Wilhelm Leibl hat mit seinem „Ungleichen Paar“ ein rätselhaftes und zugleich realistisches Bild vom bäuerlichen Leben im Allgemeinen geschaffen, welches aber auch das Einzelschicksal eines Ehepaars unterschiedlichen Alters und Charakters erzählt. Die bewußt widersprüchliche Haltung des Paares zueinander, die zugleich mit der intensiven Betrachtung des eigentlich außenstehenden Betrachters einhergeht, lenkt den Blick fort vom fragwürdigen Beziehung und eröffnet die Frage nach dem Wesen der Person selbst.
Mit Hilfe seines charakterisierenden Pinselstrichs verleiht Leibl jedoch nicht nur den Personen besondere Bedeutung, selbst das Detail des schräg gehaltenen Glases und des Stillebens auf dem Regal erzeugen eine eigene Spannung. Leibl ist es gelungen, ein Bild der einfachen Landbevölkerung zu zeichnen. Er hat eine zusammenhängende Komposition geschaffen ohne das Auge für das Detail zu verlieren und ist so trotz proportionaler Schwächen zu einem einheitlichen Gesamtgefüge gelangt.
Dabei ist es ihm gelungen die Technik der alten Meister mit den realistischen Lebensdarstellungen seiner Zeit zu verbinden. Abschließend kann man sich nur der Auffassung des Malers Max Liebermann anschließen, der in seiner Eröffnungsrede zur Leibl-Ausstellung - 1929 in Berlin - von Leibl als „ dem größten Malergenius seit der Renaissance“ gesprochen und ihm damit den verdienten Platz in der Kunstgeschichte zugewiesen hat.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitende Worte
II. „Das ungleiche Paar“
1. Analyse von Bildaufbau und -inhalt
2. Zur Bedeutung des Bauernsujets und der Gegenüberstellung von jung und alt
3. Bedeutung und Kritik eines französischen Phänomens - Der Realismus
III. Schlußbetrachtung
„...dem größten Malergenius seit der Renaissance“
(Max Liebermann über Wilhelm Leibl 1929)
I. Einleitende Worte
Das auf Leinwand gemalte, hochformatige Ölgemälde „Das ungleiche Paar“ (auch „Dachauerbauern-Ehepaar“ genannt) wurde von Wilhelm Maria Hubertus Leibl 1875 in Unterschondorf am Ammersee im Gasthaus Steininger gemalt und zeigt den Bildauschnitt eines bayrisches Bauernpaares unterschiedlichen Alters vereinigt auf einer engen Stubenbank. Das Bild hat die Maße und befindet sich seit im Besitz des Städelschen Kunstinstituts.
Leibls Malweise entwickelte sich von der Akademiemalerei mit detailgetreuer Abbildung antiker Vorbilder zu den beiden Hauptströmungen, an denen sich seine Malerei zeitlebens orientierte – der Leichtigkeit der Pinselzüge, wie man sie bei den Impressionisten vorfindet (möglicher Einfluß Eduoard Manets [1832-1883]) und der Temperatechnik mit dicht geschlossener Oberfläche und strenger Plastizität, wie sie die der handwerkliche Eigenart der altdeutschen Meister (Hans Holbein d. J. [1497-1543]) kennzeichnete. Nachvollziehbar sind diese gegensätzlichen Stile zeitlebens in seinen Gegenüberstellungen von jungen Figuren, deren Gestaltung des Gesichts in zarter und impressionistisch-verwischter Darstellung, und alten Personen, deren Falten plastisch herausgearbeitet sind, so auch anhand des Gemäldes „Das ungleiche Paar“ (Abb. 1) von 1875.
II. „Das ungleiche Paar“
1. Analyse von Bildaufbau und -inhalt
Das hochformatige und fast quadratische Bild Leibls zeigt zwei, die Bildfläche einnehmende und eng beieinander sitzende Personen, einen alten Mann und ein junges Mädchen. Beide sind dem Betrachter nach links zugewandt und sitzen auf einer hölzernen Stubenbank. Das Mädchen ist in Dreiviertelansicht gegeben, während der Greis hinter der Frau in Frontalansicht gegeben ist. Die Komposition weist einen knappen, nahgerückten Bildausschnitt auf: der rechte Arm des Greises wird vom Bildrand geschnitten, nur eine kleine Raumecke mit einer Fensternische am linken Bildrand ist für den Betrachter sichtbar. Die geschlossenen und geschnittenen Fensterläden verstärken den Eindruck dieser intimem Atmosphäre. Besitzergreifend hat der Bauer seinen linken Arm um das Mädchen gelegt und selbstgefällig die andere Hand auf die Knie gestemmt. Dieser rechte Arm und die dem Mädchen zugewandte Körperhaltung, welches selbst mit ihren linken Arm auf der Lehne in bildparalleler Manier den Betrachter auf Abstand hält, symbolisiert eine innere Geschlossenheit der gesamten Komposition und private Intimität des ungleichen Paares. Der goldene Ehering hebt sich im Sinne ehelicher Zusammengehörigkeit deutlich vom hellen Inkarnat des Armes ab.
Das Paar scheint sich in einem unterschiedlichen Gemütszustand zu befinden: der lachende Greis und das zurückhaltende Mädchen, welches den Beobachter fragend und ein wenig trotzig ins Gesicht blickt. Dennoch werden diese unterschiedlichen Charaktere, die einander nicht anblicken oder durch zärtliche Gebärde als Verliebte zu erkennen sind, durch Situation und Raum zum Paar. Besonders die junge Frau scheint dieser Verbindung eher reserviert gegenüber zu stehen, anstatt ihren Geliebten eine vertraute Geste zu signalisieren hat sie beide Arme an den Körper gelegt, eine Abwehrhaltung signalisierend. Dem Partner an ihrer nicht der kirchlichen Tradition entsprechenden, rechten Seite scheint sie nicht seelisch zu bedürfen, er tritt wörtlich wie bildlich in ihren Hintergrund.
Es handelt sich um den Fischer Lenz und die Stieftochter des Steiningerwirts Therese Bauer, der Geliebten Leibls, welches anhand eines Vergleichs mit einem weiteren Porträts „Bildnis der Therese Bauer“ (Abb.) von 1875/77 beweisen läßt[1]. Der in festlicher Bayerntracht gekleideten Frau ist eine innere Anspannung anzumerken, obwohl sie nach außen bemüht ist diese zu verdecken. Unaufmerksam hält sie das Bierglas in ihrer Rechten so schräg, daß die Flüssigkeit bis an den Glasrand schwappt. Der gerundete Leib gibt weitere Rätsel auf. An das Bildnis der „Arnolfini-Hochzeit“ (Abb. 2) von Jan van Eyck erinnernd, stellt sich gerade auch bezüglich des Altersunterschieds die Frage nach einer Schwangerschaft und der arrangierten, wenn nicht sogar bezüglich der Plazierung der Beiden, der morganatischen Ehe. Eine Verbindung zu Leibls persönlicher Situation, er bekam im folgenden Sommer 1776 mit der dargestellten Therese Bauer einen Sohn, ist anzunehmen.
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[1] Boris Röhrl, Wilhelm Leibl, Hildesheim 1994, S. 142 f.
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