Besonders durch die gegenwärtig hohe Stellung von Medien und praktizierter Medienpolitik nimmt die Bedeutung der Farbwahl einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert ein. Farben sind nicht nur optische Schmuckelemente – sie haben sich kulturell zu Symbolen entwickelt, welche vertreten, missbraucht und verklärt werden können. Dies gilt es zu hinterfragen.
INHALT
1. Stellenwert der Farben in der Politik
2. Semantik der Farben & politische Assoziationen
2.1 Die Farbe Rot
2.2 Die Farbe Schwarz
2.3 Die Farbe Gelb
2.4 Die Farbe Blau
2.5 Die Farbe Grün
2.6 Die Farbe Braun
3. Historische Entwicklung politischer Erscheinungsbilder in Deutschland
3.1 Deutschlands Schwarz-Rot-Gold
3.1.1 Herausbildung der Deutschland-Flagge
3.1.2 Gegenwärtige Festsetzung der Deutschland-Flagge
3.2 Farbiges Erscheinungsbild der SPD
3.3 Farbiges Erscheinungsbild der CDU
3.4 Farbiges Erscheinungsbild der FDP
3.5 Farbiges Erscheinungsbild Die Linke/PDS
3.6 Farbiges Erscheinungsbild der Bündnis 90/ Die Grünen
4. Farbige Inszenierung bei der Bundestagswahl 2005
4.1 Neugestaltung der Parteien
4.1.1 Schlammfarben als Verweis auf die politische Lage?
4.1.2 Rot nur noch als Lippenbekenntnis
4.1.3 Orange als ‚revolutionäre’ Neuerung
1. Stellenwert der Farben in der Politik
Bei Untersuchung historischer Entwicklungen konnte Bernd Schüler drei Schwerpunkte ausmachen, welche die Macht der Farben auf die Politik darstellen. Demnach dienen Farben dem Ausdruck und der Bekräftigung bestehender Herrschaften. Weiterhin sind sie Zeichen neuer politischer Bewegungen im Kampf gegen traditionelle Machthaber und als Drittes nutzt man Farben zur Werbung um Wählerstimmen zu gewinnen, welche wiederum die eigene Macht legitimieren.[1]
Farben waren deshalb so geeignet zur Demonstration von Machtansprüchen, da sie in ihrer Beschaffung aufwändig und kostenintensiv waren. Farbige Kleidung war ein Privileg, welches sich nicht jeder leisten konnte und viele nicht leisten durften!
Außerdem nutzte man die psychologische Wirkung von farbiger Einheitskleidung. Durch die Verwendung gemeinsamer Farben wurden diese zum Symbol einer Gemeinschaft. Man erkennt den anderen und seine Zugehörigkeit optisch. Die homogene Verschmelzung in einer farbigen Masse löst die Schwächen des Einzelnen auf und lässt ihn Bestandteil einer trauernden, feiernden, aufbegehrenden oder auch unterdrückten Gruppe werden.
Die Werbewirkung darf nicht unterschätzt werden. Rote Fahnen eigenen sich hervorragend als „Massenführungsmittel“[2]. Massen-mobilisierende Mittel waren vor allem in den Jahren der noch jungen Demokratie (Weimarer Republik) notwendig. Das instabile politische System erforderte regelmäßig Neuwahlen, bei denen mit Plakaten und Fahnen die Aufmerksamkeit der wahlmüden Wähler immer wieder neu motiviert werden mussten.
Auch können Farben ethisch aufgeladen werden. 1570 ernannte Papst Pius V. Weiß, Rot, Violett und Grün zu den liturgischen Farben, welchen ab diesem Zeitpunkt besondere Ehrerweisung zugebracht werden sollte. Braun wird seit der Hitlerdiktatur nur vorsichtig als politische Farbe genutzt. Und Rot ist als revolutionärer Stimmungsmacher für harmonische Mittelmäßigkeit unpassend.
Besonders durch die gegenwärtig hohe Stellung von Medien und praktizierter Medienpolitik nimmt die Bedeutung der Farbwahl einen nicht zu unter-schätzenden Stellenwert ein. Farben sind nicht nur optische Schmuckelemente – sie haben sich kulturell zu Symbolen entwickelt, welche vertreten, missbraucht und verklärt werden können. Dies gilt es zu hinterfragen.
2. Semantik der Farben & politische Assoziationen
2.1 Die Farbe Rot
Rot ist Jahrhunderte lang die Farbe der Herrscher gewesen. Grund dafür war die besonders aufwendige und kostenintensive Herstellung des roten Farbstoffes. Wer rote oder purpurne Kleider trug, demonstrierte Reichtum und somit Macht. Lediglich der obersten Hierarchie war es erlaubt, überhaupt farbige Kleidung zu tragen und diese sozialen Privilegien wurden in Kleiderordnungen festgehalten. Ein überschreiten dieser Verordnungen wurde mit der Todesstrafe geahndet, weil es mit einem Angriff auf die bestehenden politischen Strukturen verglichen werden konnte. Die sozialen Kämpfe zwischen Adel und Bürgertum drehten sich daher auch darum, wer in welcher Form Rot tragen durfte. Mit Verringerung der wirtschaftlichen Macht schwand der Einfluss des Adels und minderte dessen Privilegien zunehmend. „So verlor die Farbe Rot den Status eines Distinktionsmittels gehobener Stände – und wurde umso mehr zu einer Leitfarbe der unteren Schichten, ihres sozialen Protestes und schließlich der Arbeiterbewegung.“[3]
Der Import der Cochenille-Laus aus Amerika vereinfachte die Herstellung und machte den Farbstoff auch für den Nichtadel erschwinglich. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert wurde Rot zum zentralen Symbol sozialer Aufstände und Gleichstellungsbewegungen[4]. Rabbow begründet diese massenmobilisierende Wirkung der Farbe Rot wie folgt: „Rot ist eine aggressive Farbe; es leuchtet weithin; es zieht mit magischer Gewalt den Blick an; es fordert heraus, wirbt und schreckt ab.“[5]
Nach dem I. Weltkrieg nutzen vor allem kommunistische Parteien die Farbe Rot massiv für den Wahlkampf, wohingegen die Sozialdemokraten sich auf die demokratischen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold konzentrierten. Hitler lernte aus dieser Bewegung; nutze den Effekt roter Massen und konnte sich außerdem der Sympathie der Arbeiterschaft gewiss sein. Nach dem II. Weltkrieg wurde in der BRD nur zaghaft Rot in Parteiflaggen verwendet um keine Parallelen zum Nationalsozialismus aufkommen zu lassen. Die SPD setzt seither ihre Kernfarbe nur noch punktuell ein. Als reine Signalfarbe, jenseits ihres Status als politisches Symbol, wurde und wird Rot auch von anderen Parteien verwendet.
2.2 Die Farbe Schwarz
Schwarz hat in der Politik eine lange Tradition. Ausgangspunkt ist der Klerus des Mittelalters und in der Phase dunkler Frömmigkeit am spanischen Hof weit verbreitet.[6] Zu beginn der Neuzeit entdeckte der Adel diese (Nicht-)Farbe für sich. Zugleich wurde Schwarz als Symbol für Anarchismus verstanden. Letzteres basiert auf den ab 1919 in Italien aktiven Schwarzhemden. Diese faschistische Bewegung zog uniformiert mit Gewalt gegen sozialistische Gruppierungen los. Erleichtert wurde die Identifikation mit dieser Gruppierung durch die Tatsache, dass Schwarz eine auch damals übliche Kleiderfarbe im alltäglichen Gebrauch darstellte.
Im heutigen Sprachgebrauch versteht man „Schwarze“ als konservative Vertreter. Speziell die CDU-Mitglieder oder deren Sympathisanten. Diese Bezeichnung wurden den konservativen Parteien von den Oppositionellen auferlegt, weil man deren christlichen Wertvorstellungen oder auch biographischen Hintergründe mit den schwarzen Talaren der Priester[7] in Verbindung brachte.
2.3 Die Farbe Gelb
In Europa war die Farbe Gelb kulturell negativ bewertend. Man verband mit ihr Randständige und Geächtete. „Prostituierte mussten ein gelbes Kopftuch tragen, Freuen mit unehelichen Kindern gelbe Kleidung, Juden einen gelben Hut oder andere gelbe Abzeichen.“[8] Auch wurde mit Gelb der Verrat assoziiert. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik wurde daher vereinzelt versucht, Organisationen, welche sich für eine Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einsetzten, als ‚Gelbe’ zu deklarieren.
Gelb versteht sich heute als Farbe des Liberalismus und geht damit auf eine Landtagswahl in Baden-Württemberg 1972 zurück. Die Liberalen warben in diesem Jahr erstmalig mit den Farben Blau und Gelb und hatten schlagartig (und erstmalig) einen Wahlerfolg zu verzeichnen. Dass Gelb für eine liberale Partei steht ist eine deutsche Besonderheit. In Europa weitaus üblicher wäre die Farbe Blau.
[...]
[1] Vgl. Bernd Schüler. Farben als Wegweiser in der Politik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Symbole. Ausgabe 20/2006. Bonn 2006, S. 32.
[2] Arnold Rabbow. Dtv-Lexikon politischer Symbole A-Z. München 1970. S.199.
[3] Schüler. 2006, S. 32.
[4] Die emanzipatorische Wirkung der Farbe Rot ist zurückzuführen auf die rote Kopfbedeckung der Jakubiner zu Zeiten der Französischen Revolution.
[5] Rabbow, 1970, S. 198.
[6] Vgl. Schüler, 2006, S. 34.
[7] Schwarze Kleidung ist insbesondere den protestantischen Geistlichen vorgeschrieben.
[8] Schüler, 2006, S. 36.
- Quote paper
- Anne Kaiser (Author), 2006, Ästhetik der politischen Farben - Farbenlehre als Mittel der politischen Inszenierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76347
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