Als vor zwei Jahren in Deutschlands Nachbarstaat Niederlande der Regisseur und Publizist Theo van Gogh von einem Niederländer marokkanischer Abstammung ermordet wurde, entfachte dies nicht nur in den Niederlanden sondern auch in Deutschland eine Diskussion, wie gut Bürger mit Migrationshintergrund tatsächlich in dem jeweiligen Staat integriert sind. Die Erkenntnis, dass dieses jahrelang weitestgehend ignorierte Problem auch in Deutschland besteht, führte zu der Frage, ob und inwieweit sich dies auf die Kinder ausländischer Mitbürger auswirkt und wie gut diese integriert sind.
Integration beginnt dabei schon im Kindergarten und setzt sich in der individuellen Schullaufbahn fort. So wurde bereits in Untersuchungen von beispielsweise Alba et al. ermittelt, dass Migrantenkinder schulisch schlechter abschneiden als gleichaltrige Deutsche. Ausländische Kinder sind an Hauptschulen über- und an Gymnasien unterrepräsentiert. Insgesamt sind auch die schulischen Leistungen schlechter als bei deutschen Kindern. Bei dieser Divergenz fällt besonders häufig auf, dass türkische und italienische Migrantenkinder schlechter abschneiden als Kinder anderer ausländischer Herkunft, wie z. B. Griechen oder Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die daraufhin erfolgende schlechtere Schulausbildung hat demnach auch einen schlechteren Schulabschluss zur Folge. Die Konsequenz sind meist schlechtere Ausbildungs- und Berufchancen. Dabei kann es alleine aufgrund der ethnischen Herkunft bereits schwieriger sein einen Ausbildungsplatz zu erhalten, da manche Arbeitgeber aufgrund dessen auf schlechte Sprach- und Deutschkenntnisse schließen. Sind dann die Noten und der Schulabschluss tatsächlich schlechter als die der gleichaltrigen Deutschen, wird die Ausbildungsplatzsuche zu einer wahren Herausforderung. Demnach ist die Frage, woher die schlechteren schulischen Ergebnisse kommen und inwiefern dies die weitere Laufbahn der Kinder beeinflusst, gerade unter dem Integrationsaspekt, von besonderer Bedeutung. Denn nur ein Jugendlicher, der äquivalente Chancen – sowohl im schulischen als auch beruflichen Bereich – erhält, wird sich auch in die deutsche Gesellschaft integrieren und zu einem Teil dieser werden. Dr. Cornelia Kristen untersuchte bezüglich dieser Thematik die ethnischen Unterschiede am ersten Bildungsübergang, die im folgenden dargestellt und mit den Erkenntnissen der PISA-Studie und IGLU verglichen werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
1. Migration in Deutschland
2. Studie zu ethnischen Unterschieden am ersten Bildungsübergang
2.1 Forschungsfragen
2.2 Datensatz und Operationalisierung
2.3 Analysen und Ergebnisse bezüglich der ethnischen Unterschiede
am ersten Bildungsübergang
2.4 Analysen und Ergebnisse bezüglich des Fortbestands ethnischer
Unterschiede nach Kontrolle der Schulleistungen
3. Nationale IGLU und PISA-Untersuchung zu den Leistungen
von Schülern mit Migrationshintergrund
3.1 Datensatz und Operationalisierung
3.2 Analysen und Ergebnisse bezüglich der ethnischen Unterschiede
und der Bildungsbeteiligung
3.3 Analysen und Ergebnisse bezüglich der ethnischen Unterschiede
und der Schülerkompetenzen
3.4 Analysen und Ergebnisse bezüglich der ethnischen Unterschiede
und der Übergangsempfehlung
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Migration in Deutschland
Als vor zwei Jahren in Deutschlands Nachbarstaat Niederlande der Regisseur und Publizist Theo van Gogh von einem Niederländer marokkanischer Abstammung ermordet wurde, entfachte dies nicht nur in den Niederlanden sondern auch in Deutschland eine Diskussion, wie gut Bürger mit Migrationshintergrund tatsächlich in dem jeweiligen Staat integriert sind. Die Erkenntnis, dass dieses jahrelang weitestgehend ignorierte Problem auch in Deutschland besteht, führte zu der Frage, ob und inwieweit sich dies auf die Kinder ausländischer Mitbürger auswirkt und wie gut diese integriert sind.
Integration beginnt dabei schon im Kindergarten und setzt sich in der individuellen Schullaufbahn fort. So wurde bereits in Untersuchungen von beispielsweise Alba et al. (In: Kristen, 2002) 1994 ermittelt, dass Migrantenkinder schulisch schlechter abschneiden als gleichaltrige Deutsche. Ausländische Kinder sind an Hauptschulen über- und an Gymnasien unterrepräsentiert. Insgesamt sind auch die schulischen Leistungen schlechter als bei deutschen Kindern. Bei dieser Divergenz fällt besonders häufig auf, dass türkische und italienische Migrantenkinder schlechter abschneiden als Kinder anderer ausländischer Herkunft, wie z. B. Griechen oder Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die daraufhin erfolgende schlechtere Schulausbildung hat demnach auch einen schlechteren Schulabschluss zur Folge. Die Konsequenz sind meist schlechtere Ausbildungs- und Berufchancen. Dabei kann es alleine aufgrund der ethnischen Herkunft bereits schwieriger sein einen Ausbildungsplatz zu erhalten, da manche Arbeitgeber aufgrund dessen auf schlechte Sprach- und Deutschkenntnisse schließen. Sind dann die Noten und der Schulabschluss tatsächlich schlechter als die der gleichaltrigen Deutschen, wird die Ausbildungsplatzsuche zu einer wahren Herausforderung. Demnach ist die Frage, woher die schlechteren schulischen Ergebnisse kommen und inwiefern dies die weitere Laufbahn der Kinder beeinflusst, gerade unter dem Integrationsaspekt, von besonderer Bedeutung. Denn nur ein Jugendlicher, der äquivalente Chancen – sowohl im schulischen als auch beruflichen Bereich – erhält, wird sich auch in die deutsche Gesellschaft integrieren und zu einem Teil dieser werden. Dr. Cornelia Kristen untersuchte bezüglich dieser Thematik die ethnischen Unterschiede am ersten Bildungsübergang, die im folgenden dargestellt und mit den Erkenntnissen der PISA-Studie und IGLU verglichen werden sollen.
2. Studie zu ethnischen Unterschieden am ersten Bildungsübergang
Im Jahr 2002 ist in der „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“ die Studie von Kristen mit dem Titel „Hauptschule, Realschule oder Gymnasium – Unterschiede am ersten Bildungsübergang“ erschienen. In dieser wurde untersucht, inwiefern sich die ethnische Herkunft im Vergleich zu deutschen gleichaltrigen Kindern auf die Wahl der weiterführenden Schule auswirkt.
2.1 Forschungsfragen
Die Autorin beschäftigte sich daher mit zwei wichtigen Forschungsfragen: Einerseits soll das „Ausmaß ethnischer Ungleichheit am ersten Bildungsübergang untersucht werden“ (Kristen, 2002) und andererseits soll herausgefunden werden, ob sich ein „Einfluss der Schülerzusammensetzung auf die Übergangschancen“ (Kristen, 2002) nachweisen lässt. Die Entscheidung, auf welche Schule ein Grundschüler wechselt (Haupt-, Realschule oder Gymnasium) wird in Deutschland aufgrund der erzielten Leistungen (Noten) getroffen. Daher ist es von Bedeutung zu erfahren, ob bei gleichem Leistungsstand eine Differenzierung zwischen deutschen und ausländischen Schülern stattfindet, die sich in dem Wechsel auf die fortführenden Schule bemerkbar macht. Nach bisherigen Forschungen wirken sich sowohl die Ethnie als auch die Schicht bei der Zusammensetzung der Schulklasse auf die schulischen Chancen der Grundschüler aus.
Daher wurden in der Untersuchung mögliche schulische Kontext- und Selektionseffekte untersucht. Nach Kristen (2002) resultieren letztere „aus der spezifischen Zusammensetzung von Kindern mit bestimmten individuellen Eigenschaften in einer Klasse oder einer Schule“ (Kristem, 2002, S. 536). Das bedeutet, dass sich die spezifische Zusammensetzung einer Schülerschaft auf die durchschnittlichen Leistungen der Schüler auswirkt. Daran trägt weder die Schule, noch der Lehrer oder die Umgebung schuld. D. h. in einer Schule, in der ein hoher Anteil an Kindern aus hohen sozialen Schichten ist, sind die Leistungen durchschnittlich besser als beispielsweise an einer Schule in der ein relativ großer Prozentsatz an Schülern mit Migrationshintergrund und/oder niedriger sozialer Schicht.
Kontexteffekte beziehen sich hingegen auf die Umgebungen von Individuen und unterscheiden sich bezüglich globaler und analytischer Kontexteffekte. Erste lassen sich auf Spezifika der Schule zurückführen, so dass die Schülerschaft keinerlei Bedeutung hat. Dies können z. B. die Klassenstärke, die Ausstattung oder die Schulgröße sein, die dann als Umweltbedingungen die Individuen beeinflussen. Analytische Kontexteffekte beruhen hingegen „auf Eigenschaften von Individuen innerhalb eines Kontexts wie der Schule oder Schulklasse“. Hierbei beeinflusst die soziale Umgebung unabhängig von den Akteuren, diesen liegen wiederum Mechanismen zugrunde. Das kann beispielsweise die Orientierung an den Mitschülern in der eigenen Klasse sein. Sind also in einer Schulklasse viele Migrantenkinder oder Kinder aus niedrigeren sozialen Schichten, die auch schlechtere Leistungen aufweisen, so entstehen geringere Leistungsstandards, die ein negatives Leistungsklima auslösen können. D. h. dass Kinder, die sich durch das Entstehen von Gruppierungen an Gleichaltrigen messen, keinen Anreiz verspüren bessere Leistungen zu erbringen, selbst wenn sie könnten. Dies kann soweit gehen, dass es innerhalb der Klasse sogar verpönt ist, gute Noten zu schreiben. Dieses Aspirationsklima kann folglich auch zu negativen Bildungsentscheidungen am ersten Bildungsübergang führen. Die Zusammensetzung der Schülerschaft kann jedoch auch die Quantität und Qualität des Unterrichts und damit der Chancen für die Kinder beeinflussen. Hat eine Klasse beispielsweise einen hohen Migrantenanteil, so wird der Lehrbeauftragte stärkeren Augenmerk auf den Spracherwerb legen müssen als in anderen Klassen. Die Konsequenz ist ein langsameres Fortschreiten im Fach Deutsch und unter Umständen auch in anderen Fächern, da die zusätzliche Zeit von diesen abgeschöpft werden muss.
2.2 Datensatz und Operationalisierungen
Für die Datenerhebung wurden im Jahr 2000 sechs Schulen aus Baden-Württemberg mit unterschiedlichen Migrantenanteilen einbezogen. Die Folge des Einbezugs von Schulen mit einer hohen Ausländerquote ist, dass leistungsschwächere Kinder in der Untersuchung überrepräsentiert sind. Insgesamt wurden nur vollständige Daten von 3.128 Viertklässlern in 150 Schulklassen verwendet, die abhängig von der jeweiligen Schule über einen Zeitraum von bis zu 16 Jahren (Schuljahr 1983/84 bis 1999/2000) existieren. Das zentrale abhängige Konstrukt in der Untersuchung ist der Bildungserfolg eines Kindes, d. h. auf welche weiterführende Schule das Kind nach der Grundschule wechselt. Da in 5% der Fälle der Bildungsempfehlung, d. h. der schulischen Empfehlung, auf welche weiterführende Schule das Kind wechseln soll, nicht gefolgt wird, wurden diese aus der Untersuchung ausgeschlossen. Bezüglich der ethnischen Gruppen konnte zwischen Türken, Italienern, Jugoslawen (heutiges Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro, Slowenien, Mazedonien und Kroatien) und Aussiedlern unterschieden werden. Zur Kontrolle wurden des weiteren das Geschlecht und die Noten (drei Ausprägungen: a) 1,0-2,4; b) 2,5-3,0; c) 3,1-6,0) in den Fächern Deutsch und Mathe sowie die Durchschnittsnote beider Fächer, herangezogen. Diese Noten sind besonders entscheidend, da sich die Bildungsempfehlung daran orientiert. So wird einem Kind nur das Gymnasium empfohlen, wenn der Notendurchschnitt (aus der Mathe- und Deutschnote) besser als 2,5 ist, die Realschule wird bei einem Schnitt von besser als 3,0 und die Hauptschule bei einem Schnitt schlechter als 3,0 empfohlen. Ist keine eindeutige Bildungsempfehlung möglich (v. a. bei Noten zwischen 2,5 und 3,0) werden auch das Lern- und Arbeitsverhalten, die Art und Ausprägung der bisherigen Leistungen und die Entwicklung berücksichtigt. Weiterhin werden in der Untersuchung zwei aggregierte Kontextmerkmale beachtet: Das durchschnitt-liche Leistungsniveau, d. h. also die Durchschnittsnote aus Mathe und Deutsch, und die ethnische Konzentration in der Schulklasse, d. h. der Anteil aus-ländischer Kinder außer den Aussiedlern, da diese aufgrund des sofortigen Erhalts der Staatsbürgerschaft eine Sonderstellung einnehmen.
2.3 Analysen und Ergebnisse bezüglich der ethnischen Unterschiede am
ersten Bildungsübergang
In einer ersten deskriptiven Analyse wurden die Übergangsraten zu den einzelnen Schularten abhängig von der jeweiligen Nationalität gezeigt (Abbildung 1). Dabei zeigt sich, wie erwartet, dass „Migrantenkinder im Schnitt häufiger als gleichaltrige Kinder nach der Grundschule auf eine Hauptschule wechseln und dementsprechend niedrigere Übergangsraten auf die Realschule und das Gymnasium vorweisen“ (Kristen, 2002, S. 541). Auch hier beweist sich das bereits in vorherigen Studien nachgewiesenen Muster, dass türkische (75,3%) und italienische Kinder (81,7%) schlechter abschneiden, als Kinder anderer ethnischer Herkunft. Somit wechseln türkische Kinder (75,3%) doppelt so häufig auf die Hauptschule wie gleichaltrige Deutsche (35,4%) und dementsprechend schaffen viermal mehr deutsche Schüler (34,5%) den Übergang zum Gymnasium als türkische Kinder (8,6%). Während Aussiedler-Kinder unter den Migranten am besten abschneiden, verteilen sich Schüler aus dem ehemaligen Jugoslawien zu fast gleichen Teilen mit 19,8% an Realschule und 20,8% an Gymnasium. Trotz allem ist der Großteil von fast 60% der jugoslawischen Kinder an der Hauptschule vertreten.
Ähnliche Resultate erweisen sich bezüglich der Schulnoten. Während deutsche Kinder in beiden Fächern besser abschneiden als Migranten, zeigt sich bei den ausländischen Kindern ein deutlicher Unterschied zwischen den Fächern. Prinzipiell sind diese in dem Fach Mathe (23,7% in der besten Notenkategorie) besser als in dem Fach Deutsch (14,2% in der besten Notenkategorie), was sich durch die Sprachproblematik ausländischer Schüler erklären lässt. Auch hier zeigen sich wiederum Unterschiede bezüglich der ethnischen Gruppen und die türkischen und italienischen Schüler schneiden wiederum am schlechtesten ab. Da die Durchschnittsnoten das zentrale Kriterium für die Bildungs-empfehlung sind, entsprechen sie weitgehend auch den Übergangsraten auf die einzelnen Schularten.
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- Arbeit zitieren
- Claudia Rupprecht (Autor:in), 2006, Ethnische Unterschiede im deutschen Bildungssystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73771
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