Diese Arbeit befasst sich mit dem Einfuß des Götterwillens auf das Handeln der Protagonisten in Heinrichs von Veldecke "Eneasroman". Auf eine Analyse der Bruchstellen, welche Heinrichs Roman im Vergleich zu den beiden Vorgängerromanen, Vergils "Aenaeis" und dem französischen "Roman d ´Eneas" sicherlich aufweist, wird dabei verzichtet. Es soll vielmehr darum gehen, den Zusammenhang von höfischem Ehrenkodex und christlichem Weltbild des Mittelalters einerseits und dem Handeln der Charaktere des "Eneasromans" andererseits Offenzulegen. Es soll bewiesen werden, das es Heinrich gelungen ist, aus einer an das Antike Weltbild - dessen Merkmal der Glaube an eine Unzahl von Göttern und ihr Schicksalhaftes Einwirken auf den Lebensweg der Menschen ist - angepassten Vorlage eine Handlungsführung und Charaktere zu formen, deren Handeln für die höfische Welt durchaus Vorbildcharakter hat.
Diese Arbeit befasst sich demnach mit den Handlungsmotivationen der Figuren Eneas, Dido, Lavinia und Turnus. Da eine Untersuchung der Figur der Königin darüber hinaus keine neuen Erkenntnisse liefert, wird ihre Rolle keine Beachtung finden.
Für diese Betrachtung kommt der Untersuchung der Minnehandlung zwischen Eneas und Dido und ihrem zustande kommen während Eneas´ Aufenthalt in Karthago besondere Bedeutung zu, da diese in ihrem Ablauf im Gegensatz zu anderen Handlungstragenden Ereignissen des "Eneasromans" beinahe ausschließlich göttlichem Einfluss unterliegt.
Die Abschnitte 3.1-3.3 versuchen daher, das komplexe Zusammenspiel göttlichen Willens einerseits und der Fähigkeit des Individuums zur selbstbestimmten Entscheidung andererseits in Heinrichs "Eneasroman" zu beleuchten. Der Blick auf die mythologischen Grundlagen des Romans und ihrer Bearbeitung durch Vergil werden beweisen, das es Heinrich hier mit einem Widerspruch seiner antiken Vorlage zum mittelalterlichen Weltbild seiner Zeit zu tun hatte, dessen vollständige Auflösung ihm unmöglich bleiben musste. Der Anschließende Abschnitt 3.4 versucht dann, die Gründe hierfür Offenzulegen.
Die Untersuchung der für die Handlung des "Eneasromans" so zentralen Göttergebote und ihrer Bewertung durch Eneas und seine getreuen sowie die Betrachtung der Figur des Turnus und der Minnehandlung zwischen Eneas und Lavinia werden zeigen, das Heinrichs Charaktere keineswegs Spielbälle der Götter sind, sondern vielmehr als eigenständig handelnde Individuen die Erfüllung ihres Schicksals besorgen.
Inhaltsverzeichnis
- Prädestination und freier Wille
- Das Götterbebot zur Italienfahrt
- Eneas Aufenthalt in Karthago
- Der Kampf um Troja
- Die Bearbeitung des Mythos in Vergils „Aenaeis"
- Die Bearbeitung in Veldeckes „Eneasroman"
- Die Dido — Episode als Spiegel des mittelalterlichen minne — und ere Begriffs
- Eneas und Lavinia
- Die Prophezeihung des Anchises
- Der Untergang des Turnus
- Die Entstehung der minne zwischen Eneas und Lavinia
- Die Auswirkungen der minne auf den Ausgang des Kampfes um Italien
- Bewertung der Ergebnisse
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss des Götterwillens auf das Handeln der Protagonisten in Heinrichs von Veldeckes „Eneasroman". Sie analysiert den Zusammenhang zwischen höfischem Ehrenkodex, christlichem Weltbild des Mittelalters und dem Handeln der Figuren im „Eneasroman", um zu zeigen, wie Heinrich aus einer antiken Vorlage eine Handlungsführung und Charaktere schuf, deren Handeln Vorbildcharakter für die höfische Welt hat.
- Die Rolle des Götterwillens in der Handlung des „Eneasromans"
- Der Einfluss des höfischen Ehrenkodex auf die Entscheidungen der Figuren
- Die Verbindung zwischen antikem Weltbild und mittelalterlichem Christentum in der Darstellung der Handlung
- Die Bedeutung der Minnehandlung für die Entwicklung der Figuren und die Gestaltung der Handlung
- Die Frage nach der Freiheit des Willens im Kontext der göttlichen Vorbestimmung
Zusammenfassung der Kapitel
Der „Eneasroman" beginnt mit der Vernichtung Trojas und der Flucht des Eneas nach Italien. Die Entscheidung zur Flucht wird von den Göttern befohlen, ist aber nicht zwanghaft. Eneas und seine Gefolgschaft treffen selbstständig die Entscheidung, dem Gebot der Götter zu folgen, um ihr Leben zu retten. Die Episode von Eneas' Aufenthalt in Karthago ist jedoch stark von göttlichem Einfluss geprägt. Venus und Cupido manipulieren die Beziehung zwischen Eneas und Dido, um die Liebe Didos zu entfachen und den Untergang Karthagos zu initiieren. Heinrichs Darstellung der Dido-Episode spiegelt die mittelalterliche Vorstellung von Minne und Herrschaft wider. Die Minnehandlung zwischen Eneas und Lavinia hingegen wird nicht von göttlicher Intervention bestimmt. Lavinia verliebt sich in Eneas aus eigenem Antrieb, und Eneas erwidert diese Liebe erst nachdem Amor ihn mit einem goldenen Pfeil getroffen hat. Die Minne zwischen Eneas und Lavinia spielt eine entscheidende Rolle im Kampf um Italien. Der Kampf um Italien ist nicht gottgewollt, sondern resultiert aus menschlichen Fehlern und dem Konflikt zwischen dem Willen der Götter und menschlichen Eiden. Turnus, der Gegner des Eneas, unterliegt keinem göttlichen Einfluss und kämpft aus eigenem Willen und aus Gründen der Ehre. Die Analyse der Figuren zeigt, dass Heinrichs Protagonisten nicht vollständig dem Willen der Götter ausgeliefert sind, sondern selbstständig Entscheidungen treffen und ihr Schicksal gestalten können.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Prädestination, freier Wille, Eneasroman, Heinrich von Veldecke, höfischer Ehrenkodex, mittelalterliches Weltbild, Minne, Dido, Lavinia, Turnus, Götter, göttlicher Einfluss, Handlungsmotivation, Charakteranalyse.
- Quote paper
- Thorsten Mundi (Author), 2000, Prädestination und freier Wille. Die Charaktere des Eneasromans zwischen göttlichem Einfluss und eigenständigem Handeln., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7347
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