Diese Arbeit soll sich in erster Linie mit Erving Goffman’s Buch „Das Individuum im öffentlichen Austausch“ beschäftigen. Es sollen einige der Kernpunkte seines Buches erörtert und diskutiert werden. Zusätzlich werden die (vom Soziologen Nick Crossley genannten) Begriffe der „Körpertechniken“ (Body Techniques, Anm. des Autors) und der Zwischenleiblichkeit (Intercorporeality, Anm. des Autors) auf das oben genannte Buch von Goffman bezogen werden. Es soll versucht werden, diese beiden soziologischen Begriffe in Goffman’s Text wieder zu finden, und mit ihrer Hilfe Goffman’s Text neu auszulegen. Dabei werden auch Vergleiche zwischen Goffman, Merleau-Ponty und Mauss angestellt werden, da auch diese beiden Autoren sich mit den Begriffen Körpertechniken und Zwischenleiblichkeit auseinander gesetzt haben. Es soll gezeigt werden, dass es nur Goffman gelingt, diese Begriffe in ausreichendem Maße auszudifferenzieren, und außerdem sollen einige Kritikpunkte zu den Ansichten von Mauss und Merleau-Ponty offen gelegt werden. Zum Schluss der Arbeit folgt eine zusammenfassende Diskussion, in der es vor Allem darum gehen wird, in wiefern sich die Begriffe Körpertechniken und Zwischenleiblichkeit wirklich bei Goffman wieder finden lassen, und ob Goffman wirklich – im Vergleich zu Mauss und Merleau-Ponty – derjenige ist, der die Begriffe hinreichend ausformuliert. Es sollte beachtet werden, dass besonders im zweiten Punkt (welcher sich mit den Kernpunkten aus Goffman’s Buch „Das Individuum im öffentlichen Austausch“ auseinander setzt) eine verkürzte und vom Autor zusammenfassende Darstellung dieser Punkte erfolgt, da die vollständige Analyse dieser Kernpunkte den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Dennoch ist es meiner Meinung nach wichtig, sich eingehender mit Goffman’s Text zu beschäftigen, da sich die Begriffe „Körpertechniken“ und „Zwischenleiblichkeit“ nur auf den Text beziehen lassen, wenn diese Kernpunkte bekannt sind und wenn der Leser ein gewisses Gespür für Goffman’s Ansichten entwickelt hat.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zentrale Punkte in Goffman’s Buch
2.1. Fortbewegungseinheiten vs. Partizipationseinheiten
2.2. Die Territorien des Selbst
2.3. Der bestätigende Austausch
2.4. Der korrektive Austausch
3. Der Begriff „Körpertechniken“
4. Der Begriff „Zwischenleiblichkeit“
5. Zusammenfassende Diskussion
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Arbeit soll sich in erster Linie mit Erving Goffman’s Buch „Das Individuum im öffentlichen Austausch“ beschäftigen. Es sollen einige der Kernpunkte seines Buches erörtert und diskutiert werden. Zusätzlich werden die (vom Soziologen Nick Crossley genannten) Begriffe der „Körpertechniken“ (Body Techniques, Anm. des Autors) und der Zwischenleiblichkeit (Intercorporeality, Anm. des Autors) auf das oben genannte Buch von Goffman bezogen werden. Es soll versucht werden, diese beiden soziologischen Begriffe in Goffman’s Text wieder zu finden, und mit ihrer Hilfe Goffman’s Text neu auszulegen. Dabei werden auch Vergleiche zwischen Goffman, Merleau-Ponty und Mauss angestellt werden, da auch diese beiden Autoren sich mit den Begriffen Körpertechniken und Zwischenleiblichkeit auseinander gesetzt haben. Es soll gezeigt werden, dass es nur Goffman gelingt, diese Begriffe in ausreichendem Maße auszudifferenzieren, und außerdem sollen einige Kritikpunkte zu den Ansichten von Mauss und Merleau-Ponty offen gelegt werden. Zum Schluss der Arbeit folgt eine zusammenfassende Diskussion, in der es vor Allem darum gehen wird, in wiefern sich die Begriffe Körpertechniken und Zwischenleiblichkeit wirklich bei Goffman wieder finden lassen, und ob Goffman wirklich – im Vergleich zu Mauss und Merleau-Ponty – derjenige ist, der die Begriffe hinreichend ausformuliert. Es sollte beachtet werden, dass besonders im zweiten Punkt (welcher sich mit den Kernpunkten aus Goffman’s Buch „Das Individuum im öffentlichen Austausch“ auseinander setzt) eine verkürzte und vom Autor zusammenfassende Darstellung dieser Punkte erfolgt, da die vollständige Analyse dieser Kernpunkte den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Dennoch ist es meiner Meinung nach wichtig, sich eingehender mit Goffman’s Text zu beschäftigen, da sich die Begriffe „Körpertechniken“ und „Zwischenleiblichkeit“ nur auf den Text beziehen lassen, wenn diese Kernpunkte bekannt sind und wenn der Leser ein gewisses Gespür für Goffman’s Ansichten entwickelt hat.
2. Zentrale Punkte in Goffman’s Buch
In seinem Buch „Das Individuum im öffentlichen Austausch“ beschäftigt sich der amerikanische Soziologe Erving Goffman mit dem Gebiet der Interaktion von Angesicht zu Angesicht, womit er eine Interaktionsethologie zu entwickeln versucht. Man könnte also sagen, dass sich das Buch auf ein spezifisches Problem konzentriert: „die Beziehungen zwischen einem Element der sozialen Struktur, nämlich den sozialen Beziehungen, und dem öffentlichen Leben.“[1]
Im Besonderen beschäftigt sich Goffman mit der sozialen Ordnung, die das soziale Leben strukturiert und sein Interesse gilt vornehmlich jenen Grundregeln und Verhaltensregulierungen, die im Bereich des öffentlichen Lebens wirksam sind (ein Beispiel hierfür sind so genannte „Rituale“, auf die in Punkt 2.3. noch näher eingegangen wird). Somit könnte sein spezifischer Untersuchungsgegenstand als die „öffentliche Ordnung“ beschrieben werden.
Am Anfang seines Textes gibt Goffman zu bedenken, dass es außerordentlich schwierig ist, eine Untersuchung zur öffentlichen Ordnung durchzuführen, da das öffentliche Leben sehr komplex sei und es somit immer irgendwelche Bereiche des öffentlichen, sozialen Lebens geben würde, die unberücksichtigt bleiben würden. Dennoch versucht er den öffentlichen Austausch zu beleuchten und konzentriert sich dabei nicht auf die Interaktionen innerhalb einer Familie oder einer anderen kleineren Gruppe, sondern auf die komplexe Beziehung eines Individuums mit seiner Umwelt. Auch wenn Goffman die Begriffe Körpertechniken und Zwischenleiblichkeit in seinem Text nicht explizit nennt, glaubt Crossley doch, diese Konzepte bei Goffman gefunden zu haben. Dieser Bezug wird in den Punkten drei und vier untersucht werden.
Im Folgenden werden nun vier der wichtigsten Punkte Goffman’s etwas näher beschrieben. Goffman spricht in seinem Buch von Individuen, die wiederum in Fortbewegungs- und Partizipationseinheiten unterteilt werden können. Der erste Punkt beschäftigt sich mit diesen beiden Einheiten.
2.1. Fortbewegungseinheiten vs. Partizipationseinheiten
Für Goffman ist eine Fortbewegungseinheit ein Gehäuse, das (gewöhnlich von innen) von einem menschlichen Piloten oder Navigator gelenkt wird.[2] Als Beispiel für eine Fortbewegungseinheit nennt er Fußgänger im öffentlichen Straßenverkehr, die ständig bestimmte Techniken anwenden, um Zusammenstöße untereinander zu vermeiden. Durch diese Techniken versuchen sie also, die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten. Dabei greifen sie auf einen so genannten Verkehrskodex zurück, dessen Befolgung es für die Fortbewegungseinheiten ermöglicht, verschiedene Verkehrswege zu nutzen, um von einem Punkt zu einem anderen zu gelangen. Im öffentlichen Verkehr lassen sich Fortbewegungseinheiten durch die Dicke ihrer äußeren Schicht unterscheiden. Je geschützter der Pilot in der Schale also ist (zum Beispiel ist er in einem Panzer deutlich geschützter als auf einem Fahrrad), desto mehr ist die Einheit im ganzen gesehen auf einfache Bewegungen beschränkt. Außerdem können die als Fortbewegungseinheiten auftretenden Individuen in verschiedenen Rollen fungieren – z.B. als Spaziergänger (welcher kein bestimmtes Ziel hat), als Käufer oder auch als Gesprächspartner. In den beiden letzteren Fällen dient als Basis der Aktivität vor allem die soziale Ordnung. Im Vergleich zum Fußgänger-Verkehr erscheint der Auto-Verkehr als raueres, weniger nachsichtigeres System, da ein Autounfall meist gravierender Folgen als ein Zusammenstoss zwischen Fußgängern hat. Während im täglichen Leben der Auto-Fahrer formelle Übereinkünfte eine zentrale Rolle spielen (z.B. die Verkehrsregeln), dominieren informelle Übereinkünfte das Leben der Fußgänger. In beiden Fällen wird die Organisation des öffentlichen Lebens durch zwei wichtige Prozesse gesteuert:
Die Externalisierung und die Abtastung.
Externalisierung beschreibt den Prozess, bei der ein Individuum mit Hilfe von körperlichen Gesten Informationen über seine Situation und seine Intentionen gibt, um für andere Menschen durchschaubarer zu werden. Dadurch wird die eigene Handlung für den anderen vorhersehbar und somit wird meist ein Zusammenstoß vermieden. Ein Beispiel für diese Externalisierung wäre, dass sich Fußgänger oft schon einige Meter bevor es zu einer möglichen Kollision kommen könnte, deutlich auf eine Seite des Bürgersteiges bewegen, um dem Gegenüber somit zu signalisieren, welchen Weg er einschlagen wird.
Unter Abtastung versteht Goffman den Vorgang, durch den sich Fußgänger einen Überblick verschaffen. So tendiert das Individuum beim Gehen ständig dazu, einen Abtastungs- und Kontrollbereich im Auge zu behalten, um mögliche Kollisionen frühzeitig erkennen und ihnen ausweichen zu können.
Eine weitere wichtige Rolle bei den Fortbewegungseinheiten spielen die Begriffe „kritisches Zeichen“ und „Feststellungspunkt“. Da sich die Individuen im öffentlichen Leben meist durch Gesten oder Augenkontakt verständigen, kommt den beiden oben genannten Begriffen besondere Bedeutung zu. Als kritisches Zeichen versteht Goffman die Handlung auf Seiten des anderen, die es dem Individuum schließlich erlaubt, herauszufinden, was der andere vorschlägt. Der „Feststellungspunkt“ ist für Goffman der Augenblick, in dem beide Partner merken, dass kritische Zeichen hinsichtlich kompatibler Richtungen und zeitlicher Koordinierung ausgetauscht worden sind und dass jeder von ihnen begriffen hat, dass sie das beide erfasst haben. Denn erst danach können sich beide Individuen sorglos weiter bewegen. Ein Beispiel für ein kritisches Zeichen und einen Feststellungspunkt könnte folgendermaßen aussehen. Wenn sich zwei Radfahrer auf dem engen Radweg aufeinander zubewegen, könnte der eine dem anderen seine intendierte Richtung mittels eines Handzeichens signalisieren, woraufhin der andere mit Augenkontakt reagiert. Das wäre dann ein kritisches Zeichen. Zu einem Feststellungspunkt kommt es in dieser Situation, wenn beide durch Augenkontakt klarstellen, dass beide genau wissen, was der andere vorhat. In den meisten Fällen würde dieses Ritual dann eine Kollision verhindern. Ein weiteres Prinzip, welches das Leben der Fortbewegungseinheiten erleichtert, ist die „Höflichkeit“. Hier kommt der mit Alter, Geschlecht oder gesundheitlichem Zustand verknüpften körperlichen Schwäche Priorität zu.[3]
Neben den oben genannten interpersonellen Praktiken, die Fortbewegungseinheiten ausführen, gibt es auch noch Praktiken der einzelnen Einheit. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn Individuen beim Gehen den Boden vor sich kontrollieren, um gegebenenfalls einem Hindernis auszuweichen. Man kann also sagen, dass Individuen als Fortbewegungseinheiten sowohl in der Interaktion mit anderen Einheiten handeln, als auch mit sich selbst beschäftigt sein können.
Für Goffman sind Partizipationseinheiten die fundamentalen Einheiten des öffentlichen Lebens. Sie treten in der Öffentlichkeit entweder als „Einzelne“ oder in einem „Miteinander“ auf und nehmen an sozialen Ereignissen teil. Ein Einzelner ist für Goffman ein Individuum, wohingegen ein Miteinander eine aus mehreren bestehende Partei ist, deren Mitglieder als zusammengehörig wahrgenommen werden. Die meisten Miteinander, die man auf öffentlichen Straßen trifft, bestehen nur aus zwei Individuen, obwohl auch Miteinander anzutreffen sind, die aus mehreren Mitgliedern bestehen (wobei ein Gespräch immer schwieriger wird, je mehr Individuen dem Miteinander angehören). Einzelne sind im Vergleich zu Miteinandern stärker darum bemüht, legitime Absichten und einen legitimen Charakter zu demonstrieren, da bei ihnen im Vergleich zu Miteinandern fragwürdiges Verhalten strenger beurteilt wird. Ein Beispiel hierfür wäre, dass sich Fußballfans in einer Gruppe häufig sehr laut und schlecht benehmen, was allerdings auf Beobachter nicht so stark wirkt, als würde dieses fragwürdige Verhalten von einem Einzelnen gezeigt.
[...]
[1] Goffman, E. (1982): Das Individuum im öffentlichen Austausch. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 10
[2] Goffman, E. (1982): Das Individuum im öffentlichen Austausch. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 27
[3] Goffman, E. (1982): Das Individuum im öffentlichen Austausch. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 39
- Arbeit zitieren
- Florian Schumacher (Autor:in), 2006, In wie weit lassen sich die soziologischen Begriffe 'Körpertechniken' und 'Zwischenleiblichkeit' auf Goffman’s Buch 'Das Individuum im öffentlichen Austausch' beziehen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72881
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