Der Roman „Wide Sargasso Sea“ von Jean Rhys, welcher im Jahre 1966 publiziert wurde, steht in einer besonderen Beziehung zu Charlotte Bronte`s Werk „Jane Eyre“, das 1847 erstmals veröffentlicht wurde. In Anlehnung an die von Gérard Genette geprägten Begrifflichkeiten kann von „Wide Sargasso Sea“ als einem Hypertext gesprochen werden, welcher in einem transtextuellen Zusammenhang mit dem Hypotext „Jane Eyre“ steht.
In Rhys`s „Wide Sargasso Sea“ entwirft Jean Rhys eine Vorgeschichte der Figur Bertha Masons, der in Bronte`s Roman „Jane Eyre“ als geistesgestört beschriebenen Frau von Mr. Rochester. Jane Stevenson deutet diesen Akt des Schreibens als eine Auseinandersetzung von Jean Rhys mit ihrer literarischen Vorgängern Charlotte Bronte, wobei Rhys die in ihren eigenen Romanen stets anzutreffenden Themen der Entfremdung, des Wahnsinns und der Hilflosigkeit einbringt.
Mit ihrer „karibische[n] Revision“ von Bronte`s Jane Eyre setzt sich Jean Rhys schreibend mit einem Werk des britischen Kanons auseinander und reiht sich damit in die Tradition postkolonialer Literatur ein.
Neben den im Vordergrund stehenden Unterschieden zwischen den Protagonistinnen Antoinette Cosway und Jane Eyre, wie beispielsweise der Nationalität, sind dennoch einige signifikante Gemeinsamkeiten der Figuren vorhanden. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten kann der Leser Parallelen zwischen den Figuren beider Romane ziehen.
Jean Rhys hat die Figur Antoinette Cosway so angelegt, dass sie in verschiedener Weise an Jane Eyre erinnert. Die Parallelen sind sowohl im Bereich der Lebensumstände als auch der charakterlichen Eigenschaften zu finden.
Diese Arbeit beschäftigt sich nun mit den vom Leser der beiden Romane zu ziehenden Parallelen der Protagonistinnen von „Jane Eyre“ und „Wide Sargasso Sea“. Den beiden Heldinnen gemein ist das Gefühl, nicht dazu zu gehören, einsam und deplaziert zu sein.
Auch haben beide Frauen einen Hang zu Leidenschaft und temperamentvollem Handeln, der zwar teilweise unterdrückt wird aber dennoch besteht und einige Male in rebellischem Handeln Ausdruck findet. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in dem Besuch einer Mädchenschule, welche in beiden Fällen religiös geprägt ist und eine Art Schutz vor der Außenwelt bedeutet. Eine Verbindung der Protagonistinnen besteht darin, dass sie beide mit Mr. Rochester verheiratet sind, auch wenn dieser namentlich nicht in Wide Sargasso Sea erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass es sich um diese Figur handelt.
Gliederung
Einleitung
1. Gefühl der Isolation, Einsamkeit und Deplatzierung
2. Leidenschaft/Temperament und Hang zur Rebellion
3. Besuch einer Mädchenschule
4. Beziehung zu Mr. Rochester
Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Roman „Wide Sargasso Sea“ von Jean Rhys, welcher im Jahre 1966 publiziert wurde, steht in einer besonderen Beziehung zu Charlotte Bronte`s Werk „Jane Eyre“, das 1847 erstmals veröffentlicht wurde. In Anlehnung an die von Gérard Genette geprägten Begrifflichkeiten kann von „Wide Sargasso Sea“ als einem Hypertext gesprochen werden, welcher in einem transtextuellen Zusammenhang mit dem Hypotext „Jane Eyre“ steht. Genette definiert Hypertextualität als „jede Beziehung zwischen einem Text B (den ich als Hypertext bezeichne) und einem Text A (den ich (...) als Hypotext bezeichne), wobei Text B Text A auf eine Art und Weise überlagert, die nicht die des Kommentars ist“[1]. Der Hypertext muss den Hypotext nicht unbedingt erwähnen, mit welchem er in einer intertextuellen Beziehung steht, er könnte jedoch ohne ihn nicht existieren.[2]
In Rhys`s „Wide Sargasso Sea“ entwirft Jean Rhys eine Vorgeschichte der Figur Bertha Masons, der in Bronte`s Roman „Jane Eyre“ als geistesgestört beschriebenen Frau von Mr. Rochester. Jane Stevenson[3] deutet diesen Akt des Schreibens als eine Auseinandersetzung von Jean Rhys mit ihrer literarischen Vorgängern Charlotte Bronte, wobei Rhys die in ihren eigenen Romanen stets anzutreffenden Themen der Entfremdung, des Wahnsinns und der Hilflosigkeit einbringt. Coral Ann Howells geht gar von einer Rebellion gegen den Hypotext „Jane Eyre“ aus, da Brontes ideologische Ansichten in Frage gestellt werden.
“This novel (...) carries the revolt into a different camp by rebelling against a text by another woman, Charlotte Bronte`s (...) Jane Eyre. As Caribbean revisionist history, Wide Sargasso Sea challenges Bronte`s English assumptions about colonial otherness ()”[4].
Mit ihrer „karibische[n] Revision“[5] von Bronte`s Jane Eyre setzt sich Jean Rhys schreibend mit einem Werk des britischen Kanons auseinander und reiht sich damit in die Tradition postkolonialer Literatur ein.
Die Figur Antoinette Cosway, die bei Bronte noch Bertha Mason hieß, ein Name, welcher ihr in Wide Sargasso Sea von Rochester gegeben wird, schildert ihre Vorgeschichte rückblickend, wobei ein Teil des Romans die Sichtweise des Ehemanns übernimmt. Die bei Bronte eher eine, wenn auch beachtliche, Nebenrolle spielende Figur wird in Wide Sargasso Sea in den Mittelpunkt gerückt, während Jane Eyre nicht einmal namentliche Erwähnung findet. Der Leser, dem Brontes Roman bekannt ist, weiß jedoch um diese Figur und es ist ihm unvermeidlich, den Ausgangstext und seine Protagonistin Jane Eyre beim Lesen gänzlich außer Acht zu lassen.
Neben den im Vordergrund stehenden Unterschieden zwischen den Protagonistinnen Antoinette Cosway und Jane Eyre, wie beispielsweise der Nationalität, sind dennoch einige signifikante Gemeinsamkeiten der Figuren vorhanden. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten kann der Leser Parallelen zwischen den Figuren beider Romane ziehen.
“The majority of the comparisons of Bronte`s novel to that by Rhys concern the ways characters in Wide Sargasso Sea differ from their depictions in Jane Eyre. The differing characterization of Rhys` Bertha/Antoinette to Bronte`s madwoman in the attic has prompted most discussion () Readers also compare Antoinette Cosway to Jane Eyre herself”[6].
Jean Rhys hat die Figur Antoinette Cosway so angelegt, dass sie in verschiedener Weise an Jane Eyre erinnert. Die Parallelen sind sowohl im Bereich der Lebensumstände als auch der charakterlichen Eigenschaften zu finden.
“Rhys obviously leads us to compare her representation of Bertha to her predecessor’s, and there the characterizations differ. but she also leads us to compare her first-person narrator (Antoinette) to Bronte`s (Jane), since they are not only both first-person narrators they are also both orphans, attend religious schools for girls, and inherit large amounts of money. They also both marry Rochester”[7].
Diese Arbeit beschäftigt sich nun mit den vom Leser der beiden Romane zu ziehenden Parallelen der Protagonistinnen von „Jane Eyre“ und „Wide Sargasso Sea“. Den beiden Heldinnen gemein ist das Gefühl, nicht dazu zu gehören, einsam und deplaziert zu sein.
Auch haben beide Frauen einen Hang zu Leidenschaft und temperamentvollem Handeln, der zwar teilweise unterdrückt wird aber dennoch besteht und einige Male in rebellischem Handeln Ausdruck findet. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in dem Besuch einer Mädchenschule, welche in beiden Fällen religiös geprägt ist und eine Art Schutz vor der Außenwelt bedeutet. Eine Verbindung der Protagonistinnen besteht darin, dass sie beide mit Mr. Rochester verheiratet sind, auch wenn dieser namentlich nicht in Wide Sargasso Sea erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass es sich um diese Figur handelt.
1. Gefühl der Isolation, Einsamkeit und Deplatzierung
Die beiden Protagonistinnen Jane Eyre und Antoinette Cosway sehen sich in verschiedenen Situationen mit dem Gefühl der Isolation konfrontiert. Ebenso sind beide Heldinnen oftmals von Einsamkeit betroffen und fühlen sich häufig deplaziert.
Jane Eyre wächst bei ihrer Tante und deren Familie auf, wird allerdings nicht als ebenbürtiges Familienmitglied anerkannt. Sie nimmt in Gateshead eine Sonderstellung ein, da sie weder eine Bedienstete, noch gleichwertiges Familienmitglied ist und somit zu keiner der beiden Gruppen gehört. Sowohl von den Bediensteten, als auch den Mitgliedern der Familie wird Jane ihr unzureichender Status permanent verdeutlicht. “ `And you ought not to think yourself on an equality with the Misses Reed and Master Reed, because missis kindly allows you to be brought up with them` “[8].
Jane befindet sich in einer finanziellen Abhängigkeitssituation, welche ihr schonungslos klar gemacht wird. “ `() you are a dependant, mamma says; you have no money; your father left you none, you ought to beg and not to live here with gentlemen`s children like us ()` “[9].
Zudem fühlt sie, dass sie anders ist als ihre „Familie”. “I was a discord in Gateshead Hall; I was like nobody there; I had nothing in harmony with Mrs. Reed or her children ()”[10].
Auch wenn Jane sich zunächst um Zuneigung bemüht und versucht, zu gefallen, gelingt es ihr nicht in Gateshead geliebt oder auch nur akzeptiert zu werden. Sie ist sich über ihre isolierte Stellung bewusst und bezeichnet sich selbst als “heterogeneous thing”[11]. Die Zurückweisung durch die Familie macht sie zu einem Kind, was sich zwangsläufig deplaziert fühlen muss, da es in seiner engsten Umgebung nicht auf Anerkennung stößt.
Da Jane merkt, dass sie in der Familie Reed keinen Platz finden kann, geht sie in eine selbstgewählte Isolation, indem sie sich verkriecht und mit Hilfe von Büchern in Phantasiewelten eintaucht. “With Bewick on my knee, I was then happy: happy at least in my way. I feared nothing but interruption ()“[12].Dieses Verhalten wird jedoch auch nicht gebilligt, Janes „hiding-place“[13] wird entdeckt und ihr Cousin macht ihr Vorwürfe.
Jane wird häufig als Strafe von den anderen Hausbewohnern isoliert und in den “red room” eingesperrt, einen Raum, der von den anderen nur selten betreten wird und in dem Mr Reed starb. Dort fürchtet sie sich und fühlt sich ohne einen einzigen Verbündeten einsam und verlassen.
Als Jane nach Lowood geschickt wird, in eine Institution in der Waisenkinder unterrichtet werden, fühlt sie sich zunächst auch einsam und verlassen. “I stood lonely enough, but to that feeling of isolation I was accustomed: it did not oppress me much”[14]. Dort findet sie jedoch bald eine Vertraute: Helen Burns. Diese Freundschaft findet aber ein jähes Ende, als Helen am Typhusfieber stirbt. In Miss Temple „erlebt sie ein menschlicher und berufliches Vorbild“[15], so dass ihr zumindest eine Verbündete bleibt. Als diese Thornfield verlässt, wird Jane sich über die Begrenztheit der Möglichkeiten in Lowood bewusst. „Auf die innere Emigration in Gateshead folgt die äußere Isolation von Lowood, die gleichermaßen ihre persönliche Entwicklung und soziale Entfaltung behindert“[16]. Jane entscheidet sich, eine Anstellung zu suchen, wobei sie wiederum zunächst auf sich selbst gestellt ist und sich ihren Platz in der neuen Umgebung erarbeiten muss.
In Thornfield nimmt Jane als Gouvernante wiederum eine Sonderstellung ein. Rublack beschreibt, was es für eine Frau Mitte des 19. Jahrhunderts in sozialer Hinsicht bedeutete, eine Gouvernante zu sein. „Die Situation der “governess” bedeutete (...) oftmals eine unerträgliche Isolation für die Lehrerin, obwohl sie Teil der Hausgemeinschaft war“[17]. In sozialer Hinsicht war die Gouvernante der Familie des Arbeitgebers unterlegen, wobei sie in Hinblick auf die Bildung meist überlegen war. Ihr Verdienst fiel in der Regel geringer aus als bei den anderen
Hausangestellten, obgleich ihr Bildungsstand höher war. Jane findet sich also wieder in einer Situation wieder, in der sie anders als die anderen ist.
[...]
[1] Gèrard Genette, Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe (Frankfurt am Main, 1993), 14-15
[2] ebd., S.15
[3] Jane Stevenson, Women Writers in English Literature (Singapore, 1992), [Chapter: “The modern era.“], 149
[4] Coral Ann Howells, Jean Rhys (Southport, 1991), [Chapter: “The madwoman comes out of the attic: Wide Sargasso Sea], 104
[5] Eberhard Kreutzner, „Die neuen englischen Literaturen.“ In: Englische Literaturgeschichte. Ed. by Seeber, Hans-Ulrich. (Stuttgart, 2004), 451
[6] www.postcolonialweb.org/caribbean/dominica/rhys/bronte1.html
[7] www.postcolonialweb.org/caribbean/dominica/rhys/char1.html
[8] Charlotte Bronte, Jane Eyre. (London, 1994),15
[9] ebd., 12
[10] ebd., 17
[11] ebd., 17
[12] ebd., 11
[13] ebd., 11
[14] Charlotte Bronte, Jane Eyre. (London, 1994), 51
[15] Jörg Rublack, Charlotte Bronte „Jane Eyre“. (München, 1985), 47
[16] ebd., 49
[17] ebd., 76
- Arbeit zitieren
- Jennifer Reuter (Autor:in), 2005, Parallelen der Figuren Jane Eyre aus Charlotte Bronte's "Jane Eyre" und Antoinette Cosway aus Jean Rhys's "Wide Sargasso Sea", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76119
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