Ein zentraler Aspekt in den politischen und wirtschaftlichen Debatten der vergangenen Jahre ist der weltweit diskutierte Begriff der Globalisierung und die Auswirkungen dieses Phäno-mens auf den Nationalstaat. Ein oft vorgetragenes Argument der Globalisierungsdebatte lautet dabei, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme und Regulierungen der einzelnen Staaten auf die nationalen Volkswirtschaften mehr und mehr zurückgehen werden und sich das Ge-schehen zusehends auf eine internationale Ebene verlagern wird. Eine ähnliche Voraussage wird auch im Hinblick auf eine eigenständige nationale Technologie- und Innovationspolitik getätigt. Als Folge der Einschränkung von politischen Gestaltungsspielräumen und Freiheits-graden würden Maßnahmen, die die Technologie- und Innovationspolitik betreffen, aufgrund der offenen Grenzen und weltweiten Verknüpfungen wirkungslos und uneffizient. Die Haupt-aufgabe eines Nationalstaates wäre es somit nur noch,
„[…]einen Beitrag zum Abbau von Barrieren zu leisten, die den internationalen Wissens- und Ressourcenaustausch behindern, und am eigenen Standort Rahmenbedingungen zu entwickeln, die für die eigene Konkurrenzfähigkeit und Attraktivität im internationalen Wettbewerb förder-lich sind.“
In die gleiche Richtung geht auch Saviotti, der schreibt, dass in Zeiten der Globalisierung die globale und supranationale Ebene eine größere Relevanz für den Innovationsprozess besitzen als dies die nationale Ebene tut.
Die Verfasser der in dieser Arbeit im Vordergrund stehenden Konzepte der ‚Nationalen’ und ‚Regionalen’ Innovationssysteme schließen sich dieser These allerdings nicht an. Sie verwei-sen darauf, dass sich innerhalb von Nationalstaaten verschiedene Ebenen entwickelt haben – oder entwickeln können –, welche sich durch spezifische Systeme mit besonderen institutio-nellen Strukturen auszeichnen. Diese historisch gewachsenen und mit prägenden Eigenschaf-ten ausgestatteten Räume bleiben auch unter dem Einfluss der Globalisierung und einer damit verbundenen Internationalisierung der politischen und ökonomischen Prozesse erhalten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlegende Begriffe bei der Arbeit mit Innovationssystemen
2.1 Der Begriff der Innovation
2.2 Die Bedeutung von Wissen
2.3 Systemtheorie als konzeptioneller Rahmen
2.3.1 Definition des Systembegriffs
2.3.2 Der systemische Denkansatz
3. Die Verknüpfung der Begriffe Innovation und System
4. Konzepte der nationalen Innovationssysteme
4.1 Die historische Entwicklung
4.2 Zentrale Arbeiten zum Konzept der Nationalen Innovationssysteme
4.2.1 Die US–amerikanischen Konzepte
4.2.2 Die aalborgsche Version
4.2.3 Die deutsche Auffassung eines Nationalen Innovationssystems
4.3 Spezifikas der Nationalen Innovationssysteme
5. Die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems
6. Schwachpunkte der Nationalen Innovationssysteme
7. Konzepte der regionalen Innovationssysteme
7.1 Der Klassifikationsansatz nach Cooke
7.2 Regionale Innovationssysteme im europäischen Vergleich
8. Kritikpunkte an den Ansätzen der Regionalen Innovationssysteme
9. Fazit
10. Literatur
1. Einleitung
Ein zentraler Aspekt in den politischen und wirtschaftlichen Debatten der vergangenen Jahre ist der weltweit diskutierte Begriff der Globalisierung und die Auswirkungen dieses Phänomens auf den Nationalstaat. Ein oft vorgetragenes Argument der Globalisierungsdebatte lautet dabei, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme und Regulierungen der einzelnen Staaten auf die nationalen Volkswirtschaften mehr und mehr zurückgehen werden und sich das Geschehen zusehends auf eine internationale Ebene verlagern wird. Eine ähnliche Voraussage wird auch im Hinblick auf eine eigenständige nationale Technologie- und Innovationspolitik getätigt. Als Folge der Einschränkung von politischen Gestaltungsspielräumen und Freiheitsgraden würden Maßnahmen, die die Technologie- und Innovationspolitik betreffen, aufgrund der offenen Grenzen und weltweiten Verknüpfungen wirkungslos und uneffizient. Die Hauptaufgabe eines Nationalstaates wäre es somit nur noch,
„[…]einen Beitrag zum Abbau von Barrieren zu leisten, die den internationalen Wissens- und Ressourcenaustausch behindern, und am eigenen Standort Rahmenbedingungen zu entwickeln, die für die eigene Konkurrenzfähigkeit und Attraktivität im internationalen Wettbewerb förderlich sind.“[1]
In die gleiche Richtung geht auch Saviotti, der schreibt, dass in Zeiten der Globalisierung die globale und supranationale Ebene eine größere Relevanz für den Innovationsprozess besitzen als dies die nationale Ebene tut.[2]
Die Verfasser der in dieser Arbeit im Vordergrund stehenden Konzepte der ‚Nationalen’ und ‚Regionalen’ Innovationssysteme schließen sich dieser These allerdings nicht an. Sie verweisen darauf, dass sich innerhalb von Nationalstaaten verschiedene Ebenen entwickelt haben – oder entwickeln können –, welche sich durch spezifische Systeme mit besonderen institutionellen Strukturen auszeichnen. Diese historisch gewachsenen und mit prägenden Eigenschaften ausgestatteten Räume bleiben auch unter dem Einfluss der Globalisierung und einer damit verbundenen Internationalisierung der politischen und ökonomischen Prozesse erhalten.[3]
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, dem Leser eine Übersicht über die grundlegenden Begriffe und Zusammenhänge der Konzepte der so genannten ‚Nationalen’ und ‚Regionalen’ Innovationssysteme zu geben, welche die Beziehungen von Innovation und Raum darzustellen versuchen. Mit den Ansätzen der Innovationssystemforschung existiert ein Konzept, das Innovationsprozesse in einen räumlichen Systemzusammenhang stellt. Dieser räumliche Zusammenhang kann sich, wie sich in den späteren Kapiteln noch zeigen wird, auf verschiedene Gebietskategorien beziehungsweise Ebenen beziehen.[4]
Im nachfolgenden Kapitel werden zunächst grundlegende Begriffe des Themas erläutert, welche für das Verständnis der Innovationssysteme von elementarer Bedeutung sind. Danach werden jeweils exemplarisch verschiedene Konzepte und Anwendungen der nationalen und regionalen Innovationssysteme vorgestellt und es wird versucht anhand von ausgewählten Beispielen einen praxisnahen Bezug für den Leser aufzubauen.
2. Grundlegende Begriffe bei der Arbeit mit Innovationssystemen
In diesem Kapitel werden die im Mittelpunkt stehenden Termini der vorliegenden Arbeit kurz definiert, um somit eine Basis für eine verständliche Grundlage zu erzeugen. Bei den Konzepten der Innovationssysteme stehen primär räumliche Systemzusammenhänge im Vordergrund. Aus diesem Grund spielt die jeweilige räumliche Ausdehnung der im Fokus stehenden Systemebene eine entscheidende Rolle. Die in diesem Kapitel erörterten Begriffe sind jedoch zunächst unabhängig von der räumlichen Betrachtungsebene zu sehen und werden im späteren Verlauf der Arbeit immer wieder zur Erläuterung der verschiedenen Sichtweisen herangezogen. Es handelt sich im Folgenden um die Begriffe Innovationen, Wissen und System. Eine Begriffsbestimmung dieser Termini ist von Nöten, da sie durch ihre vielfache Anwendung in der Alltagssprache und in der Wissenschaft sehr heterogen verwendet und definiert werden.[5]
2.1 Der Begriff der Innovation
Bei einem Versuch der Definition von Innovationen kann bis auf Joseph Schumpeter zurückgegriffen werden. Der österreichische Ökonom machte bereits im Jahre 1952 in seiner Veröffentlichung Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung[6] darauf aufmerksam, dass Volkswirtschaften für einen Wachstum darauf angewiesen sind, das ‚Alte’ durch etwas ‚Neues’ zu ersetzen.[7] Schumpeter verwandte zur damaligen Zeit zwar noch nicht den Begriff der Innovation, doch beschrieb er analog diesen Entwicklungsprozess als ‚Durchsetzung neuer Kombinationen’. Er unterschied dabei folgende fünf Fälle:
I. Schaffung eines neuen Gutes oder eines Gutes in neuer Qualität
II. Anwendung neuer Produktionsmethoden, die keineswegs auf einer wissenschaftlichen neuen Entdeckung zu beruhen brauchen
III. Erschließung eines neuen Absatzmarktes
IV. Nutzung neuer Bezugsquellen von Rohstoffen und Halbfabrikaten
V. Durchführung einer Neuorganisation, wie beispielsweise die Schaffung einer Monopolstellung oder das Durchbrechen eines Monopols.[8]
In den aktuellen Diskussionen über die verschiedenen Arten von Innovationen stehen primär die Produkt- und Prozessinnovationen im Mittelpunkt. Mit Produktinnovation wird dabei – analog zum oben genannten Punkt I – die Kommerzialisierung/Vermarktung eines technisch neuentwickelten oder veränderten Produktes bezeichnet. Eine bedeutende Änderung in der Produktionstechnik eines Produktes – siehe Punkt II – wird hingegen mit dem Terminus Prozessinnovation abgedeckt. Aufgrund der allgemeinen Bekanntheit der beiden Begriffe wird auf eine tiefer gehende Begriffsbildung an dieser Stelle verzichtet.
Neben diesen im Hauptaugenmerk liegenden technischen Innovationstypen gibt es des Weiteren noch soziale, institutionelle und organisatorische Innovationen, die einen gewissen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen beziehungsweise Unternehmen haben. Diese Arten von Innovationen können beispielsweise Veränderungen der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter eines Unternehmens oder neue gesellschaftliche Regulationsstrukturen zur Folge haben. Alle Innovationstypen haben dabei gemeinsam, dass sie durch ihre erwähnten Veränderungen und Neuerungen die wirtschaftliche Entwicklung auf den verschiedenen Ebenen positiv fördern sollen. Bei diesen Ebenen kann es sich um ein einzelnes Unternehmen, eine einzelne Region oder auch um eine gesamte Volkswirtschaft handeln[9].
2.2 Die Bedeutung von Wissen
Ein weiterer grundlegender Aspekt bei der Arbeit mit Innovationen ist die Bedeutung des Faktors Wissen. Bei allen Prozessschritten innerhalb einer Ebene, sei es beispielsweise innerhalb eines Unternehmens oder einer gesamten Branche, ist Wissen ein zentraler Inputfaktor. Dieser wird zugleich bei jedem Produktionsschritt zudem durch Lernen – bewusst oder unbewusst – erweitert. Wissen, wie es in dieser Arbeit verstanden werden soll, umfasst die Gesamtheit von Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnissen, die von Einzelnen oder einer Gruppe zur Lösung von Problemen eingesetzt wird. Diese Definition schließt auch das Wissen über die Probleme und Bedürfnisse seiner Kunden mit ein.[10] Aigner und Hutschenreiter formulieren daher wie folgt:
„Der Wissensbestand kann als Variable aufgefasst werden, die sich infolge von Lernprozessen durch formale Bildung, Training, Erfahrungen und der Anwendung neuer Technologien erweitert bzw. durch Vergessen erodiert wird. Gerade in Hochlohnländern ist die durch Wissen erreichte Verbesserung der der Qualität der Arbeit, des Managements und indirekt auch des Kapitals […] unumgänglich.“[11]
Der Faktor Wissen lässt sich primär in die Formen des expliziten und impliziten Wissens unterscheiden. Dabei ist das implizite – oder auch nicht kodifizierte – Wissen an bestimmte Personen oder Organisationen gebunden, die es sich beispielsweise aufgrund von langjährigen Erfahrungen und der Spezialisierung in ihrem jeweiligen Fachbereich aneignen konnten. Dieses Wissen wird auf eine Person bezogen als Humankapital und allgemein auch als Tacit knowledge bezeichnet. Es ist somit eine Art des Wissens, welches man sich als Außenstehender nicht ohne weiteres anlernen kann, da es in der Regel nicht dokumentiert vorzufinden ist. Somit ist eine Weitergabe beziehungsweise ungewollte räumliche Verbreitung dieses Wissens relativ stark eingeschränkt, da hierbei zur Duplizierung des Wissens eine gewisse Vertrauensbasis untereinander vorausgesetzt werden muss. Implizites Wissen liegt daher in räumlichen Systemen meist sehr heterogen verteilt vor. Dahingegen kann man sich expliziertes oder kodifiziertes Wissen, also in Worte gefasst und dokumentiert, durch das Studium der entsprechenden Literatur leichter aneignen. Folglich sind hierbei die Vorraussetzungen einer gleichmäßigen homogenen räumlichen Verteilung gegeben.[12] Für das Konzept der Innovationssysteme ist es daher besonders wichtig, dass das Vorhandensein und die Ursachen einer räumlich ungleichen Wissensverteilung bekannt sind.
2.3 Systemtheorie als konzeptioneller Rahmen
Der systemtheoretische Ansatz stellt die theoretisch-konzeptionelle Grundlage für die Innovationssystemforschung dar. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass der Leser mit den charakteristischen Merkmalen und den Gesetzmäßigkeiten des systemischen Denkens vertraut gemacht wird. Dabei wird zunächst einmal der Systembegriff an sich vorgestellt, bevor im Anschluss daran die systemische Denkweise in den Mittelpunkt gestellt wird.
2.3.1 Definition des Systembegriffs
Eine in der Literatur gebräuchliche Definition für ein System besagt, dass ein System einen gesamtheitlichen Zustand von Teilen bezeichnet, deren Beziehungen untereinander quantitativ intensiver und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu anderen Elementen.[13] Die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen eines Systems sind dabei besonders zu beachten. Denn ein System kann man nur von seiner Umwelt trennen, wenn es eben gelingt die Elemente und Relationen innerhalb eines Systems zu erkennen und zu spezifizieren und diese somit von Relationen außerhalb des betrachtenden Systems zu unterscheiden. Elemente innerhalb eines Systems können dabei beispielsweise Sachgegenstände, Personen oder Sachverhalte sein. Man darf sich ein System jedoch nicht als einen geschlossenen und gegenüber seiner Umwelt abgeschotteten Prozess vorstellen. Systeme befinden sich in einem permanenten Anpassungsprozess mit ihrer Umwelt, in dem sie Vorgänge und Signale – so genannte Inputs –, die von außerhalb kommen in systemeigenen Prozessen transformieren und als Outputs wieder nach außen abgeben. Dabei behält ein System jedoch seine spezifischen Eigenschaften und sichert sich somit seine Überlebensfähigkeit.[14] Um ein komplexes System angemessen beschreiben und interpretieren zu können, muss man die Anzahl der im System enthaltenen Elemente, die Zahl der systeminternen Relationen und die Varietät dieser Relation kennen.
2.3.2 Der systemische Denkansatz
Grundsätzlich kann man in der Wissenschaft zwei verschiedene Denkrichtungen ausmachen, welche sich in das reduktionistische und das systemische Denken aufteilen. Der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen ist ihre Auffassung vom Verhältnis zwischen einem Ganzen und den jeweils dazugehörenden Teilen. Die Verfechter des reduktionistischen Denkens gehen davon aus, dass man jedes Ganze in Teile aufspalten kann, ohne dabei jedoch wesentliche Informationen zu verlieren. So werden bei diesem Ansatz komplexe Sachverhalte in Einzelphänomene zerlegt, die man dann, ohne eine Verbindung zum Ganzen herzustellen, versucht zu erklären. Dem reduktionistischen Denken zu Folge bildet nämlich nun die Summe der Lösungen der Teilprobleme die Lösung des Gesamtproblems. Diese Art des Denkens dominierte lange Zeit die Arbeitsweise der Wirtschafts- und Naturwissenschaften ehe man die Notwendigkeit einer gesamtheitlichen Betrachtung eines Sachverhaltes erkannte.[15] Genau dieser Aspekt wird beim systemischen Denken verfolgt. Und so gilt hier, dass „isolierte Phänomene nur als Teil einer komplexen Grundgesamtheit zu verstehen sind“.[16] Das im Fokus stehende Objekt ist das Ganze und dies ist aufgrund von Rückkopplungen beziehungsweise den oben erwähnten Relationen zwischen den einzelnen Elementen mehr als nur die einfache Aufaddierung dieser Einzelteile. Ein System als Ganzes verfügt über ganz andere Charakteristika und Eigenschaften als dies die bloße Masse der Teilbereiche ausdrücken könnte. Ebenfalls werden die vorliegenden Relationen zwischen den einzelnen Elementen nicht durch die jeweils selbstständige und losgelöste Betrachtung der Teileigenschaften herausgestellt oder erkannt. Zusammenfassend kann man daher sagen, dass erst ein gesamtheitlicher Denkansatz wie der systemische zu einem tiefer greifenden Sachverhalt des zu erforschenden Objektes führen kann.[17]
3. Die Verknüpfung der Begriffe Innovation und System
Neben den bereits erläuterten Definitionen, die auf das Ergebnis der Innovationen abzielen, gibt es einen weiteren Aspekt, der wichtig für das Verstehen von Innovation in der heutigen Zeit ist: der prozessuale Charakter. Dabei muss man sich von der neoklassischen Vorstellung eines linearen Innovationsmodells verabschieden, welches von einer scheinbar routinemäßigen Verkettung der einzelnen Stufen ausgeht und an dessen Ende automatisch eine Innovation entstehen wird. Innovationen werden heute, im Zeichen der evolutionären Ökonomie, als nicht lineare Prozesse verstanden, bei denen neue technische und organisatorische Lösungen von einer größeren Anzahl von Akteuren ökonomisch ungesetzt werden. In den modernen Theorien werden Innovationen als das Ergebnis eines interaktiven Prozesses verstanden, der durch vielfältige Relationen verschiedener Akteure bestimmt wird. Die Kommission der Europäischen Union in Luxemburg definierte im Jahr 1995 ein Innovationsprozess als
„ein System von Wechselwirkungen, von Hin- und Herbewegungen zwischen einzelnen Funktionen und Akteuren, deren Erfahrung und Kenntnis und Wissen sich gegenseitig verstärken und ergänzen.“[18]
Innerhalb eines Unternehmens sind daher vor allem interne Netzwerke – beispielsweise zwischen Marketing, Forschung und Entwicklung (F&E) und Produktion – von besonderer Bedeutung. Des Weiteren sind aber auch Beziehungen zu anderen Unternehmen oder Institutionen von großer Wichtigkeit. Innovationen werden aktuell als Folge eines interaktiven Lernens angesehen, dass sich verstärkt in so genannten Innovationssystemen abspielt. Allgemein kann man sagen, dass ein Innovationssystem dabei alle Akteure und Einrichtungen umfasst, die durch ihre Relationen untereinander die Innovationsgenerierung beeinflussen.[19] Das Bundesministerium für Bildung und Forschung definiert den Terminus Innovationssystem folgendermaßen:
„Innovationssysteme umfassen nach international akzeptierten Verständnis die Kulturlandschaft all jener Institutionen, die wissenschaftlich forschen, Wissen akkumulieren und vermitteln, die Arbeitskräfte ausbilden, die Technologie entwickeln, die innovative Produkte und Verfahren hervorbringen sowie verbreiten; hierzu gehören auch einschlägig regulative Regimes“[20]
Im weitern Sinne kann man auch Ausbildungssysteme, Finanzierungssysteme oder auch die Regulierung von Technologie mit einbeziehen. Es kommt bei Innovationssystem jedoch nicht nur auf das bloße Vorhandensein der genannten Akteure an, sondern vielmehr auf das Zusammenwirken dieser in Netzwerken. Diese Relationen geben den Innovationen erst den Systemcharakter. Der zentrale Ansatzpunkt aller Konzepte der Innovationssystemforschung ist es, die Entstehung von Innovationen über politische, ökonomische und technologisch beeinflusste Interaktionsfelder zu erklären.[21] Im Fokus dieser Arbeit stehen dabei zwei verschiedene Forschungsrichtungen der Innovationssysteme, die verschiedene räumliche Ebenen in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten stellen. Im folgenden Kapitel werden zuerst Konzepte zu Nationalen Innovationssysteme (NIS) vorgestellt, die den Innovationsprozess vorwiegend von den jeweiligen nationalen Wirtschaftsstrukturen und den auf nationaler Ebene wirkenden Relationen abhängig machen. Im Anschluss daran werden dann Ansätze zu Regionalen Innovationssysteme (RIS) erläutert, die dem regionalen Umfeld der Akteure eine wichtigere Rolle zuschreiben und somit den Einfluss des Staates herabsetzen.
4. Konzepte der nationalen Innovationssysteme
Bei den Konzepten der Nationalen Innovationssysteme (NIS) handelt es sich um keinen monolithischen Ansatz, welcher auf einem einzelnen Autor oder einer einzelnen Arbeit beruht. Vielmehr entstammen die Autoren, die sich mit diesem Thema befassen, aus unterschiedlichen Disziplinen und legen daher auch verschiedene Schwerpunkte in ihren Konzepten fest. Es gibt daher heutzutage in der Wissenschaft verschiedene NIS-Konzepte, die sich durch jeweils eigene Spezifikas und Betrachtungsrichtungen auszeichnen und gegenseitig ergänzen[22]. Die Grundannahme bei allen Konzepten ist, dass „die technologieorientierte Wirtschaftsentwicklung und Innovativität eines jeden Landes durch seine besondere Konstellation bei Strukturen und Fördermaßnahmen individuell geprägt ist.“[23] Die Konzepte der Innovationssystemforschung können dabei als ein holistischer Ansatz verstanden werden, der versucht die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Teilsysteme, Akteure und Institutionen, die auf irgendeine Art und Weise an der Innovationsgenerierung teilnehmen, zu erfassen und diese nationalräumlich-systemisch zu analysieren[24]. Die bei allen Autoren dabei vordergründlich behandelte Fragestellung kann wie folgt formuliert werden: „Warum sind Unternehmen derselben Branche, im selben Markt und unter Verwendung des gleichen technologischen Pfades signifikant unterschiedlich erfolgreich?“[25]
[...]
[1] Steg, Horst (2005): Transnationalisierung nationaler Innovationssysteme, S. 3.
[2] vgl. Saviotti, Pier P. (2000): Networks, National Innovation Systems and Self-Organisations, S.20f.
[3] vgl. Steg, Horst (2005): Transnationalisierung nationaler Innovationssysteme, S. 3.
[4] vgl. Thomi, Walter u. R. Werner (2001): Regionale Innovationssysteme, S. 202.
[5] vgl. Stille, Frank u. J. Bitzer (1998): Beschäftigungswirkungen von Innovationen: Analysen zu einem kompli- zierten Verhältnis, S. 17f.
[6] Schumpeter, Joseph (1964): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – sechste Auflage, Berlin.
[7] vgl. Dörschuk, Oliver (2003): Innovationssysteme und Wettbewerb – Das Beispiel Neuseeland, S. 29.
[8] vgl. Schumpeter, Joseph (1964): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S.100.
[9] vgl. Dörschuk, Oliver (2003): Innovationssysteme und Wettbewerb – Das Beispiel Neuseeland, S. 30.
[10] vgl. Diez, Javier Revilla (2002): Betrieblicher Innovationserfolg und räumliche Nähe, S. 8.
[11] zitiert nach: Dörschuk, Oliver (2003): Innovationssysteme und Wettbewerb – Das Beispiel Neuseeland, S. 32.
[12] vgl. Bathelt, Harald u. H. Depner (2003): Innovation, Institution und Region: Zur Diskussion über nationale
und regionale Innovationssysteme, S.128.
[13] vgl. Willke, Helmut (1998): Systemisches Wissensmanagement, S.282f.
[14] vgl. Dörschuk, Oliver (2003): Innovationssysteme und Wettbewerb – Das Beispiel Neuseeland, S. 42f.
[15] vgl. ebd., S. 41.
[16] Maier, Wilhelm (1998): Systemisches Personalmanagement – Möglichkeiten und Grenzen, S.55.
[17] vgl. Dörschuk, Oliver (2003): Innovationssysteme und Wettbewerb – Das Beispiel Neuseeland, S. 41.
[18] Europäische Kommission (1995): Grünbuch zur Innovation, Bulletin der Europäischen Union, S. 5.
[19] vgl. Tödtling, Franz u. A. Kaufmann (2000): Regionale Innovationssysteme im europäischen Vergleich, S. 425f.
[20] BMBF (2004): Technologie und Qualifikation für neue Märkte, S.88.
[21] vgl. Sternberg, Rolf u. W. Thomi (2001): Wissen und Innovation als neue Paradigmen der Regionalentwick- lung, S. 137f.
[22] vgl. Steg, Horst (2005): Transnationalisierung nationaler Innovationssysteme, S. 6.
[23] vgl. Fromhold-Eisebith, Martina (2000): Technologieregionen in Asiens Newly Industrialized Countries, S. 49.
[24] vgl. BMBF (2004): Technologie und Qualifikation für neue Märkte, S.87.
[25] Thomi, Walter u. R. Werner (2001): Regionale Innovationssysteme, S. 206.
- Quote paper
- Jens Schneider (Author), 2006, ,Nationales Innovationssystem’ und ‚Regionales Innovationssystem’ als Ansätze zur Charakterisierung raumspezifischer Innovativität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75926
-
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