Weil das System Sprache auf einem willkürlich festgelegten Konsens aufbaut und der Sprecher davon ausgeht, beim Sprechen dasselbe zu meinen, wie sein Gegenüber. Sobald ich beispielsweise das Ding mit vier Beinen und einer horizontalen Platte darauf „Tisch“ nenne und jedes Mal, wenn es in meinem discours1 benutzt wird diese Vorstellung damit verbinde und meine Mitmenschen ebenfalls verstehen, was ich darunter verstehe, sie das Wort auch benutzen und dabei dasselbe meinen wie ich, wird es irgendwann so im System der Sprache festgelegt sein, dass die Bezeichnung „Tisch“ Allgemeingültigkeit erlangt. In wie weit ich als Zeichenbenutzer jedoch tatsächlich bei dem Wort „Tisch“ dieselbe Vorstellung habe, wie mein Gegenüber, bleibt offen. Und großteils scheint dieses Offenbleiben, diese Ungewissheit innerhalb der bereits etablierten semantischen Konvention bzw. des normativen Konsensus der Zeichenbenutzer auch keine Probleme zu bereiten. Es scheint beinahe banal, sich mit dieser Tatsache - der Arbitrarität der Sprache - beschäftigen zu wollen. Auf der anderen Seite überwiegt jedoch das Interesse, dieses Phänomen genauer zu untersuchen, sobald man sich vor Augen führt, dass alles2 auf diesem komplexen System aufbaut. Da liegt es nahe, dieses alles beherrschende Zentrum menschlichen Daseins zu hinterfragen und nach anderen Möglichkeiten des Verstehens, des Erkennens, des Kommunizierens, ja des Meditierens eines Themas zu forschen. Eine solche Möglichkeit stellt der Dekonstruktivismus Jacques Derridas dar.
Innerhalb meiner Arbeit, diesen Begriff exakt zu definieren, erscheint mir nicht nur unmöglich, sondern auch sinnlos, da eine Festlegung der Bedeutung dem dekonstruktiven Denken selbst diametral gegenüber stünde. Stattdessen soll versucht werden, die Idee dieses „geistigen Werkzeugs“ innerhalb der Philosophiegeschichte vorzustellen. Der formale Aufbau der Arbeit orientiert sich dabei an den begrifflichen Bestandteilen des zusammengesetzten Wortes Dekonstruktivismus: Destruktion, Konstruktion, Struktur, -ismus.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Abriss des Konstruktivismus
2.1. Historie: Die erfundene Wirklichkeit
2.2. I. Kant, eine Rekonstruktion von Erkenntnis
3. Abriss des Dekonstruktivismus
3.1. Historie
3.2. Poststrukturalismus: Jacques Derrida
3.2.1. Nietzsche - Saussure - Derrida
3.2.2. différence – différance
4. Beziehungsgefüge und Abhängigkeiten
5. Fazit
6. LITERATURVERZEICHNIS
7. Anhang
1. Einleitung
Sprache ist eine ausschließlich dem Menschen eigene, nicht im Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei geschaffenen Symbolen.[1]
Meistens funktioniert dieses Systems auch sehr gut, dennoch kommt es immer wieder zu Kommunikationsschwierigkeiten. Dialoge wie: „Du verstehst mich nicht.“ – „Dann musst du dich mal präziser ausdrücken.“ sind jedem von uns geläufig. Wie steht es aber mit dieser gewünschten Präzision? Weshalb versteht man sich manchmal einfach nicht bzw. warum redet man an einander vorbei? Weil das System Sprache auf einem willkürlich festgelegten Konsens aufbaut und der Sprecher davon ausgeht, beim Sprechen dasselbe zu meinen, wie sein Gegenüber. Sobald ich beispielsweise das Ding mit vier Beinen und einer horizontalen Platte darauf „Tisch“ nenne und jedes Mal, wenn es in meinem discours[2] benutzt wird diese Vorstellung damit verbinde und meine Mitmenschen ebenfalls verstehen, was ich darunter verstehe, sie das Wort auch benutzen und dabei dasselbe meinen wie ich, wird es irgendwann so im System der Sprache festgelegt sein, dass die Bezeichnung „Tisch“ Allgemeingültigkeit erlangt. In wie weit ich als Zeichenbenutzer jedoch tatsächlich bei dem Wort „Tisch“ dieselbe Vorstellung habe, wie mein Gegenüber, bleibt offen. Und großteils scheint dieses Offenbleiben, diese Ungewissheit innerhalb der bereits etablierten semantischen Konvention bzw. des normativen Konsensus der Zeichenbenutzer auch keine Probleme zu bereiten. Es scheint beinahe banal, sich mit dieser Tatsache - der Arbitrarität der Sprache - beschäftigen zu wollen. Auf der anderen Seite überwiegt jedoch das Interesse, dieses Phänomen genauer zu untersuchen, sobald man sich vor Augen führt, dass alles[3] auf diesem komplexen System aufbaut. Da liegt es nahe, dieses alles beherrschende Zentrum menschlichen Daseins zu hinterfragen und nach anderen Möglichkeiten des Verstehens, des Erkennens, des Kommunizierens, ja des Meditierens eines Themas zu forschen. Eine solche Möglichkeit stellt der Dekonstruktivismus Jacques Derridas dar.
Innerhalb meiner Arbeit, diesen Begriff exakt zu definieren, erscheint mir nicht nur unmöglich, sondern auch sinnlos, da eine Festlegung der Bedeutung dem dekonstruktiven Denken selbst diametral gegenüber stünde. Stattdessen soll versucht werden, die Idee dieses „geistigen Werkzeugs“ innerhalb der Philosophiegeschichte vorzustellen. Der formale Aufbau der Arbeit orientiert sich dabei an den begrifflichen Bestandteilen des zusammengesetzten Wortes Dekonstruktivismus: Destruktion, Konstruktion, Struktur, -ismus[4].
2. Abriss des Konstruktivismus
Auf dem Weg vom Atom-Begriff der Vorsokratiker bis zu moderner Wissenschaftstheorie bildet die Erkenntniskritik Immanuel Kants einen der wichtigen Höhepunkte. Kants methodischer Ansatz wird im 20. Jahrhundert von Ludwig Wittgenstein wieder aufgenommen und innerhalb seiner Sprachphilosophie zu einer Kritik der Sprache verschärft.[5] Da also Kant den Meilenstein konstruktivistischen Denkens bildet, soll nach kurzer allgemeiner Einführung der für uns wichtige zentrale Gedankengang seiner Philosophie in aller Kürze abgebildet werden.[6]
2.1. Historie: Die erfundene Wirklichkeit
Seit Plato[7] beschäftigen sich Menschen mit der Thematik „Wahrheit“ und „Wirklichkeit“. Im Laufe der Jahre sind dazu verschiedene Theorien entwickelt worden. Immer wieder gab es neue Strömungen mit neuen Ansätzen, und so können auch innerhalb einer Strömung die Meinungen durchaus divergieren. Auch der Konstruktivismus, dessen Name selbst eine bis in die Antike zurückgehende Tradition darstellt, birgt mehrere Varianten, die sich bezüglich ihres Erkenntnisgegenstandes und ihres Wissenschaftsverständnisses mehr oder weniger stark voneinander unterscheiden. Allen theoretischen Ansätzen ist jedoch gemein, dass sie in ihrem ontologischen Verständnis über die Beschaffenheit der (sozialen) Welt davon ausgehen, dass „Wirklichkeit“ nicht von sich aus vorhanden und zugänglich ist, sondern vom Individuum selbst konstruiert wird.[8] Folglich ist jede Erkenntnis subjektiv, da sie nicht aus von ihm unabhängigen Tatsachen, Gegenständen oder einem „absoluten Sein“ entsteht.[9] Daraus folgt, dass das, was wir gemeinhin als Realität anerkennen ein bloßes Konstrukt eines jeden Einzelnen darstellt. Um zu erkennen, dass unsere Konstruktionen jedoch weder beliebig sind, noch die Möglichkeit einer Realität negieren[10] und ohne dabei in einen endlosen Regress der Konstruktionserklärungen zu verfallen, entwickelte I. Kant seine „Transzendentalphilosophie“.
2.2. I. Kant, eine Rekonstruktion von Erkenntnis
Nach Kant gibt es keine Beschreibung der Welt, die von einem Bezug auf die Erfahrung absehen könnte. Obwohl die Welt, die jeder einzelne erkennt, weder seine Schöpfung noch alleinige Zusammenfassung der Perspektive ist, kann sie außer aus dem subjektiven Blickwinkel nicht erkannt werden.[11]
Dabei stellte Kant heraus, dass Realität ohne dieses Subjekt, dass sie immerfort erzeugt, gar nicht da sein kann. Sie ist aufgrund von Erfahrungen, Handlungen usw. immer schon „erkannte“ Realität.
Auch wenn ich die Wirklichkeit so erkennen kann, wie sie unabhängig von mei- ner Perspektive ist, trägt das, was ich erkenne („die Welt der Erscheinungen“), die unauslöschlichen Spuren dieser Perspektive. Die Gegenstände sind in ihrer Existenz nicht davon abhängig, dass ich sie wahrnehme; aber sie sind wesen haft dadurch gekennzeichnet, dass sie wahrgenommen werden können.[12]
Dazu zählen auch die metaphysischen Werte Raum und Zeit: Für Kant sind sie, ebenso wie die „nicht wahrnehmbaren Gegenstände der Vernunft“ vom Menschen in die Realität Konstruiertes.[13] Entgegen des Leibnitzschen Realismus und über den Humeschen Empirismus hinausgehend, stellte Kant fest, dass weder die Sinnlichkeit noch der Verstand allein zu Erkenntnis führen kann, sondern nur das Zusammenspiel von Form und Inhalt.
Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.[14]
Um diese Idee der „transzendentalen Synthesis“[15] zu erläutern unterscheidet Kant zwischen apriorischer und aposteriorischer Wahrheit[16] ; eine Aufteilung, die grundlegend ist für seine weitere „Kategorienlehre“, die die Grundsätze unseres Denkens analysiert und die einzelnen Komponenten in ihren gesetzmäßigen Interdependenzen beschreibt. Kant zeigt, „wie (…) subjektive Bedingungen des Denkens objektive Gleichgültigkeit haben“[17] müssen. Nur die „kopernikanische Wende“ als Ausgangspunkt und seine Fassung des Descartesschen „cogito ergo sum“[18] machten es ihm möglich zu beweisen, dass alles so ist, wie es erscheint, und alles so erscheint, wie es ist. Diese „transzendentale Deduktion“[19], nach der das Subjekt einer Welt von Dingen angehört, die anders sein können
als sie erscheinen, und die unabhängig von diesem Subjekt existieren, gilt einerseits als umstritten, wurde jedoch andererseits z.B. von Wittgenstein in seinen „Philosophische Untersuchungen“ wieder aufgegriffen.
[...]
[1] Edward Sapir: zit. nach John Lyons, Die Sprache,1992: 13.
[2] Roland Barthes: Elemente der Semiologie, 1979: 52.
[3] So sagte R. Barthes in einem Interview: „Alles ist Sprache oder, genauer gesagt, die Sprache ist überall. Sie geht durch alles Wirkliche hindurch; es gibt kein Wirkliches ohne Sprache.“ Siehe dazu: Anhang S. 7.
[4] Diese Endung steht für Wissenschaftlichkeit, die sich als solche einer Methode und des Logos bedienen muss, obwohl genau dies der Intention Derridas widerspricht.
[5] Vgl. hierzu: Hans Rudi Fischer, Die Wirklichkeit des Konstruktivismus. Zur Auseinandersetzung um ein neues Paradigma, 1995: 16.
[6] Kants Philosophie bildet für Hegel eine Art Muttermilch. Hegel wiederum bildet den direktesten Bezugspunkt für Derrida, doch muss auf die Thematisierung Hegels verzichtet werden, da dies den Rahmen der Arbeit gänzlich sprengen würde.
[7] Siehe Fußnote 1.
[8] Vgl. Paul Watzlawick, Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus, 2004: 16f.
[9] Vgl. Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien, 1996: 17f.
[10] siehe dazu: Ibid.: 18.
[11] Vgl. Roger Scruton: Kant, 2004: 25.
[12] Ibid.: 31f.
[13] Siehe hierzu: Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft , 1998: 28.
[14] Ibid.: 51.
[15] Roger Scruton , 2004: 40.
[16] Siehe dazu: Ibid.: 6-10.
[17] Immanuel Kant, 1998: 89.
[18] Ibid.: 131.
[19] Roger Scruton , 2004: 51.
- Quote paper
- Anna Bockhoff (Author), 2006, Wissen, Sprache, Wirklichkeit - Dekonstruktion und was der Name hergibt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74083
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