Aufgrund vielschichtiger wirtschaftlicher Probleme in unserer heutigen Zeit, wird immer häufiger infrage gestellt, ob die reine Ökonomie in der Lage ist, den Menschen zu Wohlstand und zu einem guten Leben zu verhelfen. Daher wird der Ruf nach einer Wirtschafts- und Unternehmensethik immer lauter. Denn bekannte Problemfelder der Wirtschaft wie Schmiergeldskandale, Kursmanipulationen oder Wettbewerbsbeschränkungen durch Marktmacht haben nicht nur rein ökonomische Komponenten, sondern werden auch in der Ethik diskutiert. Denn Wirtschaften bedeutet immer auch in Interaktion mit Menschen zu treten. Seit Jahrzehnten suchen nun Wirtschaftsethiker nach einer Lösung, wie Ethik in die Wirtschaft wieder integriert werden kann. Wieder, weil die Ethik und die Ökonomik beide Disziplinen aus der Philosophie sind und daher die gleiche Wurzel haben. Wirtschaftsethik soll bei der Lösung kritischer Probleme helfen, den Wirtschaftsakteuren neue Handlungswege aufzuzeigen und Orientierung an ethischen Leitlinien zu geben. Jedoch gibt es noch etliche Bedenken, wenn von Ethik und Ökonomik in einem Atemzug gesprochen wird. Denn trotz des gleichen Ursprungs scheint es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Disziplinen mit anderen Zielsetzungen zu handeln.
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist daher der institutionenethische Ansatz von Karl Homann. Es soll gezeigt werden, dass es sich hierbei um einen praxisnahen Ansatz der Wirtschafts- und Unternehmensethik handelt, der für die Wirtschaft zugänglich ist.
Zunächst soll ein kurzer Überblick über die moderne Gesellschaft und die Bedeutung von Institutionen geben werden. Es soll geklärt werden, dass Unternehmen ihre ethische Verantwortung wahrnehmen müssen. Das dritte Kapitel wird das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomik vorstellen. Um schließlich zu der institutionenethischen Wirtschaftsethik von Homann überzugehen, muss zunächst seine Vorstellung von der Logik der Marktwirtschaft erklärt werden, weil dieser Ansatz aus der Ökonomie heraus entwickelt wurde. Darauf aufbauend wird im fünften Kapitel sein Konzept der Wirtschafts- und Unternehmensethik dargestellt. Als Anwendungsbeispiel wird die Möglichkeit der Korruptionsbekämpfung dargestellt, um so die Praxistauglichkeit dieses Konzeptes zu demonstrieren. Nach einer kritischen Diskussion des Ansatzes von Homann in Kapitel sieben, schließen ein Resümee und ein Ausblick auf Zukunft und Entwicklungsmöglichkeiten der Wirtschaftsethik die vorliegende Arbeit ab.
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS:
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Aufbau der Arbeit
2. Wandel der Werte
2.1. Von den Kleingruppen zur anonymen Großgesellschaft
2.2. Die Bedeutung von Institutionen
2.3. Verantwortung
2.3.1. Individuelle Verantwortung
2.3.2. Unternehmerische Verantwortung
3. Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik
3.1. Ethik
3.2. Ökonomik
3.3. Zusammenhang von Ethik und Ökonomik: Wirtschaftsethische Ansätze
3.3.1. Dominanz der Ökonomik
3.3.2. Dominanz der Ethik
3.3.3. Gleichberechtigung zwischen Ethik und Ökonomik
4. Logik der Markwirtschaft als Grundlage Homanns Ansatzes
4.1. Status quo der Marktwirtschaft
4.2. Der Wettbewerb
4.3. Asymmetrische Interaktionsstruktur
5. Homanns Wirtschafts- und Unternehmensethik
5.1. Wirtschaftsethik
5.1.1. Moral und Eigeninteresse
5.1.2. Systematischer Ort der Moral
5.1.3. Legitimation der moralischen Normen einer Rahmenordnung
5.2. Unternehmensethik
5.2.1. Die Relevanz der Unternehmensethik
5.2.2. Aufbau einer Unternehmensethik
5.2.3. Legitimation unternehmerischen Handelns
5.2.4. Unternehmensethische Handlungsmöglichkeiten
6. Homanns Konzept auf dem Prüfstand: Das Beispiel Korruption
6.1. Wirtschaftsethischer Ansatz zur Problemlösung von Korruption
6.2. Unternehmensethischer Ansatz zur Problemlösung von Korruption
7. Kritische Betrachtung des institutionenethischen Ansatzes
7.1. Die Relevanz der Individualethik
7.2. Ökonomischer Reduktionismus
7.3. Legitimation von Normen
8. Fazit
8.1. Rückblick
8.2. Ausblick
LITERATURVERZEICHNIS
ELEKTRONISCHE QUELLEN
ABBILDUNGSVERZEICHNIS:
Abbildung 1 Dilemmasituation
Abbildung 2 Überwindung einer Dilemmastruktur
Abbildung 3 Konfliktbeziehung der Unternehmen
Abbildung 4 Unternehmensethisches Handeln zwischen Moral und Rentabilität
Abbildung 5 Unternehmensethische Strategien in der Marktwirtschaft
Abbildung 6 Entscheidungsprozess von Unternehmen
Abbildung 7: Verhältnis von Individual- und Institutionenethik
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Aufgrund vielschichtiger wirtschaftlicher Probleme in unserer heutigen Zeit, wird immer häufiger infrage gestellt, ob die reine Ökonomie in der Lage ist, den Menschen zu Wohlstand und zu einem guten Leben zu verhelfen. Daher wird der Ruf nach einer Wirtschafts- und Unternehmensethik immer lauter. Denn bekannte Problemfelder der Wirtschaft wie Schmiergeldskandale, Kursmanipulationen oder Wettbewerbsbeschränkungen durch Marktmacht haben nicht nur rein ökonomische Komponenten, sondern werden auch in der Ethik diskutiert. Denn Wirtschaften bedeutet immer auch in Interaktion mit Menschen zu treten. Seit Jahrzehnten suchen nun Wirtschaftsethiker nach einer Lösung, wie Ethik in die Wirtschaft wieder integriert werden kann. Wieder, weil die Ethik und die Ökonomik beide Disziplinen aus der Philosophie sind und daher die gleiche Wurzel haben. Wirtschaftsethik soll bei der Lösung kritischer Probleme helfen, den Wirtschaftsakteuren neue Handlungswege aufzuzeigen und Orientierung an ethischen Leitlinien zu geben. Jedoch gibt es noch etliche Bedenken, wenn von Ethik und Ökonomik in einem Atemzug gesprochen wird. Denn trotz des gleichen Ursprungs scheint es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Disziplinen mit anderen Zielsetzungen zu handeln. Zu diesem Bedenken kommt der Vorwurf, dass die Ethik in ihrem Elfenbeinturm sitzt und keine realistischen Anwendungsmöglichkeiten für wirtschaftliche Akteure aufzeigt.
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist daher der institutionenethische Ansatz von Karl Homann. Es soll gezeigt werden, dass es sich hierbei um einen praxisnahen Ansatz der Wirtschafts- und Unternehmensethik handelt, der für die Wirtschaft zugänglich ist.
1.2. Aufbau der Arbeit
Zunächst soll ein kurzer Überblick über die moderne Gesellschaft und die Bedeutung von Institutionen geben werden. Es soll geklärt werden, dass Unternehmen ihre ethische Verantwortung wahrnehmen müssen. Das dritte Kapitel wird das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomik allgemein vorstellen, aber auch die vorherrschenden verschiedenen Sichtweisen zum Verhältnis von Ethik und Ökonomik aufzeigen, darunter wird auch das Verständnis von Homann dargestellt werden. Um schließlich zu der institutionenethischen Wirtschaftsethik von Homann überzugehen, muss zunächst seine Vorstellung von der Logik der Marktwirtschaft erklärt werden, weil dieser Ansatz aus der Ökonomie heraus entwickelt wurde. Darauf aufbauend wird im fünften Kapitel sein Konzept der Wirtschafts- und Unternehmensethik dargestellt. Zuerst wird die Wirtschaftsethik aufgezeigt und es wird geklärt, worauf sich die Ethik in der Wirtschaft stützen muss und wo der systematische Ort der Moral zu finden ist. Nachfolgend wird die Unternehmensethik, die in die Wirtschaftsethik integriert sein muss, vorgestellt. Es werden Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen aufgezeigt, welche die ethische Verantwortung ermöglichen. Als Anwendungsbeispiel wird die Möglichkeit der Korruptionsbekämpfung dargestellt, um so die Praxistauglichkeit dieses Konzeptes zu demonstrieren. Nach einer kritischen Diskussion einiger ausgewählter inhaltlicher Punkte des Ansatzes von Homann in Kapitel sieben, schließen ein Resümee und ein Ausblick auf Zukunft und Entwicklungsmöglichkeiten der Wirtschaftsethik die vorliegende Arbeit ab.
2. Wandel der Werte
Aufgrund der Entwicklung der Gesellschaft, unter anderem in soziokulturellen und ökonomischen Bereichen, haben sich zudem auch die Werte der Gesellschaft verändert. Durch die veränderten Vorstellungen und auch durch die veränderten Arbeitsweisen ergeben sich des Weiteren Veränderungen in der Vorstellung der unternehmerischen Verantwortung.
2.1. Von den Kleingruppen zur anonymen Großgesellschaft
Die Ideen über das gute Leben stellen das Motiv und somit den Hintergrund unseres moralischen Handelns dar. Einer normativen Begründung sind sie weder zugänglich, noch bedürfen sie dieser – sie sollen allein „ soweit sie uns überhaupt zur Wahl stehen, durch ihre Attraktivität `für sich selbst´ sprechen “[1]. Ethische Gefühle haben über Generationen hinweg zur Herausbildung gesellschaftlicher Normen und Wertvorstellungen geführt. In der Antike richteten sich die Fragen nach dem guten Leben direkt an das individuelle menschliche Handeln, welches somit stets im Einklang mit der sozialen Ordnung stand.[2] In der Vormodernen haben sich moralische Vorstellungen dann durch Kleingruppen, wie beispielsweise die Familie, entwickelt.[3] Daher bestimmten die sozialen Bedingungen maßgeblich das Handeln der Individuen. Innerhalb der Kleingruppen konnte unmoralisches Verhalten schnell entdeckt und sanktioniert werden. Dank dieser informellen Sanktionsmechanismen hatten moralische Regeln in der Gesellschaft eine hohe Akzeptanz. In der Moderne jedoch verloren Kleingruppen immer mehr an Bedeutung und wichen der anonymen Großgesellschaft. Das individuelle Handeln steht heute nicht mehr unbedingt im Einklang mit der sozialen Ordnung. Menschen gehören vielen verschiedenen Gruppen an wodurch ihre Mobilität nicht nur geografisch, sondern auch kulturell, sozial und ökonomisch zunimmt.[4] Es wird ein Prozess der Individualisierung durch das Herauslösen aus den sozialen Bindungen initiiert. Die Handlungsspielräume der Menschen werden größer, aber auch die Abhängigkeiten der Handlungen untereinander nehmen zu.[5] Diese Verhaltensinterdependenzen machen deutlich, dass die Befolgung moralischer Normen nicht mehr allein durch das ethische Gefühl erwartet werden können.[6] Die inoffiziellen Sanktionsmöglichkeiten der Kleingruppen bleiben aus. Zudem entsteht durch die Globalisierung ein Wertepluralismus in dieser anonymen Gesellschaft, wodurch Werte nicht mehr die Handlungsorientierung wie damals bieten können. Es stellt sich die Frage, wie diese Verhaltensinterdependenzen aufeinander abgestimmt werden können.
2.2. Die Bedeutung von Institutionen
Institutionen bilden den Handlungsrahmen für Individuen und manifestieren sich beispielsweise in Kultur, Religion, Naturgesetzen, Gesetzen, Verträgen.[7] Institutionen befinden sich meistens in Organisationen,[8] welche die personelle und sachliche Ebene beinhalten.[9] Beispielsweise sind Unternehmen Organisationen und können daher als personifizierte Institutionen verstanden werden. Schon in der Zeit der Kleingruppen gab es Institutionen wie die oben erwähnten informellen Regeln und Konventionen mit ihren Sanktionsmechanismen. Diese wurden jedoch weder bewusst wahrgenommen noch explizit so genannt.[10] Informelle Regeln entstanden nach der Institutionenökonomik dadurch, dass sich Personen bestimmte, ihnen Vorteile bringende Verhaltensmuster aneigneten, die dann auf die gesamte Gruppe übertragen wurden. Dadurch ergaben sich Verhaltensstabilitäten, welche Interaktionen erleichterten. Verstöße gegen diese Regeln konnten informell sanktioniert werden, indem die Person beispielsweise von nachfolgenden Interaktionen ausgeschlossen wurde.[11] Dies gelingt jedoch nur in den genannten Kleingruppen. Daher müssen in der anonymen Großgesellschaft die informellen Regeln der Kleingruppen durch formelle Regeln, das heißt Institutionen ergänzt werden.
Bekannte Ökonomen und Philosophen, die solche Institutionen in ihre Betrachtung einbezogen waren erst Adam Smith,[12] der ausdrücklich von Handlungsrestriktionen sprach und später Georg Wilhelm Friedrich Hegel,[13] in seiner Theorie über die bürgerliche Gesellschaft.[14] Die Theorien der Neoklassik und des Keynesianismus vernachlässigten Institutionen, so dass sie erst im 19. Jahrhundert wieder in das Zentrum ökonomischer Betrachtungen rückten. Ronald Coase gilt als der Begründer der Neuen Institutionenökonomik.[15] Durch die steigende Größe der Märkte, die Arbeitsteiligkeit und Komplexität der Verbindungen steigen die Transaktionskosten[16] von Interaktionen. Um die Handlungen von Individuen in Großgesellschaften trotzdem kanalisieren zu können und Interaktionen zu ermöglichen, werden Institutionen immer wichtiger.[17] Denn „ Institutionen stellen Systeme von Regeln und Normen, inklusive ihrer Durchsetzungsmechanismen, dar“.[18] Durch die gesetzten Regeln werden Interaktionen erst möglich und erzeugen für alle Beteiligten „ `welfare´ ─ Verbesserungen “[19]. Die Aufgabe von Institutionen in der modernen Gesellschaft ist es also, unerwünschte Dilemmasituationen in denen sich Menschen bei Interaktionen befinden können, zu überwinden und erwünschte Dilemmasituationen zu stabilisieren.[20] Die Gesamtheit von Institutionen wird als Anreizstruktur gesehen, weil sie den Handlungsraum beschränken oder in eine Richtung lenken können.[21] Dies schafft die Möglichkeit Regeln in die gesetzliche Rahmenordnung und das Marktsystem zu integrieren, welche das Handeln in eine moralische Richtung lenken sollen. Diese Rahmenordnungen können zum Einen auf wirtschaftsrechtlicher Ebene von der Politik vorgegeben werden und zum Anderen auf Unternehmensebene von der Unternehmensleitung oder ganzen Branchen.
2.3. Verantwortung
Durch die moderne Gesellschaft wandelt sich auch die Idee der Verantwortung. Wurde sie früher nur auf das Individuum bezogen, so wird heute von der kritischen Öffentlichkeit eine Verantwortung von Unternehmen für ihre Handlungen gefordert. Denn die Wirkungsräume von Unternehmen dehnen sich teilweise über mehrere Kulturen aus oder umfassen sensible Sektoren.
2.3.1. Individuelle Verantwortung
Verantwortung kann bedeuten: Sich verantwortlich zu fühlen, verantwortlich zu sein und verantwortlich gemacht zu werden.[22] Man übernimmt für eigene oder fremde Handlungen die Verantwortung und ist bereit, für spätere mögliche Folgen Rede und Antwort zu stehen. Verantwortung kann immer auf das Individuum, welches dem Verantwortungsbereich untersteht, zurückgeführt werden. Das heißt, das Verantwortungssubjekt ist für etwas gegenüber jemandem oder vor einer Instanz in Bezug auf ein Kriterium im Rahmen seines Verantwortungs- respektive Handlungsbereiches verantwortlich.[23] Damit eine Person gegenüber einer anderen Verantwortung hat, muss also eine Verantwortungsbeziehung zwischen beiden bestehen oder bestanden haben, wie etwa ein Versprechen oder ein Vertrag. Dies gilt jedoch nicht für moralische Verantwortung: Moralische Verantwortungsbeziehungen gelten wechselseitig und benötigen keine vorhergegangenen Absprachen.[24] Nur das Handeln, welches durch das Wissen des Entscheidungssubjektes getätigt wird, kann auf ethischen Gehalt hin untersucht werden.[25] Der jeweilige Verantwortungsbereich von Wirtschaftssubjekten kann aber bereits begrenzt sein, beispielsweise durch das Recht, den Markt oder die Unternehmenspolitik. Moralische Verantwortung tritt jedoch nur dort ein, wo man zwischen verschiedenen Handlungsalternativen wählen kann.[26] Ist der „ Handlungsspielraum so stark eingeschränkt, dass nur noch eine Variante möglich ist, liegt keine unmittelbare Verantwortung mehr vor“.[27] In so einem Fall kann man sich dazu entscheiden, die Handlung auszuführen oder nicht. Es werden also die Intentionen einer Handlung, der Weg zur Erreichung des Zieles und die Folgen daran ausgerichtet, wertorientiert zu sein. Der folgende Abschnitt behandelt die Frage, ob der individuelle Verantwortungsbegriff auf institutioneller Ebene der Unternehmen angewandt werden kann.
2.3.2. Unternehmerische Verantwortung
Da Unternehmen personifizierte Institutionen darstellen und Institutionen in der heutigen Gesellschaft die Rolle der Kleingruppen teilweise übernehmen sollen, wird die Verflechtung zwischen Unternehmen und Gesellschaft immer stärker. Um dieser Verflechtung gerecht zu werden, müssen Unternehmen Verantwortung übernehmen. In dieser Arbeit wird unter dem Begriff Unternehmen eine Unternehmensrechtsform ohne natürlich haftende Person, also eine Kapitalgesellschaft, verstanden. Dadurch stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen überhaupt Verantwortung im ethischen Sinn übernehmen kann. Aufgrund des fehlenden Gewissens entfällt das Verantwortungsgefühl einer natürlichen Person, daher stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen verantwortlich sein, respektive gemacht werden kann.
Ein Unternehmen ist eine Organisation, welche ein bestimmtes Unternehmensziel verfolgt. Das Verantwortungsproblem entsteht unter anderem in der Zuschreibung der Verantwortung, da die Handlung eines Unternehmens erst aus mehreren Handlungen der Mitarbeiter entsteht.[28] Grund hierfür ist die arbeitsteilige Gesellschaft, in der mehrere Personen an einem Projekt Verantwortung tragen, wodurch sich die persönliche Verantwortung verringert. Im Normalfall lassen sich Entscheidungen nicht auf eine einzelne Person zurückführen, denn es können Gemeinschaftsentscheidungen entstehen, die über die Summe der Einzelentscheidungen hinausgehen. Daher können die Entscheidungen der Mitarbeiter als primäre Handlungen bezeichnet werden, durch deren Zusammenspiel die sekundäre Handlung des Unternehmens entsteht.[29] Somit weichen die Ziele des Unternehmens nicht selten von den individuellen Zielen der Mitarbeiter ab. Die spezifische Entscheidungsstruktur des Unternehmens bestimmt dabei die Unternehmensziele und -handlungen. Handlungsfähigkeit bedeutet aber auch Verantwortungsfähigkeit.[30] Da vom einzelnen Mitarbeiter nicht verlangt werden kann die Verantwortung für die Gesamtunternehmenshandlung zu tragen, muss das Unternehmen als Ganzes diese Verantwortung auf sich nehmen. Hinzu kommt, dass Unternehmen Rechte auf Freiheit und Autonomie beanspruchen, welche als moralische Rechte verstanden werden können. Beansprucht man Rechte folgen daraus aber auch Pflichten.[31] Folglich muss ein Unternehmen auch moralische Pflichten übernehmen, was bedeutet, dass es moralische Verantwortung tragen kann und muss. Für große Unternehmen die global agieren, bedeutet daher mehr Freiheit auch eine erhöhte Verantwortung im gesellschaftspolitischen, multinationalen Sinn.[32] Daher können Unternehmen also Verantwortung übernehmen.
3. Das Verhältnis von Ethik und Ökonomik
In der Antike waren Ethik und Ökonomik in der Philosophie vereinte Disziplinen. Durch die Separierung der Disziplinen konnten beide zu einem tieferen Kenntnisstand gelangen als zuvor. In der heutigen Zeit scheinen Ethik und Ökonomik nicht mehr miteinander vereinbar zu sein. Dieser Auffassung liegt die Vorstellung zugrunde, Moral gehe stets mit altruistischem Handeln, die Wirtschaft dagegen mit Egoismus einher. Die moderne Gesellschaft lebt aber von der Zusammenarbeit der Menschen und diese muss durch eine geeignete Moral gestützt werden: „ Die Gesellschaft [ist] ein Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“.[33] Beide Disziplinen sind also aufeinander angewiesen. Zunächst sollen beide Disziplinen getrennt voneinander betrachtet werden, dann kann folgend untersucht werden, wo Verbindungsmöglichkeiten beider zu sehen sind.
3.1. Ethik
Ethik ist die Lehre über das Sittliche.[34] Ethik kann entweder deskriptiv (beschreibend), normativ (wertend) oder analytisch (als Theorie über die ethische Theorie) sein.[35] Allgemein lassen sich ethische Theorien danach unterscheiden, ob sie deontologisch oder teleologisch sind: Bei der deontologischen Ethik werden die Handlungen als solche bewertet, bei der teleologischen hingegen ihre Folgen.[36] Die eine Ethik gibt es nicht, es gibt viele verschiedene Theorien der Ethik. Allerdings beziehen sie sich alle auf das „Sittliche“ und das „Gute“.[37] Über die verschiedenen Gesellschaftsstrukturen hinweg haben sich verschiedene Theorien der Ethik entwickelt, daher kann gesagt werden, dass Ethik ein Prozess ist, der mit der Gesellschaft wachsen muss. Die klassische Ethik, unter die man besonders die Werke Aristoteles fasst, ist die Lehre vom moralisch richtigen Handeln, was sich vor allem durch die Tugendethik auszeichnete.[38] Jeremias Buchanan dagegen befasste sich in seiner Theorie des Utilitarismus mit dem größten Glück der größtmöglichen Anzahl von Personen.[39] Immanuel Kant wiederum bestimmte die Pflichterfüllung zum höchsten Gut, denn „ moralisches Handeln setzt voraus, dass es „aus Pflicht“ geschieht(…), ohne jede Beachtung von Neigung “.[40] In der Moderne kommen viele Formen von Ethik auf, wie die Gesinnungsethik, Verantwortungsethik, Situationsethik oder Normenethik, deren Darstellung jedoch den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.[41] Daher soll hier eine Konzentration auf die Unterteilung zwischen Individualethik und Institutionenethik erfolgen. Individualethische Ansätze stellen die Handlungen des Individuums in den Vordergrund, moralisches Verhalten soll durch die Präferenzen der Individuen motiviert sein.[42] Man spricht auch von Motivmoral oder intrinsischen Gefühlen, nach denen sich gerichtet werden soll. Bei institutionenethischen Ansätzen dagegen ist das Individuum nicht mehr alleiniger Adressat der Moral, auch Unternehmen sind fähig zu moralischem Handeln. Dies erweitert die moralische Verantwortung auf Institutionen,[43] wie die gesetzliche Rahmenordnung oder das Regelsystem eines Unternehmens und somit auf Rahmenordnungen, innerhalb derer sich die Wirtschaftssubjekte frei verhalten dürfen. Durch Restriktionen werden Anreize so gesetzt, dass die Individuen einen größeren Vorteil haben sich an die Regeln zu halten, anstatt zu defektieren. Daher spricht man auch von einer Anreizmoral oder extrinsischen Motiven.
Ethik ist die wissenschaftliche Theorie der Moral. „ Unter Moral versteht man einen Komplex an Regeln und Normen die das Handeln leiten sollen (…). Diese Regeln helfen zu beurteilen, ob das Handeln von Menschen (…) moralisch richtig oder moralisch falsch ist“.[44] Moralische Rahmenbedingungen sollen den Menschen durch bestimmte Kriterien Handlungsspielraum verschaffen,[45] so dass sie Verhaltensicherheiten für das Gegenüber generieren, aber immer noch genügend Freiraum für eigene Aktivitäten bieten.
3.2. Ökonomik
Ökonomik befasst sich sowohl mit der Erklärung als auch Gestaltung „ der Bedingungen und Folgen von Interaktionen auf der Grundlage individueller Vorteils/-Nachteils-Kalkulationen“.[46] Ökonomik ist Wirtschaftswissenschaft und beinhaltet den Umgang mit den von Natur aus knappen Gütern und praktisch unbegrenzten Bedürfnissen der Menschen.[47] Die Kombination von bestimmten Mitteln zur Erstellung eines (materiellen oder immateriellen) Gutes erfordert ein Rationalitätsprinzip, das heißt, man wägt die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten der knappen Ressourcen gegeneinander ab.[48] Die begrenzten Mittel können somit als Restriktionen angesehen werden. Restriktionen sind von außen vorgegebene Einschränkungen.[49] Demgegenüber stehen die möglichen Verwendungen der Mittel, welche nach den individuellen Präferenzen abgeschätzt werden. Präferenzen sind die Vorlieben einer Person.[50] Die Präferenzen folgen Anreizen. Um das Verhalten der Akteure unter Knappheitssituationen zu untersuchen, dient in der Ökonomik die Theorie des Homo oeconomicus. Der Homo oeconomicus handelt strikt nach seinen eigennützigen Interessen, seine Handlungsspielräume werden lediglich von Restriktionen eingegrenzt,[51] so kann untersucht werden, unter welchen Bedingungen ein bestimmtes Ergebnis eintritt. Daher sind Anreize ein wichtiges Thema für die Ökonomik, denn „ Rationalität heißt im ökonomischen Handlungsmodell, dass Menschen den Anreizen folgen, die von der jeweiligen Situation ausgehen“.[52] Also werden in der Ökonomik Verhaltenskorrekturen immer über äußere Anreize gesteuert.
In der Ökonomik gibt es wie in der Ethik verschiedene Sichtweisen zur Steuerung der Wirtschaft. Beispielsweise ging Smith im 18. Jahrhundert in seiner klassischen Theorie der „unsichtbaren Hand des Marktes“ davon aus, dass sich ein allgemeines Wohl einstellt, wenn jeder seinem Interesse nachgeht.[53] Das auch moralisch erwünschte Ergebnis hängt nicht mit den Motiven des Individuums zusammen.[54] Keynes dagegen befasste sich, aufgrund der Instabilität der Wirtschaft, mit wirtschaftspolitischen Beeinflussungsmöglichkeiten, bei denen vor allem staatliche Eingriffe im Vordergrund stehen.[55]
Wird die wissenschaftliche Theorie der Ökonomik angewandt, spricht man von Ökonomie. Wie kann nun das ökonomische Rationalitätsprinzip mit den individuellen Vorteilskalkulationen mit der ethischen Idee vom guten Leben aller in Verbindung gebracht werden?
3.3. Zusammenhang von Ethik und Ökonomik: Wirtschaftsethische Ansätze
Ethik und Ökonomik befassen sich beide mit Theorien über menschliches Handeln und folgen doch ihren eigenständigen Logiken. Von dem wirtschaftlichen Akteur wird aber immer mehr wertorientiertes Handeln verlangt.[56] Daher versuchen Wirtschaftsethiker schon seit Jahren diese scheinbar unterschiedlichen Disziplinen zusammenzubringen. Wirtschaftsethik muss sich mit ökonomischen Theorien befassen, hinterfragen und Sollensansprüche an ökonomisches Handeln stellen und begründen.[57] Aber genauso wie es nicht die Ethik und die Ökonomik gibt, so gibt es auch nicht die Wirtschaftsethik, sondern viele verschiedene Positionen. Die unterschiedlichen Theorien ergeben sich unter anderem aus folgenden Kriterien: Wie ist die moralische Verantwortung zu betrachten, steht also das Individuum oder die Institution im Vordergrund? Bedarf es mehr Ethik oder mehr Ökonomik? Auf welchen Ebenen (Mikro, Meso, Makro) muss die Wirtschaftsethik ansetzen?[58]
Auf der Mikroebene wird das Verhalten von Individuen als ökonomischer Akteur untersucht. Die Verantwortung des Einzelnen ist der Schwerpunkt, daher greift hier besonders die Führungsethik.[59] Die Mesoebene befasst sich mit moralischen Aspekten und der moralischen Verantwortung der Unternehmen, Organisationen, Verbänden, etc. Es wird insbesondere auf die Legitimation wirtschaftlichen Handelns geachtet, im Fokus steht die Unternehmensethik.[60] Die Makroebene stellt Beziehung zwischen Staat, Gesellschaft, Marktwirtschaft und ethischen Konzepten her.[61] Hier wird eine gerechte Wirtschaftsordnung thematisiert, daher greift hier die Wirtschaftsethik.
Daraus ergeben sich überaus viele Ansätze, deren Darstellung an dieser Stelle jedoch zu weit führen würde. Es sollen im Folgenden nur einige extreme Positionen kurz vorgestellt werden.
[...]
[1] Ulrich (a)2001/ 35)
[2] Vgl. Suchaneck (2001/ 8)
[3] Vgl. Bickenbach, Soltwedel (1996/ 15)
[4] Vgl. Homann (2001/ 6)
[5] Vgl. Suchaneck (2001/ 13ff.)
[6] Vgl. Homann (b)2003/ 46)
[7] Vgl. Erlei/ Leschke/ Sauerland (1999/ 25ff.)
[8] So ist beispielsweise die Ehe eine Institution, während die Familie eine Organisation darstellt.
[9] Vgl. Erlei/ Leschke/ Sauerland (1999/ 71)
[10] Vgl. Erlei/ Leschke/ Sauerland (1999/ 24)
[11] Vgl. Erlei/ Leschke/ Sauerland (1999/ 517f.)
[12] Siehe hierzu vertiefend „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations” von Smith, A.; Moral, Tugenden und Traditionen stellen für ihn Handlungsrestriktionen dar.
[13] Siehe hierzu vertiefend Hegel (2000); Hegel nennt den Staat als Wirklichkeit sittlicher Ideen und geht auf die Vereinigung der individuellen Interessen unter dem staatlichen System ein.
[14] Vgl. Homann (b)2003/44ff.)
[15] Vgl. Beschorner (2002/ 42f.)
[16] Transaktionskosten sind Kosten für Informationsbeschaffung, Vertrauensaufbau und Vertragsüberwachung.
[17] Vgl. Beschorner (2002/ 42)
[18] Erlei/ Leschke/ Sauerland (1999/ 71)
[19] Priddat (2005/ 153)
[20] Vertiefend in 4.3. und 5.1.
[21] Vgl. Erlei/ Leschke/ Sauerland (1999/ 520f.)
[22] Vgl. Zimmerli/ Aßländer (1996/ 303f.)
[23] Vgl. Lenk/ Maring (1998/ 22)
[24] Vgl. French (2002/ 318ff.)
[25] Vgl. Bucher (2000/ 46f.)
[26] Vgl. Bierhoff/ Herner (2005/ 36)
[27] Enderle (1986/ 7)
[28] Vgl. Lenk/ Maring (1998/ 23)
[29] Vgl. Lenk/ Maring (1998/ 25f.)
[30] Vgl. French (2002/ 317-327)
[31] Zimmerli/ Aßländer (1996/ 305f.)
[32] Vgl. Brink (2002/ 37ff.)
[33] Rawls (1975/ 105)
[34] Vgl. Kirchner, Michaëlis, Hoffmeister (1998/ 204)
[35] Vgl. Brink (2000/ 22)
[36] Vgl. Wuchterl (1998/147)
[37] Vgl. Wuchterl (1998/148)
[38] Vgl. Homann (b)2002/ 108)
[39] Vgl. Wuchterl (1998/148)
[40] Baumanns (2000/ 50)
[41] Vertiefend bei Brink (2000/ 24-27)
[42] Vgl. Brink (2000/ 27)
[43] www.wirtschaftsethik.ch/
[44] Homann (b)2003/ 37)
[45] Vgl. Brink (2000/ 15)
[46] Homann/ Lütge (2004/ 18)
[47] Vgl. Wöhe (1993/ 1)
[48] Vgl. Wöhe (1993/ 5)
[49] Vgl. Kirchner, Michaëlis, Hoffmeister (1998/ 569)
[50] Vgl. Kirchner, Michaëlis, Hoffmeister (1998/ 516)
[51] Erlei/ Leschke/ Sauerland (1999/ 2)
[52] Homann (1997/ 139)
[53] Vgl. Tiwari (2003/ 1)
[54] Vgl. Homann (a)1993/ 34)
[55] Vgl. Görgens/ Ruckriegel (2000/ 4)
[56] Vgl. Wilsberg (2001)
[57] Vgl. Zimmerli/ Aßländer (1996/ 293)
[58] Die Unterteilung der Ebenen macht nur Sinn, wenn jeder Ebene eigenständige Handlungsspielräume zugestanden werden, „ dann besteht ethisches Gestaltungspotential “. Brink (2000/42)
[59] Vgl. Noll (2002/ 36)
[60] Vgl. Brink (2000/ 47)
[61] Vgl. Zimmerli/ Aßländer (1996/ 307-310)
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