Psychologische Titelgeschichten in Print-Magazinen

Eine Analyse hinsichtlich der Qualität und der Nachrichtenfaktoren unter Berücksichtigung des Image der Psychologie in der Öffentlichkeit


Trabajo Escrito, 2005

93 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Überblick über die Nachrichtenwert-Forschung
2.1 Die Entstehung: Östgaard und Galtung/Ruge
2.2 Die Entwicklung: Sande, Schulz, Staab
2.3 Operationalisierung der Nachrichtenfaktoren

3. Qualitätskriterien
3.1 Vielfalt
3.2 Analytische Qualität
3.2.1 Theoretischer Hintergrund
3.2.2 Analytische Qualität als journalistische Aufarbeitung
3.3 Verständlichkeit

4. Die Inhaltsanalyse
4.1 Focus
4.1.1 Training für das Ich
4.1.1.1 Inhalt und Aufbau
4.1.1.2 Nachrichtenfaktoren
4.1.1.3 Strukturelle Vielfalt
4.1.1.4 Akteursvielfalt
4.1.1.5 Verständlichkeit
4.1.1.6 Analytische Qualität
4.1.2 Die Intelligenz der Gefühle
4.1.2.1 Inhalt und Aufbau
4.1.2.2 Nachrichtenfaktorenanalyse
4.1.2.3 Strukturelle Vielfalt
4.1.2.4 Akteursvielfalt
4.1.2.5 Verständlichkeit
4.1.2.6 Analytische Qualität
4.1.3 Einfach. Glücklich. Leben
4.1.3.1 Inhalt und Aufbau
4.1.3.2 Nachrichtenfaktorenanalyse
4.1.3.3 Strukturelle Vielfalt
4.1.3.4 Akteursvielfalt
4.1.3.5 Verständlichkeit
4.1.3.6 Analytische Qualität
4.1.4 Nutze deine Träume
4.1.4.1 Inhalt und Aufbau
4.1.4.2 Nachrichtenfaktorenanalyse
4.1.4.3 Strukturelle Vielfalt
4.1.4.4 Akteursvielfalt
4.1.4.5 Verständlichkeit
4.1.4.6 Analytische Qualität
4.1.5 Fazit: Focus
4.2 Der Spiegel
4.2.1 Hatte Freud doch recht? - Hirnforscher entdecken die Psychoanalyse
4.2.1.1 Inhalt und Aufbau
4.2.1.2 Nachrichtenfaktoren
4.2.1.3 Strukturelle Vielfalt
4.2.1.4 Akteursvielfalt
4.2.1.5 Verständlichkeit
4.2.1.6 Analytische Qualität
4.2.2 Seele aus Eis - Die Erforschung der Gefühlsarmut
4.2.2.1 Inhalt und Aufbau
4.2.2.2 Nachrichtenfaktoren
4.2.2.3 Strukturelle Vielfalt
4.2.2.4 Akteursvielfalt
4.2.2.5 Verständlichkeit
4.2.2.6 Analytische Qualität
4.2.3 Fazit: Spiegel
4.3 Stern
4.3.1 Gesund leben. Das Magazin für Körper, Geist und Seele
4.3.1.1 Inhalt und Aufbau
4.3.1.2 Nachrichtenfaktoren
4.3.1.3 Strukturelle Vielfalt
4.3.1.4 Akteursvielfalt
4.3.1.5 Verständlichkeit
4.3.1.6 Analytische Qualität
4.3.2 Psycho-Falle Angst
4.3.2.1 Inhalt und Aufbau
4.3.2.2 Nachrichtenfaktoren
4.3.2.3 Strukturelle Vielfalt
4.3.2.4 Akteursvielfalt
4.3.2.5 Verständlichkeit
4.3.2.6 Analytische Qualität
4.3.3 Fazit: Stern
4.4 Freundin
4.4.1 Wie uns Träume helfen. Das Frühwarnsystem der Seele
4.4.1.1 Inhalt und Aufbau
4.4.1.2 Nachrichtenfaktoren
4.4.1.3 Strukturelle Vielfalt
4.4.1.4 Akteursvielfalt
4.4.1.5 Verständlichkeit
4.4.1.6 Analytische Qualität
4.4.2 Liebeskummer macht stark
4.4.2.1 Aufbau und Inhalt
4.4.2.2 Nachrichtenfaktoren
4.4.2.3 Strukturelle Vielfalt
4.4.2.4 Akteursvielfalt
4.4.2.5 Verständlichkeit
4.4.2.6 Analytische Qualität
4.4.3 Fazit: Freundin

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

Magazine

1. Einleitung

Bei psychologischen Themen handelt es sich um einen für Jedermann relevanten Bereich. Ein jeder Mensch besitzt eine Psyche, fast alle kennen psychische Probleme aus eignen Erfahrungen, von Bekannten oder Freunden. Aber auch positive psychologische Erkenntnisse können zum Profit von vielen Angehörigen der Gesellschaft dienen. Automatisch werden psychologische Themen damit auch für eine breite Öffentlichkeit interessant und gleichzeitig Objekt und Gegenstand der Medien und ihrer Berichterstattung.

Allerdings zeigen sich schnell die ersten Probleme. Aus dem differenzierten und tiefgehenden psychologischen Spektrum bieten sich natürlich nicht alle Themen gleichermaßen an, um eine breite Masse anzusprechen. Damit besteht automatisch die Gefahr, dass der Gesellschaft ein stark vereinfachtes Bild der Wissenschaft Psychologie vermittelt wird.

Ziel dieser Arbeit ist es zunächst, herauszufinden, welche Nachrichtenfaktoren ausschlaggebend für die Berichterstattung psychologischer Themen in den Magazinen „Stern“, „Spiegel“, „Focus“ und „Freundin“ sind. Dazu werden zunächst die Ansätze der Nachrichtenwert-Forschung aufgearbeitet, um theoretische Kriterien zu finden (Kapitel 2).

Bei den Zeitschriften berufen wir uns auf eine Stichprobe aus den Jahren von 2003 bis 2005. Dabei fließen alle Zeitschriften ein, die eine Titelstory mit psychologischem Schwerpunkt haben. Auf diese Art und Weise werden die Berichte herausgefiltert, denen von den Journalisten eine besondere Bedeutung gegeben wird und deren Nachrichtenwert damit besonders hoch ist. Beim Focus haben wir uns auf die Exemplare des Jahres 2004 beschränkt, da hier alleine vier Ausgaben für die Analyse ausgewählt werden konnten. Bei Freundin wurden ebenfalls nur Exemplare aus dem Jahr 2004 gewählt, aufgrund der hohen Anzahl von psychologischen Titelthemen wurde hier zusätzlich eine Auswahl getroffen. Ein Exemplar des Sterns wurde ergänzt durch eine Ausgabe des Magazins „Gesund Leben“, was den Vorteil hat, dass zu einem etwas spezifischern Magazine Vergleiche möglich sind.

Des weiteren wird aber auch auf sprachlicher und stilistischer Ebene eine größtenteils qualitative Analyse vorgenommen. Die zu analysierenden Beiträge werden dabei auf ihre journalistische Ausarbeitung hin untersucht. Leitende Frage ist dabei, wie Journalisten ein wissenschaftliches Thema wie das der Psychologie einem breiten Massenpublikum verkaufen. Hierzu werden wissenschaftliche Kriterien, die zur Beurteilung von journalistischen Produkten dienen, herangezogen (Kapitel 3). Diese gliedern sich auf in die strukturelle Vielfalt, die Akteursvielfalt, die Verständlichkeit und die analytische Qualität.

In der abschließenden Analyse (Kapitel 4) ergibt sich damit folgendes Schema: Nach der inhaltlichen und formalen Wiedergabe des Artikels (Inhalt und Aufbau) werden die Nachrichtenfaktoren ermittelt, die den Nachrichtenwert der Geschichte bestimmen. Anschließend wird die journalistische Leistung anhand der genannten Qualitätskriterien beurteilt.

Damit kann zum einen herausgearbeitet werden, ob die komplexe Wissenschaft der Psychologie einem breiten Publikum in angemessener Art und Weise über den Kanal der Medien transportiert wird. Auch können möglicherweise Strategien aufgestellt werden, die Psychologen in der Zusammenarbeit mit den Medien befolgen müssen, um den Rezipienten ein möglichst zutreffendes Image der Psychologie zu vermitteln. Außerdem zeigt sich, ob sich die Psychologie überhaupt als Gegenstand der Berichterstattung in Magazinen geeignet ist oder ob sich die Komplexität der Themen nicht für ein größtenteils aus Laien bestehendes Publikum vermitteln lässt.

2. Überblick über die Nachrichtenwert-Forschung

In diesem Kapitel liegt der Schwerpunkt auf der europäischen Forschungstradition. Eine komplette Darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, auch wenn es teilweise Bezugspunkte zu früheren amerikanischen Ansätzen gibt.[1]

2.1 Die Entstehung: Östgaard und Galtung/Ruge

Als Gründer der europäischen Nachrichtenwert-Forschung gelten Einar Östgaard sowie Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge. Im Jahre 1965 veröffentlichte Östgaard die Arbeit „Factors Influencing the Flow of News“. Er hatte zuvor Inhaltsanalysen der letzten Jahre gesammelt und miteinander verglichen. Ihn interessierten die „Ursachen und Folgen von Verzerrungen im internationalen Nachrichtenfluss“.[2] Seine Vermutung war, „that there are factors which can be singled out for attention an systematically analysed, and which… affect the flow of the news“.[3] Östgaard wollte „causal relationships between the news media and other phenomena in the international society“ herausfinden.[4] Zum einen konnte er Ereignis-unabhängige Faktoren wie etwa politische Zensur oder ökonomische Zwänge aufweisen, zum anderen sei die Berichterstattung insbesondere „von den drei Faktoren ‚Vereinfachung’ (einfache Sachverhalte werden komplexeren vorgezogen bzw. komplexere vereinfacht), ‚Identifikation’ (Nähe des Ereignisses, Status beteiligter Personen, Personalisierung von Nachrichten) und ‚Sensationalismus’ (Unglücke, Konflikte, Klatsch)“ geprägt.[5]

Angelehnt an Östgaard fassten Johan Galtung und Marie Holmboe Ruge in ihrer Studie „The Structure of Foreign News“ zwölf Nachrichtenfaktoren zusammen:[6]

Frequency, threshold (absolute intensity, intensity increase), unambiguity, meaning fulness (cultural proximity, relvance), consonance (predictability, demand), unexpectedness (unpredictability, scarcity), continuity, composition, reference to elite nations, reference to elite people, reference to persons, reference to something negative.

Die Forscher wiesen bereits darauf hin, dass „interesting inter-relations“ zwischen den Nachrichtenfaktoren bestehen.[7] Zudem formulierten sie fünf Hypothesen:[8]

1. The Selection Hypothesis: The more the event satisfies the criteria mentioned, the more likely that it will be registered as news.
2. The Distortion Hypothesis: Once a news item has been selected, what makes it news-worthy will be accentuated.
3. The Replication Hypothesis: Both the process of selection and the process of distortion will take place at all steps in the chain from the event to the reader.
4. The Additivity Hypothesis: The more news factors an event satifies, the higher the probability that it will become news, and even make headlines.
5. The Complementarity Hypothesis: If an event is low on one factor, then it will have to be high on some other factor to make news at all.

Auch stellten Galtung und Ruge bereits fest, dass nicht nur auf Kommunikator-Seite sondern auch beim Rezipienten eine Selektion stattfand, bei der Nachrichtenwerte eine Rolle spielten: „… on the contrary, it ist the personal image, not the newspaper that counts…“[9] In ihrer Untersuchung beschränkten sie sich aber auf den Kommunikator.

2.2 Die Entwicklung: Sande, Schulz, Staab

Aufgegriffen wurde der Ansatz von Galtung & Ruge zunächst von Æystein Sande im Jahr 1971. Während Galtung und Ruge lediglich den Tatbestand der Veröffentlichung berücksichtigten, verfeinerte Sande die Methode, „indem er den Beachtungsgrad einer Nachricht (Häufigkeit der Berichte, Platzierung und Länge der Artikel) als Indikator für den Einfluß von Nachrichtenfaktoren einführte.“[10] Sande sprach bei hervorgehobenen Nachrichten von „big news“.[11] Er wies einen Einfluss der Faktoren Negativismus, Kontinuität, Elite-Personen und Elite-Nationen nach. Auch bestätigte er die von Galtung und Ruge aufgestellte Additivtäts- und Komplementärhypothese.

Nochmals verbessert wurde Sandes Untersuchungsmethode von Winfried Schulz, der 1975 zusätzlich eine „Intensitätsabstufung“ der Nachrichtenfaktoren einführte.[12] Schulz bezog zudem die nationale und nicht-politische Berichterstattung in seine Untersuchung ein und überarbeitete den Nachrichtenfaktoren-Katalog von Galtung/Ruge. Er kam zu dem Ergebnis, dass „nach unseren Befunden... vor allem die Faktoren Thematisierung, Persönlicher Einfluß (Elite-Status), Ethnozentrismus, Negativismus, aber auch Erfolg als Determinanten für hohen Nachrichtenwert angesehen werden.“[13] Später schließt Schulz zudem den Rezipienten durch eine Befragung in seine Untersuchung ein.

Abschließend soll eine Studie von Joachim Friedrich Staab vorgestellt werden, der das bisher vertretene Kausalmodell durch das Finalmodell ergänzte.[14] Das Finalmodell geht davon aus, dass Journalisten gemäß ihrer Intentionen (vor allem politischen) bestimmten Ereignissen selbst Faktoren zuschreiben. Staab analysierte die Nachrichtengebung von insgesamt sechs Mediengattungen (neben verschiedenen Zeitungen auch den dpa-Basisdienst sowie die Hauptnachrichtensendung von ARD und ZDF).[15] Er stellte heraus, dass „die Nachrichtenfaktoren – mit Ausnahme der räumlichen Nähe von Ereignissen, die ‚objektiv’ messbar ist – lediglich indizierbar (quasi-objektiv) bzw. konsensbedingt (subjektiv) sind.“[16] Außerdem ließen sich die Faktoren nicht zu verschiedenen Dimensionen zusammenfassen: „Die Faktoranalysen führten... zu unbefriedigenden Lösungen, so daß sich die Nachrichtenfaktoren als im wesentlichen voneinander unabhängig und damit nicht redundant voneinander erwiesen.“[17] Bei der Überprüfung des Kausalmodells kommt Staab zu dem Schluss, dass Nachrichtenfaktoren starken Einfluss auf den Umfang einer Nachricht, weniger aber auf die Platzierung ausüben würden.[18] Dies sei unter anderem ein Grund dafür, dass das Kausalmodell nicht alleine sonder ergänzt durch das Finalmodell betrachtet werden müsse.[19]

Schatz und Schulz setzten sich bei einer Systematisierung der Faktoren kritisch mit dem Modell auseinander und kamen zu folgenden Ergebnissen. So seien auch die „Qualitätszeitungen“ nicht frei von Einseitigkeit bei der Themenentscheidung/dem Selektionsprozess:

„Deshalb dominiert in Bezug auf das berücksichtigte Wertespektrum fast unvermeidlich eine `mainstream`-Orientierung, die vor allem das als gesellschaftlich relevant erscheinen lässt, was der `bürgerlichen Mitte` als bedeutsam erscheint. Die Interessen der Avantgarde, die von Randgruppen oder zukünftigen Generationen werden tendenziell unterbelichtet, ebenso gesellschaftliche Dauerprobleme, weil deren Fortbestand allein keinen Nachrichtenwert hat. Auch bei `Qualitätszeitungen` muss man annehmen, dass solche Überlegungen nicht völlig ignoriert werden können. Der Effekt wäre dann eine Abweichung zwischen den Zeitungsspezifischen Nachrichtenwerten und den gesuchten Kriterien unverzerrter gesellschaftlicher Relevanz.“[20]

Gerade bei psychologischen Themen ist der Relevanzfaktor interessant zu untersuchen, da es sich meistens um Themen geht, mit denen sich viele Menschen identifizieren können. Meisten sind das Themen, bei denen neue Erkenntnisse im Gebiet vorhanden sind, die berichtenswert sind. In diesem Zusammenhang ist der Anlass für den Beitrag auch ein untersuchungswerter Aspekt.

2.3 Operationalisierung der Nachrichtenfaktoren

Bei der Operationalisierung der Nachrichtenfaktoren greifen wir auf den bislang dargestellten Faktoren-Katalog zurück. Dabei dient die Operationalisierung einer relativ aktuellen Forschung zum Wert vom Nachrichten im deutschen Fernsehen als Grundlage.[21] Zwar wird hier ein anderes Medium analysiert, dennoch sollte dieser Katalog den Ansprüchen gerecht werden, schließlich haben auch die hier analysierten Nachrichten einen enorm hohen Nachrichtenwert, zudem überzeugt der Katalog durch seine Aktualität.

Insgesamt werden 22 Faktoren verwendet, wobei den jeweiligen Faktoren unterschiedlich starke Ausprägungen zugeordnet werden können. Auf letzteres werden wir allerdings verzichten. Vielmehr steht bei unserer Analyse nicht so sehr die empirische Auswertung als vielmehr das Aufzeigen spezieller Tendenzen durch eine qualitative Vorgehensweise im Vordergrund. So konzentrieren wir uns darauf, ob ein Faktor überhaupt vertreten ist und welche Faktoren bei der jeweiligen Berichterstattung von zentraler Bedeutung sind. Diese Zuordnung ist im Rahmen unserer Analyse ausreichend.

Insgesamt können folgende Faktoren vergeben werden: Status der Ereignisnation, Räumliche Nähe, Politische Nähe, Wirtschaftliche Nähe, Kulturelle Nähe, Ortsstatus (nur bei Ereignisort Deuschland), Deutsche Beteiligung, Etablierung von Themen, Einfluss, Prominenz, Personalisierung, Faktizität, Reichweite, Überraschung, Nutzen/Erfolg, Schaden/Misserfolg, Kontroverse, Aggression, Demonstration, Bildliche Darstellung von Emotionen, Sexualität/Erotik, Visualität.

3. Qualitätskriterien

3.1 Vielfalt

Ganz allgemein kann man Qualität, so Schatz und Schulz, als „eine Eigenschaft verstehen, die bestimmten Normen entspricht“[22]. Zur Beurteilung der Qualität kämen mehrere Wertesysteme in Betracht, die umstritten sind: politische Werte, Werte der Profession (der Journalisten und der „Programm-Macher“), Werte der allgemeine Ästhetik, Werte des Publikums. Doch gebe es einen verbindlichen Orientierungsrahmen – die Rechtsgrundlagen, die an den Rechtsprinzipien des Grundgesetztes, insbesondere am Artikel 5 orientiert seien. Daraus folgt, dass die Aufgabe der Medien im wesentlich darin steckt, „Beiträge zur Meinungs- und politischen Willensbildung, Unterhaltung und Hintergrundinformation zu bieten, sowie die kulturelle Verantwortung wahrzunehmen.“[23] So ist die Medienvielfalt in demokratischen Staaten ein unumstrittenes Qualitätskriterium – nicht nur inhaltliche Vielfalt und die Meinungsvielfalt, sondern auch die strukturelle Vielfalt. Der einzelne kann sich die Information zur Meinungsbildung oder Konfliktslösung nicht selber beschaffen, deswegen wird diese Aufgebe von den Medien übernommen. Dies bezieht sich zwar in erster Linie auf politische Berichterstattung, kann aber durchaus auch als Leitidee für das gesamte Themenspektrum angesehen werden. Zumal auch andere Qualitätskriterien wie die Objektivität tendiert werden.

Daraus folgen folgende Qualitätskriterien, die wir bei unserer Analyse berücksichtigen: die Journalisten sollen genug recherchieren, Hintergrundinformation beschaffen, mehrere Akteure zur Wort kommen lassen, die unterschiedliche Positionen vertreten, so dass es einer Akteursvielfalt und (dadurch auch) Meinungsvielfalt entsteht. Zudem wird auch die strukturelle Vielfalt der Beiträge analysiert – eine Vielfalt an journalistische Darstellungsformen wie Artikel, Interviews, Tabellen, Grafiken usw. – ist ebenfalls positiv zu bewerten. Hier geht es vor allem um visuelle Reize, die das Interesse und die Neugier des Rezipienten wecken.

Auch eine Messung der Themenvielfalt wäre interessant, ist aber im Hinblick auf unsere Auswahlkriterien für die Beiträge nicht angemessen. Außerdem wird dieser Punkt durch die Analyse der verschiedenen Nachrichtenfaktoren ausreichend behandelt.

3.2 Analytische Qualität

3.2.1 Theoretischer Hintergrund

Aus den gesetzlichen Bestimmungen lassen sich, nach Schatz und Schulz, außer des Gebots der Vielfalt, noch zwei Gebote ableiten: das Gebot der journalistische Professionalität und das Gebot der Rechtmäßigkeit.[24] Relevanz und Akzeptanz seien, so die Autoren, weitere Aspekte von Qualität. Im Endeffekt setzt sich Qualität aus fünf Komponenten 1. Vielfalt 2. Relevanz 3. Professionalität 4. Akzeptanz und 5. Rechtmäßigkeit.

Rechtmäßigkeit umfasst unter anderem die Beachtung von Vorschriften des Jugendschutzes, des Datenschutzes, Werberegelungen usw., was kein Thema unserer Arbeit sein soll. Der Akzeptanzfaktor ist für unsere Untersuchung ausgeschlossen, da wir von der Publikumsperspektive gar nicht ausgehen (können), wodurch dieses Qualitätskriterium nicht messbar ist.

Relevanz als Qualitätsdimension ist, nach Schatz und Schulz „ein relationaler Begriff“[25] – ein Sachverhalt oder Vorgang sei nie an sich oder aus sich heraus relevant oder bedeutsam, sondern immer nur in Bezug auf etwas anderes; Relevanz eines Sachverhaltes, eines Handels oder eines Akteurs besteht in der potentiellen oder realen Wirkungen auf andere Sachverhalte. Relevanz erzeugt Betroffenheit oder Resonanz dadurch, dass „der in Frage stehende Sachverhalt die Befindlichkeit oder Labenslage von Individuen oder sozialen Gruppen berührt, weil er objektiv oder in ihrer subjektiven Wahrnehmung für sie wichtige Normen und Werte, Bedürfnisse und Interessen, Meinungen und Einstellungen tangiert - positiv oder negativ, direkt oder indirekt, aktuell oder zukünftig“[26].

Im Folgenden weisen die Autoren darauf hin, dass es große Schwierigkeiten gibt, Relevanz empirisch zu bestimmen. Um so schwieriger wird es, Relevanz zu messen, je weiter man sich von der Relevanzebene des Individuums entfernt. Schatz und Schulz sind der Meinung, dass „zur Bestimmung von Relevanz die aktuelle Befindlichkeit der Rezipientenseite […] einbezogen werden“[27] muss. Da dies den Rahmen unserer Arbeit sprengen würde, beruhen wir uns bei der Bestimmung von Relevanz auf andere theoretische Grundlagen. Immerhin lassen sich die Ansätze der Nachrichtenwert-Theorie als eine „Grundlage für die Bestimmung qualitativer und quantitativer Kriterien nutzen“[28], mit denen das Relevanzniveau bestimmt werden kann (vgl. Kapitel 2).

Betrachtet man das Professionalitätsgebot, ist zunächst, so Schatz und Schulz, „eine Unterscheidung nach inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten angebracht“[29]. In formaler Hinsicht, das heißt im Hinblick auf die gestalterische Professionalität, unterscheidet man wiederum zwischen Fiction und Nonfiction. Bei dem Genre Fiction stehen ästhetische bzw. künstlerische Kriterien, wobei sich die Gestaltungsqualität bei Nonfiction sich nach anderen Kriterien bemisst. „Hier stehen Kriterien der Verständlichkeit im Vordergrund. Es gehört zu den `anerkannten journalistischen Grundsätzen`, die Informationen so aufzubereiten und zu präsentieren, dass sie von Rezipienten gut verstanden und verarbeitet werden können.“[30] Da es bei unseren Beiträge um Nonfiction handelt, setzen wir die Priorität auf die Verständlichkeit als ein Professionalitätskriterium (vgl. Kapitel 3.3).

Die inhaltliche Professionalität, auch journalistische Professionalität genannt, unterteilen Schatz und Schulz in analytische und deskriptive Qualität. Deskriptive Qualität meint Kriterien wie die Verpflichtung zur gewissenhaften Recherche, zur Wahrheitstreue Wiedergabe, Berücksichtigung der Auffassung von Betroffen, Trennung von Nachrichten und Kommentar usw. Im Kern geht es um die Forderung nach Objektivität, deren empirisch überprüfbare Übersetzungen Richtigkeit, Sachlichkeit, Vollständigkeit und Neutralität sind. Es wäre interessant das Vorhandensein dieser Professionalitätskriterien bei den psychologischen Themen zu untersuchen, jedoch ist es schwer beispielsweise die Übereinstimmung zwischen Medieninhalt und Ereignis zu bestimmen. Trennung von Nachrichten und Kommentar, Neutralität, Ausgewogenheit, Unparteilichkeit sind für unsere Fragestellung auch nicht angemessen, so besteht „ein Genre wie das der Reportage nicht ausschließlich aus Meinung oder Nachricht...“[31], sondern stellt vielmehr eine Mischform da.

Im Gegensatz zur deskriptiven Qualität, entspricht die analytische Qualität mehr unserer Fragestellung. Kommentare können als Merkmal analytischer Qualität angesehen werden, „wenn sie Hintergründe, Ursachen und Folgen verdeutlichen, Zusammenhänge herstellen und auf diese Weise einen Sachverhalt interpretieren, für das Publikum ‚logisch` durchschaubar machen“[32]. Inwieweit dies in den Beiträgen gelungen ist, soll ein weiterer Schwerpunkt unserer Analyse sein.

3.2.2 Analytische Qualität als journalistische Aufarbeitung

Unter dem Gesichtspunkt der analytischen Qualität analysieren wir in unserer Arbeit vor allem die journalistische Aufarbeitung eines wissenschaftlichen Themas in einer Magazingeschichte. Dabei werden unter diesem Begriff spezielle Kriterien definiert, die speziell für dieses Medium gelten. So sei es zentrale Aufgabe einer Magazingeschichte, Prozesse nachzuzeichnen, Entwicklungen aufzuzeigen, Rollen zu durchschauen und Hintergründe aufzudecken.[33] Dabei entstehe ein eigentümliches Spannungsfeld: „Zum einen gibt sich die Magazingeschichte nachrichtlicher und wirkt darum faktizierender; doch zum anderen färbt sie ihre Argumente und Szene so ein, dass eine Quintessenz, eine Tendenz erkennbar wird.“[34] Das bedeutet, dass wir bei einer qualitativen, hermeutischen Analyse und Auswertung der Magazinbeiträge darauf achten müssen, ob einerseits informative Ansprüche andererseits aber auch sprachliche und argumentative Vorstellungen erfüllt werden. Dabei gibt es keine einheitlichen Maßkriterien sondern nur allgemeine Grundregeln. So müsse die Magazingeschichte „Detailinformationen“ sammeln und diese in „Episoden“ einbetten. Dabei könnten diese „Episoden anhand von Personen, die real existieren“ erzählt werden.“[35]

„Die Magazingeschichte will es genau wissen [...] und verleiht so ihre Erzählung durch präzise Sachverhaltsinformationen und Personenangaben den Anschein von Authentizität. Gleichwohl ist sie aber nicht an die Einzigartigkeit eines Erlebnisses oder Akteur interessiert, sondern möchte in aller Regel eine Tendenz aufzeigen [...] Es entsteht... ein Pendelschalg zwischen dem Besonderen (Akteure) und dem Allgemeinen (Hintergrund).“[36]

Letztendlich wird von der Magazingeschichte verlangt, dem Leser komplexe Sachverhalte so darzustellen und zu veranschaulichen, dass dieser dem Problemverlauf folgen kann. Dabei sollen aber möglichst wenig, im Idealfall gar keine, Informationen verloren gehen. Um diese „Tendenz ins Thema zu bringen“, pendele die Magazingeschichte zwischen „individuellen Fallgeschichte[n] und dem abstrakten Sachverhalt“.[37]

Allerdings gebe es „kein Rezept oder feste Regeln für den richtigen Aufbau; entscheidend ist das Formgefühl des Reporters.“[38] Immerhin können einige Anhaltspunkte aus theoretischen Überlegungen gegeben werden: „Wesentlich für die Stimmigkeit einer Reportage, [...], ist der Aufbau bzw. die Gliederung des Stoffs: Von ihr hängt ab, ob der Gesamteindruck des Reports beim Leser überhaupt ankommt.“[39]

Michael Haller stellt den Idealfall einer Magazingeschichte folgendermaßen dar: „An einer Person wird eine ganze Zeitströmung (das ganze jeweilige Geschehnis, der ganze Vorgang, die aktuelle Begebenheit) in ihren Hintergründen, Ursachen, Anlässen, bewegenden Momenten und Auswirkungen aufgezeigt.“[40] Der Leser müsse gepackt werden, indem Tatsachen, Erzählung und auch Meinung und Einordnung“ geboten werden, wo werde der Leser emotionalisiert und damit an das Blatt gefesselt.[41]

Letztendlich komme es zu einem Mischung verschiedener journalistischer Stilformen: „... der gute Report [macht] den Zusammenhang zwischen Strukturproblemen und Alltagswelt anschaulich..., [soll] also Feature- und Reportageelemente einsetzen...“[42] In einem Report stecke darum „immer auch Hintergrundbericht und sehr viel Analyse“[43] Profitieren tut von guten Magazingeschichten aber eigentlich der Leser. Damit diesem die Berichte nützen, müssten sie die drei Kategorien Hintergrund, Orientierung und Nutzwert abdecken.[44]

Dies spiegelt sich auch auf der sprachlichen Ebene wieder; hier kommt es zu einem feuilletonistischen Stil, der aber auch informierende Nachrichten-ähnliche Inhalte vermitteln muss. Neben der Einhaltung der Standards in Recherche, Darstellung und sprachlicher Bewältigung, sollten General Interest-Zeitschriften (wie Spiegel, Stern, Focus) auch die Fähigkeit haben, „seinen Lesern über die übliche Darstellung hinaus exzellente ehrzählerische Formen anzubieten...“[45]

Schließlich müsse der Journalist, so er eine Magazingeschichte schreibt, komplexe Problemthemen aufgreifen[46], die Leser als Betroffene hätten selbst allerdings „weder Zeit noch Gelegenheit zur Problembearbeitung“ und so sei es Aufgabe der Zeitung (bzw. des Magazins) den Leser mit dem Problem vertraut zu machen.[47] „Die Qualität von Journalismus wird an seiner Fähigkeit gemessen, Themen der sozialen Wirklichkeit aufzugreifen, durch adäquate Recherchetechniken zu erfassen und durch entsprechende Vermittlungsformen dem Leser nahezubringen.“[48]

Neben dieser informativen Vermittlerfunktion fällt der Zeitschrift aber auch die Rolle eines Ratgebers zu. So muss nach Ende der Argumentation dem Leser eine Lösung und eine eindeutige Position empfohlen werden: „Von einem Report wird erwartet, dass er eine vorläufig endgültige Einschätzung der Ursachen und Folgen des komplexen Problemthemas zu geben vermag.“[49] Ein Qualitätskriterium, das für uns in Frage kommt, behandelt die Problemlösungskompetenz der Macher des Beitrages bzw. die Fähigkeit eine Antwort auf die im Artikel behandelten Fragen zu finden. Zu den Report-Themen schreibt Haller, dass sie „überwiegend Problemthemen [sind]. `Problem` heißt, daß es hierzu keine unstrittige Lösungen gibt, sondern verschiedene Darlegungen, Sehweise und Meinungen kursieren.“[50] Solche Problemthemen seinen heute oftmals komplex. Das bedeutet, so der Autor, dass verschiedene Wirkungszusammenhänge einen Prozess in Gang halten, dass Auswirkungen noch im Dunkel liegen. Die Beteiligten und Betroffenen seien kaum in der Lage, eine allseits befriedigende Problemlösung zu finden.[51] und hätten weder Zeit noch Gelegenheit zur Problemerarbeitung. „Sie delegieren gleichsam die Aufklärungsarbeit an ihre Zeitung: Die soll doch bitte soweit wie möglich das gesamte Material zum Thema – Artikel über den Hergang, Fachaufsätze, Gutmachen, Politiker- und Parteimeinungen, Expertenurteil, Augenzeugenbericht – beschaffen, aufarbeiten und interpretieren“.[52] So wird von einem Report erwartet, dass er eine „vorläufige endgültige Einschätzung“[53] der Ursachen und Folgen des komplexen Problemthemas zu geben vermag. Im Report findet man darum immer auch Hintergrundbericht und sehr viel Analyse.

An General Interes Zeitschriften, wie Spiegel, Stern und Focus können dabei weitere Anforderungen genannt werden: Wichtig seien die klare Positionierung eines Magazins, die professionelle Themenfindung, saubere Recherche, Beherrschung der Textsorten und eine Sprache, die vom Leser verstanden wird.[54]

Bei der Suche nach anerkannten Kriterien lassen sich dabei folgende Punkte heranziehen:[55]

- Information (Breite, Tiefe, Selektion, Selektivität)
- Präsentation (Verständlichkeit, Variabilität in der Darstellung)
- Reflektion (Inwieweit werden fremde Positionen übernommen, hinterfragt, neu beleuchtet?)
- Bildung (Meinungsbildung und Horizonterweiterung: politisch, kulturell, wirtschaftlich, wissenschaftlich; in diesem Punkt geht es darum, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Rezipienten Entscheidungen und Entwicklungen auf unterschiedlichen Feldern nachvollziehen und wissend begleiten können, sowie die Basis fr die individuelle Weiterentwicklung zu schaffen).

Detlef Schröter stellt zur Beurteilung der journalistischen Qualität folgende Leitfragen:

„Gelingt es dem Journalisten, ausreichend Fakten und Tatsachen zusammenzutragen? Gelangt er zu den richtigen Beurteilungen und Interpretationen dieser Sachverhalte? Schätzt er die Konsequenzen und Entwicklungen richtig ein? Richtet er seine Aufmerksamkeit auf jene gesellschaftlichen Aspekte, über welche sein Publikum etwas erfahren will oder soll? Oder redet er ganz einfach an den Bedürfnissen seiner Zuhörer vorbei?“[56]

Als Qualitätskriterien wählt Schröter zur Vorstellung einer empirischen Studie Vermittlungskontexte, Kommunikationskontexte, Transparenz der Kontexte, Partnertransparenz, Vermittlungsstrategien, Publizistische Dominanz, Inhaltliche Mitteilungs-Adäquanz, Themenkosmos, Partnerkosmos und Meinungsvielfalt aus.[57]

Diese als qualitative Grundlage respektierten Kriterien seien „durch die Tendenz zum Sensationalismus und durch Entgrenzungen zwischen Fakten und Fiktionen“ aktuell bedroht.[58]

Gianluca Wallisch kommt abschließend zu folgenden Punkten, die in einer qualitativen Analyse der Mediensprache von Bedeutung sein können:[59]

- Rücksicht in der Wortwahl auf das Thema und die Mitteilungsabsicht;
- engagierte Sprachverwendung im Sinne der oben gezeigten Tabelle, optimale Verständlichkeit und gutes Deutsch. Dies beinhaltet auch das vorsichtige Experimentieren mit neuen oder vermischten Stilformen;
- Rücksichtnahme auf das Niveau der Zielgruppe;
- formale Korrektheit in puncto Grammatik und Standardsprache;
- richtige Gewichtung zwischen Simplifizierung und Professionalisierung der Sprache.

Für den Wissenschaftsjournalismus müssen die Anforderungen allerdings teilweise etwas modifiziert werden. Hier sei vor allem die Fähigkeit, soziale Wirklichkeit aufzugreifen relevant: „Im Gegensatz zu Fachliteratur oder wissenschaftlichen Arbeiten, hat Journalismus ‚universell’ zu sein und einem möglichst großen Publikum die Möglichkeit zu geben, über ein relevantes Thema umfassend und leicht verständlich informiert zu werden. [...] Erkennen sozialer Wirklichkeit, ihrer Missstände und Vorzüge und diese zum journalistischen Thema machen.“[60] Die Intentionen können dabei sehr verschieden sein: „Aufklärung, Verteidigung, Anprangerung, Einsatz, Unterhaltung, Bildung etc.“[61]

Letztendlich haben wir nach diesem theoretischen Diskurs einige Anhaltspunkte, die zur Beurteilung journalistischer Leistung hinsichtlich Magazingeschichten dienen können. Für unsere Analyse ergeben sich damit zentrale Fragen: Schafft der Journalist allgemein relevante Erkenntnisse auf einer individuell interessanten Ebene zu präsentieren? Neigt der Journalist zum Sensationalismus? Wird Authentizität geschaffen? Wird die Balance zwischen informativem und feuilletonistischem Journalismus gehalten? Welche sprachlichen Mittel werden eingesetzt, um den Leser zu fesseln?

Letztendlich zeichnet sich eine qualitativ hochwertige Magazingeschichte in unserem Sinne dadurch aus, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse auf verschiedene Art und Weise sprachlich aufarbeitet, zusätzliche Aspekte nachrecherchiert werden und dem Leser an verschiedenen Einzelschicksalen das Problem veranschaulicht wird. Die journalistische Kunst ist es dabei, trotz der Aufarbeitung eher „trockener“ Themen möglichst keine Information zu verlieren. Wie die Journalisten diese Leistung vollbringen, kann dabei individuell unterschiedlich ausfallen.

Zudem ist entscheidend, dass den Lesern am Ende des Beitrages ein Lösungsvorschlag präsentiert wird. Die Stellung des Journalisten zum Problem muss klar zum Ausdruck kommen, ohne dass allerdings die Argumente der Gegenseite vernachlässigt werden.

3.3 Verständlichkeit

Die Schwerverständlichkeit von wissenschaftlichen Artikeln in den Printmedien ist oft beklagtes Phänomen. Dennoch gilt allgemein die Ansicht, dass sich Texte aller Art verständlich gestalten lassen. Dabei gibt es in Bezug zur Sprache feste Kriterien, an denen ermittelt werden kann ob den Lesern das Verständnis – und damit auch die Erinnerung an die Informationen – erleichtert wird. Dennoch sind noch immer viele wissenschaftlichen Beiträge als unverständlich für das breite Publikum zu bezeichnen. Im Hinblick auf die Bedeutung dieses Merkmals für die Rezipienten und für die allgemeine Darstellung der Wissenschaft bzw. der Psychologie durch die Massenmedien wäre eine Verständlichkeitsdiagnose der zu analysierenden Artikel auf jeden Fall angemessen.

Für die Erforschung dieses Qualitätskriteriums bieten sich in der Literatur verschiedene Vorgehensweisen an – z.B. das Hamburger Verständlichkeitskonzept[62], das Reiners-Schema[63] oder das Messverfahren „Variablendurchschnitt“ (VD)[64].

Als Untersuchungsmethode wird hier das Hamburger Verständlichkeitskonzept wegen seiner Vollständigkeit und Übersichtlichkeit angewendet.

Nach diesem Konzept wird die Verständlichkeit als eine Eigenschaft von Informationstexten verstanden, die in vier Bereiche zerfällt: Einfachheit, Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz und Anregende Zusätze.[65] Die Einfachheit bezieht sich hier auf die Wortwahl und den Satzaufbau. Wenn geläufige und anschauliche Wörter zu kurzen und einfachen Sätzen zusammengefügt werden, dann könnte man die sprachliche Formulierung als einfach beurteilen.[66] Innerhalb des Merkmals Gliederung/Ordnung sollten die Sätze folgerichtig aufeinander bezogen werden. Die Informationen werden in einer sinnvollen Reihenfolge dargeboten, wobei auch das Wesentliche von weniger Wichtigem sichtbar unterschieden ist.[67] Bei dem Merkmal Kürze/Prägnanz geht es um die Frage: „Steht die Länge des Textes in einem angemessenen Verhältnis zum Informationsziel?“[68] Der Text sollte auf keinen Fall zu weitschweifig, aber auch nicht zu knapp sein. Das letzte Merkmal, die Anregenden Zusätze, bezieht sich darauf, wie bei dem Publikum Interesse und Lust am Lesen oder Zuhören hervorgerufen wird. Wörtliche Rede, lebendige Beispiele, Reizwörter, witzige Formulierungen, direktes Ansprechen des Lesers sind dabei zu berücksichtigen.[69]

Entscheidend für diese Vorgehensweise ist die Beurteilung der vier

Merkmale, was mit der Hilfe eines Beurteilungsfensters passiert. Dafür ist eine Skala mit fünf Abstufungen vorgesehen[70]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„++“ heißt, dass alle oder fast alle Eigenschaften, die zu einem Merkmal gehören, deutlich vorhanden sind. „+“ heißt, dass sie nicht ganz deutlich oder nur teilweise zutreffen. „0“ ist die neutrale Mitte. „─“ bedeutet, dass die gegenseitigen Eigenschaften überwiegen und „─ ─“ heißt, dass alle oder fast alle Eigenschaften nicht ausgeprägt sind.[71] So wird zunächst jedes Merkmal nach dieser Skala geschätzt und dann das Ergebnis ins Beurteilungsfenster eingetragen. Weil die hervorgehobenen Skalenstufen in der obigen Tabelle die günstigsten für eine gute Verständlichkeit sind, ergibt sich das folgende Beurteilungsfenster für einen optimal verständlichen Text:[72]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beurteilungsfenster nach dem Hamburger Verständlichkeitskonzept

Was die Vorgehensweise bei der Schätzung der Verständlichkeit betrifft, hängt von dem jeweiligen Kriterium ab. Für das Kriterium Einfachheit wird im Hinblick auf eine nötige eher quantitative Analyse (Wörter pro Satz, Satzgefüge) folgende Vorgehensweise unternommen. Wegen des großen Umfangs der zu untersuchenden Texte, wird die Einfachheit nicht in dem ganzen Artikel, sondern nur in einem Abschnitt davon geschätzt. Für das Ziel wird einen nach der Meinung des Forschers sprachlich komplizierteren Abschnitt ausgewählt. Im Zusammenhang mit der richtigen Auswahl dieses Abschnitts werden im Weiteren folgende Kriterien für die Auswahl eines sprachlich komplizierten Teils formuliert:

Der Text behandelt solche Informationen, die für das breite Publikum neu sind;

Das Thema wird in einem wissenschaftlichen Zusammenhang vorgestellt;

Experten kommen zu Wort bzw. werden zitiert.

Dabei wird davon ausgegangen, dass die wissenschaftliche Sprache der Grund für eine eventuelle Kompliziertheit des Textes ist.

Von diesem Abschnitt werden dann die ersten 30 Sätze untersucht, hieraus ergibt sich die zu untersuchende Stichprobe. Anhand einer Schätzungen von Satzlänge, Satzgefüge und eine Erklärung der Fachwörter sowie der Präzision der Begriffe wird letztendlich die Einfachheit und somit das erste von den vier Kriterien beurteilt.

Eine Analyse der Kriterien Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz und Anregende Zusätze wird für den gesamten Text allgemein und qualitativ gemacht. Ihre Eigenschaften (s.o.) können im Unterschied zu der Einfachheit eine qualitative Vorgehensweise wohl rechtfertigen.

Schließlich werden alle vier Kriterien in dem schon oben vorgestellten Beurteilungsfenster diskutiert und Schlussfolgerungen für ihr Zusammenspiel im Hinblick auf die Verständlichkeit des Textes gezogen.

[...]


[1] Der Amerikaner Walter Lippmann entwickelte bereits 1922 die Grundzüge des heutigen Konzeptes und führte den Begriff „News Value“ ein. Charles Merz führte 1925 die erste empirische Untersuchung in Bezug zu Lippmanns Konzeption durch.

[2] Kunczik, Michael/Zipfel, Astrid: Publizistik: Ein Studienhandbuch. Köln (u.a.): Böhlau, 2001, S. 247.

[3] Östgaard, Einar (1965) „Factors Influening the Flow of News“, Oslo. In: Journal of Peace Research 2, S. 39

[4] Östgaard (1965), S. 39.

[5] Vgl. Östgaard (1965), S. 45-51. Zitiert nach: Kunzcik/Zipfel (2001), S. 247.

[6] Galtung, Johan/Ruge, Marie Holmboe (1965) „The Structure of Foreign News: The Presentation of the Congo, Cuba and Cyprus Crises in Four Norwegian Newspapers“, Oslo. In: Journal of Peace Research 2, S. 70f.

[7] Galtung/Ruge (1965), S. 21.

[8] Galtung/Ruge (1965), S. 222f.

[9] Galtung/Ruge (1965), S. 65.

[10] Kunczik/Zipfel (2001), S. 249f.

[11] vgl. Sande, Øystein (1971) „The Perception of Foreign News“. In: Jorunal of Peace Research 8, S. 226.

[12] Schulz (2. Auflage von 1990; zuerst 1976) „Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien: Analyse der aktuellen Berichterstattung“, Freiburg/München, S. 37.

[13] Schulz (1990), S. 116.

[14] Mit Kausalmodell sind die bisher thematisierten Ansätze gemeint, die davon ausgehen, dass bestimmte Nachrichtenfaktoren eines Ereignisses die Publikations-Wahrscheinlichkeit erhöhen.

[15] vgl. Staab, Joachim Friedrich (1990) „Nachrichtenwert-Theorie: Formale Struktur und empirischer Gehalt“, Freiburg/München. S. 210.

[16] Staab (1990), S. 208.

[17] Staab (1990), S. 210.

[18] Staab (1990), S. 211.

[19] vgl. Staab (1990), S. 213f.

[20] Schatz, Heribert/Schulz, Winfried: Qualität von Fernsehprogrammen. Kriterien und Methoden zur Beurteilung von Programmqualität im dualen Fernsehsystem. In: Media Perspektiven 11/1992, S. 700.

[21] Ruhrmann, Georg/Woelke, Jens/Diehlmann, Nicole/Maier, Michaela (2003): „Der Wert von Nachrichten im deutschen Fernsehen.“ Opladen. S. 53-59.

[22] Schatz/Schulz (1992), S. 690.

[23] Schatz/Schulz (1992), S. 691.

[24] vgl. Schatz/Schulz (1992), S. 692.

[25] Schatz/Schulz (1992), S. 696.

[26] Schatz/Schulz (1992), S. 696.

[27] Schatz/Schulz (1992), S. 697.

[28] Schatz/Schulz (1992), S. 697.

[29] Schatz/Schulz (1992), S. 702.

[30] Schatz/Schulz (1992), S. 702.

[31] Wallisch, Gianluca: Journalistische Qualität: Definitionen – Modelle – Kritik. 1. Aufl. Konstanz, 1995, S. 175.

[32] Schatz/Schulz (1992), S. 704.

[33] Haller, Michael: Die Reportage: Ein Handbuch für Journalisten. 2., überarb. Aufl. München: Ölschläger, 1990, S. 81.

[34] Haller (1992), S. 83.

[35] Haller (1992), S. 84.

[36] Haller (1992), S. 84.

[37] Haller (1992), S. 83.

[38] Haller (1992), S. 136.

[39] Haller (1992), S. 136.

[40] Brawand, Leo: Die Spiegel-Strory: Wie alles anfing. 1. Aufl. Düsseldorf (u.a.): Econ Verl., 1987, S. 226.

[41] Fasel, Christoph: Qualität und Erfolg im Journalismus. 1. Aufl. Konstanz: UVK-Verl.-Ges., 2005. S. 139.

[42] Haller (1992), S. 89.

[43] Haller (1992), S. 89.

[44] Fasel (2005), S. 135.

[45] Fasel (2005), S. 139.

[46] Haller (1992), S. 88.

[47] Haller (1992), S. 88.

[48] vgl Wallisch (1995), S. 148.

[49] Haller (1992), S. 89.

[50] Haller (1992), S.88.

[51] Haller (1992), S. 88.

[52] Haller (1992), S. 88f.

[53] Haller (1992), S. 89.

[54] Fasel (2005), S. 135.

[55] Rau, Harald (2005): „Don Quijote oder der Kampf der Journalisten mit dem Pudding.“. In: Fasel, Christoph (Hrsg.): „Qualität und Erfolg im Journalismus.“ Konstanz. S. 80.

[56] Schröter, Detlef: Qualität im Journalismus: Testfall: Unternehmensberichterstattung in Printmedien. 1. Aufl. München: Publicom-Medienverl., 1992. S.17.

[57] Schröter (1992), S.67.

[58] Weischenberg, Sigfried (2003): „Leistung und Journalistisches Bewusstsein“. In: Bucher, Hans-Jürgen/Altmeppen, Klaus-Dieter:„Qualität im Journalismus“. Wiesbaden, S. 174.

[59] Wallisch (1995), S. 141.

[60] Wallisch (1995), S. 148.

[61] Wallisch (1995), S. 149.

[62] vgl. Langer, Inghard/Schulz von Thun, Friedemann/Tausch, Reinhardt: Sich verständlich ausdrücken. München /Basel: E. Reinhardt 1993, S.13 bzw. Schulz von Thun, Friedenmann: Dimensionen der Textverständlichkeit. In: Hansen, Klaus (Hrsg.): Verständliche Wissenschaft. Gummersbach 1982, S.24.

[63] vgl. Schneider, Wolf: Handbuch des Journalismus. 5. Aufl. Reinebeck bei Hamburg: Rowohlt, 2001, S.86.

[64] vgl. Bamberger, Richard/Vanecek, Erich: Lesen-Verstehen-Lernen-Schreiben: Die Schwierigkeitsstufen von Texten in deutscher Sprache. Wien: Jugend und Volk (u.a.), 1984, S.88.

[65] Vgl. Langer/Schulz von Thun/Friedmann (1993), S.13.

[66] Langer/Schulz von Thun/Friedmann (1993), S.16.

[67] Langer/Schulz von Thun/Friedmann (1993), S.18.

[68] Langer/Schulz von Thun/Friedmann (1993), S.20.

[69] Langer/Schulz von Thun/Friedmann (1993), S.22.

[70] Vgl. Schulz von Thun (1981), S. 28.

[71] Vgl. Langer/Schulz von Thun/Friedmann (1993), S.26.

[72] Langer/Schulz von Thun/Friedmann (1993), S.28.

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Detalles

Título
Psychologische Titelgeschichten in Print-Magazinen
Subtítulo
Eine Analyse hinsichtlich der Qualität und der Nachrichtenfaktoren unter Berücksichtigung des Image der Psychologie in der Öffentlichkeit
Universidad
Free University of Berlin
Calificación
1,5
Autores
Año
2005
Páginas
93
No. de catálogo
V75376
ISBN (Ebook)
9783638809535
ISBN (Libro)
9783638836180
Tamaño de fichero
865 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Psychologische, Titelgeschichten, Print-Magazinen
Citar trabajo
Moritz Förster (Autor)D. Deneva (Autor)G. Hristova (Autor), 2005, Psychologische Titelgeschichten in Print-Magazinen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75376

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