Frankreich – zeigt sich als Land, das sich gern und viel mit sich selbst beschäftigt, vor allem mit seiner Vergangenheit (wenn auch nicht immer mit der ganzen) und mit seiner Zukunft. Anders als in der Bundesrepublik füllen historische, soziologische und politologische Selbstbetrachtungen große Flächen in den Buchläden. Die Zunft der Politologen, Soziologen, Historiker, Philosophen und auch Politiker, die das Land ununterbrochen diagnostizieren und positionieren, gerhören nicht nur zu den omnipräsenten Diskurssubjekten, sondern sind auch die vielgelesenen Stars der Republik und schon immer Teil ihres Kultes, ihrer Rituale, ihres Prestiges und ihrer Institutionen1. Vieles, was auch bisher schon kontrovers diskutiert wurde, wie etwa die Vichy-Vergangenheit, konnte meist in einem republikanischen Diskurs „aufgefangen“ 2 werden, das heißt, hinsichtlich der republikanischen Werte geprüft, gedeutet, bewertet und politisch instrumentalisiert werden. Doch nun, so scheint es, steht die Republik als Ganzes auf dem Prüfstand und es wird schonungslos hinterfragt, wie ernst sie es selbst mit ihren Werten nimmt bzw. ob sie es jemals ernst genommen hat. Die Erschütterungen Frankreichs und seines Selbstverständnisses sind gewaltig: Die Debatten der Jahre 2000 und 2001 um die Rolle Frankreichs in der Sklaverei3, das französische Nein zur europäischen Verfassung, die Kolonialismus-Debatte anlässlich des Gesetzes vom 23.2.20054, die brennenden Vorstädte des November 2005, die gewalttätigen Proteste gegen den CPE5 im Frühjahr 2006 und schließlich die Clearstream-Affäre, die einen ganzen Sumpf von Korruption und Patronage zu Tage fördert. Im Gefolge eines „Krieges der Erinnerungen“6 wird auch die Vichy-Debatte neu entfacht und sogar der Anteil Frankreichs am deutsch-französischen Antagonismus nach 1870/717 und der persönliche Anteil der nationalen Ikone Napoleon I an der Sklaverei auf den Prüfstand gehoben. Man könnte meinen, kein Stein bliebe mehr auf dem anderen und viele sehen das Ende der V. Republik bereits gekommen. Es scheint, als bedingten sich Zeiten revolutionärer Umbrüche einerseits und Zeiten gesellschaftlicher Unbeweglichkeit und rückwärtsgewandter Konservatismus8 andererseits.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung – warum der Algerienkrieg auch heute noch (auch aus deutscher Sicht) interessiert
- Aktueller Bezugspunkt: die Krise der Republik
- Aktueller Bezugspunkt: die Krise der Banlieues
- Aktueller Bezugspunkt: der Blick von außen
- Aktueller Bezugspunkt: Abu Ghreib und Guantanamo
- Fragestellung
- Schwerpunktsetzungen und Methode
- Hauptteil 1: Bedingungsfaktoren der Frankreich -Wahrnehmung
- Politischer Führungsanspruch und zivilisatorische Mission - Zusammenhänge
- Französische Zivilisation – positives Selbstverständnis 1957
- Algerienbild bei Bruzière und Mauger
- Deutschlandbild bei Bruzière und Mauger
- Der politische Führungsanspruch Frankreichs nach 1945
- Die außenpolitische Grundorientierung
- Besatzungspolitik in der FBZ
- Französische Zivilisation - Legitimation und politisches Instrument im historischen Kontext
- Die französische Zivilisation – eine europäische Zivilisation mit einer certaine idée de la France
- Das,,überlegene Europa"
- Europa als „,Anfang der universalen Moderne”
- Das,,bedrohte Europa"
- Die,,innere Vielfalt Europas"
- Europäische Zivilisation im nationalen Profil - Der deutsch-französische Antagonismus
- Die Revolution von 1789 und die demokratisch-zivilisatorische Mission - Rezeption und Wirkung in Deutschland
- Napoleon und die Deutschen
- Persistenz von,,stereotypen Systemen“: die Nation und der National- charakter - die langen Schatten der Geschichte
- Die Kolonialmächte Frankreich und Deutschland als Konkurrenten in Nordafrika bis 1945
- Algerien das Far West Frankreichs
- Chronologie 1830 - 1945
- Der Weg zur Unabhängigkeit 1945 - 1962
- Die zivilisatorische Mission Frankreichs in Algerien in einem kritischen Licht am Beispiel der Camus-Rezeption
- Universalismus-Anspruch
- Gerechtigkeit: eine Frage der Verteilung von Gütern?
- Eine algerische Nation?
- Die politisch-intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Algerienkrieg in Frankreich in Bezug auf die Nationalmythologie
- Littérature engagée und Existenzialismus
- Algerien und Vichy
- Hauptteil 2: Westdeutschland und der Algerienkrieg
- Die französische Zivilisation - deutsches Wunschdenken in der Nachkriegszeit (Schulbuchanalyse)
- Das Frankreichbild in deutschen Französischbüchern der 50er Jahre
- Das Frankreichbild in deutschen Französischbüchern der 60er Jahre
- Führungsmacht Frankreich – ein Partner Deutschlands?
- EVG die große Enttäuschung - Vertrauensbildende Zweite Berlin-Krise
- Frankreich wahrnehmung seitens der SPD
- Die SPD und Frankreich im Nachkriegsdeutschland – kein guter Start, vor allem in der FBZ
- Die SPD und der Algerienkrieg
- Unabhängigkeitsbewegungen und sozialdemokratische Traditionen
- Der „,dritte Weg“ – ein „eurosozialistisches Empire”
- Algerienkonflikt: Ausgangslage und Stellenwert für die SPD
- SPD - Nibelungentreue zum S.F.I.O ?
- Von der Nebenaußenpolitik zur doppelten Außenpolitik
- Fazit: Frankreich und Algerien aus der Sicht der SPD
- Algeriensolidarität der „Kofferträger“ und Intellektuellen
- Die CDU Adenauers - der „natürliche Partner\" Frankreichs
- Die Rolle Nordafrikas in den deutsch-französischen Beziehungen
- Schwierige Ausgangslage für Westdeutschland
- Wirtschaftliche und politische Interessen
- Deutschland in Nordafrika: Chancen und Gefahren für Frankreich
- Allgemeine Zielsetzungen der Algerienpolitik der CDU Adenauers
- Algerien als Randproblem
- Algerien als Gefahr und als Chance bundesdeutscher Europa- und Weltpolitik
- Die FLN und die Bundesregierung
- Die deutsch-französische Kooperation im Rüstungsbereich
- Der Algerienkrieg in der deutschen Öffentlichkeit
- Die Berichterstattung in der Zeit
- Kritik an der französischen Demokratie
- ,,Faschismus”
- Stereotype: deutsche Tiefe - französische Oberflächlichkeit
- Algerienkrieg: Kriegsziele, Praxis, Legitimation und Erfolgsaussichten
- Frankreich und Europa
- Die Berichterstattung im Rheinischen Merkur
- Die Berichterstattung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
- Algerienkrieg: Kriegsziele, Praxis, Legitimation und Erfolgsaussichten
- Die französische Demokratie - Gefahr eines Faschismus?
- Frankreich und Deutschland in Europa
- Pressestimmen aus der Nähe der ehemaligen FBZ; Stuttgarter Zeitung und Badisches Volksecho
- Fazit
- Der politische Führungsanspruch Frankreichs in der Nachkriegszeit
- Die französische Zivilisation und ihre Rezeption in Deutschland
- Die Rolle des Algerienkrieges in der deutsch-französischen Beziehung
- Die Wahrnehmung des Algerienkrieges in der deutschen Öffentlichkeit
- Die deutsch-französische Kooperation im Rüstungsbereich
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die politische und öffentliche Wahrnehmung Frankreichs in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit des Algerienkrieges. Sie analysiert, wie die französische Zivilisation und der politische Führungsanspruch Frankreichs im deutschen Kontext rezipiert wurden und welche Rolle der Algerienkrieg in dieser Wahrnehmung spielte. Dabei werden sowohl deutsche Schulbücher als auch Zeitungsartikel aus der damaligen Zeit herangezogen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext des Algerienkrieges und seine Relevanz für die heutige Zeit dar. Sie führt die Fragestellung der Arbeit ein und beschreibt die Methode, die zur Bearbeitung eingesetzt wird.
Der erste Hauptteil beleuchtet die Bedingungsfaktoren der Frankreich-Wahrnehmung in Deutschland. Er analysiert das Selbstverständnis der französischen Zivilisation, den politischen Führungsanspruch Frankreichs nach 1945 und die historische Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen.
Der zweite Hauptteil konzentriert sich auf Westdeutschland und den Algerienkrieg. Er untersucht die deutsche Wahrnehmung Frankreichs durch die Analyse von Schulbüchern der 50er und 60er Jahre, die politischen Positionen der SPD und der CDU sowie die Berichterstattung in verschiedenen Zeitungen.
Das Fazit fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und stellt Schlussfolgerungen für die heutige Zeit dar.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe dieser Arbeit sind der Algerienkrieg, die französische Zivilisation, der politische Führungsanspruch Frankreichs, die deutsch-französischen Beziehungen, die Wahrnehmung Frankreichs in der Bundesrepublik Deutschland, die deutsche Nachkriegsgesellschaft, die deutsche Öffentlichkeit, die Medien, die politische Kultur, die Schulbücher und die Zeitungsartikel.
- Citar trabajo
- Bernhard Nitschke (Autor), 2007, Europäischer Führungsanspruch und Mission Civilisatrice - Die politische und öffentliche Wahrnehmung Frankreichs in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit des Algerienkrieges, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74169