Das Wort Strategie stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich die Kunst der Kriegsführung. Diese versucht vor der Schlacht planvoll und langfristig Maßnahmen zu erarbeiten, um diese zu gewinnen. Bezogen auf das Management eines Unternehmens bedeutet Strategie die Festlegung von grundlegenden langfristigen Zielen und die Durchführung von Maßnahmen, die zur Zielerfüllung beitragen. Bei strategischen Entscheidungen geht es also darum herauszufinden, welche Maßnahmen geeignet sind, um die gesetzten Ziele langfristig zu erreichen. Doch
wie können verschiedene Maßnahmen bewertet werden? Woher kann ein Manager wissen, welche Handlung zum gewünschten Ziel führt? In der Regel werden die erwarteten Auswirkungen der Maßnahme erörtert und dann gefolgert, ob sie zielführend ist. Doch durch die zunehmende Vernetzung der Welt entsteht eine immer höher werdende Komplexität, sodass Auswirkungen einer strategischen Maßnahme
kaum vollständig überblickt werden können. Business-Intelligence-Methoden wie Data-Mining können Managern durch die Verdichtung und Auswertung erheblicher Datenmengen als Basis für Entscheidungen dienen. Diese vergangenheitsorientierten Informationen sind jedoch nicht ausreichend, um die komplexen Auswirkungen einer strategischen Entscheidung ganzheitlich zu verstehen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Ziel der Arbeit
1.2. Aufbau der Arbeit
2. Systemisches Denken und Modellieren
2.1. Einführung in Systemisches Denken
2.1.1. System
2.1.2. Systemisches Denken
2.1.3. Prinzipien des systemischen Denkens
2.1.3.1. „Das große Bild“
2.1.3.2. Kurz- und Langfristigkeit
2.1.3.3. Weiche Indikatoren
2.1.3.4. System als Ursache
2.1.3.5. Zeit und Raum
2.1.3.6. System versus Symptom
2.1.3.7. „Und“ versus „oder“
2.2. Qualitative Systemmodellierung
2.2.1. Systemische Darstellungsformen
2.2.2. Causal-Loop-Diagramme
2.2.2.1. Rückkopplungskreise
2.2.2.2. Unterscheidung der Rückkopplungsarten
2.2.2.3. Verzögerung in Systemen
2.2.2.4. Potenzielle Probleme bei Modellierung und Interpretation
2.2.3. Behaviour over time
2.3. Systemarchetypen
2.3.1. Fehlkorrekturen (Fixes that fail)
2.3.2. Die Grenzen des Wachstums (Limits to growth)
2.3.3. Problemverschiebung (Shifting the burden)
2.3.4. Tragödie der Gemeingüter (Tragedy of the commons)
2.3.5. Erodierende Ziele (Eroding goals)
2.3.6. Eskalation (Escalation)
2.3.7. Erfolg den Erfolgreichen (Success to the successful)
2.3.8. Wachstum und Unterinvestition (Growth and underinvestment)
2.3.9. Widersacher wider Willen (Accidental Adversaries)
2.3.10. Grenzen der Archetypen
3. Outsourcing – eine strategische Entscheidung
3.1. Begriffliche Grundlagen
3.1.1. Outsourcing
3.1.2. Make-or-Buy-Entscheidung
3.1.3. Leistungstiefe
3.2. Strategische Bedeutung der Leistungstiefe
3.3. Ansätze zur Optimierung der Leistungstiefe
3.3.1. Unternehmenspolitische Ansätze
3.3.2. Konzept der Kernkompetenzen
3.3.3. Das Konzept der Erfahrungskurve
3.3.3.1. Anwendbarkeit der Erfahrungskurve auf die Leistungstiefe
3.3.3.2. Abgrenzung zur Lernkurve
3.3.3.3. Die Ursachen der Kostenreduktion
3.3.3.4. Erfahrungskurve und Marktanteil
3.3.3.5. Erfahrungskurve und Kernkompetenz
3.3.4. Transaktionskostenansatz
3.3.4.1. Verhaltensannahmen
3.3.4.2. Transaktionsmerkmale
4. Qualitative Systemmodellierung der Leistungstiefenentwicklung
4.1. Modellierung der Erfahrungskurve
4.2. Modellierung der Transaktionskosten
4.3. Gesamtmodell aus Stück- und Transaktionskosten
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Anlagen
Ehrenwörtliche Erklärung
Vorwort
Als Frau Prof. Dr. Kreitel mit dem Thema systemisches Denken und Modellieren an mich herantrat, war es das erste Mal, dass ich davon gehört hatte. In der Tat ist es ein Thema, dass im deutschsprachigen Raum noch wenig Beachtung findet. Besonders in den USA, wurde in den letzten 50 Jahren intensiv an diesem Thema gearbeitet und allmählich gewinnt es auch in Deutschland an Bedeutung. In der deutschen Hochschullehre ist systemisches Denken und Modellieren noch kaum zu finden, obwohl einige Dozenten wie Prof. Dr. Bradl an der Fachhochschule Würzburg Wahlfächer zu diesem Thema anbieten.
Schon bei der Einarbeitung konnte ich feststellen, dass systemisches Denken und Modellieren bei mir großes Interesse weckt. Der Kontakt mit Frau Prof. Dr. Kreitel und zahlreiche Fachgespräche und -diskussionen darüber haben dieses Interesse weiter verstärkt. Durch sie kam auch der Kontakt mit Herrn Prof. Dr. Merkel zustande. Bei einem gemeinsamen Treffen wurde dann die Idee geboren, die Problematik des Outsourcings systemisch darzustellen und damit zu zeigen, wie systemisches Denken und Modellieren strategisches Management unterstützen kann. Ich hoffe mit meiner Arbeit dazu beitragen zu können, dass systemisches Denken und Modellieren als Unterstützung für die Entscheidungsträger der Wirtschaft wahrgenommen und praktiziert wird.
Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen danken, die mich beim Erstellen dieser Arbeit unterstützt haben. Weiter gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Merkel, der als praktizierender „Systemdenker“ mit langjähriger Erfahrung stets ein konstruktiver Ansprechpartner war. Im Besonderen möchte ich Frau Prof. Dr. Kreitel danken, die mich in dieses Thema eingeführt hat und die durch ihre Inspiration und fachliche Unterstützung maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat.
Berlin, im März 2007
Daniel Sabel
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ereignisorientierte und systemische Sichtweise
Abbildung 2: Kausale Zusammenhänge
Abbildung 3: Causal-Loop-Diagramm der Wettbewerbsfähigkeit
Abbildung 4: Beispiel Sparbuch: Positives Feedback
Abbildung 5: Beispiel Anzahl der Kunden: Negatives Feedback
Abbildung 6: Heroinmarkt
Abbildung 7: Heroinmarkt inkl. Heroinpreis
Abbildung 8: Interpretationsprobleme von CLDs
Abbildung 9: Beispiel eines BOT-Graphen
Abbildung 10: Fehlkorrekturen
Abbildung 11: Fehlkorrektur: Beschleunigung von Lieferungen
Abbildung 12: Die Grenzen des Wachstums
Abbildung 13: Die Grenzen des Wachstums: Servicekapazität
Abbildung 14: Problemverschiebung
Abbildung 15: Problemverschiebung: Personalentwicklung
Abbildung 16: Tragödie der Gemeingüter
Abbildung 17: Erodierende Ziele
Abbildung 18: Eskalation
Abbildung 19: Erfolg den Erfolgreichen
Abbildung 20: Wachstum und Unterinvestition
Abbildung 21: Wachstum und Unterinvestition: People Express
Abbildung 22: Widersacher wider Willen
Abbildung 23: Widersacher wider Willen: Wal-Mart und P&G
Abbildung 24: Alternativen der Leistungstiefenoptimierung (Beispiele)
Abbildung 25: Erfahrungskurve bei k1 = 100,– und α = 0,25
Abbildung 26: Versorgungslage bei Vernetzungsstufe I
Abbildung 27: Versorgungslage bei Vernetzungsstufe II
Abbildung 28: Verstärkende Rückkopplung der Erfahrungskurve
Abbildung 29: Erfahrungsvorsprung des Konkurrenten
Abbildung 30: Eigenschaften der Leistungen
Abbildung 31: Modell der Erfahrungskurve
Abbildung 32: Erweitertes Modell der Erfahrungskurve
Abbildung 33: Modell der Transaktionskosten
Abbildung 34: Gesamtmodell aus Stück- und Transaktionskosten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Eigenschaften der Modellierungsparadigmen
Tabelle 2: Systemische Darstellungsformen und ihre Eigenschaften
Tabelle 3: Begriffe systemischen Denkens und Modellierens
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das Wort Strategie stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich die Kunst der Kriegsführung.[1] Diese versucht vor der Schlacht planvoll und langfristig Maßnahmen zu erarbeiten, um diese zu gewinnen. Bezogen auf das Management eines Unternehmens bedeutet Strategie die Festlegung von grundlegenden langfristigen Zielen und die Durchführung von Maßnahmen, die zur Zielerfüllung beitragen.[2] Bei strategischen Entscheidungen geht es also darum herauszufinden, welche Maßnahmen geeignet sind, um die gesetzten Ziele langfristig zu erreichen. Doch wie können verschiedene Maßnahmen bewertet werden? Woher kann ein Manager wissen, welche Handlung zum gewünschten Ziel führt? In der Regel werden die erwarteten Auswirkungen der Maßnahme erörtert und dann gefolgert, ob sie zielführend ist. Doch durch die zunehmende Vernetzung der Welt entsteht eine immer höher werdende Komplexität, sodass Auswirkungen einer strategischen Maßnahme kaum vollständig überblickt werden können. Business-Intelligence-Methoden wie Data-Mining können Managern durch die Verdichtung und Auswertung erheblicher Datenmengen als Basis für Entscheidungen dienen. Diese vergangenheitsorientierten Informationen sind jedoch nicht ausreichend, um die komplexen Auswirkungen einer strategischen Entscheidung ganzheitlich zu verstehen.
Systemisches Denken ist die Fähigkeit, die Welt als ein komplexes System zu sehen, in dem alles miteinander verbunden ist.[3] Damit unterscheidet es sich von ereignisorientiertem Denken. Abbildung 1 soll verdeutlichen, wie sich die ereignisorientierte von der systemischen Sicht unterscheidet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Folgendes Beispiel soll die Unvollständigkeit der ereignisorientierten Sichtweise zeigen: Ein Unternehmen hat für eine Periode ein Umsatzziel festgelegt (Ziel). Die Umsätze waren jedoch geringer als erwartet (Situation) und so konnten die Ziele nicht erreicht werden (Problem). Als Gegenmaßnahme sollen die Preise reduziert werden um so den Absatz anzukurbeln (Entscheidung) wodurch sich der Umsatz erhöht (Ergebnis).
An diesem Punkt endet der Horizont der ereignisorientierten Sichtweise. Das System reagiert jedoch auf die eigenen Handlungen. Sobald der eigene Umsatz steigt, werden die Wettbewerber reagieren, in dem auch sie die Preise senken, wodurch der eigene Umsatz wieder fällt, oder um es mit den Worten Stermans zu sagen: „Yesterday’s solution becomes today’s problem.“[4]
Die im strategischen Management eingesetzten Standardmethoden wie Gleichungssysteme, Ursache-Wirkungs-Ketten und Balanced Scorecards sind allesamt ereignisorientiert. Rückkopplungen, die im komplexen Unternehmensumfeld eine große Bedeutung spielen, werden von keiner dieser Methoden berücksichtigt.[5] Dem Management fehlen offensichtlich Methoden, die auch Rückkopplungen in Systemen berücksichtigen und verständlich machen.
1.1. Ziel der Arbeit
Zielgruppe dieser Arbeit sind Entscheidungsträger der Wirtschaft, die noch nicht mit systemischem Denken und Modellieren vertraut sind. Die vorliegende Arbeit soll systemisches Denken und Modellieren vorstellen und verständlich machen. Sie zeigt, wie durch eine systemische Sicht komplexe Zusammenhänge im Unternehmen und in der Unternehmensumwelt besser verstanden und damit strategische Entscheidungen unterstützt werden können.
Wie systemisches Denken und Modellieren angewendet werden kann, um damit komplexe Situationen besser zu verstehen, soll am Thema „Outsourcing“ gezeigt werden. Ein Unterziel ist es darzustellen, wie durch eine systemische Sicht auf dieses Thema das Problem der optimalen Leistungstiefe umfassend verstanden werden kann. Das Management soll durch eine systemische Sichtweise auf die Leistungstiefenproblematik im Entscheidungsprozess unterstützt werden.
Eine Form des systemischen Denkens ist die von Jay Forrester am MIT entwickelte Methode „System Dynamics“ (SD).[6] Diese überschneidet sich teilweise mit der in dieser Arbeit vorgestellten Modelliermethode, ist jedoch weiter gefasst und legt den Schwerpunkt besonders auf quantitatives Modellieren anhand von Computersimulationen. Ziel der Arbeit ist es nicht, die Methode SD zu beschreiben, es wird jedoch auf Teile dieser Methode zurückgegriffen.
1.2. Aufbau der Arbeit
Wie oben beschrieben ist ein Teilziel dieser Arbeit, Menschen die noch nicht mit systemischem Denken und Modellieren vertraut sind, in diese Methode einzuführen. Daher wird im zweiten Kapitel (S. 5 ff.) eine Einführung in systemisches Denken gegeben. Anschließend wird auf der Grundlage des systemischen Denkens die Methode des qualitativen Modellierens erläutert. Abgeschlossen wird das Kapitel durch die Vorstellung der Systemarchetypen, die grundlegende, immer wiederkehrende Mechanismen beschreiben. Die Bedeutung dieser Archetypen wird anhand von betriebswirtschaftlichen Beispielen verdeutlicht.
Im dritten Kapitel (S. 46 ff.) werden anschließend die theoretischen Grundlagen des Themas Outsourcing geschaffen. Nach der Klärung der begrifflichen Grundlagen des Themas wird die strategische Bedeutung der Leistungstiefe diskutiert, worauf dann verschiedene Ansätze der Leistungstiefenoptimierung vorgestellt werden.
Die Kapitel zwei und drei stellen die Basis dar, um im vierten Kapitel (S. 67 ff.) dann die Outsourcing-Problematik systemisch zu modellieren. Durch die Betrachtung der Erfahrungskurve auf der einen und der Transaktionskostentheorie auf der anderen Seite wird ein Gesamtmodell erarbeitet, welches zu einem besseren Verständnis der Leistungstiefenentwicklung führen soll.
2. Systemisches Denken und Modellieren
Sowohl das systemische Denken als auch das systemische Modellieren sollen zum besseren Verständnis von Systemen führen. Systemisches Denken stellt dabei die Voraussetzung für das systemische Modellieren dar. Somit kann das Modellieren als eine Methode des systemischen Denkens beschrieben werden, es bietet Werkzeuge an, um komplexe Systeme zu begreifen und zu beschreiben.
2.1. Einführung in Systemisches Denken
Jedes Problem, jede Aufgabe und jede Entscheidung ist Teil eines größeren Systems, welches es beeinflusst und von welchem es beeinflusst wird. Im Folgenden werden die Begriffe System und systemisches Denken erläutert, um anschließend auf die Prinzipien des systemischen Denkens einzugehen.
2.1.1. System
Das Wort System bezeichnet ein Gebilde aus mehreren Elementen, die sich gegenseitig beeinflussen. Ein System grenzt sich gegenüber der Umwelt als eine aufgaben-, sinn- oder zweckbezogene Einheit ab.[7]
Beispiele für Systeme sind
- biologische Organismen,
- die Atmosphäre,
- Krankheiten,
- Fabriken,
- Chemische Reaktionen,
- Politische Einheiten,
- Gemeinschaften sowie
- alle Organisationen.
2.1.2. Systemisches Denken
Systemisches Denken (auch: Systemdenken; engl.: systems thinking) ist eine Methode, die Informationen und Instrumente enthält, die das Verstehen von Komplexität und Veränderungen ermöglichen sollen.[8] Im Gegensatz zu linearem Denken, in dem hauptsächlich Ursache und Wirkungen von isolierten Ereignissen betrachtet werden, versucht das systemische Denken größere Zusammenhänge und die grundlegenden Strukturen zu erkennen, die menschliches Handeln beeinflussen und bestimmte Ereignisformen verursachen. Die Erkenntnis, dass ein System sein Verhalten selbst verursacht, wird durch die Betrachtungsweise des systemischen Denkens erlangt.[9]
Maani und Cavana unterteilen systemisches Denken in die drei Teilbereiche Paradigmen, Sprache und Methode.[10]
Paradigmen
Systemisches Denken ermöglicht es, dynamische Zusammenhänge, die die Reaktion von Systemen beeinflussen, zu beschreiben und darüber zu reflektieren.
Teile systemischen Denkens sind dynamisches Denken, operationales Denken und das Denken in geschlossenen Regelkreisen (closed-loop thinking). Beim dynamischen Denken steht die Erkenntnis im Vordergrund, dass Systeme nicht statisch sind und sich in ständigem Wandel befinden. Das Verständnis, wie Vorgänge wirklich funktionieren, wird durch operationales Denken ermöglicht. Denken in geschlossenen Regelkreisen würdigt die Tatsache, dass Ursache und Wirkung nicht linear verlaufen und dass oft das Ergebnis (die Wirkung) die Ausgangssituation (die Ursache) beeinflusst.[11]
Sprache
Die Sprache des systemischen Denkens ist ein Instrument für die Beschreibung von Systemen. Sie ermöglicht systemweite Wechselbeziehungen und Veränderungsmuster zu erkennen und zu beschreiben. Indogermanische Sprachen (z. B. Deutsch oder Englisch) beruhen auf einer Subjekt-Prädikat-Objekt-Struktur, mit der es schwer fällt komplexe, dynamische Systeme zu beschreiben.[12] So wie normale Sätze auf Substantiven und Verben aufbauen, so baut die Sprache des Systemdenkens auf Feedbackprozessen (stabilisierende und verstärkende Rückkopplungen) und Verzögerungen auf.[13]
Die Sprache des Systemdenkens erfüllt folgende Kriterien:
- Sie ist visuell und diagrammatisch,
- es bestehen präzise Regeln;
- Erkenntnisse werden in detaillierte Bilder übersetzt und
- geschlossene, wechselseitige Abhängigkeiten werden betont.
Zur Sprache des systemischen Denkens gehören auch bestimmte fachliche Begriffe, die sich in der Literatur unterscheiden. Aufgrund der Tatsache, dass hauptsächlich englische Literatur zu diesem Thema verfügbar ist, werden in dieser Arbeit auch hauptsächlich englische Begriffe verwendet. Im Anhang findet sich daher eine Tabelle, in der die gebräuchlichsten englischen und deutschen Begriffe aufgeführt sind.
Methode
Das systemische Denken beinhaltet verschiede Modellierungs- und Lernmethoden. Modellierungsmethoden helfen zu verstehen, wie die verschiedenen Elemente eines Systems miteinander verbunden sind und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. So können anhand von Modellierungstechniken Veränderungen gemessen und vorhergesagt werden. Auch kann durch Modellierungstechniken das Lernen in einer Gruppe gefördert werden, indem mehrere Teilnehmer Systembilder entwickeln und mit diesen experimentieren.
Folgende Methoden werden eingesetzt:[15]
- Causal-Loop-Diagramme (Wirkungsdiagramme)
Diese Diagramme helfen Systeme zu beschreiben und das Verhalten von Systemen zu erklären (siehe Kapitel 2.2.2, S. 13 ff.).
- Stock-and-Flow-Diagramme (Flussdiagramme)
Mit Stock-and-Flow-Diagrammen kann das Verhalten von Systemen simuliert werden. Es werden quantifizierte Größen verwendet, die in Fluss- und Bestandsgrößen unterteilt werden.
- Microworlds
Microworlds bieten eine anwendungsfreundliche Oberfläche, mit der das Verhalten von Systemen experimentell erforscht werden kann. Dem liegt ein Computermodell der jeweiligen Systeme zugrunde.
- Learning laboratory (LLab)
Ein LLab ist ein Prozess und ein Rahmen, indem Lernen in einer Gruppe ermöglicht wird. Als Grundlage dafür dienen Microworlds.
2.1.3. Prinzipien des systemischen Denkens
Anderson und Johnson beschreiben eine Anzahl universeller Prinzipien des systemischen Denkens, die einen Rahmen für Theorie und Praxis darstellen.[16]
2.1.3.1. „Das große Bild“
Jede Situation oder jedes Problem ist stets Teil eines größeren Systems und sollte als solches betrachtet werden sollte. Menschen versuchen häufig Probleme und Aufgaben in Einzelteile zu zerlegen, da diese Einzelteile dann einfacher zu handhaben scheinen. Dabei entsteht die Gefahr, dass sich ein verfälschtes Bild ergibt, wenn diese Einzelteile später wieder zusammengesetzt werden.[17]
2.1.3.2. Kurz- und Langfristigkeit
Kurzfristig angelegte Maßnahmen können langfristige Effekte haben, die nicht ignoriert werden dürfen. In manchen Fällen erleben Organisationen existenzbedrohliche Situationen. In solchen Fällen sind kurzfristige Maßnahmen anzuwenden um die Organisation zu retten. Auch dann, wenn durch drastische Maßnahmen langfristig unerwünschte Nebeneffekte hervorgerufen werden, muss es Priorität sein, die Organisation am Leben zu halten. Keineswegs sollten diese Maßnahmen als normale Handlungsbasis angesehen werden, da sonst die Nebenwirkungen der kurzfristigen Maßnahmen die Existenz der Organisation bedrohen.
2.1.3.3. Weiche Indikatoren
Ein Problem kann aus mehreren Elementen bestehen, die teilweise nicht offensichtlich sind. Die üblichen Kennzahlen aus dem Rechnungswesen eines Unternehmens können nur einen Teil eines Problems aufzeigen. Doch eine Reihe von anderen, weniger offensichtlichen Faktoren können im Hintergrund eine überaus wichtige Rolle spielen und das Verhalten und die Leistung von Organisationen in großem Maße beeinflussen. Zu diesen weichen Indikatoren zählen beispielsweise Engagement, Loyalität, Lernbereitschaft und Zuversicht. Diese und ähnliche Indikatoren können den Zustand und die Vitalität einer Organisation anzeigen, lange bevor die harten Fakten dazu in der Lage sind. Problematisch ist allerdings die Erhebung und Quantifizierung dieser Indikatoren.
2.1.3.4. System als Ursache
Dieses Prinzip besagt, dass Menschen oder Systeme nicht nur durch die ungewollten Konsequenzen ihrer Entscheidungen und Handlungen, sondern auch durch ihre mentalen Modelle (Annahmen, Glauben, Werte usw.) zu ihren Problemen beitragen. So entstehen Probleme oft aus Systemen heraus, obwohl sie als exogen angesehen werden.
2.1.3.5. Zeit und Raum
Da Ursache und Wirkung oft zeitlich und räumlich auseinander fallen, ist die Verbindung von Ursache und Wirkung nicht immer offensichtlich. Viele der heutigen Probleme wurden durch die Lösungen der Vergangenheit hervorgerufen.
2.1.3.6. System versus Symptom
Eine Problemlösung kann nur dann effektiv sein, wenn das System hinter dem Problem verstanden wird. Dieses Prinzip ist auch Grundlage des kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Qualitätsmanagement. Es wird angenommen, dass die grundlegenden Ursachen eines Problems identifiziert werden müssen, bevor eine dauerhafte Lösung gefunden werden kann. Das Gegenteil dieses Prinzips spiegelt sich in folgendem Sprichwort wider: „Wir haben keine Zeit den Zaun zu reparieren, weil wir ständig die Hühner einfangen müssen.“
2.1.3.7. „Und“ versus „oder“
Für eine Situation oder ein Problem gibt es häufig mehrere Ursachen. In der Gesellschaft und im Management wird sich oft auf eine Ursache konzentriert oder beschränkt. Häufig ist ein Entweder-oder-Denken zu beobachten.
2.2. Qualitative Systemmodellierung
Ein Modell stellt ein Abbild der Wirklichkeit dar und so ist die Modellierung der Prozess dieses zu erschaffen.[18] Bei der Systemmodellierung werden die Wirkungszusammenhänge eines Systems erarbeitet und dargestellt. Es existieren verschiedene Möglichkeiten der Modellierung und Darstellung. Generell kann zwischen zwei grundlegenden Modellierungsparadigmen unterschieden werden.
Beim quantitativen Modellieren werden Größen verwendet, die zahlenmäßig festlegbar und damit quantifizierbar sind. Mit den verwendeten Größen werden Simulationsrechnungen und Prognosen durchgeführt. Ziel einer solchen Modellierung ist, die zukünftige Entwicklung von Systemelementen zahlenmäßig vorauszusagen.[19]
Beim qualitativen Modellieren werden Größen verwendet, für die kein zahlenmäßiger Wert festgelegt ist. Diese Größen können Begriffe der Umgangssprache darstellen. Ziel dieses Verfahrens ist es, die Zusammenhänge eines Systems zu visualisieren und dadurch ganzheitlich zu verstehen. Als Darstellungsform werden hauptsächlich Causal-Loop-Diagramme (siehe Kapitel 2.2.2, S. 13 ff.) benutzt.[20] In der Literatur wird qualitatives Modellieren häufig als Vorstufe zu quantitativem Modellieren beschrieben.[21] Es stellt sich also die Frage, ob das qualitative Modellieren als eigene Modellierform angesehen werden kann. Nach Ansicht des Autors kann qualitatives Modellieren komplexe Systeme auf einfache Art darstellen und die Wirkungen der Systemelemente sichtbar machen. So trägt diese Form des Modellierens zu einem tiefen Systemverständnis bei. Ist das Systemverständnis Ziel der Modellierung, kann eine anschließende Quantifizierung überflüssig sein. Somit erkennt der Autor dieser Arbeit qualitatives Modellieren als eigenständige Modellierform an. Auch Ossimitz kommt zu dem Schluss: „Qualitatives Modellieren (etwa in Form von Wirkungsdiagrammanalysen) sollte als legitime […] Modelliertätigkeit anerkannt und praktiziert werden.“[22]
In der Tabelle 1 werden die Eigenschaften der verschiedenen Modellierungsparadigmen zusammenfassend dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine Mischform der oben genannten Modellierparadigmen beschreibt Ossimitz mit der qualitativen Quantifizierung. Es werden qualitative Sachverhalte (z. B. Sachverhalte der Psychoanalyse) quantifiziert und anhand von Simulationssoftware modelliert. Mit den quantitativen Ergebnissen der Simulation wird jedoch qualitativ argumentiert. Dabei geht es nicht darum, genaue Zahlenwerte, sondern die tendenzielle Entwicklung der Größen vorauszusagen. Häufig werden dabei Graphen benutzt, die ohne Skalierung der Achsen die Ergebnisse der Simulation darstellen (siehe Kapitel 2.2.3, S. 25 f.).[23]
In dieser Arbeit wird der Schwerpunkt auf qualitativem Modellieren anhand von Causal-Loop-Diagrammen (CLD) liegen, die auch im praktischen Teil dieser Arbeit angewendet werden. Die Methode der qualitativen Modellierung anhand von Causal-Loop-Diagrammen wird vorher unter Kapitel 2.2.2 (S. 13 ff.) theoretisch erörtert und konkrete Anwendungsbeispiele und Muster unter Kapitel 2.3 (S. 26 ff.) aufgezeigt.
2.2.1. Systemische Darstellungsformen
Wie oben aufgezeigt, werden bei der Modellierung die Wirkungsbeziehungen der Systemelemente qualitativ oder quantitativ beschrieben und dargestellt. Eng verknüpft mit der Form der Modellierung ist auch die Form der Darstellung. Es kann zwischen vier Arten systemischer Darstellungsformen unterschieden werden:[24]
- Verbale Beschreibungen
Mit Hilfe der Umgangssprache wird ein qualitatives Systemmodell beschrieben. Es bestehen keine spezifischen Regeln, wodurch sie für viele verständlich, aber auch verschieden auslegbar sind. Qualitative Zusammenhänge können anhand verbaler Beschreibungen nicht in ausreichender Eindeutigkeit dargestellt werden.
- Causal-Loop-Diagramme
Hierbei handelt es sich um eine qualitative Darstellungsform, in der Kausalitäten mit Hilfe von Pfeilen und Notationen visualisiert und die Art der Rückkopplungen identifiziert werden (siehe Kapitel 2.2.2, S. 13 ff.).
- Stock-and-Flow-Diagramme
Im Gegensatz zu CLDs werden bei Stock-and-Flow-Diagrammen zwischen den Typen der Systemelemente und den Beziehungen unterschieden. Bei den Systemelementen wird zwischen Bestandsgrößen (z. B. Bevölkerungszahl) und Flussgrößen (z. B. Geburtenrate) unterschieden.[25]
- Gleichungsdarstellungen
Hierbei werden die Systemzusammenhänge ausschließlich durch mathematische Gleichungen dargestellt, sie enthalten also ausschließlich quantifizierte Größen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für die qualitative Systemmodellierung eigenen sich vor allem Causal-Loop-Diagramme. Diese werden in dieser Arbeit neben verbalen Beschreibungen für die Systemmodellierung verwendet und im nächsten Kapitel genauer ausgeführt.
2.2.2. Causal-Loop-Diagramme
Ein CLD ist eine Darstellungsform, die es ermöglicht, die Wirkungsbeziehungen zwischen Systemelementen deutlich zu machen und die Rückkopplungen von Systemen darzustellen. Die zwei Hauptelemente eines jeden CLDs sind Variablen und Pfeile. Eine Variable kann einen Zustand, eine Situation, eine Aktion oder eine Entscheidung darstellen und sowohl quantitativ messbar (z. B. Umsatz, Kapitalstock, Anzahl der Mitarbeiter), als auch qualitativ beschreibbar (z. B. Motivation, Moral, Loyalität, Kundenzufriedenheit) sein. Variablen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie andere Variable beeinflussen und/oder von anderen Variablen beeinflusst werden. Dieser Zusammenhang der Beeinflussung wird in CLDs durch Pfeile dargestellt.[26] In Abbildung 2 wird die Annahme dargestellt, dass sowohl die Qualität als auch der Preis eines Produktes den Absatz beeinflussen.
[...]
[1] Vgl. Meyers enzyklopädisches Lexikon (1981) S. 663.
[2] Vgl. Chandler, A. D. (1991) S. 13.
[3] Vgl. Sterman, J. D. (2000) S. 4.
[4] Ebenda S. 10.
[5] Mit Ausnahme rekursiver Gleichungssysteme, vgl. Bradl, P. (2004) S. 12.
[6] Vgl. Senge, P. M. et al. (2004) S. 102.
[7] Vgl. ebenda S. 102.
[8] Vgl. Senge, P. M. (2003) S. 15.
[9] Vgl. ebenda (2003) S. 57, 94.
[10] Vgl. Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 7 f.
[11] Vgl. Richmond, B. (1997); zitiert nach Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 7.
[12] Vgl. Senge, P. M. (2003) S. 95.
[13] Vgl. ebenda S. 102.
[14] Vgl. Anderson V.; Johnson L. (1999) S. 20 f. zitiert nach Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 7.
[15] Vgl. Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 8.
[16] Anderson, V.; Johnson, L. (1997) S. 18 ff. zitiert nach Maani, K. E.; Cavana, R. Y. (2000) S. 8.
[17] Vgl. Senge, P. M. (2003) S. 11.
[18] Vgl. Maani, K; Cavana, R. (2000) S. 20.
[19] Vgl. Ossimitz, G. (1997) S. 3 f.
[20] Vgl. ebenda S. 4 f.
[21] Vgl. Maani, K; Cavana, R. (2000) S. 14 f. sowie Sterman, J. D. (2000) S. 85 ff.
[22] Ossimitz, G. (1997) S. 7.
[23] Vgl. ebenda S. 6 f.
[24] Vgl. ebenda. S. 1 ff.
[25] Zusätzlich können bei Stock-and-Flow-Diagrammen noch Hilfsgrößen unterschieden werden, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll.
[26] Vgl. Sterman, J. D. (2000) S. 137 ff.
- Quote paper
- Diplom-Betriebswirt (FH) Daniel Sabel (Author), 2007, Strategisches Management durch systemisches Denken und Modellieren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75042
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