Ich möchte hierbei nicht direkt auf nötige Konjunkturmaßnahmen in der Einzelhandelsbranche eingehen, sondern anhand der gegenwärtigen Strukturdaten, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in diesem dominanten Wirtschaftsbereich des Dienstleistungssektors versuchen darzustellen. Einhergehend mit dieser Aufgabenstellung ist die Frage, ob die betriebliche Mitbestimmung und die tarifvertraglichen Bedingungen im Einzelhandel im erhöhten Maße erodieren.
Die Funktion der verschiedenen Mitbestimmungsinstrumente werden in Kapitel zwei kurz vorgestellt.
In Kapitel drei wird der Einzelhandel der BRD mit seinen verschiedenen internen und auch externen Beeinflussungsfaktoren untersucht. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind wichtig bei einer Analyse der Beeinflussungsfaktoren, die auf die betriebliche Mitbestimmung im Einzelhandel wirken.
In Kapitel vier meiner Arbeit werde ich auf die Warenwirtschaftssysteme und den neuen Leistungsanforderungen der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eingehen . Vor allem das Betriebsverfassungsgesetz kollidiert in diesem Punkt oft mit den Vorstellungen des Arbeitgebers, der darauf bedacht ist eine flexible Personalplanung und ein konkurrenzfähiges Controlling auf dem Markt zu realisieren.
In Kapitel fünf werden Praxisbeispiele aus bekannten Unternehmen und ihrer Arbeitsbedingungen im Einzelhandel aufgezeigt. Hier stellt sich die Frage, wie die Gewerkschaft ver.di auf die veränderten strukturellen Bedingungen der Einzelhandelbranche, wie z.B. Teilzeitbeschäftigung und Minijobs, überhaupt reagieren kann, wenn sie die Mitbestimmung und die tarifvertraglichen Regelungen schützen will. Die rückläufigen Mitgliederzahlen machen auch hier eine Untersuchung notwendig, auch wenn dieser Punkt nur einen kleinen Teil dieses Kapitels ausmacht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Grundlagen der Mitbestimmung
2.1 Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
2.1.1 Funktion des Betriebsrates
2.1.2 Mitwirkungsrechte des Betriebsrates
2.1.3 Mitbestimmungsrechte des Betriebrates
2.1.4 Die Betriebsvereinbarung
2.1.5 Novellierung des BetrVG aus dem Jahr 2001
2.2 Mitbestimmungsgesetz
2.3 Tarifvertragssystem
2.3.1 Arbeitgeberverbände
2.3.2 Gewerkschaften
2.3.4 Die Rolle des Staates
2.3.5 Tarifvertragsgesetz (TVG)
2.3.5.1 Flächen- und Branchentarifverträge
2.3.5.2 Tarifverhandlungen
2.3.5.3 Arbeitskampfformen
2.4 Entwicklungstendenzen bei der Mitbestimmung
2.4.1 Tarifbindung der Unternehmen
2.4.2 Der tariflose Zustand im Einzelhandel
2.4.3 Differenzierung und Dezentralisierung
3. Der Einzelhandel in der BRD
3.1 Relevante Faktoren in der Entwicklungstendenz des Einzelhandels
3.1.1 Der Wettbewerbskampf im Einzelhandel
3.1.2 Rationalisierungsstrategien im Einzelhandel
3.2 Zusammenfassung
4. Neue Leistungsanforderungen im Einzelhandel
4.1 Die betriebliche und überbetriebliche Organisation von Verkaufsarbeit
4.2 Innovationen in der Betriebslogistik und die einhergehende Probleme für die Beschäftigten
4.3 Die Beziehung zwischen dem Kunden und dem Mitarbeiter
4.4 Die leistungspolitischen Instrumente der Unternehmer
4.5 Das Paradoxon in der Organisation von Verkaufsarbeit
4.6 Ausblick
5. Die Unternehmer und die Gewerkschaft
5.1 Der Schwarz-Konzern
5.2 Aldi und der Rest
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich laut den Arbeitgeberverbänden und weiten Teilen der Politik schon seit Jahren in einer schweren Rezession. Die Umsatzzahlen sind rückläufig und auch die Beschäftigtenzahlen[1] reihen sich, in ihrer absteigenden Tendenz, in diesen Negativtrend ein. Dies liegt mitunter an den Rationalisierungsstrategien der Einzelhandelsunternehmen, die den Kostenfaktor “Personal“ als erstes herabsenken, wenn die Branche weiterhin konkurrenzfähig auf dem deutschen Markt agieren möchte. Der zunehmend aggressive Preiskampf zwischen den führenden Unternehmen[2] verstärkt diese Entwicklung. Der Trend von den großen Einzelhandelsunternehmen, sich verstärkt neue Gewerbeobjekte anzueignen, der so genannte Trend zur „grünen Wiese“ oder dem sekundären Netz[3], scheint jedoch trotz stagnierender Umsatzzahlen ungebrochen voranzuschreiten. Verdi-Vizechefin Margret Mönig-Raane sagte hierzu in einem Interview, „daß Umsatzrückgang nicht automatisch weniger Gewinn bedeute. (…)Der Neubau völlig überflüssiger Verkaufsflächen und die längeren Öffnungszeiten würden einen Großteil der schmaler gewordenen Rendite auffressen.“[4]
Ich möchte hierbei nicht direkt auf nötige Konjunkturmaßnahmen in der Einzelhandelsbranche eingehen, sondern anhand der gegenwärtigen Strukturdaten, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer[5] in diesem dominanten Wirtschaftsbereich[6] des Dienstleistungssektors versuchen darzustellen. Einhergehend mit dieser Aufgabenstellung ist die Frage, ob die betriebliche Mitbestimmung und die tarifvertraglichen Bedingungen im Einzelhandel im erhöhten Maße erodieren. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und ihre Maßnahmen gegen die erodierende betriebliche Mitbestimmung werden in ihrer Verhandlungsbasis mit den Arbeitgebern gestützt durch die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer und den einhergehenden Umsatzzahlen der jeweiligen Unternehmen. Das Leistungsprofil, somit auch die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer, hat sich jedoch gegenüber der Vergangenheit stark gewandelt. Wie oben beschrieben, wächst die bundesweite Ladenfläche der Einzelhandelsunternehmen in qm bundesweit an[7], während jedoch ein Großteil der Arbeitnehmer nicht mehr als Vollzeitkräfte beschäftigt werden und die absolute Beschäftigtenzahl stagniert.[8] Rein rechnerisch muss somit mehr Arbeit von weniger Personal, als es in der Vergangenheit noch der Fall war, bewältigt werden. Moderne Warenwirtschaftssysteme sollen hierbei als Rationalisierungsstrategie der Unternehmen dienlich sein, bestimmte Arbeitsschritte der Arbeitnehmer zu ersetzen.[9]
Die Funktion der verschiedenen Mitbestimmungsinstrumente werden in Kapitel zwei kurz vorgestellt.
In Kapitel drei wird der Einzelhandel der BRD mit seinen verschiedenen internen und auch externen Beeinflussungsfaktoren untersucht. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind wichtig bei einer Analyse der Beeinflussungsfaktoren, die auf die betriebliche Mitbestimmung im Einzelhandel wirken.
In Kapitel vier meiner Arbeit werde ich auf die Warenwirtschaftssysteme und den neuen Leistungsanforderungen der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer eingehen[10]. Vor allem das Betriebsverfassungsgesetz kollidiert in diesem Punkt oft mit den Vorstellungen des Arbeitgebers, der darauf bedacht ist eine flexible Personalplanung und ein konkurrenzfähiges Controlling auf dem Markt zu realisieren.
In Kapitel fünf werden Praxisbeispiele aus bekannten Unternehmen und ihrer Arbeitsbedingungen im Einzelhandel aufgezeigt. Hier stellt sich die Frage, wie die Gewerkschaft ver.di auf die veränderten strukturellen Bedingungen der Einzelhandelbranche, wie z.B. Teilzeitbeschäftigung und Minijobs, überhaupt reagieren kann, wenn sie die Mitbestimmung und die tarifvertraglichen Regelungen schützen will. Die rückläufigen Mitgliederzahlen machen auch hier eine Untersuchung notwendig, auch wenn dieser Punkt nur einen kleinen Teil dieses Kapitels ausmacht.
Als Bearbeitungsgrundlage dienten mir eine Vielzahl an Zeitungsmaterialien, Onlinedokumenten aus den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und der Hans-Böckler Stiftung. Hierbei war das Online-Portal der Hans-Böckler Stiftung zur Thematik „Mitbestimmung“, wie auch die Recherche in der Zeitschriftendatenbank IBZ sehr hilfreich. Auch die Buchreihe der Hans-Böckler Stiftung bietet zum Thema “Arbeitsbedingungen in der Dienstleistungsbranche“ eine Vielzahl wissenschaftlicher Literatur an. Da die Thematik “Mitbestimmung“ auch in der Öffentlichkeit hitzig diskutiert wird, habe ich auch verschiedene Pressematerialien hinzugezogen, um auch die öffentlich-mediale Wirkungsebene mit einfließen zu lassen.
2. Die Grundlagen der Mitbestimmung
Was bedeutet eigentlich Mitbestimmung? Wenn wir von einer Erodierung der Mitbestimmung im Einzelhandel ausgehen, muss man eine geeignete Begriffsdefinition finden, um eine Analyse auf der Basis der beteiligten Institutionen zu ermöglichen.
Zur Klärung empfehlen sich hierbei vier Fragen:
1. Was versteht man unter Mitbestimmung?
2. Wie wird Mitbestimmung erzeugt und wie stark ist sie?
3. Auf welcher Ebene wird Mitbestimmung praktiziert?
4. Welche gesetzlichen Regelungen existieren bei der Mitbestimmung in der BRD?
Horst-Udo Niedenhoff, Politologe, Volkswissenschaftler und Leiter des Referats für Gewerkschaftspolitik und Industriesoziologie im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, definiert Mitbestimmung folgendermaßen: „ Mitbestimmung ist die gesetzliche Teilnahme der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter (zum Beispiel der Betriebsrat) in Arbeitsgemeinschaft mit dem Arbeitgeber am Willensbildungprozess im Unternehmen.“[11]
Die Gesetzliche Teilnahme am Willensbildungsprozess im Unternehmen beantwortet die Frage , was mit Mitbestimmung gemeint ist (Frage 1). Die Wirkungsebene der Mitbestimmung (Frage 2) wird über kommunikative Prozesse innerhalb der Mitbestimmungsstruktur gewährleistet, von „der Unterrichtung bis zum Initiativrecht.“[12] Die Ebenen der Mitbestimmung (Frage 3) reichen von der individuellen Partizipation des Arbeitnehmers, beispielsweise über die Einsicht in die Personalakte, bis hin zur paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat in Großunternehmen. Die Mitbestimmungsgesetze (Frage 4) bilden hierbei die rechtliche Grundlage, also das Betriebsverfassungsgesetz bis hin zum Mitbestimmungsgesetz.
Hierbei wird deutlich, daß die Mitbestimmung kein einseitiges Recht vom Arbeitnehmer ist, sondern wie in einer parlamentarischen Demokratie üblich, werden „Konflikte nicht durch Zwang“[13], sondern kommunikativ durch beidseitige Mitentscheidungsteilhabe gelöst. Die betriebliche Mitbestimmung soll hierbei zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Belegschaft beitragen, vor allem dort, wo die Arbeitgeber durch aggressives Konkurrenzverhalten und Rationalisierungsstrategien die Rechte des Arbeitnehmers beschneiden.
Somit findet letztendlich eine Gleichberechtigung zwischen Kapital und Arbeit statt.
Angewandt werden die Mitbestimmungsrechte auf insgesamt vier Ebenen:
1. Arbeitsplatz
2. Betriebsebene z.B. durch den Betriebsrat
3. Unternehmensebene z.B. im Aufsichtsrat
4. Überbetriebliche Ebene durch Gewerkschaft und Arbeitgeberverband
Die verschiedenen Instrumente der Mitbestimmung und ihre Wirkungsarten auf den verschiedenen Ebenen stelle ich in den folgenden Unterkapiteln dar.
2.1 Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Zusammenarbeit zwischen Belegschaft, Arbeitgeber, Betriebsrat, Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden. Hierzu dient vor allem die Institution des Betriebsrats. Die Wahl des Betriebsrates ist in allen Betrieben der privaten Wirtschaft wirksam, sofern sie mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen, von denen mindestens drei Personen wählbar sein müssen.[14] Ein gewählter Betriebsrat verrichtet vier Jahre seinen Dienst und wird nach dem Prinzip des Mehrheitswahlverfahrens gewählt. Wichtig ist hierbei zu erwähnen, daß die Bildung eines Betriebsrates ein Recht und keine Pflicht ist.
Die Zahl der wählbaren Betriebsratsmitglieder hängt von der Arbeitnehmerstärke im Betrieb ab. Die Zahl der wählbaren Mitglieder fängt bei 5-20 Arbeitnehmern und einer wählbaren Person an und wächst bei 7001-9000 Arbeitnehmern auf 35 an.[15] Danach erhöht sich die Zahl der Betriebsratsmitglieder um jeweils zwei Personen in Intervallen von jeweils 3000 Arbeitnehmern.
Die Zusammensetzung innerhalb des Betriebsrats muss in seinem zahlenmäßigen Verhältnis mit dem zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb prozentual übereinstimmen. Sind ein Drittel der Beschäftigten Frauen, muss auch ein Drittel der Betriebsratsmitglieder aus Frauen bestehen. Beschlüsse werden innerhalb des Betriebsrats mehrheitlich gefasst.
Für Mitglieder des Betriebsrats gilt ein spezieller Kündigungsschutz und sie dürfen in ihrer Arbeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden.
Die genaue Zahl an Betriebsratsgremien zu benennen, ist aufgrund eines fehlenden Melderegisters in Deutschland leider nicht genau möglich. Laut der DGB-Meldestatistik schwanken die Zahlen von 36000 bis 100000 Gremien[16]. Das IAB-Betriebspanel[17] basiert auf einer Umfrage von 16.000 Betrieben. Der prozentuale Anteil an Betriebsratsgremien im Einzelhandel wird hier auf 11% beziffert. In diesen 11% sind 35% der gesamten Arbeitnehmerschaft aus dem Einzelhandel vertreten.[18] Somit verfügen zwei Drittel der Arbeitnehmer im Einzelhandel über keinen Betriebsrat.
2.1.1 Funktion des Betriebsrates
Eine der wichtigsten Funktionen des Betriebsrats ist es, über die erlassenen Gesetze und Vorschriften zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu wachen. Dazu gehören Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Außerdem ist er Anlaufstelle für die Belegschaft bei diversen Schwierigkeiten im Betrieb, wie z.B. bei der Gleichstellung von Frauen und Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Förderung älterer, behinderter und ausländischer Arbeitnehmer. Der Arbeits- und betriebliche Umweltschutz gehört ebenfalls zu seinen Aufgabengebieten.
2.1.2 Mitwirkungsrechte des Betriebsrates
Neben den Mitbestimmungsrechten (Initiativ- und Zustimmungsverweigerungsrecht) hat der Betriebsrat auch verschiedene Mitwirkungs- oder Beteiligungsrechte.
Das Informationsrecht gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, relevante Pläne seiner Unternehmensführung an den Betriebsrat weiterzuleiten. Hieraus ergibt sich demnach auch keine Pflicht für den Arbeitgeber.
Das Vorschlagsrecht gibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, dem Arbeitgeber Vorschläge z.B. im Rahmen der Personalplanung zu machen. Hierbei besteht die einzige Verpflichtung des Arbeitgebers darin, die Vorschläge zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls zu prüfen.
Beim Anhörungsrecht kann der Betriebsrat bei bestimmten Entscheidungen des Arbeitgebers widersprechen, so z.B. bei Kündigungen.
Beim Beratungsrecht muss die Meinung des Betriebsrats eingeholt werden, um in Fragen über Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung und neuer Arbeitstechniken im Betrieb zu einem Kompromiss zu kommen. Vor allem die inhaltliche Entwicklung von Plänen zur Beschäftigungssicherung können vom Betriebsrat auf dieser Ebene mit einfließen. Die Gestaltung eines konkreten Sozialplans (Beispiel Karstadt/Quelle)[19] gehört wiederum zu den Mitbestimmungsrechten des BR.
2.1.3 Mitbestimmungsrechte des Betriebrates
Bei den Mitbestimmungsrechten kommen die einflussreichsten Möglichkeiten des Betriebsrats zur Geltung. Dazu gehört z.B. die Mitgestaltung der Arbeitszeitmodelle im Betrieb, die Einführung technischer Kontrollgeräte und die Aufstellung des Urlaubsplans für die Belegschaft. In diesen Punkten kann der Arbeitgeber nicht alleine entscheiden und muss gleichberechtigt mit dem Betriebsrat zu einem Kompromiss finden. Beim Initiativrecht kann der Betriebsrat aktiv bei der Unternehmensgestaltung mitwirken, z.B. bei der Erstellung eines Sozialplans. Die Klagemöglichkeit vor einem Arbeitsgericht, z.B. wegen ungerechtfertigter Kündigungen, unterliegt dem Widerspruchsrecht des Betriebsrats.
2.1.4 Die Betriebsvereinbarung
In der Betriebsvereinbarung[20] können die Arbeitsbedingungen auf Betriebsebene speziell geregelt werden, sofern diese (z.B. bei der Lohnfindung) nicht schon durch Tarifverträge geregelt sind. Die Arbeitgeber und Betriebsräte unterschreiben hierfür die Vereinbarung für den jeweiligen Betrieb. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf einen Kompromiss einigen, so wird im Bedarfsfall eine Einigungsstelle aus Arbeitgeber und Betriebsratsmitgliedern gebildet. Die Einigungsstelle entscheidet dann mit einer Stimmenmehrheit über den jeweiligen Fall, oder ein unparteiischer Vorsitzender, der auch vom Arbeitsgericht gestellt werden kann, entscheidet verbindlich für beide Parteien.
2.1.5 Novellierung des BetrVG aus dem Jahr 2001
Aufgrund der veränderten Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft wurde das 1972 erlassene Betriebsverfassungsgesetz im Jahre 2001 novelliert.
Dazu gehört eine Erleichterung des Wahlverfahrens in Betrieben zwischen 51-100 Arbeitnehmern. Dieser Punkt resultiert aus einem Anstieg von Kleinbetrieben im Dienstleistungssektor[21] und dem wachsenden Anteil „mitbestimmungsfreier Zonen“[22] ohne Betriebsrat. Da in diesen Unternehmensbereichen die Bildung eines Betriebsrats erhebliche Kosten verursachen und die Bürokratie den Wahlvorgang nur unnötig hemmt, wurde das Wahlverfahren erleichtert. Zu dem werden „besondere Beschäftigungsformen“ in das Gesetz miteinbezogen, wie z.B. dass Leiharbeiter nach 3 Monaten automatisch das Wahlrecht für den Betriebsrat erhalten. Außerdem muss der Betriebsrat über den Einsatz von externen Arbeitskräften informiert werden. Die Mitgliederzahl im Betriebsrat wurde je nach Größe des Unternehmens, um jeweils 2 Personen vergrößert (siehe Kapitel 2.1). Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern erfolgt nun ab einer Größe von 200 Arbeitnehmern im Betrieb. Der weitere Ausbau von befristeten Arbeitsverhältnissen kann vom Betriebsrat widersprochen, werden wenn der Arbeitnehmer, bei gleicher Qualifikation, bei der Einstellung unbefristeter Arbeitskräfte unberücksichtigt bleibt. Damit hat der Betriebsrat die Möglichkeit, ein auf Dauer gesichertes Arbeitsverhältnis zu gewährleisten. Die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen und die Bekämpfung von betriebsinternem Rassismus werden stärker in die Betriebsratsarbeit eingebunden.
2.2 Das Mitbestimmungsgesetz
In den Unternehmen der Kohle- und Stahlindustrie besteht nach dem Montanmitbestimmungsgesetz seit 1951 eine paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten. Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 sieht eine ähnliche inhaltliche Struktur in der paritätischen Mitbestimmung in den Aufsichtsräten der Großunternehmen anderer Wirtschaftszweige (Kapitalgesellschaften ab 2000 Arbeitnehmer) vor. Bei Unternehmen unter 2000 Beschäftigten (bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung erst ab 500) sind die Arbeitnehmervertreter nur zu einem Drittel vertreten.
2.3 Tarifvertragssystem
„Die Tarifpolitik ist integrierter Bestandteil eines ausdifferenzierten Systems sozial- und gesellschaftspolitischer Regulierung.“[23]
Grundsätzlich sind die Tarifvertragsparteien (Gewerkschaft und Arbeitgeberverband) autonom und frei in der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auf Betriebs- und Branchenebene. Mit den Jahren entstand auf Basis dieser Politik ein riesiger Katalog tariflicher Regelungen, der eine normierende Instanz in Sachen fairer Lohnbildung in der BRD einnimmt.[24]
[...]
[1] Im Jahr 2005 sind 2,722 Millionen Menschen im Einzelhandel tätig (Quelle: HDE)
[2] Die fünf umsatzstärksten Einzelhandelsunternehmen Deutschlands (Stand: 2004): 1. Metro (56 Milliarden Euro), 2. Rewe-Gruppe (41 Milliarden Euro), 3. Schwarz-Gruppe (36 Milliarden Euro), 4. Edeka (32 Milliarden Euro) und 5. Aldi-Gruppe (30 Milliarden Euro) (Quelle: Statistisches Bundesamt)
[3] GLAUBITZ, Jürgen: Hoffnungsträger oder Sorgenkind: Konzentration und Beschäftigung im Einzelhandel, Göttingen: Leske+Budrich, Opladen, 2001, S. 183-185
[4] MÖNIG-RAANE, Margret, Nach dem Preis für billig fragen, in: Berliner Zeitung, Nummer 105, 7.05.2005, S. 12
[5] Um den Lesefluss nicht unnötig zu hemmen, benutze ich die männliche Form von „Arbeitnehmerin“, also Arbeitnehmer. Gemeint ist hierbei Arbeitnehmer wie auch Arbeitnehmerin, es sei denn, es wird speziell auf ein bestimmtes Geschlecht hingewiesen.
[6] Der Einzelhandel erwirtschaftet rund 10% vom gesamten Bruttoinlandsprodukt.
[7] 2005 wurden 118 Mio. qm Verkaufsfläche am Markt angeboten. Die Verkaufsfläche je Beschäftigten hat sich von 42, 7 qm in 2000 auf 48,3 qm in 2005, also um 12,2 % erhöht. Die Beschäftigten-Vollzeitäquivalente hat sich sogar von 56,1 qm (2000) auf 70,2 qm (+25,2 %) erhöht. (Quelle: Statistisches Bundesamt)
[8] Im Jahr 2000 waren noch 2,833 Millionen Arbeitnehmer im Einzelhandel beschäftigt, 2005 sind es nur noch 2,722 Millionen. (Quelle: HDE –Hauptverband des Deutschen Einzelhandels)
[9] VOSS-DAHM, Dorothea: Dienstleistungsarbeit: Auf dem Boden der Tatsachen, Berlin: edition sigma, 2003, S. 67-109
[10] Ebd.
[11] NIEDENHOFF, Horst-Udo: Mitbestimmung in der Bundesrepublik Deutschland, Köln: DIV, 1995, S. 11
[12] Ebd. S. 12
[13] Ebd. S. 11
[14] BetrVG § 1
[15] BetrVG § 9
[16] PRIES, Ludger, Im Schatten der Betriebsverfassung, in: Mitbestimmung (4/2006), S. 21-22
[17] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (im folgenden IAB genannt).
[18] (Quelle: IAB-Betriebspanel 2004)
[19] Im Jahr 2004 wollte die Karstadt-Quelle Konzernleitung einen Sparplan durchsetzen, bei dem 20.000 von 100.000 Mitarbeitern ihre Arbeit hätten verlieren müssen. Durch einen Sozialplan, ausgearbeitet von Karstadt-Quelle, ver.di und dem Betriebsrat, konnten viele Arbeitsplätze gerettet werden. Hierzu wurde eine dreijährige Tariferhöhungssperre vereinbart.
[20] Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit: Mitbestimmung –ein gutes Unternehmen, Berlin: BMWA, 2006, S. 19-57
[21] SCHÄFER, Claus, Ergebnisse der 3. WSI-Befragung von Betriebs- und Personalräten 2002, in: WSI-Mitteilungen (03/2003) S. 138-148
[22] ARTUS, Ingrid, Betriebe ohne Betriebsrat: Gelände jenseits des Tarifsystems?, in: WSI-Mitteilungen (07/2005) S. 392-397
[23] Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler Stiftung (Hrsg.): WSI-Tarifhandbuch 2006, Berlin: Bund-Verlag, 2006, S. 241-255
[24] Ebd.
- Quote paper
- Demir Cesar (Author), 2006, Mitarbeiter minus Mitbestimmung = Die neuen Leistungsanforderungen im Einzelhandel?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76152
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