Moralerziehung im Ökonomieunterricht - Dilemma-Szenarien als Methode des kognitiv-entwicklungsorientierten Ansatzes


Seminararbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Ziele des Ökonomieunterrichts
II.1. Das Kompetenzmodell der DEGÖB
II.2. Krubers kategorialer Ansatz

III. Moralerziehung in der Schule
III.1. Charaktererziehung
III.2. Wertklärung
III.3. Der kognitiv-entwicklungsorientierte Ansatz
III.3.1. Kohlbergs Stufenmodell
III.3.2. Methoden des kognitiv-entwicklungsorientierten Ansatzes

IV. Die Dilemma-Methode im Ökonomieunterricht

V. Kritik an der Dilemma-Methode

VI. Schlussbetrachtung

VII. Anlagen
Anlage 1 - Die Stufen der Moralentwicklung
Anlage 2 - Das HEINZ-Dilemma
Anlage 3 - Das Gift-Dilemma
Anlage 4 - Das „Müll-Dilemma“

VIII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Der Globalisierungsprozess und die immer komplexer werdenden internationalen Handels- und Kapitalströme stellen uns vor große ökonomische Herausforderungen. Hohe Arbeitslosigkeit, globale und lokale Umweltprobleme, sowie die wachsende Diskrepanz zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten sind hierfür nur einige Beispiele. Bei der Überlegung, wie man diesen Problemen begegnen kann, ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der ethischen Dimension der Ökonomie. Die Kompetenz, wohlbegründete Entscheidungen zu treffen, ist dem Menschen allerdings nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Besonders im Zusammenhang mit der Kritik an den „ökologischen Folgen des Wirtschaftsgebahrens der modernen Massengesellschaft" (Beck/Brütting et al. 1996, 187) gewinnt die Frage der moralischen Urteilsbildung zunehmend an Bedeutung. Die ökonomische Bildung darf sich daher nicht auf die Vermittlung rein wirtschaftlicher, auf dem Prinzip der Rationalität basierten Kompetenzen beschränken, sondern muss die Lernenden auch dazu anleiten, umweltbewusst und verantwortungsvoll zu handeln. Bei der Abwägung konkurrierender Argumente ist besonders die moralische Urteilsfähigkeit von Bedeutung. Es muss daher im Interesse der Ökonomik sein, die Urteilsbildung der Lernenden zu fördern. In diesem Zusammenhang wird u.a. die Dilemma-Methode als eine Möglichkeit angesehen, die Schüler für moralische und ethische Fragen zu sensibilisieren (Kaiser/Kaminski 1999, 331). Diese Arbeit befasst sich daher sowohl mit dem Einsatz als auch mit den Chancen und Grenzen der Dilemma-Methode im Ökonomieunterricht. Zuerst werden die Ziele der schulischen ökonomischen Bildung vorgestellt. Im anschließenden Kapitel werden die Inhalte und Ziele der Moralerziehung, insbesondere Kohlbergs kognitiv-entwicklungsorientierten Ansatzes, dargestellt. Darauf aufbauend befasst sich die Arbeit dann mit der Dilemma-Methode im Ökonomieunterricht und geht auf Kritik an diesem Konzept ein.

II. Ziele des Ökonomieunterrichts

Ökonomische Aspekte tauchen in vielen verschiedenen Situationen des alltäglichen Lebens auf und sind daher mit verschiedensten Unterrichtsfächern inhaltlich verknüpft. Besonders in den geisteswissenschaftlichen Bereichen sind wirtschaftliche Themen unumgänglich. Allerdings werden wirtschaftliche Themen hier häufig nur unter fächerspezifischen Fragestellungen angesprochen. Eine differenzierte ökonomische Analyse für die betrachteten Phänomene findet nur selten statt. Daher sind nicht nur zahlreiche Fragestellungen und Inhalte, die sich nur schwer in fachfremden Kontexten vermitteln lassen, sondern auch fachspezifische Methoden und Denkweisen, mit Hilfe derer Probleme analysiert und beurteilt werden können, Argumente für die Verankerung der ökonomischen Bildung in einem Unterrichtsfach. (Kruber 2000, 285f.) Somit würde die Möglichkeit entstehen, diese spezifischen ökonomischen Denkweisen und Inhalte von den Inhalten der jeweiligen Fächer gesondert und somit auch differenzierter zu betrachten.

Wenn ökonomische Aspekte nicht mehr nur unter Fragestellungen der unterschiedlichen Unterrichtsfächer betrachtet, sondern in einem eigenständigen Fach behandelt werden, die Ökonomik selbst also in den Mittelpunkt gerät, stellt sich die Frage nach Zielen der ökonomischen Bildung. Kruber (1994, 44ff.) sieht ihre Aufgabe in der Erziehung Heranwachsender zu mündigen Wirtschaftsbürgern, indem sie diese zu selbstbestimmten und verantwortlichen Handlungen und Entscheidungen als Konsumenten, Wirtschaftsbürger und Erwerbstätige befähigt. Die Deutsche Gesellschaft für ökonomische Bildung (DEGÖB) hingegen setzt beim Erwerb von Kompetenzen an, die die Lernenden „befähigen, sich in ökonomischen Lebenssituationen sicher zu orientieren, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen angemessen zu beurteilen und sie verantwortlich im Bewusstsein der Konsequenzen mitzugestalten.“ (DEGÖB 2004, 2) Sie sieht das Ziel ökonomischer Bildung ebenfalls darin, Menschen zu einem mündigen Urteil, zur Selbstbestimmung und zur verantwortlichen Mitgestaltung zu befähigen. (DEGÖB 2004, 2ff.)

Bevor hier nun Krubers kategorialer Ansatz, der die Stoffkategorien der Wirtschaft in Leitziele des Wirtschaftsunterrichts umformt, vorgestellt wird, soll das Kompetenzmodell der DEGÖB dargelegt werden. In ihrer Zielsetzung sind sich beide Ansätze sehr ähnlich. Der große Unterschied zwischen ihnen besteht in ihren Ausrichtungen. Während Kruber auf der inhaltlichen Ebene ansetzt und somit Leitziele des Wirtschaftsunterrichts formt, welche er als didaktische Leitfragen an den unterrichtlichen Inhalt richtet (Kruber 2000, 293), setzt die DEGÖB nicht bei den Inhalten, sondern bei den Lernenden an. Hier werden Bildungsstandards in Form von Kompetenzen entworfen, die die Lernenden mit dem Erwerb des mittleren Bildungsabschlusses unabhängig von Schulart bzw. Schulstufe beherrschen sollen.

II.1. Das Kompetenzmodell der DEGÖB

Die DEGÖB definiert folgende ökonomische Kompetenz, an der sich ökonomische Bildung orientieren soll:

Das lernende Individuum soll befähigt werden in ökonomisch geprägten Situationen und Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenleben [sic!] angemessen zu entscheiden und zu handeln sowie an deren Gestaltung mitzuwirken, um eine lebenswerte Gemeinschaft zu sichern und weiter zu entwickeln.

(DEGÖB 2004, 5)

Um den Lernenden dies zu vermitteln, sollen nun fünf Kompetenzbereiche gefördert werden. (DEGÖB 2004, 6f.)

Entscheidungen ökonomisch begründen

Individuen müssen aus verschiedenen Positionen heraus Entscheidungen treffen. Auf der Ebene der privaten Haushalte fragen sie als Verbraucher oder Erwerbstätige Güter nach und stellen ihr Arbeitsangebot zur Verfügung. Aber auch auf betrieblicher und politischer Ebene werden eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen. All diese Entscheidungen haben Konsequenzen, die sich auch auf die anderen Ebenen auswirken. Daher ist es sehr wichtig, dass die Lernenden in der Lage sind, Entscheidungen begründet treffen und nachvollziehen zu können. Hierzu müssen sie dazu fähig sein, Kosten und Nutzen gegeneinander abzuwägen und Alternativen, sowohl im Hinblick auf das eigene als auch auf das Wohlergehen anderer, vergleichen zu können.

Handlungssituationen ökonomisch analysieren

Das individuelle Handeln wird auf Basis der ökonomischen Verhaltenstheorie durch die Wechselwirkungen von Anreizen und Restriktionen erklärt, deren Analyse es den Handelnden ermöglicht Entscheidungen zu treffen, diese gegebenenfalls zu verbessern und im Bewusstsein ihrer Folgewirkungen zu handeln. Durch eine Analyse des Anreiz-Restriktionsschemas können Verhaltensmuster anderer erklärt, prognostiziert und schließlich beeinflusst werden. Die Lernenden sollen die Fähigkeit erlangen, Handlungen und deren Konsequenzen aus eigener und allgemeiner Sicht beurteilen und mitgestalten zu können.

Ökonomische Systemzusammenhänge erklären

Die komplexe Arbeitsteilung moderner Gesellschaften erfordert die Koordination der Austauschverfahren von Leistung und Gegenleistungen, die auf Märkten und auch in Unternehmen stattfinden. Die Lernenden sollen solche Systemzusammenhänge verstehen, um Auswirkungen verschiedener Einflüsse antizipieren und das System verantwortlich mitgestalten zu können.

Rahmenbedingungen der Wirtschaft verstehen und mitgestalten

Für das Gemeinwohl, den sozialen Frieden und das Zusammenleben (in) einer Gesellschaft ist es häufig nötig, den Marktwettbewerb durch Rahmenbedingungen zu steuern. Die Lernenden sollen diese ordnungspolitischen Maßnahmen, die insbesondere durch die Wirtschaftsordnung und die Wirtschaftspolitik gesetzt werden, verstehen und beurteilen können, um darauf aufbauend in der Lage zu sein, die Rahmenbedingungen zu beeinflussen und mitzugestalten.

Konflikte perspektivisch und ethisch beurteilen

Ökonomisches Handeln und die (Mit-)Gestaltung von Rahmenbedingungen und Wirtschaftssystemen wirken sich auf andere wirtschaftliche Akteure und auf die Gesellschaft selbst aus.

Daher ist es von großer Bedeutung auch andere Perspektiven zu berücksichtigen. Unter Hinzunahme ethischer Prinzipien, die Aussagen über Verteilungskonflikte und Grundwerte nachhaltigen Wirtschaftens zulassen, soll diese perspektivische Betrachtungsweise den Lernenden zu einem gerechten und solidarischen Urteil verhelfen.

II.2. Krubers kategorialer Ansatz

Wie oben schon angemerkt wurde, setzt dieses Kompetenzmodell der DEGÖB bei den Lernenden an und definiert, wozu sie zu einem gewissen Zeitpunkt in der Lage sein sollen. Krubers Zielsetzung ist der der DEGÖB sehr ähnlich, allerdings setzt er keine Bildungsstandards, sondern formt didaktische Leitfragen. Diese sollen als Instrumente dienen, die dabei helfen, Unterrichtsinhalte zu finden und zu begründen. Krubers Leitfragen können also als Auswahl- und Qualitätskriterien für unterrichtliche Inhalte und Methoden genutzt werden. Das Ziel Krubers kategorialen Ansatzes ist es, „elementare Inhalte mit allgemeinbildender Relevanz zu finden“. (Kruber 2000, 287) Dazu sollen Stoffkategorien zu Bildungskategorien umgewandelt werden.[1]

Bei der Analyse wirtschaftlicher Grundstrukturen lassen sich bestimmte Merkmale und Prinzipien herausarbeiten, die bei Wirtschaftszusammenhängen immer wieder auftreten und daher charakteristisch für sie sind. (Kruber 2000, 293) Diese elementaren Inhalte, die Stoffkategorien der Wirtschaft, können nun zu Bildungskategorien umgewandelt werden und bezeichnen somit Leitziele der ökonomischen Bildung. (Kruber 2000, 293) „Die Umsetzung von Stoffkategorien in Bildungskategorien vollzieht sich in der Weise, dass die gewonnenen Grundeinsichten mit den Schülern an immer neuen Unterrichtsstoffen erarbeitet, bestätigt, und somit als für das wirtschaftliche Geschehen typisch erkannt werden.“ (May 1978, 72)

[...]


[1] Stoffkategorien bezeichnen „allgemeine Strukturen eines Wirklichkeitsbereiches, wie sie von der Wissenschaft beschrieben werden“. (Sutor 1984, 69) Bildungskategorien sind als Leitziele des Wirtschaftsunterrichts zu verstehen. (Kruber 2000, 293)

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Moralerziehung im Ökonomieunterricht - Dilemma-Szenarien als Methode des kognitiv-entwicklungsorientierten Ansatzes
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Ökonomische Bildung)
Veranstaltung
Methoden des Ökonomieunterrichts
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V75470
ISBN (eBook)
9783638849753
ISBN (Buch)
9783638849142
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Moralerziehung, Dilemma-Szenarien, Methode, Ansatzes, Methoden
Arbeit zitieren
Tim Wamer (Autor:in), 2006, Moralerziehung im Ökonomieunterricht - Dilemma-Szenarien als Methode des kognitiv-entwicklungsorientierten Ansatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75470

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