Wir leben heute in einer Gesellschaft in der berufliche und soziale Positionen vorwiegend aufgrund von Leistung vergeben werden. Diese Leistung eines jeden aber wird durch Prüfungen ermittelt. Die Leistungsergebnisse sind dann von wesentlicher Bedeutung, welche beruflichen Einstiegs- und Aufstiegschancen ein Mitglied dieser Gesellschaft hat.
Dabei ist in leistungs- und konkurrenzorientierten, individualisierten Gesellschaften „Angst“ wohl als zentrales Element menschlicher Befindlichkeit anzusehen. Zu vermuten ist auch, dass Ängste entscheidenden Einfluss auf menschliches Handeln und auf seine Leistungsfähigkeit und damit auch Folgen für die kollektive Produktivität einer Gesellschaft nehmen können.
Da Lehrer auf Angstgefühle ihrer Schüler als Ursachenfaktor für Lern- und Prüfungsprobleme achten sollen, ist es deshalb notwendig, sich mit dem Phänomen der Angst im Kontext der Schule zu befassen. Deshalb muss die Frage nach den Ursachen von Prüfungsangst gestellt werden: Welches sind die auf Schülerseite wesentlichen Voraussetzungen der Entstehung von Angst? Wie äußern sich diese und welche Folgen können sie haben? Antworten auf diese Fragen sind grundlegend zur Klärung des Verhältnisses von Prüfungsangst und Schulleistung wichtig.
Aus diesem Grunde soll in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen werden, die Ursachen von Prüfungsangst in Leistungssituationen mit Hilfe der Kausalattributionstheorie unter Bezugnahme auf die Theorie der Leistungsmotivation darzustellen. Da allgemein Einigkeit darüber herrscht, dass die Leistungsfähigkeit des Schülers ganz entscheidend von der Person des Lehrers mitgeprägt wird, sollen im Anschluss an die Darstellung der Ursachen von Prüfungsangst Möglichkeiten entwickelt und erörtert werden, mit denen ein Lehrer diesem Phänomen wirksam begegnen kann.
Inhaltsverzeichnis
- I. PROBLEMSTELLUNG
- II. DAS PHÄNOMEN DER ANGST UND PRÜFUNGSANGST
- 1. Definitionen
- 2. Die Trait- und State-Komponente der Angst
- 3. Das Phänomen der Prüfungsangst
- III. MODELLE ZUR ERKLÄRUNG DER URSACHEN VON ANGST
- 1. Das kognitive Angstmodell
- 2. Die attributionale Theorie des Verhaltens
- IV. DIE ERKLÄRUNG VON PRÜFUNGSANGST UNTER DEM ASPEKT DER KAUSAL-ATTRIBUTIERUNGSTHEORIE
- 1. Die „naive Handlungstheorie“ von Heider
- 2. Mit Attributionen assoziierte Informationsmuster
- 3. Die Weiterentwicklung des Heider-Modells durch Weiner
- 3.1. Stabilität als Ursachendimension
- 3.2. Kontrollierbarkeit als Ursachendimension
- 4. Prüfungsangst im Leistungskontext
- 4.1. Stabilitätsdimension und Erwartungsänderungen
- 4.2. Die Lokationsdimension: Selbstwertbezogene Gefühle und Leistungsmotivation
- 4.3. Kontrollierbarkeit und interpersonelle Urteile
- 4.4. Zusammenfassung
- V. HANDLUNGSKONSEQUENZEN FÜR DEN LEHRER
- 1. Die state-Komponente der Prüfungsangst
- 2. Die trait-Komponente der Prüfungsangst
- 2.1. Wahrnehmung von fähigkeits- und zufallsabhängigen Aufgabensituationen
- 2.2. Attribution auf mangelnde Fähigkeit
- 2.3. Wahrnehmung von Kontrollierbarkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der Prüfungsangst und untersucht dessen Ursachen und Folgen für die Schulleistung. Mit Hilfe der Kausalattributionstheorie, insbesondere der Theorie von Weiner, werden die zugrundeliegenden motivationstheoretischen Mechanismen beleuchtet. Das Ziel der Arbeit ist es, ein tieferes Verständnis für die Entstehung von Prüfungsangst zu entwickeln und Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte zu erarbeiten, um dem Phänomen effektiv begegnen zu können.
- Die Definition und Charakterisierung von Angst und Prüfungsangst
- Die Rolle von Attributionen im Kontext von Leistungssituationen
- Der Einfluss von Prüfungsangst auf die Schulleistung und Lernmotivation
- Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte im Umgang mit Prüfungsangst
- Die Bedeutung der Kontrollierbarkeit und Stabilität von Leistungsergebnissen für die Entstehung und Bewältigung von Prüfungsangst
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Problematik der Prüfungsangst, die im Kontext der Leistungsgesellschaft und der Bedeutung von Prüfungen für berufliche und soziale Positionen beleuchtet wird. Die folgenden Kapitel befassen sich mit der Definition von Angst und Prüfungsangst sowie der Unterscheidung zwischen Trait- und State-Komponente. Es werden verschiedene Modelle zur Erklärung der Ursachen von Angst vorgestellt, darunter das kognitive Angstmodell und die attributionale Theorie des Verhaltens.
Im Kern der Arbeit steht die Analyse der Entstehung von Prüfungsangst unter dem Aspekt der Kausalattributionstheorie. Die Arbeit beleuchtet die "naive Handlungstheorie" von Heider und deren Weiterentwicklung durch Weiner. Es werden die Dimensionen der Stabilität und Kontrollierbarkeit von Leistungsergebnissen sowie deren Einfluss auf die Erwartungsänderungen, Selbstwertgefühle und Leistungsmotivation untersucht. Darüber hinaus wird der Einfluss von Prüfungsangst auf interpersonelle Urteile und die daraus resultierenden Handlungskonsequenzen für den Lehrer erörtert.
Schlüsselwörter
Prüfungsangst, Kausalattributionstheorie, Leistungsmotivation, Attribution, Stabilität, Kontrollierbarkeit, Selbstwert, Schulleistung, Lehrerrolle, Handlungsempfehlungen.
- Quote paper
- Dr. rer. pol. Michael Ruf (Author), 2001, Prüfungsangst - Zur Beschreibung und Erklärung eines pädagogisch-psychologischen Konstrukts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72926