Konflikte im Bereich des Verbraucherschutzes wie die Auseinandersetzung über hormonbehandeltes Fleisch, genmanipulierte Organismen und Rohmilchkäse belasten die transatlantischen Beziehungen seit fast 20 Jahren. Ursache des Konfliktes sind unterschiedliche Risikoperzeptionen und Risikopolitik-Prinzipien in den USA und der EU. Während sich die Risikoperzeption der EU auf die Manipulation eines natürlichen, an sich risikoarmen Zustandes konzentriert und deswegen GMOs und hormonbehandeltes Fleisch als Bedrohung perzipiert werden, Rohmilchkäse hingegen nicht, ist es in den USA die Unvollkommenheit jenes natürlichen Urzustandes, die zur Perzeption von hohen Risiken beim Rohmilchkäse führt, aber nicht bei hormonbehandeltem Fleisch oder GMOs. Letztere Technologien gelten in dieser Perspektive als Verbesserung eines Mangelzustandes. Darüber hinaus verfolgen die Akteure unterschiedliche Prinzipien in der Risikopolitik. Während in den USA das Ideal einer verwissenschaftlichten Regulierungspolitik dominant ist, orientiert sich die EU an einer Politisierung der Risikopolitik. Auf theoretischer Ebene knüpft die Arbeit angesichts der Erklärungsdefizite konventioneller IB-Theorien an eine konstruktivistische Risikotheorie an. Risiko wird hier in einem reflexiven Sinne verstanden, d.h. die Wahrnehmung von Risiken und die Risikopolitik-Prinzipien eines Akteurs werden nicht vom Objekt, sondern von den Ideen des Akteurs bestimmt.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Konflikt im Überblick
2.1 Die Positionen der Akteure
2.1.1 Vorüberlegungen zu den Konfliktlinien
2.1.2 Die Positionen und Argumente der Akteure
2.2 Überblick über die Regulierungsverfahren
2.3 Konkurrierende Erklärungsmodelle
3 Theoretischer Rahmen
3.1 Risiko und Risikoperzeption
3.2 Risiko und Ideen: Die reflexive Risikotheorie
3.2.1 Die Risikoperzeption im reflexiven Ansatz
3.2.2 Die Risikopolitik im reflexiven Ansatz
3.3 Zusammenfassung und Präzisierung der Hypothese
4 Operationalisierung
4.1 Zur Rekonstruktion der Verbraucherschutzparadigmen
4.2 Methodik: Zur Analyse der Risikodiskurse
5 Empirische Analyse
5.1 Risikoperzeption in der EU und den USA
5.1.1 Die grundlegenden Unterschiede im Überblick
5.1.2 Risikoperzeptionen in der EU: „Discourse of Natural Perfection“
5.1.2.1 Die Risikoperzeption in der EU im Hormonfleisch-Fall
5.1.2.2 Die Risikoperzeption in der EU im GMO-Fall
5.1.2.3 Die Risikoperzeption in der EU im Rohmilchkäse-Fall
5.1.3 Risikoperzeptionen in den USA: „Discourse of Deficiency“
5.1.3.1 Die Risikoperzeption in den USA im Hormonfleisch-Fall
5.1.3.2 Die Risikoperzeption in den USA im GMO-Fall
5.1.3.3 Die Risikoperzeption in den USA im Rohmilchkäse-Fall
5.2 Risikopolitik-Prinzipien in der EU und den USA
5.2.1 Die grundlegenden Unterschiede im Überblick
5.2.2 Die Risikopolitik-Prinzipien in der EU: Politisierung als Prinzip
5.2.3 Die Risikopolitik-Prinzipien in den USA: „Sound Science“
6 Zusammenfassung
7 Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1 Quellen zur EU-Politik
7.2 Quellen zur US-Politik
7.3 Internationale Organisationen und Abkommen
7.4 Sonstige Quellen
7.5 Sekundärliteratur
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das positivistische Risikomodell
Abbildung 2: Das reflexive Risikomodell
Abbildung 3: Risikoperzeption und Risikopolitik-Prinzipien der Akteure im Überblick
Abstract
Konflikte im Bereich des Verbraucherschutzes wie die Auseinandersetzung über hormonbehandeltes Fleisch, genmanipulierte Organismen und Rohmilchkäse belasten die transatlantischen Beziehungen seit fast 20 Jahren. Ursache des Konfliktes sind unterschiedliche Risikoperzeptionen und Risikopolitik-Prinzipien in den USA und der EU. Während sich die Risikoperzeption der EU auf die Manipulation eines natürlichen, an sich risikoarmen Zustandes konzentriert und deswegen GMOs und hormonbehandeltes Fleisch als Bedrohung perzipiert werden, Rohmilchkäse hingegen nicht, ist es in den USA die Unvollkommenheit jenes natürlichen Urzustandes, die zur Perzeption von hohen Risiken beim Rohmilchkäse führt, aber nicht bei hormonbehandeltem Fleisch oder GMOs. Letztere Technologien gelten in dieser Perspektive als Verbesserung eines Mangelzustandes. Darüber hinaus verfolgen die Akteure unterschiedliche Prinzipien in der Risikopolitik. Während in den USA das Ideal einer verwissenschaftlichten Regulierungspolitik dominant ist, orientiert sich die EU an einer Politisierung der Risikopolitik. Auf theoretischer Ebene knüpft die Arbeit angesichts der Erklärungsdefizite konventioneller IB-Theorien an eine konstruktivistische Risikotheorie an. Risiko wird hier in einem reflexiven Sinne verstanden, d.h. die Wahrnehmung von Risiken und die Risikopolitik-Prinzipien eines Akteurs werden nicht vom Objekt, sondern von den Ideen des Akteurs bestimmt.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Im Sommer 1999 veranstaltete das American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) in Washington eine Konferenz zum Thema „Die Transatlantischen Beziehungen und Verbraucherschutzkonflikte“. Genmanipulierte Organismen (GMOs)[1] in Lebensmitteln oder hormonbehandeltes Fleisch („Hormonfleisch“) beschäftigten seit einiger Zeit Entscheidungsträger und Wissenschaftler dies- und jenseits des Atlantiks. Die Diskussion über das scheinbar harmlose Thema – man könnte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für unterbeschäftigte Politikwissenschaftler vermuten – wurde grundsätzlich: Ein ums andere Mal wurden „Werte“, „Ideale“ und „Ethik“ bemüht, um die eigene Position zu verteidigen. Europäische Teilnehmer bezichtigten die USA eines „Kulturimperialismus“, die angegriffene Seite reagierte mit der Feststellung, die europäische Position könne in Kontinuität mit der Wissenschaftsfeindlichkeit des Mittelalters gesehen werden. Die Wahl des Vokabulars entsprach also nicht unbedingt diplomatischer contenance. So warf die Konferenz mehr Fragen auf, als sie löste. Was haben (genmanipulierte) Cornflakes mit abendländischen Werten zu tun?
Obwohl das Politikfeld Verbraucherschutz von IB-Analysten bisher weitgehend unbeachtet blieb, ist es wichtiger Teil der transatlantischen Agenda und führte immer wieder zu intensiven Auseinandersetzungen. Als Fallbeispiele für dieses Konfliktfeld dienen in dieser Arbeit der Streit um hormonbehandeltes Fleisch, genmanipulierte Lebensmittel und Rohmilchkäse. Ein kurzer Überblick über den Verlauf der Konflikte zeigt, dass deren Bedeutung größer ist als der Reiz, den sie auf Politikwissenschaftler ausüben.
Der Streit um hormonbehandeltes Fleisch belastet seit fast zwei Dekaden die transatlantischen Beziehungen.[2] Ausgehend von Zeitungsberichten über die negativen Auswirkungen der Verwendung von Hormonen in der italienischen Rindfleischproduktion und dem DES-Skandal in den USA, entbrannte erstmals Anfang der 80er Jahre eine innereuropäische Diskussion über hormonbehandeltes Fleisch. Im Zentrum der Debatte stand die Krebsgefahr der Präparate und die Auswirkungen auf den menschlichen Hormonhaushalt – wenige Jahre zuvor wurde das Hormon DES nach der Feststellung dessen Karzinogenität in den USA verboten.[3] Im Zuge der europaweiten Harmonisierung der Hormonzulassungen konnten sich 1985 die Befürworter eines umfassenden Banns durchsetzen.[4] Im Dezember des gleichen Jahres verbot die EG sowohl den innereuropäischen Handel als auch alle Importe der fünf Hormonsorten mit Geltung ab dem 1. Januar 1989.[5] Das Importverbot traf vor allem die USA als größten Fleischimporteur mit einem Exportvolumen von 120 Mio. US-Dollar pro Jahr und einer Hormonfleischquote von ca. 60%.[6] Als Antwort erließen die USA Strafzölle in Höhe von 100% auf europäische Agrarexporte im Wert von 100 Mio. US-Dollar unter Verweis auf die unwissenschaftliche Basis eines solchen Verbotes. Sowohl bilaterale Verhandlungen als auch der Versuch, den Fall unter dem Standards Code des GATT zu verhandeln (September 1986), scheiterten am Veto der EG. Um die parallel laufenden GATT-Verhandlungen der Uruguay-Runde nicht zusätzlich zu erschweren, einigte sich im Mai 1989 eine amerikanisch-europäische Task Force auf ein Interimsabkommen, das die Öffnung des europäischen Marktes für hormonunbehandeltes US-Fleisch vorsah.[7] Nach erfolgreicher Beendigung der Uruguay-Runde trugen die USA den Streit 1995 vor die gerade neu gegründete WTO und ihr Dispute Settlement Body (DSB), während das Europäische Parlament am 18. Januar 1996 mit 366 zu 0 Stimmen und der Ministerrat mit 14 zu 1 Stimmen für eine Aufrechterhaltung des Banns votierten.[8] Der WTO-DSB entschied 1997/98 – mit dem Hinweis auf die fehlende wissenschaftliche Begründung des Banns – zugunsten der USA.[9] Nachdem die EU die 15-monatige Frist für Anpassungsmaßnahmen bis Mai 1999 ohne Zugeständnisse an die USA verstreichen ließ, erlaubte die WTO den Vereinigten Staaten die Erhebung von Strafzöllen in Höhe von 116.8 Mio. US-Dollar. Am 17. Mai 1999 machten die USA von dieser Autorisierung Gebrauch und erhoben einen 100%-Wertzoll u.a. auf Dijon-Senf und Rocquefort-Käse, der am 29. September 1999 in Kraft trat.[10] Eine Einigung in diesem Konflikt wurde bis heute nicht erzielt, die Europäer kündigten aber neue wissenschaftliche Untersuchungen an, die den Bann auch vor der WTO rechtfertigten. Die USA lehnen dies ebenso wie die von der EU angebotenen Entschädigungszahlungen ab.[11] Der U.S. Trade and Development Act des Jahres 2000 führte erstmals ein „retaliation carousel“ ein, das alle 180 Tage die von Strafzöllen betroffene Produktpalette bis zur Aufhebung des Banns verändert.[12]
Im Gegensatz zum Hormonfall gelangte der Konflikt um GMOs bisher nicht vor die WTO-Streitschlichtungsgremien, obwohl das Streitpotential wesentlich höher ist.[13] Anlass des Konflikts ist die seit März 1998 bestehende Zulassungssperre für Produkte, die GMOs enthalten oder in deren Herstellungsprozess GMOs verwendet wurden. Der Bann auf GMOs ist insofern außergewöhnlich, als dass er nicht auf einem Verbotserlass, sondern auf dem Vetorecht von Mitgliedsstaaten im Zulassungsprozess beruht.[14] Dieses de facto-Moratorium führte schließlich zum Konflikt mit den USA, da vor allem die amerikanische Landwirtschaft vom Importverbot betroffen ist. Im Gegensatz zur restriktiven Zulassungspolitik der EU – bis zum Moratorium waren nur 18 GMO-Sorten zugelassen worden – verwendet die amerikanische Landwirtschaft GMOs in großem Umfang: Ende 1999 waren 57% der angebauten Sojabohnen, 50% der Baumwolle und 40% des Mais GMO-Varietäten. Die Anbaufläche für GMOs erhöhte sich von 1996 bis 1998 um das fünfzehnfache. Schätzungen gehen davon aus, dass Ende 1999 60% aller in den USA verarbeiteten Lebensmittel GMOs enthielten.[15] 1998 hatten die Sojaexporte der USA in die EU einen Gesamtwert von 1.5 Mrd. US-Dollar und waren damit mehr als zehnmal höher als die vom Hormonbann betroffenen Exporte.[16] Für die Sojaexporte in die EU wird aufgrund der europäischen Gesetzgebung bis 2002 ein Niedergang um 40% befürchtet. Da sowohl die amerikanischen Gesetze als auch das Ernte- und Handelssystem nicht zwischen GMOs und konventionellen Sorten unterscheiden, würde die Absonderung der GMOs und deren Kennzeichnung (wie es die europäische Gesetzgebung vorsieht)[17] sehr hohe Kosten verursachen.[18] Die USA interpretieren diese Kennzeichnungspflicht als nicht-tarifäres Handelshemmnis. Im Sommer 1999 drohte der US-Botschafter bei der EU, Richard Morningstar, im Falle der Aufrechterhaltung des Moratoriums mit einem Handelskrieg in einer Größenordnung von 1 Mrd. US-Dollar.[19] Dementsprechend gehörte das GMO-Thema während der Vorbereitungen auf die Millenium-Runde der WTO zu den „heißen Eisen“, von einer Beilegung des Disputs sind die beiden Akteure allerdings weit entfernt.[20]
Im Vergleich zu den prominenten Fällen des hormonbehandelten Fleisches und der genmanipulierten Lebensmittel sind die Dimensionen des Konflikts um Rohmilchkäse bescheidener. Rohmilchkäse wird mit unpasteurisierter Milch hergestellt – darunter fallen Produkte wie Brie, Camembert, Mont d´Or oder Parmesan-Käse.[21] 1995 wurden in Europa insgesamt 700 Mio. Kilo Rohmilchkäse produziert, der Verkaufswert betrug 7 Mrd. Euro.[22] Neben dem Vorzug des intensiveren Geschmacks, der reicheren Mikroflora und des größeren Anteils an Aminosäuren besteht bei Rohmilchkäse das Problem der bakteriellen Verseuchung.[23] In Europa kam es wiederholt zu Todesfällen, die auf den Konsum von bakteriell kontaminierten Rohmilchkäse zurückgeführt wurden.[24] Trotz dieser Todesfälle ist die Produktion und der Verkauf von Rohmilchkäse in der EU nicht verboten, sondern wird durch Privilegien wie geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.) bzw. geschützte geografische Angaben (g.g.A.) unterstützt.[25] Der Streit zwischen Europa und den USA über Rohmilchkäse dauert seit 1985 an, als erstmals im Rahmen des FAO / WHO Committee of Government Experts on the Code of Principles Concerning Milk and Milk Products bzw. dessen Nachfolgers, dem Codex Alimentarius-Komitee CCMMP (Codex Committee on Milk and Milk Products), die rechtlich zwar nicht verbindlichen, aber für die Bewertung vor dem WTO-DSB de facto maßgeblichen Hygienestandards für Rohmilchkäse verhandelt wurden.[26] 1996 kam es zwischen den USA und der EU im Rahmen der Erarbeitung von Hygienestandards zur Auseinandersetzung über einen Entwurf des pro-europäischen CCMMP, der keine zwingenden Vorschriften bezüglich der Pasteurisierung enthielt. Das US-geleitete Überprüfungskomitee CCFH (Codex Committee on Food Hygiene) lehnte diesen Vorschlag ab, der Versuch der Einfügung des Pasteurisierungskriteriums durch das CCFH scheiterte allerdings am europäischen Widerstand. 1999 wurden schließlich die Standards (unter Vorbehalt der USA) ohne Aufnahme spezifischer Pasteurisierungskriterien verabschiedet.[27] Am gleichen Konfliktpunkt scheiterte bisher die Einigung über den umfassenderen Code of Hygienic Practice for Milk and Milk Products (Milk Code).[28] Die EU kündigte an, im Fall einer Verabschiedung des Milk Code ohne die Pasteurisierungsklausel den Rohmilchkäse-Streit vor den DSB zu tragen.[29]
Diese kurze Beschreibung macht deutlich, dass der Verbraucherschutz-Konflikt schon aufgrund seines „Streitwertes“ und den negativen Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen für die Politikwissenschaft von Interesse ist. Die aktuelle Konfliktentwicklung deutet nicht darauf hin, dass diese Themen geräuschlos von der transatlantischen Agenda abtreten werden. Umso wichtiger ist die genaue Analyse des Konfliktes. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht somit eine Frage, die zum Kernbestand der IB-Theorie gehört, nämlich die Frage nach den Ursachen des Konfliktes.
Einen Mangel an Erklärungsmodellen gibt es dabei nicht. Je nach Handlungsbegriff (strategisch oder normenorientiert)[30] und Analyseebene (Individuum, Staat oder Struktur des internationalen Systems)[31] ergeben sich sehr unterschiedliche Perspektiven. Eine auch im Politikbetrieb häufig genannte These ist die des Handelsprotektionismus: Um den eigenen Markt zu schützen, würden Handelsbarrieren aufgebaut. Ebenso plausibel erscheint zunächst die These, es handle sich im Fall der neuen Technologien wie Genmanipulation um ein „technology race“ zwischen den Akteuren. Wie die Protektionismusthese geht die technology race-These davon aus, die Konfliktursache sei der Schutz ökonomischer Interessen. Die Darstellung des Konfliktes wird allerdings zeigen, dass diese von einem strategischen Handlungsbegriff ausgehenden Theorien erhebliche Erklärungsdefizite haben.[32] An diese Beobachtung anschließend ist es das Ziel der Arbeit, eine Theorie zu finden, die den Konflikt besser erklären kann.
Einen sinnvollen Ausgangspunkt bietet der Begriff des Risikos. Alle drei Fallbeispiele enthalten Einschätzungen darüber, ob ein Gegenstand oder eine Produktionstechnik gefährlich ist, wie wahrscheinlich der Eintritt negativer Folgen ist, ob der mögliche Eintritt dieser negativen Folgen durch die wahrscheinlich zu erzielenden Vorteile aufgewogen wird oder in welcher Weise diese Risiken reguliert werden sollen. Während in der europäischen Diskussion vor allem die Risiken der GMOs und des hormonbehandelten Fleisches betont werden, scheinen in der US-amerikanischen Debatte die gleichen Produkte als wenig riskant wahrgenommen zu werden. Umgekehrt im Rohmilchkäse-Fall: Hier scheint es in der EU weniger Bedenken als auf amerikanischer Seite zu geben.[33] Gleichzeitig unterscheiden sich die Debatten in den USA und der EU bezüglich der angemessenen Regulierungspolitik: Während die USA vor allem auf wissenschaftliche Expertise bei der Risikobewertung setzen, vertraut die EU eher einer Beteiligung aller gesellschaftlichen Kräfte, um eine Risikopolitik im Sinne der Allgemeinheit zu erreichen.[34]
An diese Beobachtung anschließend, wird die vorliegende Arbeit den transatlantischen Verbraucherschutzkonflikt als Konflikt zwischen unterschiedlichen Risikoperzeptionen und Risikopolitik-Prinzipien thematisieren.[35] Der Zusammenhang zwischen dem Risikobegriff und den Fallbeispielen ist zwar auch auf den ersten Blick plausibel, bedarf aber der genaueren Untersuchung und Systematisierung. Nichtsdestoweniger kann eine vorläufige (!) Hypothese formuliert werden:
Die Ursache für den transatlantischen Konflikt im Verbraucherschutz sind unterschiedliche Einschätzungen der Risiken bestimmter Lebensmittel sowie unterschiedliche Vorstellungen über politische Antworten auf jene Risiken dies- und jenseits des Atlantiks.
Unabhängige Variable sind folglich unterschiedliche Risikoperzeptionen und Risikopolitik-Prinzipien der Akteure. Die abhängige Variable ist der Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union im Politikfeld Verbraucherschutz.[36] Der hier vertretene Ansatz kann im Waltz´schen Sinne als „Second Image“-Theorie bezeichnet werden, da die Ursachen des Konfliktes – Risikoperzeption und Vorstellungen über die Risikopolitik – „Eigenschaften“ des Staates sind.[37] Diese Eigenschaften beziehen sich aber nicht auf die Strukturen des politischen Systems, sondern auf „kognitive“ Faktoren. Die Verwendung des Konzeptes der Risikoperzeption und der Risikopolitik-Prinzipien als unabhängige Variable fügt sich damit in den größeren theoretischen Zusammenhang der „dritten Debatte“ der IB-Theorie ein, die sich mit konstruktivistischen Theorien auseinandersetzt.[38] Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Konstruktivismus anschließend, geht die hier verwendete „reflexive“ Risikotheorie von einem normengeleiteten Akteur aus bei einer gleichzeitigen Endogenisierung des Interessenausbildungsprozesses.[39]
Neben den theoretischen Aspekten hat die Analyse auch praktische Relevanz. Die Antworten auf die Fragestellung haben durchaus Bedeutung für die Gestaltung der transatlantischen Beziehungen. Deswegen sind die Kritik bestehender Policy-Konzepte aufgrund der durch die empirische Analyse gewonnenen Erkenntnisse und die Formulierung einiger Policy-Vorschläge weitere Ziele dieser Arbeit. Diese Evaluierung der politischen Strategien der Akteure ist umso wichtiger angesichts des Mangels an vergleichbaren Analysen.
Verbraucherschutz ist bisher kaum als internationales Konfliktfeld thematisiert worden. Konflikte wie der GMO- oder Hormonfleischfall wurden zumeist unter dem Gesichtspunkt internationaler Streitschlichtung oder bezüglich ihrer Wirkung auf Drittstaaten analysiert. Die detaillierten Analysen von Quintillán, Perez und Charnovitz behandeln vor allem die Aspekte des internationalen Handels und der WTO-Verträge (SPS, TBT).[40] Eine der wenigen umfassenden Untersuchungen des Verbraucherschutzes als internationalem Konfliktfeld leistet Vogel.[41] Allerdings bleibt Vogels Studie rein deskriptiv und kommt über die Aufzählung von Konfliktthemen kaum hinaus. Tiefgreifender sind die Analysen von Pollack / Shaffer und Echols.[42] Für die politikwissenschaftliche Betrachtung der Konflikte bleibt allerdings der legalistische Fokus der Echols-Studie ebenso unbefriedigend wie Pollack / Shaffers einseitige Konzentration auf den GMO-Fall.
Auf theoretischer Ebene kann ebenfalls kaum auf vergleichbare Studien zurückgegriffen werden. Der Risikobegriff hat sich erst vor kurzer Zeit als Analysekategorie in der konstruktivistischen IB-Theorie etabliert und dabei vor allem von den Arbeiten der Cultural Analysis-Schule profitiert.[43] Erste Anwendungen des reflexiven Risikobegriffes auf den Umweltschutz haben dabei gute Ergebnisse erzielt. Hier ist insbesondere Ulbert zu nennen.[44] Eine Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Verbraucherschutz wurde bisher nicht vollzogen.
In Kapitel 2 steht zunächst die abhängige Variable im Vordergrund. Hier sind vor allem die Konfliktpositionen und einige Grundzüge des innerstaatlichen Verbraucherschutzrahmens (Kapitel 2.1 und 2.2) sowie konkurrierende Erklärungsmodelle vorzustellen (Kapitel 2.3). Kapitel 3 stellt anhand der Diskussion zweier möglicher Risikotheorien den hier verwendeten Risikobegriff vor. Die zentralen Aussagen werden in Kapitel 3.3 zusammengefasst. Die Operationalisierung und Methodik sind Inhalt von Kapitel 4, bevor sich Kapitel 5 der empirischen Analyse der Fälle des hormonbehandelten Fleisches, der GMOs und der Rohmilchprodukte widmet. Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der Empirie zusammen und formuliert mögliche Konsequenzen für die praktische Politikgestaltung.
2 Der Konflikt im Überblick
2.1 Die Positionen der Akteure
2.1.1 Vorüberlegungen zu den Konfliktlinien
Der kurze Überblick in der Einleitung beschrieb vor allem den äußeren Verlauf des Konfliktes, für die Analyse der Ursachen des Konfliktes ist jedoch die genaue Beschreibung der Akteurspositionen und Konfliktlinien notwendig. Zur Erklärung des Konfliktes ist es zum Beispiel wichtig, ob um Akteursbeteiligungen, Regulierungsintensität und -umfang oder Ziel-Mittel-Relationen gestritten wird. Wie verlaufen also die grundlegenden Konfliktlinien?
Eine erste Feststellung bezieht sich auf den Bereich, der nicht umstritten ist. Der Konsens zwischen den Akteuren betrifft den Stellenwert des Verbraucherschutzes im Allgemeinen: dass dieser eine wichtige Aufgabe des Staates sei, steht nicht zur Disposition. Verbraucher müssten vor Gefahren der Verbrauchsgüter geschützt werden, und dieser Schutz sei – ohne sich auf ein Ausmaß der Intervention im Einzelnen festzulegen – Aufgabe des Staates. Dieser Konsens spiegelt sich im Abschlussbericht des gemeinsamen Biotechnologieforums der USA und der EU:
Regulation is a means by which governments seek to gain the benefits and ameliorate the potential negative consequences of a market economy. The US and EU differ in the particulars of how they approach regulation for agricultural biotechnology products. Nevertheless, we share the same goals of ensuring human and environmental safety and we agree that regulatory processes on both sides of the Atlantic should meet basic, minimum standards.[45]
Eine zweite Beobachtung betrifft das Verhalten der Akteure. Der Kern des Konfliktes ist nicht die Auseinandersetzung eines generell vorsichtigen mit einem generell risikofreudigen Akteur. Die landläufige Meinung, es stünden sich europäische „Hasenfüße“ und amerikanische „tough guys“ gegenüber („An American is a risk-taking European“)[46], trifft so nicht zu. Das Verhalten der Akteure variiert fallspezifisch: während die Europäer bezüglich der GMOs und des hormonbehandelten Fleisches vorsichtiger agieren und Import, Herstellung und Verwendung untersagen, legen die Amerikaner die gleiche Vorsicht beim Rohmilchkäse zutage. Dieses Verhalten wird oft als eine am Vorsorgeprinzip (precautionary principle) orientierte Politik bezeichnet: ein Produkt sei erst dann sicher, wenn die Möglichkeit negativer Folgen so gut wie ausgeschlossen werden könne.[47] Demgegenüber steht das Verhalten der USA bei GMOs und hormonbehandeltem Fleisch sowie das der EU im Rohmilchkäse-Fall. Hier agieren die Akteure jeweils risikofreudiger als der andere. Dieses Inkaufnehmen von Risiken wird als „proof first“-Ansatz beschrieben, d.h. solange keine negativen Folgen bewiesen werden könnten, gelte der Grundsatz „in dubio pro reo“, also im Zweifel für das Produkt.[48]
Auf diesem Konsens über den Wert des Verbraucherschutzes an sich und die Anwendungsmöglichkeit eines Vorsorgeprinzips baut der transatlantische Konflikt auf. Wie die Darstellung der Konfliktpositionen zeigen wird, stehen zwei Fragen im Zentrum des Konfliktes:
1. In welchen Fällen ist es angebracht, das Vorsorgeprinzip anzuwenden?
Der erste offensichtliche Unterschied zwischen der europäischen und amerikanischen Position ist das auslösende Moment für das jeweilige Handlungsprinzip, also die Frage, zu welchem Anlass die Anwendung des Vorsorge- oder des proof first-Prinzips notwendig bzw. legitim ist und wann nicht. Die Motivation für die offensive Kritik am Handlungsprinzip des anderen ist der ökonomische Schaden, der dem Handelspartner durch Anwendung des Vorsorgeprinzips entsteht.[49] Ob allerdings ökonomische Interessen auch Ursache für die Anwendung des Vorsorgeprinzips sind, muss überprüft werden.
2. Welcher Akteur ist in der Vorstellung der Gesellschaft berechtigt, die Notwendigkeit der Anwendung des Vorsorgeprinzips und die adäquate Politikstrategie festzustellen?
Ein zweiter Konfliktpunkt betrifft die Frage der Berechtigung zur Feststellung, unter welchen Umständen ein Vorsorgeansatz legitim ist. Welcher Akteur besitzt in der Vorstellung der Gesellschaft demnach die Legitimität und Autorität zu entscheiden, wann dieser Ansatz auf Kosten der Handelsbilanz des Gegenüber angewendet werden darf und welche Politikstrategie verfolgt wird? Diese Kompetenzzuschreibung ist ein Akt des Vertrauens in die Fähigkeiten eines einzelnen Akteurs, im Sinne der Allgemeinheit über die Risikohöhe und die angemessenen Maßnahmen zu entscheiden. Kapitel 2.1.2 fasst die Argumente, die im internationalen Umfeld und in den innerstaatlichen Debatten der Akteure genannt werden, zusammen.
2.1.2 Die Positionen und Argumente der Akteure
Zunächst zum ersten Konfliktthema und der Frage, unter welchen Umständen eine Vorsorgepolitik legitim ist. Wie im vorigen Kapitel angedeutet, trifft die amerikanische Kritik die europäische Vorsorgepolitik nicht im generellen, sondern bezüglich der Anlässe für diese Vorsicht. Die Bedenken der EU gegenüber GMOs und hormonbehandeltem Fleisch seien durch keinerlei tatsächlich bestehenden Risiken gerechtfertigt. Die Forderung der EU, erst alle Risiken auszuschließen, bevor die Technologien angewendet und dem Verbraucher zugemutet werden könnten, sei unsinnig, da alle neuen Technologien Unabwägbarkeiten und Risiken enthielten und die Konsequenz des Null-Risiko-Ansatzes der EU der Verzicht auf jeglichen Fortschritt sei.[50] Von Seiten der USA wird argumentiert, dass die von der EU angeführten Bedenken in Wirklichkeit Scheinargumente seien und vor allem ökonomische Interessen verbürgen.[51] Da GMOs und hormonbehandeltes Fleisch in ihrer Substanz den konventionellen Sorten entsprächen und so auch keine erhöhten Risiken für den Verbraucher enthielten, sollten die Produkte entsprechend gleich behandelt werden.[52] Diese Gleichbehandlung schließe eine Kennzeichnung von GMOs und hormonbehandeltem Fleisch aus – dies käme einer ungerechtfertigten Diskriminierung gleich.[53]
Die EU argumentiert im GMO- und Hormonfleischfall, die Risiken für Verbraucher und Umwelt seien noch nicht absehbar.[54] Die notwendige Konsequenz dieser Unabwägbarkeiten sei das Vorsorgeprinzip und zumindest die Kennzeichnung der Produkte.[55] Ein laissez faire-Ansatz, wie ihn die USA verträten, sei unverantwortlich und dem Konsumenten nicht zuzumuten. Dies träfe vor allem auf die noch nicht abzuschätzenden Langzeitfolgen wie Krebsrisiko, Veränderung des Hormonspiegels im Menschen (Hormonfall), Antibiotikaresistenzen und spezielle Risiken für Allergiker (GMOs) zu.[56]
Im Falle des Rohmilchkäses argumentieren die Akteure genau umgekehrt. Die USA vertreten die Auffassung, die Herstellungsmethoden dieser Produkte stellten ein ernstes gesundheitliches Problem dar und müssten mit besonderer Vorsicht – also einem Vorsorgeansatz – gehandhabt werden.[57] Der Beweis dafür seien Statistiken, die einen Zusammenhang zwischen Rohmilchkäse und Todesfällen in europäischen Ländern und den USA aufzeigten.[58] Die Produktionsverfahren seien nach heutigen Standards völlig unzureichend, der Rohmilchkäse sei ein „dangerous relic of the pre-Pasteur past.“[59] Angesichts dieser Risiken sei das Importverbot nicht nur notwendig, sondern auch angemessen. Eine moderne Gesellschaft könne ein derart hohes Risiko im Lebensmittelbereich nicht akzeptieren.[60]
Die EU hingegen argumentiert, der strenge Umgang der USA mit Rohmilchkäse sei „eccentric and unnessecary“[61] angesichts des geringen Risikos der seit Jahrhunderten produzierten Lebensmittel. Die übertriebene Vorsicht („listeria hysteria“) der USA entbehre jeglicher Grundlage, da sich die Risiken der traditionellen Lebensmittel nicht von denen anderer Produkte unterschieden.[62] Die von den USA angeführten Statistiken über Todesfälle nach Rohmilchkäseverzehr müssten in einem größeren Kontext gesehen werden – im Vergleich zu anderen Lebensmitteln wie Eiern, Meeresfrüchten, Obst und Gemüse seien die Krankheitsfälle durch Rohmilchkäse marginal.[63] Außerdem viele der Krankheitsfälle nicht auf die Rohmilch zurückzuführen, sondern auf eine Kontamination nach der Herstellung.[64] Zum Schutz des Konsumenten seien deshalb die bestehenden Regeln für Nahrungsmittelhygiene eine ausreichende Absicherung.[65]
Anhand der Darstellung zeichnet sich das erste „Puzzle“ des Konfliktes deutlicher ab: Was sind die Ursachen für den Streit um die unterschiedliche Anwendung des Vorsorge- bzw. proof first-Prinzips? Offensichtlich hat die unterschiedliche Anwendung des Vorsorge-Ansatzes etwas mit den Fallbeispielen zu tun. Was ist also – aus Sicht der Akteure – der Unterschied zwischen GMOs / hormonbehandeltem Fleisch und Rohmilchkäse? Was veranlasst die EU, bei GMOs und hormonbehandeltem Fleisch vorsichtiger zu agieren, was ist der Grund für das vorsichtige Verhalten der USA im Rohmilchkäse-Fall?
Eine zweite Konfliktlinie verläuft nicht fallspezifisch, sondern trennt die Akteure in allen drei Fallbeispielen. Das zentrale Schlagwort in dieser Debatte vonseiten der USA ist der Mangel an „sound science“ der EU-Politik. Bisher lägen keine wissenschaftlichen Ergebnisse vor, die eine übertriebene Vorsicht bezüglich der Anwendung von GMOs oder Hormonbehandlungen in der Fleischproduktion rechtfertigten.[66] Demgegenüber stehe die wissenschaftliche Notwendigkeit, die gefährlichen Rohmilchkäse-Produkte schärfer zu regulieren. Das Problem der EU sei der Einfluss von Interessengruppen auf die Regulierungspolitik. So sei eine objektive Einschätzung der Risiken nicht möglich.[67] Sowohl im GMO-, Hormon- als auch Rohmilchkäse-Fall seien die wissenschaftlichen Ergebnisse eindeutig, in der EU aber würden Partikularinteressen die Verbraucherschutzpolitik bestimmen.[68] Logische Folge dieses Zustandes seien Dioxin-Skandal und BSE-Krise.[69] Die EU hingegen kritisieren die Vertrauenswürdigkeit der wissenschaftlichen Ergebnisse der amerikanischen Studien – diese seien hauptsächlich Auftragsarbeiten für die Industrie. Es sei nicht garantiert, dass jene Wissenschaftler nicht zu stark von der Industrie beeinflusst seien.[70] Die unterschiedlichen Positionen umreißen die zweite Konfliktlinie des Konfliktes: Was ist die Ursache des Streits um „sound science“in der Regulierungspolitik?
Über den Konsens und die Konfliktlinien hinaus ist der Konflikt noch bezüglich der Vorstellungen der Akteure zur Streitbeilegung zu beschreiben. Mit dem am 27. Juni 1997 zwischen der EU und den USA abgeschlossenen Mutual Recognition Agreement (MRA) wurde eine neue Stufe der Kooperation bei Produktstandards erreicht.[71] Die gegenseitige Anerkennung der Standards betrifft den Telekommunikationsbereich, Pharmazeutika, medizinische Produkte, elektromagnetische Kompatibilität, elektrotechnische Sicherheitsstandards und Freizeitgeräte. Damit deckt das MRA Handelswahren im Wert von 40 Mrd. US-Dollar ab. Umso auffälliger ist die Tatsache, dass in den behandelten Fällen eine ähnliche gegenseitige Anerkennung der Standards kurz- und mittelfristig nicht in Sicht ist, obwohl die Industrie seit längerem auf diese Ausweitung des MRA drängt.[72] Beide Akteure bestehen auf die vollständige Übernahme der eigenen Regulierungsstandards durch den Handelspartner. (Reziprozität).[73] Eine letzte Frage lautet also: Was sind die Ursachen für die Kompromissunfähigkeit der Akteure?
2.2 Überblick über die Regulierungsverfahren
Zur eingehenderen Diskussion der Fallbeispiele ist ein kurzer Überblick über die internen Regulierungsverfahren der Akteure notwendig. Da sich die Arbeit nicht auf die institutionellen Aspekte des Konfliktes konzentiert, bleibt es bei einer Darstellung der groben Strukturen.
Zunächst zum Umgang der EU mit den angesprochenen Produkten. Die EU-Regulierung ist besonders gegenüber den „neuen“ Technologien wie GMOs und hormonbehandeltem Fleisch restriktiv. Das Verbraucherschutzrecht der EU unterscheidet grundsätzlich drei verschiedene Lebensmittelgruppen, die unterschiedliche Regelungsanforderungen erfüllen müssen.[74] Die erste Gruppe mit den geringsten Regulierungsrestriktivitäten umfasst jene Lebensmittel, die keine gentechnisch veränderte Substanzen enthalten, nicht aus ihnen bestehen oder in deren Produktionprozess keine solche verwandt wurden. Unter diese Kategorie fällt folglich auch Rohmilchkäse. Für den Rohmilchkäse gilt hier im Besonderen Richtlinie 92/47/EWG, die eine regelmäßige Kontrolle der Tiere des Erzeugerbetriebes, aber keine Pasteurisierung vorsieht.[75] Die Herstellung des Rohmilchkäses unterliegt als Ausdruck des proof-first Ansatzes zum großen Teil der Selbstkontrolle des Produzenten.[76] Deweiteren gelten die oben beschriebenen Kontrollen nicht für Farmen, die den Käse direkt an den Kunden weitergeben.[77]
Eine zweite Gruppe betrifft Lebensmittel, die aus lebenden gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder sie enthalten.[78] Für diese Lebensmittel gilt die „Freisetzungsdirektive“ 90/220/EWG bzw. Richtlinie 2001/18/EG.[79] Diese an einem strikten Vorsorgeansatz orientierten Gesetze regeln die absichtliche Freisetzung und das Inverkehrbringen genmanipulierter Organismen. Grundlegende Prinzipien der Freisetzung sind das „Step-by-Step“-Verfahren und eine „Case-by-Case“-Zulassung. So besteht das In-Verkehr-Bringen eines Produktes aus einer langsamen Ausweitung der Freisetzung. Die „Case-by-Case“-Zulassung lässt den Vergleich mit ähnlichen, schon zugelassenen Produkten als Argument für eine schnellere Zulassung nur sehr bedingt zu.[80] Dieser zeitaufwendige Prozess sieht sich international heftiger Kritik ausgesetzt. Zusätzlich kompliziert wird das System durch die Einbindung der Mitgliedstaaten in den Zulassungsprozess. So ist der Zulassungsantrag für die Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GMO-Lebensmitteln an die zuständige Behörde des Mitgliedstaates zu stellen, in welchem die erste Freisetzung stattfinden soll.[81] Erst bei Widerspruch aus anderen EU-Staaten greift der Rat oder die Kommission regulatorisch ein.[82]
Neben diesem aufwendigen Überprüfungsprozess bei genmanipulierten Lebensmitteln findet das europäische Vorsorgenprinzip auch in der Kennzeichnungspflicht für GMOs seinen Ausdruck. Ein weiterer Ausdruck des Vorsorgeprinzips der EU bei GMOs ist die Kennzeichnungpflicht („Labelling“).[83]
Neben jenen konventionellen Lebensmitteln und den GMOs hat sich in der EU eine dritte Regulierungsgruppe entwickelt, die als spezifisch europäische „Erfindung“ gelten kann und wichtige Hinweise für die Analyse der Risikoperzeption bietet. Diese dritte Lebensmittelgruppe besteht aus jenen Produkten, die unter Verwendung neuer Technologien wie Hormonverabreichungen oder GMOs hergestellt werden, deren Endprodukt aber keine Spuren dieser Substanzen enthalten. Diese Produkte wurden unter dem Namen „Novel Food“ bekannt.[84] Die Novel Food-Verordnung ist deutlichstes Beispiel für die „Prozessorientierung“ des europäischen Regulierungsansatzes im GMO- und Hormonfleisch-Fall, die eng mit dem Vorsorgeprinzip verbunden ist.[85] Für die Bewertung und Behandlung eines Produktes ist nicht nur das Endprodukt, sondern auch sein Herstellungsprozess relevant.
Mit diesem komplizierten Regulierungssystem kontrastiert der amerikanische Ansatz. Das US-Recht kennt keine Differenzierung zwischen konventionellen, GMO- und Novel Food-Produkten. Trotz der wesentlich intensiveren Anwendung der Biotechnologie im Nahrungsmittelbereich existiert in den USA hierfür kein spezielles Recht.[86] Diese im Jahr 1986 vorgenommene Weichenstellung für Subsumierung der neuen Technologien unter altem Recht beinhaltete auch die Verteilung der Kompetenzen bezüglich neuer Technologien auf die schon existierenden Institutionen.[87] Im Gegensatz zum europäischen Case-by-Case- und Step-by-Step-Verfahren sieht das amerikanische, am proof first-Prinzip orientierte Verfahren eine rasche Generalisierung der Risikoabschätzung sowie eine schnelle Verringerung der Auflagen für neue Produkte mit ähnlichen Eigenschaften wie schon bekannte Produkte vor.[88] Gleichzeitig überlässt die amerikanische Gesetzgebung dem Produzenten wesentlich mehr Verantwortung bei der Regulierung neuer Technologien. So besteht für den GMO-Lebensmittelbereich keine Anzeigepflicht, sondern es bleibt den Unternehmen selbst überlassen zu entscheiden, ob ihre Produkte als anmeldepflichtig einzustufen sind oder nicht. Theoretisch ist also auch die Markteinführung eines GMO-Produktes ohne Prüfung durch eine Behörde möglich.[89]
Der US-amerikanische Ansatz ist im GMO- und Hormonfleisch-Fall produktorientiert, weil die Bewertung des Lebensmittels ausschließlich anhand des Endprodukts und nicht anhand des Prozesses erfolgt.[90] Das US-System kennt wegen dieser „Prozessblindheit“ keine Lebensmittelgruppen, die der Novel Food-Kategorie der EU entsprechen würde. Im Hormonfleisch-Fall macht sich dieser Ansatz in der Indifferenz bezüglich der natürlichen, vom Tier selber produzierten und während der Züchtung gespritzten Hormone bemerkbar.[91] In diesem Kontext wird deutlich, dass eine Kennzeichnung nicht nur als unnötig, sondern als Diskriminierung bzw. nichttarifäres Handelshemmnis interpretiert wird. US-Gerichte entschieden gegen eine Kennzeichnungspflicht und verwiesen auf das im ersten Verfassungszusatz garantierte „right not to speak“.[92] Kennzeichnungen sind in den USA nur dann notwendig, wenn das neue Produkt sich so weit vom traditionellen Produkt unterscheidet, dass der Name nicht mehr gerechtfertigt ist oder ein anderer Sicherheitsstandard gilt.[93]
Demgegenüber stehen die im Vergleich zur EU strengeren Regulierungen bei Rohmilchprodukten.[94] Neben dem Import ist auch der zwischen-bundesstaatliche Handel verboten. Import und Vertrieb sind nur von jenen Roh Rohmilchprodukten gestattet, die eine Reifezeit von mindestens 60 Tage bei 35°C haben (unter diese Kategorie fällt vor allem Parmesan-Käse).[95] Seit 1999 überprüft die FDA eine Verlängerung der Reifezeit, da Berichten zufolge einige Bakterien wie Salmonellen, Listerien und die gefürchteten Escherichia Coli O157:H7 über die 60 Reifetage hinaus im Käse überleben könnten.[96]
2.3 Konkurrierende Erklärungsmodelle
Der Überblick über die Akteurspositionen und innerstaatliche Regulierungen verdeutlicht die komplizierte Struktur des Konfliktes und zeigt zugleich die beiden entscheidenden Konfliktdimensionen, die es nun zu erklären gilt. Wie in der Einleitung angedeutet, gibt es verschiedene Interpretationsansätze. Die in der Literatur dominante These ist die des Handelsprotektionismus.[97] Sie verweist darauf, dass im Zentrum des Konfliktes konfligierende Handelsinteressen stünden. Werterhetorik wie die während der AICGS-Konferenz sei nichts weiter als der Versuch, das eigene, an ökonomischen Zielen orientierte Verhalten zu rechtfertigen.[98] Beide Akteure schützten ihre eigene Industrie vor Konkurrenz aus dem Ausland – damit ließe sich sowohl die selektive Anwendung des Vorsorgeprinzips (als bewusst eingesetzte Handelsbarriere) als auch das Ausbleiben einer gegenseitigen Anerkennung oder Harmonisierung erklären.
Die „technology race“-These konzentriert sich vor allem auf die wirtschaftliche und strategische Bedeutung der neuen Biotechnologien. In dieser Interpretation sind die Handelsbarrieren vor allem als Schutz vor überlegener Konkurrenz zu verstehen, in deren Windschatten eine konkurrenzfähige Industrie heranwachsen solle.[99] Eine mögliche Erklärung für den Rohmilchkäse-Fall ist dessen Deutung als „Vergeltungsmaßnahme“ der USA in Reaktion auf die europäischen Handelssperren oder aber als Strategie der Europäer, den Rohmilchkäse-Fall in Verbindung zum Hormonfleisch- und GMO-Fall zu setzen, um einen zusätzlichen bargaining-chip zu erhalten. Auch hier sei die Wertedebatte vorgeschoben, um den Druck auf die EU bzw. USA zu erhöhen. Protektionismus- und „technology race“- These schließen an grundlegende Annahmen einer rationalistisch-materialistischen IB-Theorie an, indem sie das Verhalten der EU und der USA im Sinne eines unitaristischen, nutzenmaximierenden Akteurs interpretieren.[100] Das Argument der „Werterhetorik“ verweist auf den für die Erklärung von Handlungen sekundären Status von Faktoren wie Ideen, Normen etc.
Die Protektionismus-These scheint zunächst plausibel: der betroffene Agrarbereich ist spätestens seit der Uruguay-Runde des GATT für weitreichende Schutzmaßnahmen bekannt.[101] Die bestehenden Einschränkungen des Handels können als nicht-tarifäre Handelshemmnisse interpretiert werden. Für die hier erwähnten Fälle wären folglich die Artikel 2.2 des TBT-Abkommens oder 2.3, 5.3, 5.4, 5.5 des SPS-Abkommens einschlägig.[102] Diese Interpretation der Konflikte bleibt jedoch oberflächlich und hat schwerwiegende Probleme. Der Protektionismus-Vorwurf trifft im GMO- und Hormonfleisch-Fall die EU. Deren Politik differenziert allerdings nicht zwischen in- und ausländischen Firmen: von Freisetzungs- und Verarbeitungsverboten sind sowohl US-Importe als auch Unternehmen aus EU-Ländern betroffen. Falls es sich um einen ökonomischen Interessenkonflikt handeln sollte, müsste sich das Verhalten der EU an Kosten-Nutzen-Kalkülen orientieren und zwischen US-Importen und inländischen Unternehmen unterscheiden, um wenigstens mittelfristig mit den US-Firmen konkurrieren zu können.[103] Die EU nimmt in diesen Bereichen allerdings keine Haltung ein, die auf eine Unterstützung der eigenen Biotech-Lebensmittelindustrie oder Pharmakonzerne schließen lässt. Im Hormonfall stellte sogar die in solchen Fällen misstrauische WTO fest, die EU-Position sei im Sinne des SPS-Abkommens „kohärent“, d.h. es finde keine unzulässige Differenzierung zwischen in- und ausländischen Unternehmen statt.[104]
Zweitens war der Demandeur der Importverbote nicht etwa die Pharma- oder Agrarindustrie. Der Großteil der europäischen Firmen wandte sich gegen die Importrestriktionen für US-Firmen.[105] Diese Tatsache findet unter anderem Ausdruck in der vom „Transatlantic Business Dialogue“ (TABD) vertretenen Position.[106] Inhaltlich bildete sich eine Allianz der gesamten Biotech-Industrie und den USA gegen die Position der EU.[107] Wiederum stellte die WTO im Hormonfall fest, die europäische Position reagiere vor allem auf öffentlichen Druck innerhalb der EU.[108] Diese Analyse wird durch Meinungsumfragen gestützt, die seit Jahren konstant divergierende Ansichten dies- und jenseits des Atlantiks zeigen.[109]
Drittens sahen sich europäische Unternehmen wie zum Beispiel die Bayer AG aufgrund der europäischen Restriktionen im Forschungsbereich dazu veranlasst, in den USA zu investieren.[110] Zusammen mit amerikanischen Firmen versuchten die europäischen Unternehmen immer wieder, Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen.[111]
Viertens ist mit dem Rohmilchkäse-Fall eine inneramerikanische Debatte verbunden, die nicht als Folge eines strategischen Schachzuges der US-Regierung oder der EU-Kommission interpretiert werden kann.[112] Der Rohmilchkäse-Fall wurde also weder von der amerikanischen noch von der europäischen Regierung „aus dem Hut“ gezaubert. Die Interpretation dieses Konfliktes als bargaining-chip greift demnach zu kurz.[113]
Angesichts dieser Erklärungsdefizite der Protektionismusthese müssen alternative Ansätze geprüft werden. Eine Möglichkeit ist die Anknüpfung an die Globalisierungsdebatte. Mitte der 90er Jahre tauchte in wirtschaftswissenschaftlich orientierten Analysen das Schlagwort der behind-the-border-issues auf.[114] Die unabhängige Variable ist hier die in den letzten drei Jahrzehnten voranschreitende Ausweitung der transatlantischen Agenda und der damit kollidierende Souveränitätsanspruch der Staaten. Vormals innenpolitische Themen wie zum Beispiel Güter- und Produktionsstandards, Lebensmittelqualität, Pharmazeutikakontrollverfahren, Arbeitsstandards, Luftverkehrsbestimmungen oder Subventionen im Agrar- und Kulturbereich seien längst zur Verhandlungsmasse im transatlantischen bargaining geworden.[115] In einer engen Beziehung – so wird argumentiert – gebe es mehr Konfliktpotential als zwischen entfernten Bekannten, und das gelte erst recht für die „transatlantische Ehe“.[116] Die Zuteilung dieser Themen zum innenpolitischen Bereich sei dabei nicht Folge einer inneren Logik, sondern im historisch gewachsenen Souveränitätsanspruch der Staaten begründet. Das Aufeinandertreffen von Globalisierungsdynamik und Souveränitätsanspruch führe zu besonders hartnäckigen Konflikten – wie zum Beispiel dem zähen Ringen um den Agrarbereich während der Uruguay-Runde: jedes erfolgreich verhandelte Thema weite die internationale Agenda aus und verringere den innenpolitischen Gestaltungsraum.[117] Freihandelszusagen konfligierten demnach mit dem Prinzip staatlicher Souveränität.
Handelt es sich also um Konflikte, die unter Globalisierungsgesichtspunkten analysiert werden können? Wird die Globalisierung als eine Schwerpunktverlagerung der verdichteten sozialen Zusammenhänge und der politischen Institutionen auf die zwischen- und transnationale Ebene begriffen,[118] so kann zumindest der Zeitpunkt für den Ausbruch der Konflikte erklärt werden – die Verstärkung der Globalisierungsdynamik in den 80er und 90er Jahren hätte die transatlantische Agenda nun so weit ausgedehnt, dass jene Fälle Teil der Verhandlungen zwischen der EG/EU und den USA geworden seien. Über die Erklärung des Zeitpunktes kommt die Globalisierungsthese allerdings kaum hinaus und lässt wichtige Fragen offen. Stünde der Konflikt zwischen zwei Souveränitätsansprüchen im Vordergrund, beträfe dies vor allem die Frage, wer die Standards im Umgang mit Verbraucherschutzgütern setzt, da das eigentliche Problem die Souveränitätsidee ist, und nicht im Problemfeld selber liegt. Wie kann dann aber die Besonderheit des Problemfeldes Verbraucherschutz – nämlich das Ausbleiben einer gegenseitigen Anerkennung oder eine weitergehende Harmonisierung – erklärt werden? Da in anderen Politikfeldern wie im Falle des MRA durchaus gegenseitige Anerkennungen oder weitgehende Harmonisierungen erzielt wurden, bleibt offen, warum es im Verbraucherschutz zu keiner Einigung kam. Das Ausbleiben einer Verständigung legt die Vermutung nahe, dass nicht die Frage des „wer“ der Regulierung im Vordergrund steht, sondern vor allem die des „Was wird wie wird reguliert?“ So werden die stark divergierenden Einstellungen der Bevölkerung zu den erwähnten Fallbeispielen von der Globalisierungsthese zwar nicht unbedingt als irrelevant angesehen, auf der anderen Seite aber auch nicht in die Argumentation eingebunden. Für eine präzisere Erklärung des Konfliktes ist die Globalisierungsthese zu unspezifisch.
[...]
[1] G en m anipulierte O rganismen (Pluralabkürzung: GMOs) werden definiert als „technology used to isolate genes from an organism, manipulate them in the laboratory and inject them into another organism.“ OECD (1992): S. 211. Vgl. a. Richtlinie 90/220/EWG Art. 2 (II).
[2] Einen chronologischen Überblick bietet FAS (2000). Zum allgemeinen Überblick vgl. McNiel (1998). Vgl. a. Engels (1996): S. 13 ff.
[3] DES (Diethylstilbestrol) wurde 1954 in den USA zugelassen. Zum DES und seiner Regulierung in den USA vgl. Marcus (1994); McNiel (1998): S. 99; FSIS (2000).
[4] Das waren vor allem die Niederlande, Griechenland, Italien und Deutschland.
[5] Vgl. Richtlinie 88/146/EWG bzw. Richtlinie 96/22/EG und 88/299/EWG.
[6] Vgl. Vogel (1997): S. 17; Hanrahan (2000): S. 1. Das USDA errechnete einen ökonomischen Gewinn von 44.21 US-Dollar pro Tier bei Verwendung von Hormonen. Vgl. McNiel (1998): S. 100.
[7] Vgl. Hanrahan (2000): S. 2.
[8] Parallel zu den USA reichte auch Kanada Klage gegen die EU ein. Die Argumentation bezog sich vor allem auf die Artikel 1, 2, 3 und 5 SPS. Vgl. WTO (1997).
[9] Das WTO-Panel entschied im August 1997 eindeutig im Sinne der USA. Diese Position wurde allerdings durch den Bericht des Appellate Body vom Januar 1998 abgemildert. Vgl. WTO (1997, 1998).
[10] Vgl. Kommission (2000c); US Mission to the EU (2000). In diesem Zusammenhang wurde der Anschlag José Bovés auf eine McDonalds-Filiale in Frankreich bekannt. Bové wurde verhaftet und erlangte in globalisierungskritischen Kreisen innerhalb kurzer Zeit den Status eines Märtyrers.
[11] Vgl. Hanrahan (2000): S. 1. Der Unterschied zwischen Strafzöllen und Kompensationszahlungen betrifft vor allem die Möglichkeit für die EU, die Handelsquoten für hormonell unbehandeltes Fleisch aus den USA zu steigern. Der dadurch entstehende Handelszuwachs für die USA würde dann von den Strafzöllen subtrahiert. Obwohl die US-Industrie zunächst Interesse an der erhöhten Handelsquote hatte, kam dieser Ausgleich nicht zustande, da längerfristig die im Moment nicht sehr wahrscheinliche Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Banns bei gleichzeitiger Aufhebung der Strafzölle / Ausgleichszahlungen besteht. Angesichts dieser Unsicherheit nahm die Industrie Abstand von zusätzlichen Investitionen in die Produktion von „hormonfreiem“ Fleisch. Vgl. Hanrahan (2001): S. 3 und Kapitel 6.
[12] Vgl. US Mission to the EU (2000): S. 2.
[13] Zum Streitpotential vgl. Glickman, Secretary USDA (1999d): „[T]he coming battle over biotechnology and genetically modified organisms may just make beef hormones look like the minor leagues.“ S. 3. Vgl. Krenzler / MacGregor (2000): „[T]he potential dimensions of a transatlantic conflict on GMOs could make the EU / US beef hormones dispute pale in comparison.“ S. 288. Vgl. a. Pollack / Shaffer (2001): S. 25. Der Hauptgrund für das Zögern der USA ist vor allem in der schlechten Verfassung der WTO und der seit dem Cartagena-Protokoll unsicheren Gewinnerwartung zu sehen. Vgl. a. Aaron, Under Secretary of Commerce (2000): S. 2. Das Cartagena-Protokoll, dessen Status zum WTO-Regime äußerst umstritten ist, stärkt durch die Erwähnung des Vorsorgeansatzes die Verhandlungsposition der EU im GMO-Streit (vgl. Kapitel 2.1.2 und 2.2). Zum Rechtstreit über das Verhältnis von Protokoll und WTO vgl. PP 7, 8, 9, 10 des Protokolls und Krenzler / MacGregor (2000): S. 313.
[14] Vgl. Richtlinie 90/220/EWG. Vgl. a. Richtlinie 2001/18/EG. Auffällig ist, dass die Kommission dieses de facto-Moratorium bisher nicht in ein dauerhaftes Moratorium umgewandelt hat. Ein Grund dafür dürfte die strategische Verhandlungsposition gegenüber den USA sein. Angesichts des geschlossenen Widerstandes der Mitgliedstaaten kann die Kommission so in vermittelnder Rolle gegenüber den USA auftreten. Vgl. a. die Two Level Game-These von Putnam (1988, 1993). Diese Strategie weitete den Handlungsspielraum der Kommission allerdings nur minimal aus. Vgl. a. Quintillán (1998): „Concern over trade relations is one of the main reasons why the Commission and EU governments have not explicitly established a European-wide temporary freeze on the approval and marketing of crops containing GMOs.“ S. 186.
[15] Vgl. Pollack / Shaffer (2001): S. 18f.
[16] Vgl. Pollack / Shaffer (2001): S. 23.
[17] Hier sind vor allem die „Novel Food“-Verordnung 258/97/EG Art. 8 und Verordnung 1139/98/EG relevant. Vgl. a. Kapitel 2.2. Die Kennzeichnungsregeln sind allerdings angesichts des de facto-Moratoriums im Moment nicht das Hauptproblem der USA.
[18] Vgl. Quintillán (1999): S. 183. Vgl. a. IFST (1998b).
[19] Vgl. Times (12.08.1999). Zur ebenfalls heftigen europäischen Reaktion vgl. Bureau of National Affairs (22.09.1999). Vgl. a. Krenzler / MacGregor (2000): S. 287 f.
[20] Vgl. Glickman (1998, 1999a, 1999g, 1999f); Scher, Special Negotiator for the US Trade Representative (1999b); Schumacher, Under Secretary for Farm and Foreign Agricultural Service USDA (1999); Barshefsky, US Trade Representative (1999); Revelt, Agriculture Minister Counselor at the US Mission to the EU (1998): S. 4; Europäisches Parlament (1999b). In den USA drängte vor allem die Industrie zur Einschließung der GMOs in die WTO-Verhandlungen, um so den internationalen Druck auf die EU zu erhöhen und letztlich die Öffnung des europäischen Marktes für GMO-Produkte zu erzwingen. Vgl. Hall (Vertreter der American Farm Bureau Association) in House of Representatives (1999b): S. 54. Die Clinton-Administration wählte jedoch zunächst eine weniger konfrontative Strategie, um die absehbaren Probleme des Seattle-Gipfels nicht zu verschärfen. Vgl. Kapitel 6.
[21] Zur Defintion von Rohmilch vgl. für die EU Richtlinie 92/46/EWG: Art. 2 bzw. für die USA Code of Federal Regulations: 7 CFR 58.439. Vgl. a. Vermont Cheese Council (2000b, 2000c).
[22] Vgl. Vermont Cheese Council (2000a): S. 2.
[23] Vgl. IFST (1995) und (1998a) Das gilt vor allem für Listeria monocytogenes, Campylobacter aureus, Salmonella Enteridides sowie Escherichia Coli-Bakterien.
[24] Diese Fälle betreffen u.a. die Schweiz (1983-1987, 31 Todefälle, vermuteter Träger: Mont d´Or-Käse); Österreich (1986, 5 Todesfälle, vermuteter Träger: nicht pasteurisierte Milch); Frankreich (1995, 4 Todesfälle, vermuteter Träger: Brie de Meaux-Käse); Montana (1979, 3 Todesfälle, vermuteter Träger: Käse); Kalifornien (1985, 48 Todesfälle, vermuteter Träger: „mexican style“-Rohmilchkäse), Pennsylvania (1986-1987, 16 Todesfälle, vermuteter Träger: Brie-Käse). Vgl. FDA (2001); IFST (1995): S. 1. Rohmilchkäse-Befürworter bezweifeln allerdings die Zusammenhänge zwischen den Todesfällen und dem Käse. Vgl. Wheelock (1997); zu früheren Fällen Darlington (1947).
[25] Vgl. Verordnung 2081/92/EWG. Geschützte geografische Angaben sind der Definition des Art. 22 TRIPS zufolge „indications which identify a good as originating in the territory or a region or locality in that territory, where a given quality, reputation or other characteristics of the good is essentially attributable to its geographical origin.“ Vgl. Kommission (2000g). In Europa sind 137 Käsesorten durch eine geschützte Ursprungsbezeichnung privilegiert.
[26] Zum Codex Alimentarius vgl. Merkle (1994).
[27] Vgl. Codex Alimentarius Commission (2000): S. 9.
[28] Der Milk Code-Vorschlag löste 1997 die Verhandlungen um den Proposed Draft of Hygienic Practice for the Manufacture of Unripened Cheeses and Ripened Soft Cheese ab, dessen Regelungsbereich in den Milk Code-Verhandlungen integriert wurde. Vgl. CSPI (1997a): S. 8; Stoffers (2000): S. 14.
[29] Vgl. Stoffers (2000): S. 21.
[30] Zum Handlungsbegriff vgl. Jachtenfuchs (1995).
[31] Grundlegend: Waltz (1959). Vgl. a. Waltz (1979).
[32] Vgl. Kapitel 2.3.
[33] Zur ausführlichen Darstellung vgl. Kapitel 5.1.
[34] Zur ausführlichen Darstellung vgl. Kapitel 5.2.
[35] Die Auswahl der Fallbeispiele ist vor allem durch den Rahmen dieser Arbeit beschränkt. Die gleichen Konfliktlinien ließen sich auch in den Konflikten über rBST-Milch, ionisierte Lebensmittel, traditionell getrocknetes Fleisch oder natürliches Mineralwasser nachweisen. Zu ionisierten Lebensmittel vgl. Echols (1998): S. 538; Richtlinie 79/112/EWG; Richtlinie 89/395/EWG; 62 Federal Register 64, 107. Zum Mineralwasser-Fall vgl. Richtlinie 80/777/EWG; 60 Federal Register 57,076.
[36] Die beiden Akteure des Konfliktes sind die USA und die EU. Der Akteursstatus der EU ist im Handelsbereich mittlerweile etabliert. Zum Aspekt einer gesamteuropäischen Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang vgl. Featherstone / Ginsberg (1996): S. 53 ff. Vgl. a. Schlesinger (1994); Eder / Hellmann / Trenz (1998): S. 326; Fuchs (2000): S. 28; Eder (1999); Gerhards (1993); Offe (1998): S. 109 ff; Baums (2000).
[37] Vgl. Fn. 31.
[38] Die dritte Debatte setzt sich mit konstruktivistischen Ansätzen auseinander. Vgl. Lapid (1989); Weaver (1996); George, J. (1989). Zum Begriff des Konstruktivismus in der IB-Theorie vgl. Onuf (1989).
[39] Einen Konstruktivismus gibt es nicht. Die Konzepte und Methoden sind äußerst vielfältig und reichen von eher konventionellen bis hin zu postmodernen, linguistisch orientierten Ansätzen. Eine umfassende Darstellung reflexiver Ansätze bieten Jachtenfuchs (1995); Jacobsen (1995); Yee (1996) und Schaber / Ulbert (1994). Der hier vertretene Ansatz rechnet sich, sowohl methodisch als auch wissenschaftstheoretisch, den „konventionellen“ konstruktivistischen Ansätzen zu, d.h. er orientiert sich epistemologisch und methodisch eher an rationalistischen als an postmodernen Theorien, ontologisch hingegen geht er über rationalistische Ansätze hinaus.
[40] Vgl. Perez (1998); Quintillán (1999); Charnovitz (1994, 2000). Vgl. a. Josling (1993); Anderson (1994); Calster (2000); Bach (1999). Zur Wirkung auf Drittstaaten vgl. Paarlberg (2000); Runge / Senauer (2000).
[41] Vgl. Vogel (1997).
[42] Vgl. Echols (1998); Pollack / Shaffer (2000, 2001).
[43] Stellvertretend für dieses neue Interesse sei das Risikoprojekt der Arbeitsstelle Transatlantische Sicherheits- und Außenpolitik des Otto-Suhr-Instituts genannt. Vgl. Daase (1999); Friesendorf (2001).
[44] Vgl. Ulbert (1997a, 1997b). Vgl. a. Jetschke / Liese (1998); Jachtenfuchs (1995): S. 420.
[45] EU-US Biotechnology Consultative Forum (2000): S. 8. Das Forum, bestehend aus insgesamt 20 Experten aus Gebieten wie Naturwissenschaften, Recht, Ethik, Konsumentenschutz, Landwirtschaft und Industrie, wurde im Mai 2000 von Prodi und Clinton begründet. Hauptziel war zunächst die Definition einer gemeinsamen Basis im GMO-Bereich, um daran anschließend die Positionen im Konflikt zu präzisieren. Der Abschlussbericht erschien im Dezember 2000. Vgl. a. EU-Kommissar für Verbraucherschutz Byrne in Europäisches Parlament (1999c): „Die EU und die Vereinigten Staaten haben gemeinsame Ziele, wenn es darum geht, zu gewährleisten, dass Lebensmittel sicher sein sollen.“ S. 13.
[46] Vgl. Vargo, Acting Assistant Secretary of Commerce for Market Access and Compliance, in House of Representatives (1998a): S. 10.
[47] Das Vorsorgeprinzip definiert Rayner (1992) als „supporting extensive investments against the possibility of a significant negative outcome.“ S. 109. Zum europäischen Vorsorgeprinzip bei neuen Technologien vgl. die „Communication on the Precautionary Principle“ Kommission (2000b) und EU-Kommissar für Handel Pascal Lamy in Europäisches Parlament (1999b). Die „Communication“ betont, dass sich das Vorsorgeprinzip nicht auf die Umsicht der Wissenschaftler bei der Sammlung der Daten bezieht, sondern ausdrücklich auf das Risikomanagement. Vgl. Kommission (2000b): S. 3.
[48] Proof first-Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass die „strategy of avoiding unnecessary opportunity costs“ im Vordergrund steht. Vgl. Rayner (1992): S. 109; Josling (1993): S. 566.
[49] Vgl. die vom State Department und der Kommission herausgegebenen „Sündenregister“, die jeweils die vorgeworfenen Verstöße gegen den Freihandel und den daraus entstandenen Schaden für die eigene Ökonomie auflisten. Vgl. USTR (2001); Kommission (2000h); Ernst and Young (2000).
[50] Vgl. Rominger, Deputy Secretary of Agriculture (2000): „Many biotechnology critics rightly or wrongly want the government to certify that new products are zero-risk before they come to the marketplace. Unfortunately, this isn´t a zero risk world. Even traditional farming practices and traditional ways are not without risks, and they only increase as world population grows. We know we need to do better.“ S. 2.
[51] Vgl. Scher (1999a): S. 4.
[52] Zentral ist das „familiarity criterion“, mit dem die prinzipielle Gleichheit von genmanipulierten und konventionellen Produkten festgestellt wird. Vgl. a. McCammon, Science Advisor APHIS (1999b).
[53] Für die Industrieseite vgl. Dykes (Monsanto) in House of Respresentatives (1998a): S. 33.
[54] Vgl. u.a. EU-Kommissar Byrne in Europäisches Parlament (1999a): S. 29; Byrne (2001a). Vgl. a. Kapitel 5.1.2.1 und 5.1.2.2
[55] Vgl. u.a. Byrne in Europäisches Parlament (1999a): S. 11.
[56] Vgl. MdEP Graenitz in Europäisches Parlament (1997a): S. 22; MdEP Lannoye in Europäisches Parlament (1999f): S. 227; MdEP Breyer in Europäisches Parlament (1999f): S. 228.
[57] Vgl. Mowbray, FDA Policy Analyst (2001): „The agency would rather prevent an outbreak from occuring than respond to the problem after the fact.“ S. 6. Vgl. a. Stoffers (2000): S. 27.
[58] Vgl. Fn. 24.
[59] Kummer (2000).
[60] Vgl. Stoffers (2000): S. 20 f.
[61] Denman (1989): S. 1.
[62] Vgl. Shaw (2000): S. 1.
[63] Vgl. Kelly / Thompson (2000): S. 1. Vor dem Verbot wurden in den USA wurden insgesamt drei Fälle (mit jeweils mehreren Krankheits- oder Todesfällen) bekannt, die auf Rohmilchkäse zurückgeführt werden. Im gleichen Zeitraum wurden 237 Fälle bekannt, die auf Meeresfrüchten, 170 auf Eiern, 91 auf Fleisch und 82 auf Gemüse / Obst zurückgeführt werden. Vgl. Smith DeWaal (2000): S. 2.
[64] Vgl. FDA (2001): S. 7.
[65] Vgl. Stoffers (2000): S. 3.
[66] Vgl. Glickman (1999b): „There is no legitimate reason for the EU´s unfair restriction on free trade.“ Vgl. a. Glickman (1999a, 1999d); US Mission to the EU (2000). Für synthetische Hormone stellten die FDA „NOEL“ fest („No observed effect level“). Vgl. McNiel (1998).
[67] Vgl. Aaron (2000): S. 2; Glickman (2000a): S. 1-2; Schumacher in House of Representatives (1999b): S. 12.
[68] Vgl. u.a. Larson, Under Secretary of State (2000): S. 3; Abg. Gilman in House of Representatives (1998a): S. 7.
[69] Vgl. u.a. Schumacher in House of Representatives (1999b): S. 11.
[70] Vgl. MdEP Kronberger in Europäisches Parlament (1997a): S. 22; MdEP Santini in Europäisches Parlament (1995): S. 159 f. Vgl. a. Kapitel 5.2.2.
[71] Vgl. Delegation of the European Commission to the United States (1997); Insight Report (2000); TIA (o.A.); Europe Business News (28.01.2001); Egan (2001): S. 10 ff. Vgl. a. die Debatte um die „Second Pillar“ der transatlantischen Beziehungen, die mit Programmen wie Neue Transatlantische Agenda (NTA: 1995) und Transatlantic Economic Partnership (TEP: 1998) institutionalisiert wurde. Als weiteres Beispiel kann hier das US-EU Veterinary Agreement (Juni 1999) gelten. Vgl. Oudendaren (1996); Reinicke (1996); Bail / Reinicke / Rummel (1997); Denton (1999); Hindley (1999); Frost (1998); Stoffers (2000): S. 28.
[72] Vgl. Berg (American Soybean Association) in House of Representatives (1998a): „[T]he Administration needs to engage the EU in an effort to reach agreement to recognize each others´ procedures for approving and commercializing biotech crops and products. We hope the Administration plans to include negotiation of mutual recognition agreements on biotech products as a priority in the US-EU bilateral talks currently being considered.“ S. 30. Vgl. a. Kapitel 6.
[73] Vgl. EU-Kommissar Pascal Lamy in Europäisches Parlament (1999b): „Nonetheless, our interpretation remains that of no proof, no go-ahead. We must stick to this position, even though it may mean paying the price resulting from persistent ambiguity, as is currently the case, sadly, with the issue of hormone beef.“ S. 7 und „Our opinions on agriculture, on culture, on the audiovisual sphere and on the precautionary principle are not up for discussion.“ S. 13. Vgl. a. Europäisches Parlament (1999d).
[74] Das Verbraucherschutzrecht der EU beruht auf ca. 200 Rechtsakten. Primärrechtlich war der Konsumentenschutz lange Zeit schwach verankert, da sich in den römischen Verträgen oder der Einheitlichen Europäischen Akte kein expliziter Hinweis auf ihn fand. Der Verbraucherschutz etablierte sich vielmehr durch ständige Praxis, die sich seit Mitte der 70er Jahre durch den Sog des Binnenmarktes entwickelte. Erst im Vertrag von Maastricht erscheint der Hinweis auf den Verbraucherschutz als Teil der gemeinsamen Politik. Vgl. Art. 3 (s) (Art. 3 (t) nach Amsterdam) des Maastrichter Vertrages. Vgl. a. Schenek (1995): S. 104. Zuständig für die Ausführung des Verbraucherschutzes ist das Generaldirektoriat für Gesundheit und Konsumentenschutz (ehem. DG XXIV). Die Untersuchung beschränkt sich auf den Lebensmittelbereich („Food“). Der Futtermittelbereich („Feed“) wird ausgeblendet.
[75] Vgl. Gormley (1998): S. 1104 ff. Vgl. a. Richtlinie 92/47/EWG.
[76] Vgl. Vermont Cheese Council (2000c): S. 1.
[77] Vgl. Vermont Cheese Council (2000c): S. 7.
[78] Zur Definition des Begriffes vgl. Artikel 2 (1) der Richtlinie 90/220/EWG.
[79] Das Pendant zur Freisetzungsdirektive ist die sogenannte Systemdirektive 90/219/EWG, welche die Verwendung von GMOs in geschlossenen Systemen regelt.
[80] Der Zulassungsvorgang wird in Art. 11 der Direktive 90/220/EWG beschrieben. Vgl. Kommission (2000d): S. 3; Schenek (1995): S. 212.
[81] Der Zulassungsantrag muss umfassende Informationen über das Produkt und eine Risikoabschätzung sowie Notfallpläne enthalten. Vgl. Richtlinie 90/220/EWG: Annex I und II.
[82] Die zuständige Behörde muss den Antrag innerhalb von 90 Tagen bearbeiten und dem Antragsteller mitteilen, ob die Freisetzung gestattet wird. Bewilligt der Mitgliedstaat den Antrag, leitet er eine Zusammenfassung des Antrages (Summary Notification: SNIF) innerhalb von 30 Tagen an die Kommission weiter, die diesen an die anderen Mitgliedstaaten weitergibt. Stimmen diese zu, lässt die Behörde, an die der Antrag ursprünglich gestellt wurde, die Freisetzung für das gesamte EU-Gebiet zu. In diesem Fall beschränkt sich somit die Rolle der EU-Institutionen auf das Weiterreichen des Dossiers. Lediglich bei Einwänden durch einen der Mitgliedstaaten fällt die Entscheidung auf der EU-Ebene. Die Kommission konsultiert die wissenschaftlichen Komitees und bringt gemäß Art. 21 der Freisetzungsdirektive einen Vorschlag vor das Regulierungskomitee, welches aus Abgesandten der Mitgliedstaaten besteht. Kann im Regulierungskomitee keine Einigung erzielt werden, entscheidet der Europäische Rat mit qualifizierter Mehrheit innerhalb von drei Monaten. Nach Ablauf dieser Frist liegt die Entscheidung nach Artikel 21 der Richtlinie 90/220/EWG bei der Kommission. Besondere Aufmerksamkeit erlangten die in Richtlinie 90/220/EWG vorgesehenen „vorläufigen Maßnahmen“. Artikel 16 der Freisetzungsdirektive sieht die Möglichkeit eines vorläufigen Banns über Lebensmittel vor, falls ein Mitgliedsstaat der EU „justifiable reasons“ hat, in den GMO-Produkten eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt zu sehen. Das seit März 1998 bestehende de facto-Moratorium beruht auf einer vorläufigen Maßnahme. Den ersten Bann erließ Österreich 1997 als Reaktion auf die Entscheidung der Kommission, eine Bt-Maissorte zuzulassen, gefolgt von Luxemburg. Deutschland schloss sich im Februar 2000 an. Vgl. Financial Times (10.03.2000). Nachdem sich das Regulatory Committee nicht einigen konnte, legte die Kommission nach Konsultation mit dem Scientific Committee dem Europäischen Rat den Vorschlag der Aufhebung des Banns vor. Im Rat fand sich eine qualifizierte Mehrheit, die jegliche weitere Zulassungen ablehnte. Im Mai 1999 beschloss die Kommission alle sich im Verfahren befindlichen Zulassungsprozesse auszusetzen. Vgl. a. Krenzler / MacGregor (2000): S. 292 ff.
[83] Vgl. Richtlinien 97/35/EG und Verordnung 1139/98/EG. Ausgenommen vom Labelling sind lediglich unabsichtliche Verunreinigungen unter einer Schwelle („threshold“) von 1%. Vgl. Verordnung 49/2000/EG.
[84] Vgl. die betreffende Novel Food-Verordnung 258/97/EG. Vgl. a. Verordnung 50/2000/EG.
[85] Zur Prozessorientierung der EU vgl. Kommission (2000b): S. 6.
[86] Grundlegend dazu FDA (1992a): „Under this policy, foods, such as fruits, vegetables, grains, and their byproducts, derived from plant varieties developed by the new methods of genetic modification are regulated within the existing framework of the act, FDA´s implementing regulations, and current practice, utilizing an approach identical in principle to that applied to foods developed by traditional plant breeding.“ S. 22984. Damit sind hier vor allem der FPPA und FPQA relevant. Die Position von 1992 bestätigte die FDA 2001 in ihrer Revision (vgl. 66 Federal Register 4706; 4839). Vgl. a. USDA (2001): S. 31; Krenzler / MacGregor (2000): S. 198.
[87] Den Kern bilden USDA, FDA und EPA. USDA („safe to grow“) ist zuständig für den Veterinärbereich (APHIS) und Pflanzen, EPA („safe for environment“) für Pestizide und neu entwickelte Mikroorganismen. Die FDA („safe to eat“) ist verantwortlich für Lebensmittel, Fütterungsmittel, Nahrungsmittelzusätze und Pharmazeutika (sowohl im Veterinär- als auch im menschlichen Bereich). Vgl. a. Hohmeyer / Hüsing / Maßfeller / Reiß (1994); APHIS (o.A.); Vogt (1999); USTR (1998); Giddings (1990); Gibbs / Cooper / Mackler (1987).
[88] Vgl. Hohmeyer / Hüsing / Maßfeller / Reiß (1994): S. 52.
[89] Vgl. Echols (1998): S. 537; FDA (1992a).
[90] Die Produktorientierung wurde im Coordinated Framwork for Regulation of Biotechnology von 1986 niedergelegt. Vgl. OSTP (1986). Vgl. a. FDA (1992a): „[T]he method by which food is produced or developed may in some cases help to understand the safety or nutritional characteristics of finished food. However, the key factors in reviewing safety concerns should be the characteristiscs of the food product, rather than the fact that the new methods are used.“ S. 22984. Vgl. a. Hohmeyer / Hüsing / Maßfeller / Reiß (1994): „Die Tatsache allein, dass ein Produkt mit Hilfe gentechnischer Methoden produziert wird, begründet nach dieser Philosophie keine von anderen Produktionsprozessen abweichende Überwachungs- oder Genehmigungspraxis.“ S. 51. Die Produktorientierung im amerikanischen Regulierungsprozess wurde 1994 von der EPA in Frage gestellt, als diese für die Behandlung von GMOs mit biotechnologisch zugeführten Resistenzen gegen Schädlinge eine Registrierungspflicht einführen wollte. Dies sollte durch die Schaffung der Kategorie der „Plant Pesticides“ erreicht werden, die unter die Jurisdiktion des FIFRA und somit der EPA fallen würde. Der Entwurf scheiterte jedoch an der heftigen Gegenreaktion von Industrie, Kongress und USDA / FDA / NSA, welche der Kategorie der „Plant Pesticides“ die „Wissenschaftlichkeit“ absprachen. Vgl. House of Representatives (1999a); CAST (1998); EPA (1996); OTA (1992): S. 13; USDA (2001): S. 31.
[91] „Prozessblindheit“ und „Indifferenz“ sind hier nicht wertend gemeint, sondern beschreiben den Fokus der USA bei der Regulierung von Lebensmitteln. Zur eingehenderen Diskussion vgl. Kapitel 5.1.3.
[92] Vgl. International Dairy Foods Association vs Amestoy. 92 F. 3d67, 71-74. (2nd Cir 1996). Vgl. FDA (1992a): S. 22991. Vgl. a. Krenzler / MacGregor (2000): S. 301.
[93] Vgl. FDA (1992a): S. 22991. Die Kennzeichnung von Lebensmitteln ist in den USA im Fair Package and Labelling Act (15 USC 1451-1461) geregelt. Vgl. a. Krenzler / MacGregor (2000): S. 301.
[94] Vgl. CFR Title 21, Part 1240, Section 61; CFR Title 21, Part 133, Section 113.
[95] Vgl. CFR Title 21, Part 133, Section 113. Innerhalb dieser Zeitspanne und diesen Temperaturen stirbt ein Großteil der für den Menschen potentiell gefährlichen Bakterien ab.
[96] Vgl. Cimons (2001), Kummer (2000).
[97] Vgl. Kerr (1999): „[A]s transgenics are improvements to technical efficiency, they will confer a competitive advantage to those firms which are allowed to use transgenics relative to those who are not. Hence, an exporting firm in a country which has approved the use of a transgenic product will always perceive that trade regulations put in place to limit market access for their product in countries where the transgenic product has not been approved will provide existing firms in the non-approving country with protection.“ S. 252. Vgl. a. Gottweis (1998): S. 325.
[98] Vgl. Josling (1993): S. 565.
[99] Vgl. Gottweis (1998): S. 166.
[100] Vgl. Schaber / Ulbert (1994).
[101] Vgl. Runge / Senauer (2000): S. 45.
[102] Zum TBT-Abkommen vgl. Krenzler / MacGregor (2000): S. 311 ff. Welche Fälle das SPS-Abkommen abdeckt, ist umstritten. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass GMOs nicht darunter fallen und deswegen unter dem TBT-Abkommen zu verhandeln wären. Vgl. Charnovitz (2000): S. 2 ff. Dieser Meinung hat sich indirekt auch die US-Regierung angeschlossen, in dem sie die Integration der GMOs in das SPS für die nächste WTO-Handelsrunde fordert. Vgl. Trade and Development Act (2000): Sektion 409 (b) (4) und Fn. 14.
[103] Angesichts der dominierenden Stellung der US-Unternehmen im GMO- und Hormonfleisch-Bereich wirken auch diese undifferenzierenden Maßnahmen diskriminierend. Dennoch kann die Protektionismusthese nicht erklären, warum die EU keine mittel- und langfristige Strategie entwickelt, die eigenen Industrien zu unterstützen.
[104] Die Kohärenz von Gesundheitsstandards wird in Artikel 5.5 des SPS-Vertrages gefordert. Im Hormonstreitfall widersprach der Appellate Body Report dem Panel und stellte die Kohärenz der EU-Position fest. Vgl. WTO (1998): § 245. Vgl. a. Calster (2000): S. 30; Quintillán (1999): S. 167 ff; Economist (07.01.1989): S. 35. Für eine Differenzierung zwischen in- und ausländischen Firmen sprachen sich neben der europäischen Industrie auch einzelne Abgeordnete des Europäischen Parlamentes aus. Vgl. MdEP Cabrol in Europäisches Parlament (1997a): „... bitte ich die Kommission inständig, zum einen (...) die Einfuhr gentechnisch veränderter Erzeugnisse zu verbieten und zum anderen das Inverkehrbringen einer gewissen Menge von Produkten zu genehmigen, die mit allen notwendigen Vorkehrungen innerhalb der Europäischen Union erzeugt wurden, damit wir nicht in dramatischer Weise gegenüber Drittstaaten benachteiligt werden.“ S. 14.
[105] Vgl. Vogel (1997): „It was not the EU cattle ranchers who urged the EU to ban the use of hormones to keep out American products. In fact many cattle farmers in the EU strongly opposed such a ban. Neither European food retailers nor food processors stand to gain a competitive advantage by insisting labelling food produced from genetically engineered crops. (...) Moreover, many European firms have been as critical of the EU´s eco-labelling programs as have foreign producers.“ S. 58.
[106] Der TABD wurde 1995 durch die NTA ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist vor allem die gegenseitige Anerkennung von Regulierungsverfahren und -zertifikaten.
[107] Vgl. Schumacher in House of Representatives (1999b): „I think the issue is Europe. (...) Their biotech approval process, their engine is frozen. We do not see the oil yet to unlick that engine in Europe. We are looking through the TABD Dialogue.“ S. 17.
[108] Vgl. Vogel (1997): S. 59. Dieses Argument verwendete auch die europäische GATT-Delegation zu ihren Gunsten. Vgl. International Trade Reporter (15.12.1989): S. 197.
[109] Die Problematik der meisten empirischen Umfragen ist die Ungenauigkeit des Gentechnologiebegriffes, da es sich um eine Querschnittstechnologie handelt. Eurobarometer (2000) stellte bezüglich der Einstellungen der Europäer zu GMO-Lebensmitteln bei einer Skala von 1 (negativ) bis 3 (positiv) einen Wert von 1.78 fest. Im Vergleich zu anderen Anwendungen ist dies der mit Abstand niedrigste Wert. Nach Hampel (2000) schätzen 60% der Europäer die Verwendung von GMOs in Lebensmitteln als hohes Risiko ein, nur 6% halten dies für risikolos. Vgl. S. 17. USDAs Übersicht (2001) zeigt Zustimmungen zu GMOs in Lebensmitteln mit Werten um die 70%. Vgl. a. Wirthlin Group Quorum Surveys (2000); Hampel / Renn (1999); Braun (o.A.); Gaskell (2000); Koschatzky / Maßfeller (1996); Lemkow (1993); Schulte / Käppeli (1997); Peters (1999).
[110] Vgl. Financial Times (27.04.1992): S. 2.
[111] Vgl. Stewart / Johanson (1999): S. 265; Pollack / Shaffer (2000): S. 41; Pollack / Shaffer (2001): S. 19; Agra Europe (08.03.1996): S. E8.
[112] Zur inneramerikanischen Debatte vgl. CDC (1983); FDA (1987); Smith DeWaal (2000); CNN.COM (27.09.2000); Cimons (2001); Rose (2001); Vermont Cheese Council (2000a, 2000b, 2000c); CSPI (1997a; 1997b); American Cheese Society (2000).
[113] Vgl. die Anhörungen des Repräsentantenhauses: Smith DeWaal (2000); CSPI (1997a, 1997b).
[114] Vgl. Kahler (1995): S. 59; Egan (2001): S. 1.. Vgl. a. Vogel (1997): S. 4.
[115] „[O]ne´s jurisdiction regulations can have significant implications on the other´s domestic market. (...) We find an increasing potential for transatlantic regulatory conflict, and an increasing demand for transatlantic regulatory cooperation.“ S. 1. Vgl. a. Bergsten (1999); Peterson (1996); Eichengreen (1997); Fröhling / Rauch (1994).
[116] Vgl. Eizenstat (1999): S. 2.
[117] Zur Ausweitung der internationalen Agenda vgl. Kahler (1995): S. 59.
[118] Vgl. Beisheim u.a. (1999): S. 18 und 20.
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