Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich kritisch mit der Einführung und Umsetzung des SGB IX. Das SGB IX verfolgt sehr komplxe Ziele, die durch eine gesetzliche Regelungsdichte erreicht werden sollen. Es stelt sich daher die Frage, ob die Vorteile für die Betroffenen überweigen oder die bürokratischen Nachteile. Oder überspitzt gefragt: Ist das SGB IX Fluch oder Segen? Diese Frage wird am Beispiel der Leistungen der medizinischen Rehabilitation sowie am Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“ diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Allgemeine Regelungen des SGB IX
3. Leistungen der Medizinischen Rehabilitation
4. Grundsatz: Rehabilitation vor Pflege
5. Fazit
6. Literatur
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Historische Entwicklung
Abbildung 2: Leitungsträger und deren Zuständigkeit
Abbildung 3: Rechtliche Komplexität "Medizinische Rehabilitation"
Abbildung4: Alter und Geschlecht schwerbehinderte Menschen
am 31. Dezember 2003
Abkürzungsverzeichnis:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
Bis zur Einführung des SGB IX im Jahr 2001 war das Rehabilitationsrecht in Deutschland durch seine geschichtliche Entstehung geprägt: Unübersichtlich und unkoordiniert.[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Historische Entwicklung
Wesentliche rechtliche Weiterentwicklungen fanden in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts sowie 1994 statt.[2]
Im Gegensatz zum 1994 eingeführten SGB XI beinhaltet das SGB IX keinen neuen Sozialversicherungszweig mit neuen zusätzlichen Beitragssätzen. Auch wird der Begriff „Behinderung“ im Gegensatz zum Begriff „Pflegebedürftigkeit“ nicht erstmalig sozialrechtlich definiert.[3]
Doch was sind die Ziele des SGB IX?
- Umsetzung des Benachteiligungsverbot des Artikels 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes im Bereich der Sozialpolitik.
- Beendung der Divergenz und Unübersichtlichkeit des bestehenden Rehabilitationsrechtes.
- Errichtung einer gemeinsame Plattform, auf der durch Koordination, Kooperation und Konvergenz ein gemeinsames Recht und eine einheitliche Praxis der Rehabilitation und der Behindertenpolitik errichtet werden können.
- Organisierung eines bürgernahen Zugangs und die Erbringung von Leistungen.
- Errichtung von Strukturen für die Zusammenarbeit von Leistungsträgern, Leistungserbringern und Leistungsempfängern.
- Steuerung der Leistungen der Rehabilitation und der Eingliederung behinderter Menschen unter Sicherung von Qualität und Effizienz[4]
Insgesamt werden in der amtlichen Begründung zum „Entwurf eines Sozialgesetzbuchs – Neuntes Buch – (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ 13 inhaltliche Schwerpunkte beschrieben:[5]
1. Teilhabe an der Gesellschaft
2. Unmittelbar geltendes Recht
3. Einbeziehung der Träger der Sozialhilfe und der Träger der Jugendhilfe
4. Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten, Persönliches Budget
5. Rasche Zuständigkeitsklärung
6. Koordination der Leistungen und Kooperation der Leistungsträger
7. Besondere Bedürfnisse und Probleme behinderter Frauen und Kinder
8. Trägerübergreifende Qualitätssicherung
9. Vorrang von Leistungen zur Teilhabe, psychologische und pädagogische Hilfen, stufenweise Wiedereingliederung
10. Ambulant vor stationär
11. Arbeitsassistenz
12. Gebärdensprache
13. Einbeziehung des Schwerbehindertenrechts
14.
In diesem Referat wird es zeitlich nicht möglich sein, alle 13 Schwerpunkte darzustellen. Von daher werden in einem ersten Schritt wesentliche Begrifflichkeiten des Gesetzes dargestellt. In einem zweiten Schritt wird darauf aufbauend die weiterhin rechtliche Komplexität am Beispiel der „Medizinischen Rehabilitation“ sowie am Beispiel „Behinderter Senioren“ dargestellt und diskutiert.
2. Allgemeine Regelungen des SGB IX
§ 1 SGB IX bestimmt die Ziele des Gesetzes: Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen
- erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen,
- um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.
- Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.
Wer als Behindert oder von Behinderung bedroht gilt, wird in § 2 näher bestimmt.
§ 2 Abs. 1 SGB IX: Menschen sind behindert, wenn
- ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit
- mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen
- und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
- Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
§ 2 Abs.1 S.1 SGB IX orientiert sich bei der gesetzlichen Definition von Behinderung somit an die „internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung“ (ICIDH-2).[6]
§ 2 Abs. 2 SGB IX: Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn
- bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt
- und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Nur werd die Bedingungen des § 2 SGB IX erfüllt, hat Anspruch auf Leistungen nach § 1 SGB IX.
In § 4 Abs. 1 SGB IX werden der Umfang und die Ziele von Leistungen zur Teilhabe näher bestimmt:
Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung
- die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
- Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
- die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
- die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern .
Somit ist klargestellt, dass Menschen mit Behinderung nach § 2 SGB IX Anspruch auf Leistungen nach § 4 SGB IX haben. In § 4 Abs. 2 SGB IX wird des weiteren klargestellt, dass diese Leistungen neben anderen Sozialleistungen erbracht werden.
In § 5 SGB IX werden die Leistungsgruppen zur Teilhabe bestimmt:
1.Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,
4.Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Des Weiteren werden in § 6 SGB IX die Rehabilitationsträger und deren Zuständigkeit aufgelistet.
[...]
[1] Vgl. BT-Drs. 14/5074, S. 94.
[2] Für weiterführende Informationen siehe Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, Bonn, 2005, S. 47 ff.
[3] Vgl. BT-Drs. 14/5074, S. 98.
[4] Vgl. BT-Drs. 14/5074, S. 92.
[5] Vgl. BT-Drs. 14/5074, S. 94-98.
[6] Vgl. BT-Drs. 14/5074, S. 98.
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