Christopher Marlowes Doktor Faustus - Magier oder Hexer?


Hausarbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Magie im elisabethanischen Zeitalter
2.1 Neuplatonismus und okkulte Philosophie
2.2 Cornelius Agrippa
2.3 Magie wird zu Hexerei

3. Hexerei im elisabethanischen Zeitalter

4. Interpretation: Wie Doktor Faustus zum Hexer wird
4.1 Faustus’ Sehnsucht nach okkulter Philosophie
4.2 Faustus’ Weg in die Hexerei
4.3 Faustus’ Verdammung

5. Schlussbemerkung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn wir heute das Wort „Magier“ hören, assoziieren wir dies oftmals mit einem alten Mann mit einem langen weißen Bart, der zwar vielleicht etwas verwirrt ist, aber den Menschen im Grunde Gutes tun möchte. Der Begriff „Hexe“ andererseits ruft bei uns ein vollkommen unterschiedliches Bild hervor. Er wird häufig mit einem vollständig schwarz gekleideten alten Weib mit Warzen, einem Besen und einer Katze in Verbindung gebracht. Für den heutigen Leser von Christopher Marlowes Doctor Faustus bedeuten diese Stereotypen, dass er das Stück ganz anders lesen wird und eine andere Meinung darüber haben wird, ob Faustus nun ein Hexer oder ein Magier ist, als diejenigen die das Stück zur Zeit seiner Entstehung gesehen haben. In der Renaissance existierten diese Stereotypen noch lange nicht und die Vorstellungen von einer Hexe oder einem Magier wurden dadurch verkompliziert, dass man allgemein an die Existenz von Hexen glaubte und sie für eine Gefahr für die Gesellschaft hielt.

In der vorliegenden Arbeit werde ich zunächst den Glauben und die Vorstellungen rund um sowohl Magie als auch Hexerei im Zeitalter der Renaissance detailliert untersuchen. Die Ergebnisse werden es mir ermöglichen, einige Richtlinien aufzustellen, die mit bei der Bewertung von Faustus und seinem Verhalten in Kapitel 4 behilflich sein werden.

2. Magie im elisabethanischen Zeitalter

Während der Renaissance begann man in Europa damit, die Werke der Alten Griechen und Römer neu zu bewerten und fing deshalb an, anders über das eigene Leben zu denken. Es war auch die Epoche der Humanisten, die glaubten, dass Menschen durch ihre inneren Kräfte und ihre Rationalität die Welt verändern können. Viele Gelehrte wandten die Ideale des Humanismus auf die Magie an und erweiterten somit seine Definition. Die Neuplatonisten verbanden das jüdische Kabbala mit dem Christentum und glaubten, dass sie in speziellen Zeremonien Kontakt mit himmlischen Geistern aufnehmen könnten, die ihnen helfen würden die Welt zu verbessern. Der Glaube dieser Gelehrten, die auch als okkulte Philosophen bekannt wurden, bezieht sich auf eine Macht, die Doktor Faustus während des Stücks auszuüben versucht. In diesem Kapitel werde ich den Glauben der Neuplatonisten, insbesondere den des Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, und die Bräuche der Magier untersuchen, um später zu entscheiden ob Faustus nach ihrem Glauben gelebt hat und sich deshalb den Titel eines Magiers verdient hat.

2.1 Neuplatonismus und okkulte Philosophie

Der Neuplatonismus ist eine moderne Bezeichnung für die spätantike philosophische Schule oder Strömung, die im 3. Jahrhundert aus dem Mittelplatonismus entstand und bis zum Ende der Antike im 6. Jahrhundert zahlreiche bedeutende Vertreter hervorbrachte.[1] Dieser neue philosophische Okkult baut auf der Vorstellung der Humanisten auf, dass Menschen die Welt und sich selbst kontrollieren können. Im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert vertraten die Anhänger dieser philosophischen Magie die Ansicht, dass die Suche nach der Wahrheit nicht nur traditionellen religiösen, politischen oder intellektuellen Befugten zustehen sollte, sondern allen Menschen offen stehen sollte. Sie glaubten auch, dass die Natur des Menschen perfektioniert werden könne und dass die Menschen die Pflicht hätten, die Welt um sich herum - so weit es ihnen mit Hilfe von Frömmigkeit und Liebe möglich ist - zu verbessern. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Magier und anderen „Künstlern“ der Renaissance ist, dass die Okkultisten keinerlei Grenzen akzeptierten; sie verkündeten, dass der menschliche Verstand sich vollkommen mit sich selbst vereinen könne und dass Gott sie persönlich auserwählt habe, alle Spuren der Korruption in der menschlichen Gesellschaft zu beseitigen. Manche mögen behauptet haben auserwählt worden zu sein, doch andere glaubten wiederum, dass alle Menschen eine angeborene Kraft besäßen. Marsilio Ficino zum Beispiel war der Ansicht, dass der Wunsch des Menschen, Gott zu begegnen kein Gnadenakt war, sondern auf der freien Entscheidung jedes Einzelnen beruhte. Pico della Mirandola vertrat die Auffassung, dass, obwohl Gott die Menschen nach seinem eigenen Bild geschaffen habe, die Menschen das Potenzial das Gott ihnen gab erkennen müssen und danach handeln müssen.[2]

Jeder Philosoph hatte seine eigene Vorstellung von der natürlichen Ordnung und davon, wie die Menschen mit ihr in Verbindung treten können, aber sie waren alle der Meinung, dass es die Menschen waren, die den ersten Schritt in Richtung der Welt Gottes gemacht hatten. Die meisten Neuplatonisten sahen es als ihre Aufgabe an, die planetarischen Geister zu sich zu bringen und wandten sich nunmehr diesem Ziel zu. Marsilio Ficino entwickelte eine Theorie darüber, wie man planetarische Dämonen durch Musik, bestimmte Worte, spezielle Farben und Parfums anlocken könnte.[3] Diese aufstrebenden Magier schenkten der Position der Kirche, die nur zwei Arten von Geistern – Engel und Dämonen – kannte, keine Beachtung. Es wurde auch behauptet, dass jeglicher Kontakt mit einem Geist, sogar mit einem scheinbar himmlischen, im Grunde ein Kontakt mit einem Dämon sei. Da die Kirche enorm einflussreich war, war es für keinen Christen leicht, anderer Meinung zu sein. Weil sie sich dessen sehr wohl bewusst waren, gaben sich die Neuplatonisten des 16. Jahrhunderts große Mühe, ihre Vorstellungen und Ideen in zwei Arten von Magie zu trennen. Cornelius Agrippa unterschied beispielsweise nicht zwischen verschiedenen Arten von Geistern, sondern zwischen natürlicher und zeremonieller Magie.[4]

Insgesamt gesehen trennten sich die Neuplatonisten vom Rest der Humanisten ab, weil sie die Kontemplation guthießen und sich mit „abstrakter Spekulation“ auseinandersetzten. Sie beschäftigten sich aber dennoch mit dem was die Menschheit sowohl in kultureller als auch in politischer Hinsicht erreichen könnte und diskutierten diese Frage oftmals in ihren Schriften.[5]

2.2 Cornelius Agrippa

Der deutsche Jurist, Theologe, Philosoph und Magier Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486 - 1535) galt als Schwarzmagier und Hexenmeister. Neben seinem Jura- und Medizinstudium in Köln beschäftigte er sich stark mit der kabbalistischen Philosophie und mit Magie. Bereits im Alter von nur zwanzig Jahren gründete er eine Gesellschaft für das Studium und die praktische Anwendung der Geheimwissenschaften. Infolgedessen - und überhaupt wegen seiner ketzerischen Auffassungen – kam er mit der Geistlichkeit in Konflikt. Im weiteren Verlauf seines Lebens bereiste er weite Teile Europas und ging vielen unterschiedlichen Berufen nach: Unter anderem war er Gelehrter, kaiserlicher Hauptmann, Ritter, Leibarzt, Beamter, Archivar und Historiograph. Mit seinem berühmten, 1510 fertig gestellten, Werk De occulta philosophia (Druck und Veröffentlichung folgten allerdings erst im Jahre 1533) verband er den Neuplatonismus, die Magie und den Okkultismus zu seiner geheimen Philosophie. Er versuchte, alte magische Praktiken zu erklären und in ein gesamtes Weltbild einzufügen. Magie besteht nach Agrippa darin, sich die Kräfte der höheren Welt zu Eigen zu machen und durch sie die niedere Welt zu regieren. Agrippas Lehren, sein ungewöhnliches Leben und seine Suche nach dem Stein der Weisen genügten vollauf, um ihm beim einfachen Volk den Ruf eines Hexenmeisters einzubringen und ihm einen Bund mit dem Teufel nachzusagen. Da Agrippa von Nettesheim in den letzten Jahren seines Lebens ständig von einem großen schwarzen Hund begleitet wurde, nahm man an, dass dieses Tier in Wahrheit sein dämonischer Hilfsgeist sei und nur aus praktischen Gründen die Gestalt eines Hundes annehme.

2.3 Magie wird zu Hexerei

Genau wie das Ziel dieser Arbeit ist zu entscheiden, ob Faustus ein Hexer oder ein Magier ist, war das Ziel vieler Wissenschaftler im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert herauszufinden, ob es wirklich einen Unterschied zwischen Hexerei und Magie gab. Diese Auseinandersetzung war der Höhepunkt einer langen Streitgeschichte in der die Unterschiede zwischen Magie und Hexerei immer geringer wurden. Peters weist darauf hin, dass Magie schon im 4. Jahrhundert mit Ketzerei in Verbindung gebracht wurde und dass vor allem die Inquisitoren bei den meisten ketzerischen Aktivitäten einen Zusammenhang mit Hexen sahen.[6] Das wiederum machte die Ketzerei und die Magie zu einem Teil der Hexerei. Vor dem 12. Jahrhundert denunzierten Christen konsequent jeden, der Magie praktizierte, aber erst im Laufe des 12. Jahrhunderts lebte diese Anschauungsweise wieder auf und erweiterte ihren Definitionsbereich von Magie auf Ketzerei und eine weitaus größere Zahl von Magiern. Im 13. Jahrhundert wurde Magie in viel größerem Maße von sowohl Theologen und Philosophen als auch von einigen spirituellen Gerichten angegriffen. Als der Inquisitionsprozess Form annahm, rückte die Magie ins Blickfeld der Inquisition und viele der Begriffe, die früher der Magie zugeordnet wurden, wurden nun nicht mehr nur von gelernten Magiern angewendet.[7]

[...]


[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Neuplatonismus (25.7.06)

[2] Mebane, John. Renaissance Magic and the Return of the Golden Age. S. 7-12

[3] Traister, Barbara Howard. Heavenly Necromancers: The Magician in English Renaissance Drama. S. 7

[4] Peters, Edward. The Magician, the Witch and the Law. S. 163

[5] Mebane, John. Renaissance Magic and the Return of the Golden Age. S. 17

[6] Peters, Edward. The Magician, the Witch and the Law. S.155-157, 164

[7] Peters, Edward. The Magician, the Witch and the Law. S. 165

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Christopher Marlowes Doktor Faustus - Magier oder Hexer?
Hochschule
Universität Mannheim
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V74836
ISBN (eBook)
9783638726276
Dateigröße
438 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Christopher, Marlowes, Doktor, Faustus, Magier, Hexer
Arbeit zitieren
Alexandra Nadler (Autor:in), 2006, Christopher Marlowes Doktor Faustus - Magier oder Hexer?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74836

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