„Nothing appears more surprising […] than the easiness with which the many are governed by the few“ . Dieses Zitat von David Hume, das Heinrich Popitz in seinem Werk „Phänomene der Macht“ verwendet, beschreibt wohl auch die Motivation Popitz’, sich mit der Machtthematik zu befassen, sehr treffend. Obgleich es nur den Abschnitt „Prozesse der Machtbildung“ einleitend schmückt, ist dieser Gedankengang, umfassender gedacht und fragend formuliert, nicht weniger als seine erkenntnisleitende Grundfrage: „Warum […] können Menschen Macht ausüben?“
Dieser Frage folgend sollen in diesem Kommentar die Inhalte des Popitz’schen Werkes, so-wie deren Rezeption in der wissenschaftlichen Welt und ihre Stellung im Gesamtwerk des Autors diskutiert werden. Der vorliegende Kommentar orientiert sich dabei aufgrund deren umfassenden Charakters an der Struktur der „Phänomene der Macht“, die fast sämtliche Be-reiche des wissenschaftlichen Lebenswerkes ihres Autors involvieren, bislang aber nur einer partiellen Rezeption teilhaftig wurden. Darüber hinaus soll, seinem anthropologischen Ansatz folgend und diesen weiterdenkend, noch eine weitere Frage an den Text gerichtet werden: Warum wollen Menschen Macht über andere Menschen ausüben?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Grundlagen
2 Machttypen - Durchsetzungsformen
2.1 Aktionsmacht - Gewalt
2.2 Instrumentelle Macht – Drohen und Bedrohtsein
2.3 Autoritative Macht – Autoritätsbindung und Autoritätsbedürfnisse
2.4 Datensetzende Macht – technisches Handeln
3 Stabilisierungsformen
3.1 Machtbildungsprozesse
3.2 Institutionalisierung von Macht
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Nothing appears more surprising […] than the easiness with which the many are governed by the few“[1][2]. Dieses Zitat von David Hume, das Heinrich Popitz in seinem Werk „Phänomene der Macht“ verwendet, beschreibt wohl auch die Motivation Popitz’, sich mit der Machtthematik zu befassen, sehr treffend. Obgleich es nur den Abschnitt „Prozesse der Machtbildung“ einleitend schmückt, ist dieser Gedankengang, umfassender gedacht und fragend formuliert, nicht weniger als seine erkenntnisleitende Grundfrage: „Warum […] können Menschen Macht ausüben?“[3]
Dieser Frage folgend sollen in diesem Kommentar die Inhalte des Popitz’schen Werkes, sowie deren Rezeption in der wissenschaftlichen Welt und ihre Stellung im Gesamtwerk des Autors diskutiert werden. Der vorliegende Kommentar orientiert sich dabei aufgrund deren umfassenden Charakters an der Struktur der „Phänomene der Macht“, die fast sämtliche Bereiche des wissenschaftlichen Lebenswerkes ihres Autors involvieren, bislang aber nur einer partiellen Rezeption teilhaftig wurden. Darüber hinaus soll, seinem anthropologischen Ansatz folgend und diesen weiterdenkend, noch eine weitere Frage an den Text gerichtet werden: Warum wollen Menschen Macht über andere Menschen ausüben?
1 Grundlagen
Popitz geht von drei historisch gereiften Erkenntnissen aus, die er für die heutige Wahrnehmung und somit auch für seine Analyse von Machtphänomenen als prägend ansieht: Machtordnungen sind gemacht, also Menschenwerk; Macht ist omnipräsent bzw. immer mehr Erfahrungen werden als Machterfahrungen gedeutet; Macht ist rechtfertigungsbedürftig, denn sie schränkt Freiheiten ein[4]. Aus diesen Prämissen und ihrer offensichtlichen Allgemeingültigkeit leitet sich das Verständnis von Macht „als universale[m] Element menschlicher Vergesellschaftung“[5] ab. Dieser Universalitätsverdacht bedarf einer Begründung - es stellt sich die Frage, was Macht von Menschen über Menschen konstituiert und wie sie konstituiert ist.
In diesem Gedankengang werden bereits die Konturen der Denkweise Popitz’ deutlich: Sein Ziel in all seinen Werken - und so auch in diesem - ist eine universale „Theorie der Grund-merkmale und -bedingungen menschlicher Sozialität“, eines allen Epochen innewohnenden „Knochengerüstes“[6]. Dieser Richtschnur folgend beziehen sich seine „wenig[en], stets wegweisende[n] Publikationen“[7] auf „Basalphänomene menschlicher Vergesellschaftung“[8]: Norm-, Rollen- und Machttheorie sowie die Techniksoziologie[9]. Sein in den „Phänomenen der Macht“ durchscheinendes analytisches Interesse für die europäische Geistesgeschichte[10] ist wohl nicht zuletzt seinem Studium der Philosophie und der Geschichte (sowie der Ökonomie) zu verdanken[11].
2 Machttypen - Durchsetzungsformen
Popitz’ Analyse unterscheidet zunächst vier Typen von Macht, die er hauptsächlich anthropologisch, also von der Natur des Menschen ausgehend begründet, anstatt einen dezidiert soziologisch-gesellschaftszentrierten Zugang zu wählen. Unter diesem Blickwinkel betrachtet er sowohl die Grundlagen des Machtausübens als auch des Macherleidens („vitale Abhängigkeiten“[12]). Darüber hinaus spezifiziert er die so genannten Durchsetzungsformen dieser Machttypen, also ihre Manifestation in verschiedenen Formen gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Umgangs. Der anthropologische Ansatz, eine Konstante im post-industriesoziologischen Werk von Popitz, deckt sich mit dem Verständnis von allgemeiner Soziologie in den Fünfzigern und Sechzigern des letzten Jahrhunderts[13], der Zeit, in der Popitz dissertierte (1952), habilitierte (1957) und lehrte (ab 1960)[14].
2.1 Aktionsmacht - Gewalt
Wer Aktionsmacht ausübt, nutzt die Möglichkeit anderen physisch-psychischen, sozialen oder materiellen Schaden zuzufügen. Dabei verschaffen angeborenes Talent, Training und die – theoretisch unbegrenzten – Möglichkeiten zur künstlichen Machtsteigerung bestimmten Personen Machtvorteile. Aktionsmacht zeichnet sich durch ihre ständige Verfügbarkeit ohne Notwendigkeit von Organisation aus[15]. Die Chance zur Ausübung von Gewalt, der Durchsetzungsform von Aktionsmacht, basiert auf der Verletzbarkeit des menschlichen Körpers als vitaler Abhängigkeit[16], wobei das Maximum der Gewalt das Töten darstellt[17].
Popitz führt weiter aus, dass solche Machtaktionen das Ziel haben können, ein dauerhaftes Machtgefälle – und somit einen Übergang zu instrumenteller Macht - zu schaffen: „Der Geschädigte soll seine Konkurrenzfähigkeit verlieren“[18]. Gleichzeitig - ein scheinbarer Widerspruch - hätten „viele Machtaktionen ihren Sinn in sich selbst“[19]. Darüber hinaus ist die „Entgrenzung menschlicher Gewalt“ Produkt unbegrenzter Phantasie und weitgehender Unabhängigkeit von Instinkten, also sowohl von Zwängen als auch von Hemmungen: „Der Mensch muss nie, kann aber immer gewaltsam handeln“[20]. Dabei zweifelt Popitz an der Aggression als zwingendem Motiv für Gewalt und warnt vor der Nichtbeachtung schlicht zweckrationaler Gründe[21]. In der Zusammenschau ergänzt sich dieser Gedanke mit seinen Überlegungen zur Gewaltbegrenzungsproblematik: Das Schaffen einer sozialen Ordnung dient zur Minimierung von Gewaltakten, um die Ordnung jedoch aufrechtzuerhalten, bedarf es wiederum - der Gewalt[22].
[...]
[1] Zit. nach Heinrich Popitz: Phänomene der Macht, 2. stark erw. Aufl., Tübingen 1992, S. 39. In diesem Satz kumuliert sich das Drama einer Szenerie, in der Popitz das Zusammentreffen von drei Machtformen gleichzeitig schildert.
[2] Zit. nach ebd., S. 185.
[3] Ebd., S. 23.
[4] Vgl. ebd., S. 15-20.
[5] Ebd., S. 21.
[6] Friedrich Pohlmann: Heinrich Popitz. Konturen seines Denkens und Werks, in: Berliner Journal für Soziologie 15 (2005), S. 6; vgl. auch Erhard Blankenburg: Nachruf. Heinrich Popitz 1925-2002, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 23 (2005), S.137.
[7] Martin Endreß: Nachruf auf Heinrich Popitz (1925-2002), in: Berliner Journal für Soziologie 12 (2002), S. 406-408.
[8] Vgl. Pohlmann: Konturen, S. 20.
[9] Vgl. ebd., S. 5.
[10] Vgl. ebd., S. 9.
[11] Vgl. Hermann Schwengel: In memoriam Heinrich Popitz, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 54 (2002), S. 615.
[12] Popitz: Phänomene, S. 33.
[13] Vgl. Pohlmann: Konturen, S. 6.
[14] Vgl. Schwengel: In memoriam, S. 615; sowie Endreß: Nachruf, S. 407.
[15] Vgl. Popitz: Phänomene, S. 23-26.
[16] Vgl. ebd., S. 33.
[17] Vgl ebd., S. 52-61.
[18] ebd., S. 46.
[19] Ebd.
[20] Ebd., S. 50.
[21] Vgl. ebd., S. 48-49.
[22] Vgl. ebd., S. 61-66.
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