In einer nie zuvor da gewesenen Intensität und Form beeinflussten die Anschläge vom 11. September 2001 den Blick der westlichen Nationen und der gesamten Weltgemeinschaft auf den Terrorismus. Geblieben ist die Ratlosigkeit und insbesondere Uneinigkeit über eine Definition des Begriffs „Terrorismus“ im Rahmen der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.
Weshalb ist eine verbindliche Terrorismusdefinition eine unabdingbare politische Notwendigkeit? Warum kann sie nur im Rahmen der Vereinten Nationen zu Erfolgen bei der Bekämpfung des inter- oder multinationalen Terrorismus führen? Warum existiert bis heute keine einheitliche Definition im Rahmen der Vereinten Nationen? Welche Probleme ergeben sich bei dem Versuch, sich einer Definition anzunehmen? Wie sieht die historische Entwicklung der Definitionsdebatten aus?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Der Begriff Terrorismus im Allgemeinen
2.2 Terrorismusdefinition im Rahmen der Vereinten Nationen
2.3 Die Konventionen von 1963, 1970 und 1971
2.4 Die Ereignisse von 1972 und die Reaktionen der UN
2.5 Weitere Auseinandersetzungen mit dem Terrorismus
2.6 Maßnahmen nach dem 11. September 2001
3 Resümee
4 Literatur- und Quellenverzeichnis:
1. Einleitung
Seit den Anschlägen auf die USA am 11. September 2001 in New York, Washington und Pennsylvania hat sich der Blick auf Terrorismus und besonders auf seine internationale Erscheinungsform wesentlich verändert. In einer zuvor nie da gewesenen Intensität und Form beeinflussten die Anschläge die westlichen Nationen und die gesamte Weltgemeinschaft in ihrer den Terrorismus betreffenden Betrachtungsweise. Geblieben ist die Uneinigkeit über eine Definition des Begriffs „Terrorismus“ im Rahmen der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.
„Die Wucht der Anschläge brachte den Staaten und Völkern schlagartig ins Bewusstsein, dass die Bedrohung durch den Terrorismus global und umfassend ist.“[1] Sie „rückten ein globales Bedrohungsszenario in den Mittelpunkt der internationalen Politik.“[2] Im Rahmen der Ziele der Charta der Vereinten Nationen, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“[3], stufte der Sicherheitsrat die Anschläge „als Bedrohung des Weltfriedens ein (Resolution 1368), rief zu Gegenmaßnahmen auf und verwies auf das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung.“[4] Kurz: Die Bekämpfung des Terrorismus zur Wahrung des Weltfriedens ist ein zentraler Bestandteil internationaler Politik geworden. Bis heute ist jedoch keine völkerrechtliche Definition des Begriffs Terrorismus verfügbar, obwohl es zahlreiche Versuche gegeben hat und immer noch an einer Einigung unter den Mitgliedsstaaten gearbeitet wird.
Im Punkt 2. (Hauptteil) sollen Antworten auf folgende Fragen gegeben werden: Weshalb ist eine verbindliche Terrorismusdefinition eine unabdingbare politische Notwendigkeit? Warum kann sie nur im Rahmen eines Systems, wie der so genannten UN-Familie[5] erfolgreich sein?
Warum existiert bis heute keine einheitliche Definition im Rahmen der Vereinten Nationen? Welche Probleme ergeben sich bei dem Versuch, eine Definition festzulegen?
Dafür ist es notwendig, die konventionellen Definitionen zu betrachten, also die Definitionen, die sich auf juristische und gesellschaftliche Normen beziehen, um die Problematik verständlicher zu machen. Anschließend werden die Definitionsversuche auf internationaler Ebene, also in Rahmen der Vereinten Nationen, fokussiert. Außerdem sollen wichtige Ereignisse und Verhandlungen untersucht werden, die verdeutlichen, welche Probleme und Schwierigkeiten eine Definition mit sich bringt. Da aus Platzgründen nicht alle Konventionen, Deklarationen und sonstige Dokumente bearbeitet und untersucht werden können, wird eine Auswahl der wichtigsten Ereignisse und Ergebnisse der UN-Verhandlungen getroffen, die für die Beantwortung der Fragestellung von Bedeutung sind.
Die einzige Möglichkeit zur Klärung der Definitionsfrage auf völkerrechtlicher Ebene bleibt den Vereinten Nationen vorbehalten, da nur sie einen internationalen Konsens erarbeiten können. Deshalb heißt das Thema dieser Hausarbeit: „Die Vereinten Nationen und das Problem der Terrorismusdefinition“.
2. Hauptteil
2.1 Der Begriff Terrorismus im Allgemeinen
Rein sprachlich betrachtet, kommt der Begriff „Terror“ aus dem Lateinischen und bedeutet „Schrecken“. Schlägt man in einem modernen Deutschen Wörterbuch nach, so lässt sich ein Bedeutungswandel feststellen. Hier wird Terror als „Gewaltherrschaft; rücksichtsloses, gewalttätiges Vorgehen“[6] definiert. Der Begriff nimmt diese Bedeutung zum ersten Mal in der Französischen Revolution an, indem die Schreckensherrschaft der Jakobiner beschrieben wird. Er wird damit politisch. Der englische Begriff „terrorism“ wird im OED (Oxford English Dictionary) neben der bereits angesprochenen Bedeutung in der Französischen Revolution wie folgt definiert:
“A policy intended to strike with terror those against whom it is adopted; the employment of methods of intimidation; the fact of terrorizing or condition of being terrorized.”[7] Auch im Englischen ist der Begriff also politisch besetzt. Heute werden in der Literatur „Terror“ und „Terrorismus“ häufig synonym verwendet. Nach Auffassung Peter Waldheims scheint es jedoch zweckmäßig, den Begriff Terror der vom Staat ausgehenden Gewalt gegen die Bürger des Staates vorzubehalten. Demnach bedeutet Terrorismus die gegen den Staat ausgeübte Gewalt.[8] Nach Waldheim lassen sich außerdem vier Hauptformen des Terrorismus wissenschaftlich kategorisieren, zwischen denen sich allerdings Überschneidungen feststellen lassen: 1. Sozialrevolutionärer Terrorismus; 2. Ethnisch-nationalistischer Terrorismus; 3. Religiöser Terrorismus; 4. Vigilantistischer Terrorismus. Damit hat Waldheim noch nicht den internationalen Terrorismus kategorisiert. Er begründet dies damit, dass der Begriff internationaler Terrorismus ein „reichlich schillernde[r] Begriff“[9] ist, der nicht die Motivation der Akteure beschreibt. Hinzukommend ist es nicht eindeutig, ob hiermit nun die Aktivität, die terroristische Organisation oder die den Terrorismus speisenden Quellen als „international“ bezeichnet werden.[10] Das Problem besteht also „hauptsächlich darin, Kriterien festzustellen, nach denen ein Ereignis oder eine Serie von Ereignissen als internationaler Terrorismus klassifiziert werden kann.“[11] Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass Terrorismus in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auftreten kann.
Konventionelle Definitionen des Begriffs Terrorismus unterliegen nicht nur sprachlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und juristischen Diskrepanzen. Sie variieren außerdem zu stark, sind geformt von Bedeutungswandel und Interpretationen und haben keine Rechtsbasis auf internationalem Niveau. Denn alle konventionellen Definitionen haben gemein, dass ihre Wurzeln nicht in einer internationalen Übereinkunft zu finden sind.
2.2 Terrorismusdefinition im Rahmen der Vereinten Nationen
Georgios Kaouras behauptet: „Es ist unmöglich, zweifelsfrei zu definieren, was
Terrorismus bedeutet. Ein solcher Versuch wird an den verschiedenen kulturellen Hintergründen von Akteuren und Adressaten scheitern.“[12] Um völkerrechtliche Richtlinien vorzugeben, die es möglich machen sollen, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, bedarf es aber einer allgemeingültigen völkerrechtlich verankerten Definition darüber, was internationaler Terrorismus ist. Denn auch wenn im Rahmen der Vereinten Nationen völkerrechtliche Schritte eingeleitet werden können, so bleiben die eigentlichen Akteure der Terrorismusbekämpfung die souveränen Staaten mit eigenen, unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und Gesetzen.
Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus bedürfen also der Zusammenarbeit der Staaten und Völker. Die United Nations Organization bietet mit der General Assembly (im Folgenden Generalversammlung genannt) ein internationales Forum, um u. a. über Fragen zu Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung zusammen zu kommen (ChVN Kap. IV, Art. 10).[13] Warum eine völkerrechtliche Definition? Das Fehlen einer Terrorismusdefinition „hindert die Vereinten Nationen daran, ihre moralische Autorität zur Geltung zu bringen und die eindeutige Botschaft zu verbreiten, dass Terrorismus selbst bei noch so vertretbaren Anliegen niemals eine annehmbare Taktik ist.“[14] Definitionen sollen einen Begriff operationalisierbar machen und Interpretationsspielräume minimieren. Da für die Bekämpfung des Terrorismus alle Staaten verantwortlich sind und diese Bekämpfung nur Erfolg hat, sobald sich alle Staaten daran beteiligen, kommt jeder Versuch unweigerlich mit innerstaatlichem Recht in Konflikt. Das Interventionsverbot verbietet jedoch die Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten. Dies gilt auch für die Vereinten Nationen in ihrer Gesamtheit.[15] Es bleibt also nur die Option der Mitgliedsstaaten, sich über eine Konvention zu einigen, die eine Terrorismusdefinition enthält. Bei Ratifizierung der Konvention verpflichtet sich der jeweilige Staat, die innerstaatlichen Gesetze der Konvention anzupassen. Doch hieraus ergeben sich weiter Probleme, die im Folgenden veranschaulicht werden sollen. Aber nicht nur bei der Bekämpfung in Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten ist eine Terrorismusdefinition wichtig. Auch das Recht auf Selbstverteidigung, das der Sicherheitsrat nach dem 11. September 2001 bekräftigte, bedarf einer Bewertung des Sachverhaltes. Sowohl bei individuellem als auch kollektivem Selbstverteidigungsrecht muss die Frage geklärt sein, ob ein bewaffneter Angriff im Sinne von Artikel 51 ChVN vorliegt.[16] Laut Charta der Vereinten Nationen ist nämlich die Befugnis und die Pflicht, den Weltfrieden zu sichern und zu erhalten, strikt vom Selbstverteidigungsrecht zu trennen.[17]
2.3 Die Konventionen von 1963, 1970 und 1971
Bereits vor 1972 beschäftigten sich die Vereinten Nationen mit dem Terrorismus. Jedoch ohne einen Definitionsversuch in die Wege zu leiten. Die drei Konventionen, die bis 1972 von der Generalversammlung verabschiedet worden sind, sind bis heute relevant für die Bekämpfung des Terrorismus. Jedoch liefern sie nur Tatbestanddefinitionen und sagen nichts über den Terrorismus im Allgemeinen aus.
[...]
[1] Gareis, Sven Bernhard/Varwick, Jahannes: Die Vereinten Nationen – Aufgaben, Instrumente und Reformen, Opladen 20022, S. 141.
[2] Unser, Günther: Die UNO – Aufgaben, Strukturen, Politik, München 20037, S. 389.
[3] Gareis, Sven Bernhard/Varwick, Jahannes: a.a.O, S. 38.
[4] Unser, Günther: a.a.O, S. 389.
[5] Vgl. Unser, Günther: a.a.O, S. 39.
[6] Duden, 1991.
[7] Oxford English Dictionary, online im Internet <http://dictionary.oed.com/cgi/entry/50249598?single=1&query_type=word&queryword=terrorism&first=1&max_to_show=10>, 2005, [zugegriffen am: 29.03.2005].
[8] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, München 20022, S.514.
[9] Waldmann, Peter: a.a.O., S. 515.
[10] Vgl. Waldheim, Peter: a.a.O., S. 515f.
[11] Kaouras, Georgios: Terrorismus – Historische und politische Komponenten des terroristischen Phänomens, Frankfurt am Main 1994, S. 78.
[12] Vgl. Kaouras, Georgios: a.a.O., S. 95.
[13] Vgl. Gareis, Sven Bernhard/Varwick, Jahannes: a.a.O, S. 48.
[14] Hochrangige Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel, in: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (Hrsg.): Eine sichere Welt: Unsere gemeinsame Verantwortung, Nr. 89, 2004, S. 54.
[15] Vgl. Charta der Vereinten Nationen, Art. 2 Ziff. 7.
[16] Vgl. Gareis, Sven Bernhard/Varwick, Jahannes: a.a.O, S. 146.
[17] Vgl. Charta der Vereinten Nationen, Art. 51.
- Quote paper
- Jens Dolfen (Author), 2005, Die Vereinten Nationen und das Problem der Terrorismusdefinition, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75350
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