Contes "recits de voie orale, dont I'origine est vraisemblablement anterieure aux civilisations historiques et qui, d'une epoque ä I'autre, se manifestent parfois dans la litterature ecrite sous forme d'adaption".
Im 18. Jh. wurde jenes merveilleux, jenes Märchenhafte, eingesetzt, um philosophische, religiöse oder politische Botschaften zu vermitteln. Der so genannte „Conte philosophique" gewann an Bedeutung, vor allem für die Vertreter der Aufklärung. Der „Conte de fees" und der „Conte philosophique" bilden den Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Es wird versucht, an jeweils einem Beispiel zu belegen, wie Elemente des Conte merveilleux genutzt werden, um neue literarische Gattungen hervorzubringen. Vom Conte merveilleux ausgehend wird untersucht, ob es sich bei dem vermeintlichen „Conte de fées"La Princesse Rosette von Madame d'Aulnoy tatsächlich um einen solchen handelt, und ob Voltaires La Princesse de Babylone wirklich der Gattung „Conte philosophique" zuzuordnen ist. In einem Vergleich werden anschließend beide Contes gegenübergestellt. In wiefern wird das merveilleux in diesen Contes verarbeitet? In wiefern werden neue Einflüsse anderer Gattungen sichtbar? Zunächst einmal muss also geklärt werden, was genau einen „Conte merveilleux" kennzeichnet.
2 Der Conte merveilleux
Im ursprünglichen Sinne handelt es sich hierbei um den Conte populaire, das Volksmärchen. Da jedoch Elemente des Wunderbaren, des Phantastischen darin allgegenwärtig sind, scheint der Begriff Conte merveilleux geeigneter. Ein Conte merveilleux bezeichnet eine fiktive Erzählung mündlicher Überlieferung und gilt als „Allgemeinbesitz",[4] als Volkseigentum. Aufgrund seiner mündlichen Tradierung weist der Conte merveilleux einfache Satzstrukturen und Formulierungen auf, um ihn allgemein verständlich jedem, unabhängig von Bildung, Geschlecht, sozialem Rang, zugänglich zu machen. Die Einfachheit der Syntax und Ausdrucksweise steht im Einklang mit der Einfachheit der Handlung. Das Handlungsschema ist immer gleich: der Held muss eine Prüfung oder ein Abenteuer bestehen, um am Ende belohnt zu werden, entweder in materieller Hinsicht (Geld, Edelsteine, ein prunkvolles Schloss, usw.) oder mit einer Prinzessin bzw. einem Prinzen, oder er erhält gar alles zusammen. Der einfache Handlungsaufbau lässt keine Nebenhandlungen zu. Von Anfang bis Ende des Conte ist die Erzählperspektive auf den Helden gerichtet.
Die Handlung wird in der Vergangenheit situiert, genauer gesagt, in einer zeit- und ortlosen Welt. Formulierungen wie « Il était une fois » oder « Il y avait en ce temps-Ià» zu Beginn der meisten Contes vermitteln den notwendigen Abstand zwischen dem Erzählten und dem Rezipienten. Diese Distanzierung fernab der Realität macht es möglich, jene Welt des Wunderbaren, des Phantastischen, als selbstverständlich zu betrachten. Die Welt des Conte ist eine in sich geschlossene, in der andere Gesetze als in der realen Welt herrschen. Personen können hundert Jahre schlafen. Gegenstände haben außergewöhnliche Fähigkeiten. Tiere können sprechen. Die Schwachen besiegen das vermeintlich Starke. Außergewöhnliche Begebenheiten werden als alltägliche Geschehnisse dargestellt, so als ob das, was dem Helden gerade passiert ist, jedem passieren kann.
Zusammen mit der Zeit- und Ortlosigkeit spielt auch die Namenlosigkeit eine entscheidende Rolle. Die Örtlichkeiten werden, wenn überhaupt, mit "ein Schloss", "ein Wald" usw. erwähnt und räumliche Relationen bleiben ungewiss. Die Figuren des Conte sind ebenfalls namenlos. Stattdessen haben sie bezeichnende Namen, die eine einzelne Eigenschaft hervorheben, wie „la Barbe bleue" oder „Ie Petit Chaperon rouge". Im Allgemeinen ist jedoch einfach von einem jungen Mädchen, einem Königssohn usw. die Rede. Dabei sind Herkunft sowie gesellschaftliche Verhältnisse der Figuren unbedeutend.
Ihre hervorgehobenen Eigenschaften sind entscheidend für die Handlung. Dies spiegelt sich vor allem in dem für einen Conte typischen Kampf der Gegensätze wieder. Die Figuren haben niemals ambivalente Charaktereigenschaften, entweder sie sind ausschließlich böse, oder ausschließlich gut. Im Allgemeinen wird der Kontrast noch verstärkt, indem die Figur mit dem guten Charakter auch ein schönes Äußeres aufweist, während das Böse als hässlich dargestellt wird. Weitere Gegensatzpaare wie arm und reich, faul und fleißig, dumm und klug, tragen zur Kontrastierung bei. Aus diesem Kontrast erfolgt dann die eigentliche Handlung. Die böse Stiefmutter ist eifersüchtig auf die Schönheit ihrer Stieftochter und lässt sie niedere Dienste verrichten, während ihre eigene hässliche Tochter alle Annehmlichkeiten genießt. Der arme Müller muss seine Söhne in die weite Welt entlassen, damit sie ihr Glück in eventuellem Reichtum finden. Doch schließlich wird das Gute belohnt und das Böse bestraft. Die Armen werden reich.
Am Ende wendet sich somit immer alles zum Guten. „Gefangene oder Verzauberte werden befreit oder erlöst“.[5] Eltern bekommen ihre verlorenen Kinder zurück. Der Held findet seine Geliebte wieder. Doch um das Endglück zu erlangen, sozusagen die Weltordnung wiederherzustellen, muss der Held einige Hürden nehmen und Abenteuer bestehen. An dieser Stelle soll das Spiel mit der Zahl Drei erwähnt sein, da sie ein typischer Bestandteil des Handlungsschemas in Märchen ist: dreimal muss der Held sich beweisen; dreimal wird eine Handlung ausgeführt, die beim dritten Mal dann die richtige ist; eine dreimalige Handlungswiederholung in abgewandelter Form erweist sich beim dritten Mal als fatal für den Protagonisten usw. Jene Hürden schaffen eine zeitweilige Unordnung und das Böse gewinnt vorerst die Oberhand. Oftmals bestehen die Missverhältnisse auch schon zu Beginn der Handlung. In beiden Fällen gilt jedoch, die Harmonie und Ordnung wiederherzustellen. Der Held kann die bestehenden oder entstehenden Hindernisse nicht immer allein bewältigen. Es bedarf der übernatürlichen Kräfte. Diese treten in zweierlei Hinsicht auf: die Bösen, die versuchen, die Anstrengungen des Helden zu vereiteln, und die Guten, die ihm mit Ratschlägen und Zaubermitteln helfen. Doch da das Gute am Ende siegt, haben die bösen Kräfte nur temporären Erfolg.
Die einfache Handlung, die ohne Nebenstränge, ohne zeitliche und geographische Fixierung auskommt; die Figuren, die ohne Gedanken, ohne Vergangenheit und Zukunft, und meist nur mit einer Haupteigenschaft beschrieben werden; der Einsatz extremer Gegensätze und übernatürlicher Kräfte; sie alle dienen als Werkzeuge, um die finale Wiederherstellung der Weltordnung hervorzurufen.
Jene Kennzeichen eines Conte merveilleux wurden zu Beginn des 17. Jahrhundert als Orientierungsmuster für eine neue literarische Gattung verwendet, den „Conte de fées".
3 Der Conte de fées
Die kulturell übersättigte Hofgesellschaft unter Ludwig XIV. war der langen höfisch-heroischen Romane überdrüssig. Auch Gattungen wie Epos, Tragödie, Sonett waren in aristokratischen Zirkeln allseits bekannt. Doch man verlangte nach etwas Neuem zur Unterhaltung. Diesen Platz nahm schließlich der Conte de fées ein.
Das Märchen, das Volksmärchen, wurde, aufgrund seiner vulgären Herkunft, nur mit den unteren Gesellschaftsschichten in Verbindung gebracht. Das literarische Leben des niederen ungebildeten Volkes interessierte den Adel nicht. Umso reizvoller erschien es, das Märchen auch in die höfische Gesellschaft einzuführen und ihm so literarische Geltung zu verschaffen. So begann man in den 1670er Jahren, die Contes de fées als Gegenstand mündlicher Unterhaltungsliteratur in die höfischen Salons einzuführen.
Im Jahre 1690 wurde der erste französische Conte de fées in schriftlicher Form veröffentlicht. Madame d'Aulnoy (1650-1705) hatte ihren ersten Roman geschrieben, in den sie jenen Conte de fées mit dem Titel L'lIe de la Félicité integrierte. Charles Perrault (1628-1703) brachte den Conte de fées als modische Erscheinung in Umlauf, als er populäre Stoffe aufgriff und sie in Versen niederschrieb. Heutzutage wird der Conte de fées im Allgemeinen als „recit merveilleux où interviennent les fées“[6] betrachtet. Jene Definition traf auch schon auf damalige Zeiten zu. Die Figur der Fee galt als bekanntes Element der Contes merveilleux und Contes de fées, neben anderen übernatürlichen Kräften wie Zauberern und Hexen. Doch erst Perrault setzte die „initiativen Feen“[7] ein, die das Handlungsgeschehen des Märchens dirigieren. Im Jahre 1697 erschienen Perraults Contes de ma mère l’Oye, die die Bedeutung des Feenelements hervorhoben.
Dank der schreibenden Hofdamen erwies sich die Gattung des Conte de fées als besonders produktiv zwischen 1690 und 1705 und erfreute sich großer Beliebtheit. Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, dass die Autoren der Contes de fées Motive der Volksmärchentradition aufgriffen, sie mit neuartigen phantastischen Wundergeschichten verbanden und nach den Mustern höfischer Kultur verarbeiteten. Die Figuren der Contes de fées unterlagen der "Ständeklausel"[8], abenteuerliche Szenen bestimmten die Handlung, die Liebe bildete das Hauptthema und die luxuriösen Requisiten der Figuren, vor allem der Feen, wurden ausführlich beschrieben.
Die Contes de fées waren dem Hof von Versailles, mit dem Sonnenkönig Ludwig XIV. im Mittelpunkt, zugedacht. Zugeschnitten auf die höfische Lebensart und das aristokratische Bewusstsein bildeten Prinzen und Prinzessinnen die Protagonisten der Handlung. Doch auch bürgerliche Tendenzen wurden aufgezeigt. Gerade zu Beginn der Contes de fées - Mode wurden Angehörige unterer sozialer Schichten als Nebenfiguren in das Geschehen eingeführt. Ebenso wie die Feen entscheidend für den glücklichen Ausgang der Märchen waren, spielten auch jene Vertreter der Mittel- oder Unterschicht eine bedeutende Rolle für die Wiederherstellung der endgültigen Ordnung innerhalb des Märchens. In späteren Contes de fees sind diese „bürgerlichen Impulse"[9] jedoch nicht mehr zu finden.
Während Perrault mit seinen Contes versucht, die Moral der Contes populaires aus dem niederen Volk in die höhere Gesellschaftsschicht zu überführen und dies auf humorvollem und leicht ironischem Wege tut, wollen die höfischen Dichterinnen ihre Leserschaft vorrangig unterhalten. Dazu bedienen sie sich des Stoffangebots der Volksmärchen und schmücken dieses mit einer Fülle an wunderbaren Ereignissen und mit einer Überflutung der Sinnesreize aus. Alles wird als prunkvoll und in überspitzten Dimensionen dargestellt. Die Contes de fées werden als „resultat d'un vaste jeu de societe"[10] gesehen, denn bereits Wunderbares wird nochmals übertrieben wunderbarer, dank der Feen, die alles mit Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit regeln. Die schreibenden Hofdamen betrachten ihre Contes als individuelle künstlerische Erfindungen. Daher wird auch der Begriff „Kunstmärchen" mit den Contes de fées assoziiert.
Madame d'Aulnoy trug entscheidend zur Mode der Contes de fées bei. Im Jahre 1697 veröffentlichte sie ihr Werk Contes des fées in drei Bänden. Der zweite Band enthielt u.a. den Conte de fées La Princesse Rosette, der als so genannter „Conte d'origine folklorique“[11] gilt. Damit ist gemeint, dass dieser Conte nicht völlig der Phantasie entsprungen ist, wie dies auf spätere Contes de fees durchaus zutrifft, sondern sich auf volkstümliche Märchenelemente stützt, die lediglich überbetont werden. Was kennzeichnet diesen Conte nun als Conte de fees?
4 Ein Conte de fees : La Princesse Rosette
Bereits mit dem Titel des Conte wird bewusst darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen Conte handelt, in dem die Liebe das Hauptthema bildet: La Princesse Rosette. Conte. Ou à la recherche de l’Amant lointain. Ebenfalls dem Titel zu entnehmen, fungiert eine Prinzessin als Hauptfigur, nebst anderen Vertretern der höfischen Gesellschaft, wie Prinzen und Königen. Diese und weitere Merkmale identifizieren La Princesse Rosette als Conte de fées. Madame d'Aulnoy hat ihre Contes des fées (1697) im gleichen Jahr herausgebracht wie Perrault seine Contes.[12] Beide Werke bedienen sich der Feen als die Handlung regelnde Kräfte und sind syntaktisch einfach aufgebaut. Dennoch vermerken Kritiker erhebliche Unterschiede inhaltlicher und stilistischer Natur zwischen beiden Werken. Während Perraults Contes de fées leicht verständlich, mit scheinbarer Naivität und geistreichem Wortlaut vermittelt sind, wird La Princesse Rosette als eine „puérilite[...]"[13] und eine „infantilisation du texte“[14] kritisiert. Wortarmut und Reduzierung der Syntax auf einfache und sich wiederholende Elemente würden zu einem kindlichen und daher für die Kritiker wenig attraktiven Schreibstil führen. Doch Madame d'Aulnoy hat diesen Stil bewusst gewählt, um mit dem Conte zu spielen und ihre schriftstellerische Kreativität auf diese Weise zu zeigen. Es geht ihr vorrangig nicht darum, den Leser zu belehren, sondern ihn zu unterhalten, ein „pur jeu avec l'ecriture“[15] zu betreiben. Der Conte ist trotz seiner kindlichen Ausdrucksweise für Erwachsene bestimmt und dazu gedacht „à distraire la bonne compagnie".[16] Wie nun drückt sich dieser für Madame d'Aulnoy eigene Stil in La Princesse Rosette aus? Zum einen durch die Elemente des Conte merveilleux, zum anderen durch Merkmale des Conte de fees.
[...]
[1] Lexikon der französischen Literatur, S. 254.
[2] D. Rieger, 18. Jahrhundert - Theater, Conte Philosophique und philosophisches Schrifttum. Tübingen 2001, 13.
[3] Marc Soriano, Guide de litterature pour la jeunesse, Flammarion, 1975.
[4] M. Mayer/ J.Tismar, Kunstmärchen, Stuttgart 1997, S. l.
[5] V. Klotz, Das europäische Kunstmärchen: 25 Kap. Seiner Geschichte von der Renaissance bis zur Modeme.
Stuttgart 1985, S.14.
[6] Le Petit Robert, 1993.
[7] Klotz, S.71.
[8] K. Ranke, Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung,
Bd.3, Berlin 1981, S. 134.
[9] Klotz, S.72.
[10] Ebd. S.49.
[11] Vgl. R. Robert, Le conte de fées littéraire en France de la fin du XVIIe à la fin du XVIIIe siècle. Paris 2002,
S. 75.
[12] Der Originaltitellautet: Histoires ou Contes du temps passé avec des moralitez.
[13] Robert, S. 462.
[14] Ebd, S. 463.
[15] Ebd, S. 465.
[16] Ebd.
- Quote paper
- Maria Gottschall (Author), 2006, Wunderbares und Philosophisches in französischen Erzählungen des 18. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76476
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