Die Arbeitslosigkeit in Deutschland stieg in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an. Allein im Jahre 2005 betrug die durchschnittliche Arbeitslosenquote rund 11,6 %. Als Lösungsansatz im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit wurde 1995 von dem damaligen IG Metall Vorsitzenden Klaus Zwickel das „Bündnis für Arbeit“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit der Bundesregierung und den Arbeitgeberverbänden sollten neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch in Betrieben wurden daraufhin zahlreiche Bündnisse für Arbeit abgeschlossen.
Die vorliegende Seminararbeit behandelt das Thema „Betriebliche Bündnisse für Arbeit – Anspruch und Wirklichkeit“. Hierbei geht es um Vereinbarungen auf der betrieblichen Ebene zwischen dem Management und den betrieblichen Interessenvertretungen. Diese haben zum Ziel, Personalüberschüsse, die durch wirtschaftliche Engpässe entstanden sind mit Hilfe geeigneter Flexibilisierungen und Umstrukturierungen auszugleichen, um so die Beschäftigung zu sichern. Ziel der Arbeit ist, diese Kerngedanken betrieblicher Bündnisse darzulegen und die Frage zu klären, ob diese auch in der Praxis realisiert worden sind.
Die Arbeit ist in zwei Hauptabschnitte geteilt. Der erste Hauptteil befasst sich mit den konzeptionellen Grundlagen betrieblicher Arbeitsbündnisse. Hierbei wird zunächst zum einen eine allgemeine Begriffbestimmung des ursprünglichen Bündnisses für Arbeit und zum anderen eine Begriffsbestimmung des betrieblichen Bündnisses für Arbeit formuliert. Zudem werden die Voraussetzungen für das Entstehen betrieblicher Bündnisse sowie dessen Ziele erläutert.
Im zweiten Teil der Arbeit werden betriebliche Bündnisse anhand von empirischen Zahlen näher betrachtet und analysiert. Ferner wird ein Vergleich mit dem US-amerikanischen „Concession Bargaining“ vorgenommen. Anhand von zwei Praxisbeispielen wird die reelle Umsetzbarkeit betrieblicher Bündnisse dargelegt.
Zum Schluss wird in einem zusammenfassenden Fazit auch die zukünftige Entwicklung angesprochen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Begriffsbestimmungen
2.1.1 Bündnis für Arbeit
2.1.2 Betriebliche Bündnisse für Arbeit
2.2 Ziele betrieblicher Bündnisse
2.2.1 Die Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsstärkung als Regelfall
2.2.2 Die Arbeitsplatzschaffung als Ausnahmefall
2.3 Konstitutive Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren
3 Anwendung und Analyse
3.1 Verbreitung und Inhalte
3.1.1 Unternehmensgröße und Branchen
3.1.2 Zugeständnisse der Arbeitnehmer
3.1.3 Zusagen der Arbeitgeber
3.2 Vergleich mit dem „Concession Bargaining“
3.3 Vor- und Nachteile der Beteiligten
3.3.1 Argumente für betriebliche Bündnisse
3.3.2 Argumente gegen betriebliche Bündnisse
3.4 Zwei Praxisbeispiele
3.4.1 Beispiel für einen gescheiterten Pakt
3.4.2 Beispiel für einen erfolgreich abgewickelten Pakt
4 Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland stieg in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an. Allein in diesem Jahr beträgt die durchschnittliche Arbeitslosenquote rund 11,6 %.[1] Als Lösungsansatz im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit wurde 1995 von dem damaligen IG Metall Vorsitzenden Klaus Zwickel das „Bündnis für Arbeit“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit der Bundesregierung und den Arbeitgeberverbänden sollten neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch in Betrieben wurden daraufhin zahlreiche Bündnisse für Arbeit abgeschlossen.
Die vorliegende Seminararbeit behandelt das Thema „Betriebliche Bündnisse für Arbeit – Anspruch und Wirklichkeit“. Hierbei geht es um Vereinbarungen auf der betrieblichen Ebene zwischen dem Management und den betrieblichen Interessenvertretungen. Diese haben zum Ziel, Personalüberschüsse, die durch wirtschaftliche Engpässe entstanden sind mit Hilfe geeigneter Flexibilisierungen und Umstrukturierungen auszugleichen, um so die Beschäftigung zu sichern.[2] Ziel der Arbeit ist, diese Kerngedanken betrieblicher Bündnisse darzulegen und die Frage zu klären, ob diese auch in der Praxis realisiert worden sind.
Die Arbeit ist in zwei Hauptabschnitte geteilt. Der erste Hauptteil befasst sich mit den konzeptionellen Grundlagen betrieblicher Arbeitsbündnisse. Hierbei wird zunächst zum einen eine allgemeine Begriffbestimmung des ursprünglichen Bündnisses für Arbeit und zum anderen eine Begriffsbestimmung des betrieblichen Bündnisses für Arbeit formuliert. Zudem werden die Voraussetzungen für das Entstehen betrieblicher Bündnisse sowie dessen Ziele erläutert.
Im zweiten Teil der Seminararbeit werden betriebliche Bündnisse anhand von empirischen Zahlen näher betrachtet und analysiert. Ferner wird ein Vergleich mit dem US-amerikanischen „Concession Bargaining“ vorgenommen. Anhand von zwei Praxisbeispielen wird die reelle Umsetzbarkeit betrieblicher Bündnisse dargelegt.
Den Abschluss der Arbeit bildet das Fazit.
2 Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Begriffsbestimmungen
Da es nicht nur ein fest definiertes Bündnis für Arbeit gibt, ist es ratsam, die Bündnisse für Arbeit nach den verschiedenen Ebenen zu trennen, auf denen sie geschlossen werden. Die drei wichtigsten Ebenen sind: Die gesamtwirtschaftliche Ebene (Makroebene), die Branchenebene (Mesoebene) sowie die betriebliche Ebene (Mikroebene).[3] Die vorliegende Arbeit wird sich mit den Bündnissen auf Mikroebene befassen. Im Folgenden wird zunächst das ursprüngliche Bündnis für Arbeit vorgestellt, bevor dann auf die betrieblichen Bündnisse für Arbeit näher eingegangen und diese analysiert werden.
2.1.1 Bündnis für Arbeit
Ein Bündnis für Arbeit kann als eine Dreieckskooperation zwischen den Tarifparteien (Spitzenvertretern der Arbeitgeberverbände und den Gewerkschaften) und der Bundesregierung zur Überwindung der Krise am Arbeitsmarkt bezeichnet werden.[4] Der Begriff Bündnis für Arbeit stammt ursprünglich von dem ehemaligen IG Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel. Dieser gebrauchte den Begriff erstmals auf dem IG Metall Gewerkschaftstag von 1995. Dort schlug er der damaligen Bundesregierung, „ein Abkommen auf Gegenseitigkeit“ zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor.[5] Die Gewerkschaften würden Zugeständnisse beim Lohn (Lohnzurückhaltung und Einstiegstarife für Arbeitslose) geben und dafür im Gegenzug eine verbindliche Zusage für einen Verzicht auf Sozialabbau (Kürzung der Sozialhilfe) und für einen Beschäftigungsaufbau (300.000 neue Arbeitsplätze in drei Jahren) erhalten.[6]
Dieses Bündnis scheiterte jedoch bereits im Frühjahr 1996, vor allem am Desinteresse der damaligen Bundesregierung. Auch seitens der Arbeitgeberverbände stieß dieses beschäftigungspolitische Angebot auf strikte Ablehnung.[7] Ende 1998 bis 2003 wurde das Bündnis unter der Leitung von Bundeskanzler Schröder unter dem Namen „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ neu aufgelegt.[8] Es war aber aufgrund von zu großen Differenzen zwischen den Tarifparteien ebenfalls nicht sonderlich erfolgreich.[9]
2.1.2 Betriebliche Bündnisse für Arbeit
Von der Grundidee ausgehend, nämlich lohn- oder arbeitszeitpolitische Zielgrößen mit beschäftigungspolitischen Zielgrößen zu verknüpfen, haben zahlreiche Betriebe das Bündnis für Arbeit aufgegriffen und in diversen Formen umgesetzt.[10]
Bei betrieblichen Bündnissen für Arbeit handelt es sich um spezielle Betriebsvereinbarungen, die auf Mikroebene stattfinden, nämlich zwischen Unternehmungsleitung auf der einen und Arbeitnehmervertretung bzw. Betriebsrat (betriebliche Interessenvertretung) auf der anderen Seite. Diese haben das Ziel Beschäftigung zu sichern oder sogar zu schaffen, sowie die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.[11] Die darin vereinbarten Inhalte betreffen die Gestaltung der Arbeitszeit (Verkürzung und Flexibilisierung), Reduktion des Einkommens oder arbeitsorganisatorische Veränderungen.[12]
Weitere synonym verwendete Bezeichnungen sind u. a. Beschäftigungspakt, Betriebliche Beschäftigungs- und Wettbewerbsbündnisse (BBW oder auch BBWs), Vereinbarung zur Standortsicherung und Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung.[13] Eine Übereinkunft für eine vereinheitlichende Bezeichnung existiert noch nicht.[14]
Ausschlaggebend ist, dass es sich um wechselseitige Abkommen handelt, die insbesondere Beschäftigungsfragen zum Regelungsgegenstand machen und bei denen sich beide Vertragsparteien zu Leistungen verpflichten bzw. Konzessionen einräumen, die tarifliche Standards auch unterschreiten können.[15] Sie können aber auch beiden Parteien Vorteile verschaffen (win-win Situation).[16] Ermöglicht wurde dies durch die Lockerung des Flächentarifvertrages über die sog. tariflichen Öffnungsklauseln zu Beginn der neunziger Jahre.[17]
Des Weiteren sind betriebliche Bündnisse für Arbeit von den traditionellen Betriebsvereinbarungen dahingehend zu unterscheiden, da sie umfassender sind und auch Themenfelder erfassen, die nicht der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen, sondern in der alleinigen Entscheidung des Managements.[18]
2.2 Ziele betrieblicher Bündnisse
Betriebliche Bündnisse werden mit dem Ziel abgeschlossen, die Beschäftigung zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken oder in Ausnahmefällen auch neue Arbeitsplätze zu schaffen. Im Folgenden werden diese Ziele näher erläutert.
2.2.1 Die Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsstärkung als Regelfall
Vor allem in Betrieben in misslicher Wirtschafts- und Beschäftigungssituation bietet ein betriebliches Bündnis zur Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsstärkung Alternativen zu dem bisher üblichen Handeln, die aufgrund sinkender Nachfrage entstandenen Personalüberhänge durch Personalabbau auszugleichen. Dieser Strategiewechsel steht für ein neues Prinzip: „Beschäftigen statt entlassen“. Statt sich wie traditionell den externen Gegebenheiten anzupassen, werden mit Hilfe der vereinbarten BBWs Strategien zur Erreichung der internen Flexibilität angestrebt.[19]
Betriebliche Bündnisse für Arbeit werden aber nicht nur in Krisenzeiten von Betrieben angewendet. Auch in wirtschaftlich florierenden Unternehmen haben Unternehmensleitung und Betriebsrat meist umfangreiche Vereinbarungen zur Senkung der Arbeitskosten und Steigerung der Produktivität verhandelt. Die vereinbarten Ziele und Inhalte betrieblicher Bündnisse variieren je nach der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens.[20] Allerdings sind Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung in Gefahr sehen, verständlicherweise eher zu Konzessionen bereit, als solche die ihren Arbeitsplatz nicht in Gefahr sehen.[21] Betriebliche Bündnisse, die auf Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zielen, werden meist ohne Vorliegen einer betrieblichen Notlage vereinbart. Die Wettbewerbsposition soll nachhaltig verbessert werden. Neue Herausforderungen wie differenzierte Kundenwünsche oder Produkt- und Prozessinnovationen erfordern eine schnelle und flexible Anpassung des Betriebes.
2.2.2 Die Arbeitsplatzschaffung als Ausnahmefall
Die meisten Bündnisse werden in der Regel zur Sicherung von bereits vorhandener Beschäftigung sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit abgeschlossen. Betriebliche Bündnisse zur Schaffung von Arbeitsplätzen werden dagegen nur in Ausnahmefällen vereinbart. Solche Bündnisse kommen zustande, weil hier fast immer auch die Gewerkschaften involviert sind. Diese vertreten nicht unbedingt nur die Interessen der Betriebsangehörigen, sondern allgemein die Interessen ihrer Mitglieder.[22]
Der „Tarifvertrag zur Beschäftigungsförderung in der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie“ von 1999 zeigt den Fall, dass ein Beschäftigungspakt auch das Ziel haben kann, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Er wurde zwischen der IG Metall Hannover und dem Verband der Metallindustriellen Niedersachsens (VMN) geschlossen. Dieses regionale Bündnis für Arbeit verstand sich als konkreten Beitrag zum Abbau von Massenarbeitslosigkeit, von dessen Erfolg sich die IG Metall Hannover auch erhoffte, dass andere Branchen und Tarifgebiete diesem Beispiel folgen würden.
Die prinzipielle Idee war, dass Beschäftigte eines Betriebes ihre Arbeitszeit freiwillig verkürzen, damit die frei werdenden Kapazitäten für die Einstellung von Arbeitslosen genutzt werden kann. Es sollten also durch eine Arbeitsumverteilung innerhalb eines Betriebes neue Arbeitsplätze entstehen. Die Einkommensverluste der teilnehmenden Beschäftigten wurden durch einen von den beiden Tarifparteien gemeinsam finanzierten Prämienfonds kompensiert.[23]
2.3 Konstitutive Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren
Im folgenden Abschnitt werden wichtige Voraussetzungen und Erfolgskriterien genannt, die für die Aushandlung betrieblicher Arbeitsbündnisse entscheidend sind.
[...]
[1] Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland
[2] Vgl. Naumann (2005), S. 51
[3] Vgl. Naumann (2005), S. 11 u. Sisson et al. (2000), S. 11
[4] Vgl. Leggewie (1999), S. 13
[5] Vgl. Enzkat (1999), S. 256f.
[6] Vgl. Urban (2000), S. 11, Seifert (2002), S. 8f. u. Leggewie (1999), S. 13
[7] Vgl. Leggewie (1999), S. 13 u. Seifert (2002), S. 8
[8] Vgl. Schröder (1999), S. 51 und Auswärtiges Amt – Tatsachen über Deutschland
[9] Vgl. Auswärtiges Amt – Tatsachen über Deutschland
[10] Vgl. Seifert (2002), S. 8
[11] Vgl. Seifert (2002), S. 71, Flatau (2004), S.106 f. u. Massa-Wirth (2004), S. 246
[12] Vgl. Seifert (2002), S. 7
[13] Vgl. Seifert (2002), zitiert nach Heidemann (1999), S. 69, Rehder (2003), S. 15 u. Flatau (2004), zitiert nach Seifert (1999) et al., S. 106
[14] Vgl. Massa-Wirth (2004), S. 246
[15] Vgl. Seifert (2002), S. 71 u. Massa-Wirth (2004), S. 246f.
[16] Vgl. Sisson et al. (2000), S. 21
[17] Vgl. Massa-Wirth (2004), S. 246 u. Naumann (2005), S. 9
[18] Vgl. Rehder (2003), S. 34
[19] Vgl. Seifert (2002), S. 65f. Im Allgemeinen gilt die Einführung der „4 Tage Woche“ der Volkswagen AG im Jahre 1993 zur Vermeidung des Abbaus von 30.000 Arbeitsplätzen durch eine befristete Absenkung der Arbeitszeit als Klassiker und Prototyp für die betrieblichen Bündnisse für Arbeit. Vgl. Bispinck (2002), S. 18 u. Naumann (2005), S. 9
[20] Vgl. Seifert (2002), S. 65f.
[21] Vgl. Rehder (2003), S. 92
[22] Vgl. Massa-Wirth (2004), S. 251
[23] Vgl. Reinecke (2002), S. 103f.
- Quote paper
- Dipl.-Betriebswirtin (FH) Oanh Hoang (Author), 2005, Betriebliche Bündnisse für Arbeit - Anspruch und Wirklichkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74685
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