Venedig wird im Allgemeinen mit dem romantischen Bild der von Kanälen durchzogenen mittelalterlichen Stadt verbunden, nicht aber mit einer modernen Großstadt. Zahlreiche Großmaßnahmen brachten sie in der faschistischen Ära auf den Weg. Dabei spielte bei der baulichen Umsetzung die rationalistische Architektur eine entscheidende Rolle. Die modernen Bauten, die in dem kurzen Zeitfenster von fünf Jahren zwischen 1933 und 1938 entstanden, legen Zeugnis ab für den ersten Einbruch der Moderne in Venedig.
Es wird aufgezeigt, dass die Durchsetzung des Faschismus in Venedig und die Umsetzung der Idee eines Großvenedigs in den 1930er Jahren die Voraussetzungen für die Entstehung der rationalistischen Architektur in der Stadt waren, welche das weite Spektrum der faschistischen Ideologie inhaltlich und formal widerspiegeln.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Architekturströmungen im faschistischen Italien
- Der Novecento
- Die Scuola Romana
- Die Architettura Razionale bzw. der Razionalismo
- Grande Venezia
- Die Idee von der Grande Venezia
- Die Entstehung der Grande Venezia
- Porto Marghera
- Mestre und Marghera
- Centro storico und Lido
- Die Verkehrsstruktur der Grande Venezia
- Grande Venezia und Faschismus
- Verzögerung und Blütezeit der modernen Architektur in Venedig
- Die Verzögerung der Moderne
- Die Blütezeit der Moderne
- Die Bauten des Rationalismus in Venedig
- Verkehrsarchitektur
- Autorimessa Comunale
- Stazione Ferroviaria „Santa Lucia“
- Centrale termica
- Der Flughafen „Giovanni Nicelli“ und der Gruppo Arti Decorative
- Architektur für die „bonifica morale e materiale della razza”
- Die colonie marine
- „Campo Sportivo Fascista“
- Collegio navale GIL
- Fürsorge-Einrichtungen der Firma „Montecatini”
- Bauten für den mondänen Tourismus
- Palazzo della Mostra del Cinema
- Palazzo del Casinò
- Verhaltener Rationalismus abseits der offiziellen Architektur: Wohnungsbau und Gewerbearchitektur
- Eine faschistische Moderne: Die faschistische Ideologie im Rationalismus am Beispiel Venedigs
- Faschistische „Revolution“ und modernità
- Der neue, faschistische Mensch
- Die Italianità in der Architektur
- „Civis romanus sum“. Die Ideologie der romanità
- Das propagierte Architekturbild
- Zusammenfassung
- Quellen und Literatur
- Zur Geschichte des faschistischen Italiens
- Zur Architektur des faschistischen Italiens
- Zur Architekturgeschichte und Stadtentwicklung Venedigs
- Zur modernen Architektur in Venedig
- Zur modernen Architektur außerhalb Italiens
- Abkürzungen
- Abbildungen
- Abbildungsnachweis
- Zum Autor
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das Buch befasst sich mit der Architektur des Rationalismus in Venedig während der 1930er Jahre und setzt diese in den historischen und architekturhistorischen Zusammenhang. Die Publikation untersucht die Bauten des Razionalismo, der vom Faschismus geprägten italienischen Spielart der internationalen, „klassischen“ Moderne, im Kontext der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Stadt, die sich vor allem im Konzept der Grande Venezia manifestierten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Analyse der rationalistischen Architektur in ihrer Beziehung zur faschistischen Ideologie. Hierzu wird untersucht, wie weit die Architekturentwürfe mit dem Regime übereinstimmten und wie die architektonischen Formen den „neuen faschistischen Menschen“ und die Ideologie der romanità widerspiegelten.
- Die Entstehung der Grande Venezia als Resultat der Industrialisierung Venedigs und der Überlappung von politischen und privaten Interessen
- Die Durchsetzung des Rationalismus in Venedig im Kontext der faschistischen Modernisierungspolitik und der Ausrichtung auf das Regime in Rom
- Die Verbindung von moderner Architektur und faschistischer Ideologie am Beispiel der rationalistischen Bauten in Venedig
- Die Verwendung von Elementen der internationalen Moderne und traditioneller Bauformen in der rationalistischen Architektur
- Der italienische Charakter des Rationalismus und die Rezeption der romanità-Ideologie in der Gestaltung der Bauten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung befasst sich mit den wenigen, wenigen Zeilen umfassenden Darstellungen der Architektur Venedigs im 20. Jahrhundert in der bisherigen Forschungsliteratur. Das Buch soll mit der detaillierten Untersuchung der modernen Architektur Venedigs in der Zwischenkriegszeit eine Lücke schließen.
Das zweite Kapitel beleuchtet die unterschiedlichen Architekturströmungen im faschistischen Italien, die sich durch einen aggressiven Nationalismus auszeichneten und damit mit der Ideologie des Regimes konform gingen. Es werden die wichtigsten Vertreter des Novecento, der Scuola Romana und des Razionalismo vorgestellt sowie die Entstehung und Entwicklung dieser Gruppen und ihrer Architektur erläutert.
Das dritte Kapitel schildert die Entstehung und Entwicklung der Grande Venezia, eines größeren Stadtgebildes zwischen Mestre und dem Lido mit Venedig als zentralem Ort. Die Ausführungen konzentrieren sich auf die Verlagerung der Industrialisierung Venedigs nach Marghera sowie auf die Stadtentwicklung in Mestre und Marghera. Daneben werden die infrastrukturellen Veränderungen, die dem neuen Stadtgefüge zugrunde liegen, dargestellt, vor allem die Errichtung des Hafens Marghera und der neuen Autobrücke über die Lagune. Die Bedeutung der faschistischen Politik bei der Realisierung Großvenedigs wird ebenfalls beleuchtet.
Im vierten Kapitel wird auf die verspätete Einführung der Moderne in Venedig eingegangen, welche durch die Konservierung des historischen Stadtbildes und durch eine lange Vorherrschaft traditionalistischer Formen in der Stadt erklärt wird. Neben der Darstellung der historischen Architektur Venedigs werden die wichtigsten rationalistischen Bauten der Stadt, die zwischen 1933 und 1938 entstanden sind, vorgestellt.
Das fünfte Kapitel behandelt die rationalistischen Bauten Venedigs. Die Erörterung fokussiert dabei auf die verschiedenen Bereiche, in denen die moderne Architektur zur Anwendung kam: die Verkehrsarchitektur, die Architektur für die „bonifica morale e materiale della razza“ und die Bauten für den mondänen Tourismus. Daneben werden auch die wenigen Beispiele aus dem privaten Wohnungsbau sowie aus der Gewerbearchitektur, die vom Rationalismus beeinflusst wurden, vorgestellt.
Das sechste Kapitel analysiert das Verhältnis zwischen Rationalismus und faschistischer Ideologie. Es werden die wichtigsten Parallelen zwischen den Schriften des Gruppo 7 und der faschistischen Kultur- und Kunstideologie aufgezeigt sowie die politische Kontrolle des Regimes über die Architektur- und Kunstlandschaft Italiens beschrieben. Im Anschluss werden die faschistische Ideologie des „neuen, faschistischen Menschen“, die romanità-Ideologie und die Propagierung der Architektur in der Öffentlichkeit in ihrer Beziehung zur rationalistischen Architektur in Venedig beleuchtet.
Schlüsselwörter
Das Buch behandelt die Architektur des Razionalismo in Venedig in der Zwischenkriegszeit, die enge Verbindung von Architektur und faschistischer Ideologie, die Umsetzung der Grande Venezia und die damit verbundenen infrastrukturellen Maßnahmen wie der Bau des Hafens Marghera und der neuen Autobrücke. Die rationalistischen Bauten der Stadt werden ausführlich erläutert, darunter das Parkhaus, der Bahnhof „Santa Lucia“, das Heizwerk der Stazione Ferroviaria „Santa Lucia“, der Flughafen „Giovanni Nicelli“, die colonie marine, die „Casa del Balilla“ und das collegio navale GIL. Neben den Schlüsselbegriffen wie „Rationalismus“, „Faschismus“, „Grande Venezia“, „Architektur“, „Italien“, „Venedig“ und „moderne Architektur“ werden auch spezifisch italienische Begriffe wie „razionalismo“, „scuola romana“, „romanità“, „italianità“, „fascistizzazione“, „colonia“, „dopolavoro“ sowie „centro storico“ behandelt.
- Quote paper
- Martin Petsch (Author), 2004, Die Architektur des Rationalismus und Faschismus im „Großvenedig“ der 1930er Jahre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75822