Mehrere Reportagen und Sonderberichte in allen Medien zeichnen in den letzten Jahren ein Bild von China, welches auf dem Weg zur Supermacht des 21. Jahrhunderts ist. Mehrere Ausgaben des Spiegels beschäftigten sich mit dem Aufstieg Chinas, so auch die Letzte vom September diesen Jahres. Der Titel lautet: „Angriff aus Fern-Ost - Weltkrieg um Wohlstand". Wie auch in diesem Titel herauszuhören ist, hat sich die Chinaeuphorie etwas zugunsten einer gewissen Chinafurcht gelegt.
Seit die Volksrepublik in den 1980er Jahren sog. Sonderwirtschaftszonen errichtete und sie dann allmählich auf das ganze Land ausdehnte, hat China eine unglaubliche wirtschaftliche Entwicklung durchgemacht. Die ehemaligen Kolonien von Großbritannien und Portugal, Hongkong und Macau unterscheiden sich nicht mehr im geringsten von Städten wie Shanghai oder Shenzhen.
Wie geht China mit seinem wachsenden politischen Einfluss um? Welche außenpolitischen Ziele verfolgt es? Kann man China schon als Großmacht bezeichnen? Wie reagieren Chinas Nachbarn auf seinen wachsenden Einfluss?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Chinas Außenpolitik
1.1 Die acht zentralen Interessen der chinesischen Außenpolitik 5
1.2 Förderung einer multipolaren Weltordnung
1.3 Russland und China
1.4 Europäische Union und China
1.5 Japan und China
1.6 Japan und die USA vs. China
1.7 USA und China
1.8 USA und Taiwan vs. China
1.9 Taiwan und China
1.10 Taiwans Unabhängigkeit und die Bedeutung für Japan
1.11 Nordkorea – mehr Konsens als Konflikt
2. Chinas Wirtschaftspolitik
2.1 Kommunistische Partei und kapitalistischer Staat
2.2 Demographische Entwicklung Chinas
2.3 Chinas Wirtschaft
2.4 Chinas Rohstoffbedarf
2.5 Chinas Umweltverschmutzung
3. Chinas Militärmacht
3.1 Globaler Trend zur Verkleinerung und Spezialisierung der Streitkräfte
3.2 Gründe zur Neustrukturierung der Volksbefreiungsarmee
3.3 Modernisierung der chinesischen Streitkräfte
3.4 Das Streben nach Unabhängigkeit von Waffenimporten
3.5 Modernisierung des Heeres
3.6 Modernisierung der Luftwaffe
3.7 Modernisierung der Marine
3.8 Chinas „Atomwaffen-Streitkräfte“
3.9 Besondere strategische Aufstellung der chinesischen Streitkräfte im Zusammenhang der Taiwanfrage
Fazit
Quellen
Einleitung
Mehrere Reportagen und Sonderberichte in allen Medien zeichnen in den letzten Jahren ein Bild von China, welches auf dem Weg zur Supermacht des 21. Jahrhunderts ist. Mehrere Ausgaben des Spiegels beschäftigten sich mit dem Aufstieg Chinas, so auch die Letzte vom September diesen Jahres. Der Titel lautet: „Angriff aus Fern-Ost - Weltkrieg um Wohlstand". Wie auch in diesem Titel herauszuhören ist, hat sich die Chinaeuphorie etwas zugunsten einer gewissen Chinafurcht gelegt.
Seit die Volksrepublik in den 1980er Jahren sog. Sonderwirtschaftszonen errichtete und sie dann allmählich auf das ganze Land ausdehnte, hat China eine unglaubliche wirtschaftliche Entwicklung durchgemacht. Die ehemaligen Kolonien von Großbritannien und Portugal, Hongkong und Macau unterscheiden sich nicht mehr im geringsten von Städten wie Shanghai oder Shenzhen.
China ist zum weltgrößten Exporteur von Fertigwaren geworden, „Made in China" steht nicht mehr nur in Nike-Turnschuhen, sondern immer mehr auch auf High-End Produkten. Der Begriff „Weltbank der Welt" ist daher nicht der falscheste. China ist damit auch zum größten Importeur von Rohstoffen geworden, denn all die Waren müssen ja auch aus irgendetwas hergestellt werden.
Der Profit, der dabei abfällt, wird in Chinas Infrastruktur investiert. Tausende von Wolkenkratzer entstehen so Jahr für Jahr in Chinas Metropolen, sodass Stahl mittlerweile teure Mangelware auf der Welt geworden ist. Das ganze Land erlebt einen Bauboom sondergleichen. Die Bevölkerung richtet sich neu ein, kauft Möbel, Autos, Nahrungsmittel und Luxusgüter aus dem Westen, aber zunehmend auch immer mehr aus eigener Produktion. Der Handelsüberschuss für China ist gewaltig, im Gegensatz zu den USA, deren Handelsdefizit gewaltig ist.
Damit die USA aber auch weiterhon so viele chinesische Waren kaufen, kauft Peking massenhaft amerikanische Staatsanleihen auf und wird sicher bald vor Japan zum größten Gläubiger der USA.
Damit machen sich beide Akteure abhängig voneinander, da der Käufer ohne Geld nichts kaufen kann und der Verkäufer ohne Käufer nichts verkaufen kann. Diese enorme wirtschaftliche Verflechtung trägt somit auch dazu bei, dass ein eine harte Auseinandersetzung kostspieliger und damit unwahrscheinlicher wird.
Nichts desto trotz, wird die Volksrepublik ihre wirtschaftliche Macht auch in eine politische Macht ummünzen. Peking sehnt sich nach seiner alten Rolle, als Reich der Mitte, als Zentrum der Macht sozusagen. Momentan ist das Zentrum der Macht aber noch Washington, weshalb es zwangsläufig zu Reibungen zwischen beiden Polen kommen wird.
Erste Reibungspunkte sind der Darfur-Konflikt, der iranische Atomstreit, der Technologiediebstahl, natürlich die Taiwanfrage und das wachsende militärische Erstaken der Volksbefreiungsarmee. Allerdings ist China auch noch weit davon entfernt, die USA als erste Supermacht der Welt abzulösen. China sitzt auf einem gewaltigen sozialen Pulverfass und um dieses nicht zur Explosion kommen zu lassen, braucht es ein hohes Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Aber selbst damit werden die sozialen Herausforderungen noch überaus groß sein. Das Wirtschaftswachstum geht zum großen Teil noch auf Kosten der Umwelt und die Umweltschäden in der VR China werden mehr und mehr zu einem existenziellen Problem für das Land, aber auch der Rest der Welt wird die Auswirkungen der chinesischen Umweltverschmutzung zu spüren bekommen. Außerdem benötigt China mit wachsendem Wirtschaftswachstum (solange es hauptsächlich im Zweiten Sektor passiert) immer mehr Rohstoffimporte. Das treibt die Preise in die Höhe, mit negativen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und somit auch auf das chinesische Wachstum. Der Streit um Rohstoffe wird sich drastisch erhöhen und die Spannungen zwischen den Nationen erhöhen. Dies kann zu einer verschärften Aufrüstungspolitik führen, was auch für Pekings Ambitionen nicht dienlich sein kann.
So leidet schließlich auch China selbst, wenn auch zunächst nur indirekt, unter seinem eigenen wirtschaftlichen Erfolg.
Wie geht China mit seinem wachsenden politischen Einfluss um? Welche außenpolitischen Ziele verfolgt es? Kann man China schon als Großmacht bezeichnen? Wie reagieren Chinas Nachbarn auf seinen wachsenden Einfluss?
1. Chinas Außenpolitik
1.1 Die acht zentralen Interessen der chinesischen Außenpolitik
Die Volksrepublik hat acht außenpolitische Hauptinteressen und diese lauten folgendermaßen.
Erstens: Sicherung eines stabilen Umfeldes, um die Weltwirtschaft nicht zu beeinträchtigen. Die VR China will und darf ihr Wirtschaftswachstum nicht gefährden.
Zweitens: Verteidigung der nationalen Souveränität. Der politische Handlungsspielraum sollte durch Bündnisse und internationale Abkommen nicht verringert werden.
Drittens: Ökonomisierung der Außenpolitik. Soll heißen, dass die Außenpolitik von rationalen und wirtschaftlichen Aspekten geleitet wird und weniger durch ideologische Gesichtspunkte.
Viertens: Förderung einer multipolaren Weltordnung. Hauptsächlich gegen eine unipolare Führung der USA gerichtet.
Fünftens: Verbesserung des Ansehens Chinas in der Welt. Es soll das Gewicht Chinas Stimme in der Staatengemeinschaft mehr Ausdruck verleihen. Dadurch gewinnt China mehr Einfluss in wichtigen internationalen Angelegenheiten.
Sechstens: unter dem Stichwort „nationale Einheit“ ist die Wiedervereinigung ehemaliger chinesischer Territorien mit der VR China zu verstehen. Damit ist vor allem die Eingliederung Taiwans gemeint, aber auch der Streit um die Spartly-Inseln fallen in diese Kategorie.
Siebtens: Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung. Bilaterale Handelsabkommen sind hierbei vor allem das Mittel zum Zweck. Ethische Fragen und Skrupel sind dabei eindeutig von sekundärer Bedeutung.
Achtens: Ökonomischer und sicherheitsorientierter Multilateralismus, also in erster Linie multinationale Staatenabkommen und Bündnisse, wie z. B. ASEAN oder SCO (in Deutsch SOZ). Ein weiterer Weg für Peking seinen Einfluss zu erweitern (vgl. Heberer 2006: 38f). Hervorhebenswert erscheint mir bei dieser Aufzählung vor allem der vierte, sechste und siebte Punkt zu sein, die ich im Folgenden auch etwas genauer betrachten möchte.
1.2 Förderung einer multipolaren Weltordnung
Seit je her lautet das Motto der Politik Chinas gegenüber anderen Ländern und Staaten: „Ausspielung der Barbaren", was in Europa in etwa mit dem Motto „teile und herrsche" oder „der Feind meines Feindes ist mein Freund" vergleichbar ist. Das war vor mehreren tausend Jahren der Fall und ist auch heute noch so. In den Zeiten des Kalten Krieges versuchte Peking die beiden Rivalen Moskau und Washington gegeneinander auszuspielen und heute sind es Washington, Tokio und Brüssel. Die VR China strebt nämlich eine sog. multipolare Weltordnung an. In dieser Weltordnung soll es dann mehrere Pole der Macht geben. Welche dass genau sind, weiß Peking wahrscheinlich selbst nicht so genau und sie ändern sich auch immer mal wieder ein bischen. In der Literatur werden aber derzeit oft Folgende genannt: USA, EU, Russland, China und Japan. Diese Konstellation ist und kann auch nur ein, aus der Gegenwart entwickeltes Bild der Zukunft sein. Je nach dem, wie sich die Machtverhältnisse entwickeln, wird China seine Außenpolitik anpassen müssen. Zum Beispiel könnten in mittlere Zukunft auch ganz andere Machtpole entstehen, z. B. Indien, Südostasien oder ein südamerikanischer, vielleicht sogar ein muslimisch-arabischer Pol. China wird aber in jedem Fall versuchen seine Macht in der Welt durch das Ausspielen anderer Mächte zu vergrößern. Dass die VR China derzeit offiziell auch eine multipolare Weltordnung anstrebt, ist an sich ja schon ein „Beweis" für seine Politik des gegenseitigen Ausspielens. Denn derzeit beherrscht kein Land der Welt so viel Einfluss wie die USA. Einige sprechen sogar von einer unipolaren Weltordnung, beherrscht durch die USA. Wenn ein weniger mächtiges Land es sich also zum Ziel setzt, diese Unipolarität durch eine Multipolarität zu ersetzen, so hat es prinzipiell erst einmal viele Staaten, Länder und Nationen auf seiner Seite, die ebenfalls mehr Macht im internationalen Konzert anstreben wollen. Eventuelle Verbündete der USA werden so zum Bruch mit dieser ermuntert, frei nach dem Motto „Ausspielung der Barbaren".
Natürlich ist eine solche Politik nun nicht ausschließlich als rein chinesisch zu bezeichnen, es ist vielmehr eine intelligente und legitime Politik eines Schwachen gegenüber einem Starken. Wird die VR China sich irgendwann mächtig genug fühlen, es mit dem Welthegemon aufzunehmen, so kann es auch passieren, dass es von der Vorstellung einer multipolaren Weltordnung abrückt und selbst eine unipolare Welt anstrebt, mit sich selbst an der Spitze. Denn eine weitere Devise der chinesischen Außenpolitik lautet nach Deng Xiaoping auch: „seine Fähigkeiten zu verbergen und auf den richtigen Augenblick zu warten". Der richtige Augenblick könnte dann der sein, da China stark genug ist, seine Interessen (z. B. Rohstoffbeschaffung) auch mit Gewalt durchzusetzen. Die einzigen Mächte, die diesen Aspekt der chinesischen Politik bis jetzt wahrnehmen und auch offen aussprechen sind die USA und Japan (vgl. Rudolph 2005: 148f). Peking ist deshalb bemüht, die wachsende Furcht vor einem starken China zu minimieren. Chinesische Think-Tanks kreierten daher 2003 u. a. das Modewort „Peaceful Rising" (friedvolles Aufstreben), welches chinesische Redner vor Ausländern gerne und oft benutzen (vgl. Hirn 2005: 177). Das Streben nach einer multipolaren Weltordnung klassifiziert China also noch nicht als Großmacht. Es ist die Strategie des Kleinen gegen den Großen. Dass China aber überhaupt in der Lage ist, seine Konkurrenten mehr oder weniger stark gegeneinander auszuspielen, zeigt auf, dass die VR China in die Liga der Mittelmächte längst aufgestiegen ist und zu einem der schärfsten Anwärter auf den Spitzenplatz gehört.
Wie versucht Peking diese Außenpolitik umzusetzen? Wie reagieren seine Nachbarn darauf?
1.3 Russland und China
Anfang der 1990er Jahre kamen sich Moskau und Peking wieder näher, auch weil Russlands Liebesmühen im Westen nicht so beantwortet wurden, wie man sich das in Moskau erhoffte. Treibend Kraft in der Annäherung zwischen Peking und Moskau war die wirtschaftliche Vernunft. Beide Länder ergänzen sich wirtschaftlich nahezu ideal. Russlands überlegen Rüstungsindustrie hat moderne Waffensysteme und die russischen Energiekonzerne haben Gas und Öl. Beides, nämlich Waffen und Rohstoffe benötigt China. Waffen kann es sonst nirgends einkaufen und sein Energiehunger sucht ständig nach neuen Quellen. Russland hingegen, kann seine nicht mehr allerneusten Waffensysteme nur an Länder verkaufen, die sich teuere Systeme aus dem Westen nicht leisten können oder wollen. Selbst die eigene Armee hat kein Geld für Neuerwerbungen mehr, sodass die russische Rüstungsindustrie stark vom Export abhängig ist. Da kommt die VR China quasi, wie der Retter in der Not. Die Chinesen hingegen bringen nicht nur das benötigte Kleingeld mit, sondern auch jede Menge billiger Konsumgüter für die russische Bevölkerung (vgl. Hirn 2005: 203).
1992 besuchte Boris Jelzin China und es wurde eine chinesisch-russische „Semibündnispartnerschaft" verabschiedet. Staatspräsident Jiang Zemin besuchte 1994 dann seinerseits Russland und aus der „Semipartnerschaft" erwuchs eine „konstruktive Partnerschaft". 1997 unterzeichneten beide Staaten die „Sino-Russischen-Deklerationen" und bekräftigten so den Willen zu einer „strategischen Kooperation". Im Anschluss wurde auch ein sog. „heißer Draht" installiert, der beide Präsidenten direkt miteinander verbindet. Im Jahr 1999 besuchte Boris Jelzin Peking und bestätigte die chinesische Maxime einer multipolaren Weltordnung. Dieser Schritt war eindeutig gegen die USA gerichtet (vgl. Xuewo 2001: 326ff).
Russland sollte als Partner zur Gestaltung für eine nicht westlich dominierte Welt gewonnen werden, was der chinesischen Führung auch einigermaßen gelang. Natürlich sieht auch Moskau seine Vorteile in einer russisch-chinesischen Annäherung / Partnerschaft. China hat es also geschafft die ehemalige Supermacht auf seine Seite zu ziehen, was in gemeinsamen Militärmanövern und einer gemeinsamen Linie im UN-Sicherheitsrat zum Ausdruck kommt. Beide Länder mischen sich in innerstaatliche Angelegenheiten nicht ein, beide Staaten sind mehr und weniger autoritär. In den Fragen Iran, Sudan und Nordkorea stimmen sie sich ab und die SCO (SOZ) kann durchaus als ein Bündnis gegen die NATO angesehen werden.
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- Sebastian Puhle (Author), 2006, Wo steht China? Aufstrebende Supermacht oder ewige Mittelmacht?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72770
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