Mit den „Perserbriefen“ feierte Baron de Montesquieu, nicht nur in Frankreich sondern in ganz Europa einen Riesenerfolg. Das Buch enthält strenge aufklärerische Kritik der gesellschaftlichen und politischen Zustände Frankreichs unter Ludwig XIV. und in den Zeiten der Regentschaft. Mit kräftiger Unterstützung der Satire, Sarkasmus und rationaler Überprüfung wird die menschliche Vernunft an die Stelle von bisher einzig akzeptablen religiösen oder politischen Autoritäten gesetzt. Montesquieus Perser sind also nicht nur dazu da um Frankreich zu bestaunen und den Leser zum Lachen zu bringen, sondern um den sämtlichen Wertensystem des Westens in Frage zu stellen. Aus ihrer frischen, naiv-respektlosen und verfremdenden Perspektive sieht die alte Weltordnung nämlich ganz anders aus. Obwohl viele seiner Zeitgenossen es als unerhörte Unverschämtheit empfangen, geht es in die Geschichte als ein der größten Werke der Frühaufklärung ein und wird den Weg für die späteren Publikationen ebnen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Aufklärung - Begriffserklärung
3. Historischer Hintergrund
4. Montesquieu
5. Les Lettres persanes
5.1. Genese
5.2. Handlung - die Zusammenfassung
5.3. Une espèce de roman où comment peut-on réussir un chef-d’œuvre?
5.3.1. Der Orient
5.3.2. Der Roman
5.3.3. Der Briefroman
5.3.4. Die Polyphonie in den „Perserbriefen“
5.3.5. Die Anonymität des Autors
5.4. Die „Perserbriefe“ als Instrument der Kritik
6. Fazit
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einführung
Diese Proseminararbeit beschäftigt sich mit einem Buch, das seinen bis dahin unbekannten Autor, quasi über Nacht berühmt gemacht hat. Mit den „Perserbriefen“ feierte Baron de Montesquieu, nicht nur in Frankreich sondern in ganz Europa einen Riesenerfolg. Das Buch enthält strenge aufklärerische Kritik der gesellschaftlichen und politischen Zustände Frankreichs unter Ludwig XIV. und in den Zeiten der Regentschaft. Mit kräftiger Unterstützung der Satire, Sarkasmus und rationaler Überprüfung wird die menschliche Vernunft an die Stelle von bisher einzig akzeptablen religiösen oder politischen Autoritäten gesetzt. Montesquieus Perser sind also nicht nur dazu da um Frankreich zu bestaunen und den Leser zum Lachen zu bringen, sondern um den sämtlichen Wertensystem des Westens in Frage zu stellen. Aus ihrer frischen, naiv-respektlosen und verfremdenden Perspektive sieht die alte Weltordnung nämlich ganz anders aus. Obwohl viele seiner Zeitgenossen es als unerhörte Unverschämtheit empfangen, geht es in die Geschichte als ein der größten Werke der Frühaufklärung ein und wird den Weg für die späteren Publikationen ebnen.
Der Hauptteil der Arbeit ist in vier Teilbereiche gegliedert. Zuerst wird der Begriff der Aufklärung definiert. In dem zweiten Teil wird der historische Hintergrund beleuchtet, indem die maßgebenden Ereignisse und Tendenzen der Epoche vorgestellt werden. Der dritte Teil stellt die Person des Autors vor. Danach, im vierten Punkt, werden die „Perserbriefe“, u.a. ihre Genese, Struktur und Intentionen Montesquieus genauer analysiert. Zum Schluss werden die Ergebnisse in einem Fazit zusammengefasst.
2. Aufklärung - Begriffserklärung
Als Zeitalter der Aufklärung beschreibt man „eine Epoche in der intellektuellen Entwicklung der westlichen Gesellschaft im 16. bis 18. Jahrhundert, die besonders durch das Bestreben geprägt ist, die Denkweise von althergebrachten, starren und überholten Vorstellungen zu befreien und Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen. Die Menschen dieser Zeit profitierten vom Erkenntniszuwachs der vorangegangenen Renaissance und entwickelten wesentliche Errungenschaften weiter.(...) Unter Aufklärung im allgemeinen Sinne versteht man einen gesellschaftlichen Emanzipationsprozess, dessen Ziel es ist, traditionelle, auf Frömmigkeit beruhende, autoritäre Geisteshaltungen kritisch zu hinterfragen, um einer ernüchterten Kultur des Verstandes Vorschub zu leisten. Der aufgeklärte Mensch soll nicht mehr den Vorgaben der Obrigkeiten vertrauen, sondern aus "seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit" (Kant 1784) ausbrechen und sein Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen.“[1]
Den Ursprung der Aufklärung kann man schon in den Ideen des Humanismus ausfindig machen. Die danach folgende Reformation und rationale Systeme des 16.und 17. Jahrhunderts ordnen die Schwerpunkte der Weltanschauung neu und verändern systematisch den Katalog der menschlichen Werte. Vordenker der Aufklärung sind u.a. der Hauptvertreter des Empirismus, John Locke (white paper / tabula rasa - Wissenserwerb durch Wahrnehmung, Erfahrung) und die Philosophen und Rationalisten René Descartes (cogito ergo sum, logische Ordnung der Dinge, Zweifel als ein Verfahren zur Ermittlung von unbestreitbaren Wissenselementen) und Baruch Spinoza (ultimi barbarorum, Begründer der modernen Bibelkritik). Die Aufklärung bringt weit reichende soziale und politische Veränderungen, vor allem in Frankreich, mit sich.
Heutzutage wird das Wort als Sammelbegriff für unterschiedliche literarische und philosophische Tendenzen im Europa des 18. Jahrhunderts benutzt. Sie finden gemeinsame Quelle in der Emanzipation von der geistigen Dominanz der katholischen Kirche (Säkularisation). Eine anthropologische Wende findet statt - im Zentrum des aufklärerischen Denkens steht nun der Mensch und nicht länger Gott.[2]
3. Historischer Hintergrund
Der Wunsch des Luis XIV., Frankreich politisch und konfessionell zu vereinigen führt zur steigernden Intoleranz und Fanatismus (Port-Royal 1710). Das absolutistische Regime wird immer härter. Noch während seiner Regierung, besonders nach der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes im Jahr 1685, die den kulturellen und wirtschaftlichen Niedergang verstärkt[3], stößt diese Politik auf heftige Kritik. Nach dem Tod von le Roi Soleil beginnt die Zeit der Regentschaft. Der bisherige strenge Moralkodex des Ancien Régime wird durch neue Prinzipien abgelöst. Chateaubriand schreibt hundert Jahre später:
« Jamais un changement plus étonnant et plus soudain ne s’est opéré chez un peuple. De la hauteur du génie, du respect pour la religion, de la gravité des mœurs, tout était subitement descendu à la souplesse de l’esprit, à l’impiété, à la corruption.»[4]
Herzog von Orléans unterstützt aus politischen Gründen das Parlament von Paris. Ab jetzt, durch das zurück gewonnene Recht der remontrances wird die Macht der Könige und jede ihre Initiative, sich mehr Einfluss zu sichern, neutralisiert. Der Rückkehr der beliebten comédiens italiens wird von den Massen jubelnd begrüßt und setzt frische Akzente ins artistische Leben der Pariser Gesellschaft. Versailles verliert seine Rolle als Zentrum des „Highlife“, die Salons und Cafés haben jetzt Vorrang. Man trifft sich dort regelmäßig, um Gedanken auszutauschen, neue Ideen auszubreiten, fremde literarischen Werke zu kritisieren oder eigene vor dem vertrautem Publikum vorzutragen, um sich zu zeigen oder um Protektoren zu gewinnen. Schriftsteller und Denker greifen zur Feder und heben ihre Stimmen, sich auf die Kraft des menschlichen Vernunft verlassend, gegen jede Form von Unterdruckung und Ungerechtigkeit. In ihren Werken kritisieren die großen Autoren die feudalistische Gesellschaftsordnung und schlagen politische und soziale Reformen vor. Trotz der Zensur greift man zunehmend die katholische Kirche an - wegen ihrer Intoleranz, Aberglaube, Fanatismus und Dogmatismus. Produktions- und Rezeptionsbedingungen der Literatur ändern sich. Das Buch wird kleiner, billiger, man kann es häufiger ausgeben. Dank steigernder Anzahl von Ausleihinstitutionen wird der Zugang zur Literatur erleichtert, die Analphabetenquote sinkt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts steigt der Anteil der Lesekundigen von einem Fünftel um 1700 auf etwa ein Drittel, in den Städten liegt der Alphabetisierungsgrad sogar bei bis zu 75%. Nun gehören auch Gesellschaftsschichten zum Leser- und Käuferkreis, bei denen früher der Buchbesitz eine Seltenheit gewesen ist[5]. Die antiken Vorbilder der klassischen Poetik werden durch neue, politisch und gesellschaftlich aktuelle Normen ersetzt. Die Literatur befreit sich von der strengen Regelhaftigkeit des Klassizismus, verliert ihre ästhetische Passivität und wird zu einem Instrument der Aufklärung.[6]
4. Montesquieu
Charles Louis de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu[7] (1689-1755), vor allem als staatstheoretischer Denker in die Literaturgeschichte eingegangene Autor, Aufklärer und Vorläufer für die wissenschaftliche Begründung fast aller sozialwissenschaftlichen Disziplinen stammt aus einer Familie der « noblesse parlementaire ». Ein Bettler wird ihm Pate stehen, mit der Absicht, dem Charles sein lebenslang daran zu erinnern, dass die Armen seinesgleichen sind. Von seinem Vater wird Montesquieu in liberalem Geiste erzogen[8]. Er bekommt seine Ausbildung zuerst in einer Privatschule der Oratorianer in Juilly (bei Meaux), studiert dann Rechtswissenschaft an der juristischen Fakultät der Universität von Bordeaux (1705-08). In Jahren 1709-13 praktiziert er als Rechtsanwalt in Paris. Montesquieu entdeckt die Hauptstadt, immer wieder von ihr angezogen fängt er an die Vielfalt ihrer Facetten zu studieren. In nächsten Jahren folgen häufige Aufenthalte Montesquieus in Paris. Ab 1714 ist er Richter am Parlament von Bordeaux, zunächst im unteren Rang eines Rats, dann im höherrangigen Amt eines président à mortier, das er 1716 von seinem Onkel erbt. Bald wird Montesquieu auch als Mitglied der frisch gegründeten Akademie von Bordeaux gewählt. Ein Jahr zuvor heiratet er, seine Frau stammt aus einer protestantischen Adelsfamilie und bringt 100.000 Pfund Mitgift mit. 1718 wird er Direktor der Akademie von Bordeaux. In der Folgezeit bekommt er einen großen Ruf durch seine Vorträge in der Akademie. 1721 wird sein erstes wichtiges Werk, die « Lettres Persanes», veröffentlicht. Zuerst anonym, wird Montesquieu nach der Bekanntgabe der Autorschaft berühmt. Das Werk wird bewundert und sein Autor in den Pariser Salons gefeiert (Club de l’Entresol, die Salons von Marquise du Deffand, Marquise de Tencin, Mme. Geoffrin etc.). Dort trifft der Autor u.a. den Chevalier de Ramsay, dessen freimaurerischen Ideen der Toleranz und Wohltätigkeit auch seine Weltanschauung weiter beeinflussen werden (J’aime mieux ma famille que moi-même, j’aime mieux ma patrie que ma famille, mais j’aime encore mieux le genre humain que ma patrie).[9] Trotz großer Anerkennung wird er mit der Kritik der konservativen Gegner, vor allem Vertreter der katholischen Kirche konfrontiert (u.a. Kardinal Fleury). Seine erste Kandidatur zur Académie française wird abgelehnt, Montesquieu wird ihr Mitglied erst 1728, beim zweiten Anlauf, möglicherweise nach Publikation einer “korrigierten“ Version des Buches[10]. Nach dem Verkauf des Amtes des Präsidenten des Parlaments von Bordeaux (wegen finanzieller Schwierigkeiten) tritt er 1728 eine dreijährige Reise durch Europa an. Der Autor besucht Österreich, Ungarn, Republiken von Venedig und Genua, wird Gast des Benedikts XIII in Rom, bereist dann mehrere deutsche Staaten, Niederlande und England, wo er u.a. von der Königin empfangen wird[11]. In London wird er Mitglied der Royal Society und in die Freimaurerei eingeweiht. Das politische Klima Englands und die dort herrschenden Toleranz und Meinungsfreiheit - die liberté anglaise hinterlassen bei Montesquieu einen tiefen Eindruck. London erscheint dem Autoren als «la métropole européenne la plus ouverte à la liberté comme à la égalité[12] ». 1734 erscheint sein zweites großes Werk «Considérations sur les causes de la grandeur et de la décadence des Romains», das zu den ersten bedeutenden Werken der Geschichtsphilosophie gehört. Die während seiner Reisen und Studien gesammelten Ideen dienen als Grundlage zu seinem Hauptwerk « l’Esprit des Lois », das 1748 in Genf herausgegeben wird. In dem Buch, das drei Jahre später auf den Index gesetzt wird, versucht Montesquieu einerseits die Faktoren zu bestimmen, gemäß denen einzelne Staaten ihr jeweiliges Regierungs- und Rechtssystem entwickelten (z.B. geographische Lage, Klima, wirtschaftliche und religiöse Verhältnisse, Sitten und Gebräuche). Andererseits versucht er, nach John Locke, die theoretischen Fundamente eines universell möglichen Staatssystems zu entwickeln, das auf der sog. Gewaltenteilung beruht, d.h. auf der Trennung von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Staatsgewalt (Legislative, Jurisdiktion und Exekutive).[13] Seine Theorie der Gewaltentrennung wird später die Entwicklung der modernen Demokratie prägen. 1746 wird Montesquieu in die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin und 1751 in die Akademie von Stanislaus in Nancy aufgenommen. Er arbeitet in dieser Zeit auch an einigen Artikeln für Diderots Enzyklopädie (u.a. Essai sur le goût). Während der letzten Jahrzehnte seines Lebens leidet er an einer fortschreitenden Kurzsichtigkeit, ist fast völlig erblindet. 1755 erkrankt er an einer Grippe. Während der Krankheit, die ihn innerhalb zwei Wochen zum Grab bringt, schickt Ludwig XV. den Herzog de Nivernais an den Kranken, um sich nach dessen Zustand zu informieren. Auch der Papst Benedikt XIV. lässt sich regelmäßig unterrichten, ob Montesquieu endlich gebeichtet und Frieden mit der Kirche geschlossen habe. Nach seinem Tod wird der Philosoph in der Kapelle Sainte-Geneviève der Pariser Kirche Saint-Sulpice beigesetzt. Während des Terrors der französischen Revolution wird seine letzte Ruhestätte von den wütenden Massen zerstört. Als man 1796 erkennt, wie revolutionär das Werk Montesquieus wirklich war und seine Gebeine nach Vorschlag des Ältestenrates der Revolution in das Panthéon bringen will, bleibt von seinen Überresten keine Spur.[14]
[...]
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Zeitalter_der_Aufkl%C3%A4rung, Stand: 18.01.05
[2] Vgl. http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft-aktiv/Vorlesungen/literaturge/aufklaerung.htm, Stand: 18.01.05
[3] Vgl. Bauer-Funke, 1998, S. 9
[4] Vgl. Renaud, 1994, S.21
[5] Vgl. Büttner, S. 2, Stand 10.01.05
[6] Vgl. http://www.frankreich-experte.de/fr/6/6214.html , Stand 13.02.05
[7] Der Titel baron de Montesquieu so wie der Amt des Präsidenten des Parlaments von Bordeaux wurden von seinem kinderlosen Onkel geerbt unter der Bedingung, den Namen de Montesquieu weiter zu tragen, Dédéyan, 1988, S.6-7
[8] Vgl. Neaud, 1995, S.13
[9] Vgl. Ebenda, S.23-24, 114-116
[10] Vgl. 1. Mass, 1981, S.73 2. Montesquieu, Vernière, 1992, S. XXXVI
[11] Vgl. Mass, 1981, S.161
[12] Neaud, 1995, S.38
[13] Vgl. Pinkernell, S.72, Stand 21.01.2005
[14] http://www.bautz.de/bbkl/m/montesquieu.shtml , Stand 19.03.2005
- Arbeit zitieren
- Piotr Majchrzyk (Autor:in), 2004, Literatur der Frühaufklärung am Beispiel der 'Lettres persanes' von Montesquieu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76019
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