Das Petrarkistische in Heines "Buch der Lieder"


Hausarbeit, 2007

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Liebesmodelle vor Heine
2.1 Das petrarkistische Liebesmodell
2.2 Das anakreontische Liebesmodell
2.3 Das Liebesmodell des Volksliedes
2.4 Goethes Liebesmodell
2.5 Das romantische Liebesmodell

3 Heines „Buch der Lieder“
3.1 Petrarkistische Elemente
3.1.1 Form und Stilmittel
3.1.2 Die Figur der Geliebten
3.1.3 Das lyrische Ich
3.2 Unterschiede zum Petrarkismus

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Einen späten Höhepunkt erlebte der P[etrarkismus] noch einmal im Werk Heinrich Heines.“[1]

Liest man dieses Zitat von Meid – und kennt man sich dazu noch ein wenig mit dem lyrischen Werk von Heine aus – kommen einem gleich Gedichte aus dem „Buch der Lieder“ in den Sinn. Dieses Buch, dessen Gedichte ca. zwischen 1815 und 1826 entstanden sind, besteht aus den fünf Hauptzyklen „Junge Leiden“, „Lyrisches Intermezzo“, „Die Heimkehr“, „Aus der Harzreise“ und „Die Nordsee“ und hat erst im Laufe der Zeit seine heutige Gestalt angenommen, da Heine immer wieder Gedichte weggelassen und neue hinzugefügt hat. Ein erheblicher Teil handelt von unerfüllter Liebe eines männlichen Sprechers – so wie auch Petrarca und spätere Petrarkisten unter ihrer nicht erreichbaren Liebe leiden.

Ist Heine also ein Petrarkist? Oder hat er nur bewusst die petrarkistische Tradition in dem „Buch der Lieder“ wieder aufleben lassen wollen? Vielleicht hat er aber sogar eine völlig neue, eigene Liebeskonzeption entwickelt, die eben auf petrarkistischen Elementen basiert, sich aber dennoch vom Petrarkismus abgrenzt. Eine weitere Möglichkeit wäre noch die, dass Heine das formelhafte Liebesmodell Petrarcas auf seine Weise parodiert.

Unter diesen Aspekten werde ich die Gedichte des „Buches der Lieder“ mit der Liebeskonzeption Petrarcas vergleichen. Welche petrarkistischen Elemente hat er aufgenommen und welche anderen Elemente sind ebenfalls auszumachen? Dazu werde ich in der vorliegenden Arbeit sowohl die Form und Stilmittel, sowie die wichtigen Rollen innerhalb der Gedichte betrachten. Um festzustellen, ob auch andere Einflüsse maßgeblich waren, werde ich mich zuvor jedoch noch kurz den Liebesmodellen, die bereits vor der Entstehung von Heines „Buch der Lieder“ bekannt waren und die Heine also kennen musste, widmen.

2 Liebesmodelle vor Heine

Die Entstehungszeit einiger Traumbilder aus dem Zyklus „Junge Leiden“ liegt in den Jahren 1815 und 1816; viele andere Gedichte (auch aus den anderen Zyklen) entstammen den 1820ern.[2] Zu dieser Zeit gab es laut Windfuhr fünf Modelle von Liebeskonzeptionen, die Heine als junger Schriftsteller gekannt haben musste. Die ältere Forschungsliteratur habe jedoch nur die letzten drei der unten genannten betrachtet.[3] Um feststellen zu können, welche Einflüsse genau auf Heines „Buch der Lieder“ gewirkt haben, ob es hauptsächlich der Petrarkismus gewesen ist oder das „Buch der Lieder“ gar eine Weiterentwicklung, ein eigenes (sechstes) Modell basierend auf letzterem ist, wie Windfuhr meint, sollen die fünf vorhergegangenen Modelle kurz und in (mehr oder weniger) chronologischer Reihenfolge näher erläutert werden.

2.1 Das petrarkistische Liebesmodell

Der Petrarkismus, der in der Literatur Deutschlands im Barock im 17. Jahrhundert sehr beliebt war (später auch europaweit), geht auf den aus dem 13. Jahrhundert stammenden Italiener Francesco Petrarca und seinem Werk, dem „Canzoniere“, zurück. Zunächst verbreitete sich der Petrarkismus in Deutschland jedoch nur durch Übersetzungen und Nachdichtungen (z. B. von Martin Opitz), später dann auch durch eigene Beiträge (z. B. von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Paul Fleming).[4] Die Erfüllung der Liebe fehlt generell beim minnesangähnlichen Petrarkismus, womit diese Liebeskonzeption gerade der von Goethe, dem romantischen Liebesmodell und der Anakreontik (welche unten genannt werden) direkt entgegensteht.[5] Die Liebe in Petrarcas „Canzoniere“ ist stattdessen von dunklen Schatten umgeben:[6] Erst ist der stets männliche Sprecher von seiner Geliebten im Leben getrennt, da sie verheiratet und somit unerreichbar ist, schließlich trennt sie der Tod – Petrarca ist Humanist und somit von einer transzendentales Liebeskonzeption (wie etwa bei Novalis), bei der sich die Liebe im Jenseits erfüllen kann, entfernt.[7] Windfuhr nennt diese Liebe oxymorisch, „ein dauerndes Schwanken zwischen der Süße und Bitterkeit des Liebeszustandes“.[8] Die innere Haltung des Sprechers ist zutiefst gespalten zwischen sinnlichem Begehren und distanzierter Verehrung und er schwankt zwischen Verfallenheit und Sehnsucht nach Befreiung.[9] Erotische Situationen werden metaphorisch als Liebeskrieg dargestellt, in Form von Belagerung, Verwundung oder Gefangenschaft.[10] Vorherrschend in dieser „bittersüßen Schmerzensliebe“[11] ist dabei der Ton der Klage, träumerischer Resignation, Melancholie und unstillbarer Sehnsucht.[12]

Das Liebesmodell von Petrarca wurde im Petrarkismus zu einem System ausgebaut, das aus formelhaften, verkürzten Einzelmotiven und Stilmitteln besteht. Die seelische Gespaltenheit Petrarcas vor einem beziehungsreichen Hintergrund ließ sich natürlich nicht nachahmen, so aber die stereotypen Situationen und Formeln.[13] Jeder Petrarkist hat natürlich seine eigene Art, mit den Elementen des „Canzoniere“ umzugehen; bestimmte Elemente, die er aufnimmt und weiterentwickelt, neue Elemente, die er hinzunimmt, was auch eine Parodie einschließt, dem Antipetrarkismus[14]. So ist eine Liebeskonzeption entstanden, die natürlich über die von Petrarca hinausgeht.[15] Auf jeden Fall handelt es sich um eine „artistische Formelhaftigkeit“[16], wie es auch bei der Anakreontik der Fall ist.

2.2 Das anakreontische Liebesmodell

Der frühgriechische Lyriker Anakreon aus Teos lebte im 6. Jahrhunderts v. Chr. und war Namensgeber der Anakreontik, die in Deutschland etwa zwischen 1740 und 1780 aufblühte. Die hier beschriebene Liebe ist heiter, sinnlich, glücklich und erfüllt.[17] Auch hier gibt es immer wiederkehrende Formeln und Motive, wie dem Dreiklang von Trunkenheit, Liebe und Gesang, sowie Vergnügen und Geselligkeit, Freude an der Natur, Personen der antiken Götterwelt, dem Kussmotiv und dem locus amoenus. Was die Formelhaftigkeit und das Wiederkehren von bestimmten Motiven innerhalb einer einheitlichen Liebeskonzeption angeht, ähnelt die Anakreontik dem Petrarkismus, nur dass letzterer wie beschrieben einen ganz entgegengesetzten Ton anschlägt.

2.3 Das Liebesmodell des Volksliedes

Im Gegensatz zu dem Artistischen der beiden bisher genannten Konzeptionen handelt es sich bei dem Volkslied um mündlich überlieferte Verse, deren Verfasser unbekannt sind; sie sind sozusagen ‚natürlich gewachsen’, da sie einem langen Prozess mündlicher Tradierung unterlegen waren, sind also keinesfalls künstlich (oder künstlerisch) entstanden. Eine Hochzeit hatte die Tradition des Volksliedes durch Herder im 18. Jahrhundert, sowie durch Arnim und Brentano, die von 1805 bis 1808 die Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ in drei Bänden herausbrachten.

Auch in diesem Modell gibt es wiederkehrende Motive und Formeln und auch hier steht nicht das Individuelle im Vordergrund, sondern das Typenhafte, da die Liebe von allen Menschen gleich erlebt werde.[18] Die Sprache ist einfach und naiv, „artistisch-rhetorische Komplizierung“[19] ist hier nicht zu finden.

2.4 Goethes Liebesmodell

Der junge Goethe, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angefangen hat zu schreiben, wendet sich von jeglicher formelhaften und unindividuellen Konzeption ab. Für Goethe ist jede Liebe etwas Einmaliges, das die Menschen somit auf ganz unterschiedliche Weise erleben, da ja auch die Umstände des jeweiligen Zusammentreffens zweier Menschen immer andere sind. Das Glück der erfüllten Liebe kommt hierbei durchaus vor, auch wenn es nicht gezwungenermaßen der Fall sein muss. Sprache und Motivik können aus dem Grund der Individualität nicht formelhaft sein.[20]

[...]


[1] Meid (1999), S. 391.

[2] Heine, S. 877ff., Nachwort.

[3] Vgl. Windfuhr, S. 211.

[4] Vgl. Niefanger, S. 103.

[5] Vgl. Windfuhr, S. 210.

[6] Vgl. Pyritz, S. 136.

[7] Vgl. Windfuhr, S. 210.

[8] Ebd.

[9] Vgl. Meid (1999), S. 390.

[10] Vgl. Hoffmeister, S. 25.

[11] Ebd., S. 27.

[12] Vgl. Meid (1999), S. 390 und Pyritz, S. 137.

[13] Vgl. Meid. (2000), S. 28.

[14] Vgl. ebd., S. 29.

[15] Vgl. Windfuhr, S. 210f.

[16] Ebd., S. 211.

[17] Vgl. ebd., S. 209.

[18] Vgl. ebd.

[19] Ebd.

[20] Vgl. ebd., S. 207f.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das Petrarkistische in Heines "Buch der Lieder"
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Veranstaltung
Hauptseminar: Heines Gedichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V75219
ISBN (eBook)
9783638797818
ISBN (Buch)
9783638797337
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der Dozentin: Eine sehr schöne Arbeit, die sowohl durch ihren gelungenen Aufbau wie auch durch das Niveau ihrer Argumentation überzeugt. Kenntnisreich werden die prägenden Elemente in Heines Lyrik, in kritischer Auseinandersetzung mit der Forschung, zu den verarbeiteten Traditionen in Beziehung gesetzt. Dabei zeigt die Verfasserin ein breites literaturgeschichtliches Wissen und beweist ihre Fähigkeit zu genauen Analysen.
Schlagworte
Petrarkistische, Buch, Lieder, Gedichte, Petrarca, Petrarkismus, Heinrich, Heine
Arbeit zitieren
Corinna Rindlisbacher (Autor:in), 2007, Das Petrarkistische in Heines "Buch der Lieder", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75219

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