Thema der Unterrichtseinheit:
„Die Kinder aus der Krachmacherstraße“
Gliederung der Unterrichtseinheit:
1. „Lotta ist noch klein und dumm“ – die Familie kennenlernen und ein Standbild erstellen
2. „Wir spielen ganze Tage lang“ – Rollenmonologe schreiben
3. „Lotta ist eigensinnig wie eine alte Ziege“ – Arbeitsblätter zur Erfassung des Inhalts ausfüllen
4. „Tante Berg ist die Beste, die es gibt“ – kurze Pralleltexte verfassen
5. „Wir machen einen Ausflug“ – einen Tagebucheintrag verfassen
6. „Wir fahren zu Großmutter und Großvater“ – verschiedene szenische Interpretationen
Ziel der Unterrichtseinheit:
Die SchülerInnen sollen sich sinnlich konkrete Vorstellungen zum Kinderbuch „Die Kinder aus der Krachmacherstraße“ machen, d.h. sie sollen mittels verschiedener Verfahren der Szenischen Interpretation v.a. Leseerfahrungen sichtbar machen und sich in Figuren und Perspektiven einfühlen.
Thema der Stunde:
„Wir fahren zu Großmutter und Großvater“
Ziel der Unterrichtseinheit:
Die SchülerInnen sollen sich sinnlich konkrete Vorstellungen zum Kinderbuch „Die Kinder aus der Krachmacherstraße“ machen, d.h. sie sollen mittels verschiedener Verfahren der Szenischen Interpretation v.a. Leseerfahrungen sichtbar machen und sich in Figuren und Perspektiven einfühlen.
Thema der Stunde:
„Wir fahren zu Großmutter und Großvater“
Ziel der Stunde:
Die SchülerInnen sollen typische Handlungsausschnitte erkennen und lesen sowie diese szenisch interpretieren, um sich in die Figuren und Perspektiven einzufühlen.
Teillernziele der Stunde: Die SchülerInnen sollen
(a) auf der Grundlage der bisherigen Geschehnisse und mit Hilfe geringer Information (ein Satz auf einer Folie) zur folgenden Handlung Vermutungen zum konkreten Handlungsverlauf äußern.
(b) den Text unter besonderer Beachtung der typisch kindlichen Verhaltensweisen (`Dummheiten´) hörend aufnehmen und diese nennen.
(c) sich anhand von Fragen auf einer Folie in Szenen und Figuren einfühlen, indem sie
- Handlungsausschnitte (`Dummheiten´) nacherzählen,
- sich zu Gedanken und Motiven der Figuren äußern und
- alternative Handlungsverläufe erfinden.
(d) einen Textausschnitt selbstständig still erlesen.
(e) einen Textausschnitt in arbeitsunterschiedlicher Partner- oder Gruppenarbeit szenisch interpretieren bzw. sich in Szenen und Figuren einfühlen, indem sie
- ein passendes Bild dazu malen und dieses durch einen beschreibenden Satz ergänzen,
- den Bau eines Standbildes erarbeiten und erproben,
- einen Rollenmonolog schreiben,
- einen Tagebucheintrag verfassen oder
- einen Paralleltext verfassen.
(f) ihre Arbeit dem Plenum vorstellen, indem sie sie beschreiben und das Ergebnis vortragen.
(g) sich im Arbeitsverhalten – v.a. in Bezug auf Selbstständigkeit und soziales Lernen – entwickeln, indem sie ihre Arbeitsaufträge möglichst selbst erlesen und mit Partnern zusammen lernen.
Geplanter Unterrichtsverlauf
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkungen zur Situation der Klasse
Seit dem 3. November 1998 `unterrichte´ ich das Fach Deutsch in der Klasse 2b mit wöchentlich fünf Stunden im Ausbildungsunterricht, seit dem 01.02.1999 mit 4 Wochenstunden in eigener Verantwortung.
Die Lerngruppe umfasst 13 Kinder und setzt sich aus sechs Mädchen und sieben Jungen zusammen. Die SchülerInnen sind überwiegend 8-9 Jahre, ein Alter, in dem das Kind nach Wygotski erst auf dem Weg zu einem analytischen Begriffsdenken ist. Es findet eine Art vorbegriffliches Denken statt, welches mit Hilfe des fortschreitenden Spracherwerbs immer mehr in ein abstraktes, operatives Denken übergeht. Da diese Umstrukturierung vom Sozialisationsprozess abhängig ist, d.h. vom praktischen Handeln des Kindes in seiner sozialen und gegenständlichen Umwelt, ist es m.E. nötig, dass der kindliche Lernprozess möglichst durch Handlungen, Kommunikation und Selbstständigkeit geprägt ist. In diesem Zusammenhang halte ich die in dieser Stunde angewandten Verfahren der Szenischen Interpretation für besonders geeignet.
Zum Arbeitsverhalten der SchülerInnen ist zu sagen, dass sie bis auf Judith, Christina und Miriam fast alle noch Schwierigkeiten damit haben, Arbeitsaufträge selbstständig zu erschließen. Trotzdem (oder gerade deshalb?) möchte ich die Kinder in dieser Stunde relativ selbstständig arbeiten lassen, wobei ich versuche, die Aufträge einfach und klar zu formulieren und während der Arbeit helfend zur Seite zu stehen.
Die Lernbereitschaft der Klasse ist m.E. überdurchschnittlich. Auch hier tun sich wieder die drei zuvor genannten durch besonderen Eifer hervor, deshalb erwarte ich von ihnen, dass sie in ihren Arbeitsgruppen mit umfangreichen, schriftlichen Aufgaben eine führende Rolle übernehmen. Desweiteren engagieren sich außer Christoph und Maik, die in jüngster Zeit etwas lustlos und `abwesend´ zu sein scheinen, alle in der Mehrzahl der Stunden nach ihren Möglichkeiten. Ich hoffe allerdings, dass diese beiden durch die kreative Aufgabe in der Umsetzungsphase stärker motiviert sind.
In dieser Klasse ist das Leistungsvermögen stark heterogen. Dies zeigt sich auch darin, dass das analytische Begriffsdenken erst bei manchen Kindern ansatzweise vorhanden ist (s.o.). Deshalb kommen in der Umsetzungsphase differenzierte Anspruchsniveaus zur Anwendung (vgl. methodische Vorüberlegungen). Um den sehr unterschiedlichen Lesefertigkeiten zu begegnen, wird der gesamte Text zu Beginn gelesen. Außerdem bekommen die ganz schwachen Leser einen kurzen Text, dessen Lektüre sie nicht zur Pflicht haben.
Bezüglich des Arbeitstempo s gibt es innerhalb der Lerngruppe ebenfalls große Unterschiede. Daraus eventuell resultierenden `Leerlaufphasen´ soll entgegengewirkt werden, indem den SchülerInnen im Umfang differenzierte und angemessene Arbeiten zugwiesen werden. Außerdem sind alle Aufgaben so strukturiert, dass sie zeitlich `dehnbar´ sind (vgl. methodische Vorüberlegungen).
Insgesamt als sehr positiv zu bewerten ist das Sozialverhalten der Klasse. Die SchülerInnen gehen aufeinander ein, nehmen Rücksicht und helfen sich, falls notwendig. Daher, und weil sie schon gelegentlich in der Kleingruppe bzw. mit einem Partner gearbeitet haben, traue ich ihnen in dieser Stunde diese Sozialformen zu, obwohl es Kindern in dieser Altersstufe im Allgemeinen eher schwer fällt kooperativ zu arbeiten.
Die Arbeitstechniken, `Standbild bauen´, `Rollenmonolog schreiben´, `Tagebucheintrag´ und `Paralleltext verfassen´ wurden erst in dieser Unterrichtseinheit eingeführt und je einmal probiert, während das `(Stand-) Bild malen´ lange bekannt ist. Damit bei den wenig bekannten Techniken Probleme weitestgehend reduziert auftreten, teile ich den Kindern die Arbeitsweise nach Interesse und Leistungsvermögen zu.
Sachanalyse
Das Kinderbuch „Die Kinder aus der Krachmacherstraße“ wurde von Astrid Lindgren geschrieben und zuerst 1957 veröffentlicht. Die schwedische Schriftstellerin (geb. 1907) veröffentlichte ab 1945 erfolgreich zahlreiche Kinder- und Jugendbücher, welche inzwischen in über sechzig Sprachen übersetzt wurden und so großen Einfluss auf kindliche Erziehung und Bildung haben.
Kinder- und Jugendliteratur wird oft als eigenständige Gattung beschrieben, ist aber als solche schwer zu definieren, denn dieser Ausdruck ist eher „ein Sammelbegriff für Literatur, die auf die – erwarteten – Lesebedürfnisse von Kindern bzw. Jugendlichen ausgerichtet ist [...]“ (Lorenz 1992, 59). Demnach ist das o.g. Buch ein Kinderbuch, da es vor allem kindliche Erlebnisse aus der Sicht derselben thematisiert. In der breiten Palette der Kinderbücher, von Märchenbüchern über Bilder-, Mädchen-, Abendteuer-, Tier-, Problembücher bis hin zu phantastischer Kinderliteratur, ist das vorliegende Buch schwer einzuordnen. Im weitesten Sinne kann es als Problembuch bezeichnet werden, denn es handelt von `Problemen´ in der Familie: Probleme mit jüngeren und älteren Geschwistern, Probleme mit Eltern, Probleme mit dem `Klein-Sein´. Natürlich sind dies keine schwerwiegenden Familienprobleme, deshalb würde ich Lindgrens Werk eher folgende für Kinderbücher typische Funktionen zuweisen: „Selbstwerdung durch Vertrautwerden mit dem eigenen Selbst und der Umwelt“ und „ Identifikation und kritische Teilnahme an einer mittels [des Buches] nähergebrachten Wirklichkeit“ (Brockhaus 1990, 690, vgl. auch didaktische Vorüberlegungen).[1]
Der Text beschreibt in kindgerechter und humorvoller Weise das Zusammenleben einer jungen Familie. Aus der Sicht von Mia Maria (Ich-Erzähler) werden – in vielen (mehr als Kapitel) in sich geschlossenen, aber dennoch miteinander verwobenen Geschichten – viele Erlebnisse, die sie mit ihrem älteren Bruder Jonas, ihrer jüngeren Schwester Lotta, ihren Eltern, Verwandten und Bekannten hat, erzählt. Die Handlung findet neben dem Familienhaus an vielen verschiedenen Orten statt, wie bei Nachbarn, Großeltern, am See, im Zug, u.v.a.m.. M. E. hat das vorliegende Buch hauptsächlich zwei Themen, die eng miteinander verwoben sind. Das ist zum einen das neugierige, experimentierfreudige (Spiel-) Verhalten der Kinder, welches von den Erwachsenen häufig als `Dummheit´ oder Streich angesehen wird. Jonas und seine Schwestern geraten durch ihr ausgeprägtes Bedürfnis, die Welt zu erkunden, immer wieder in Situationen, die ihren Eltern Sorge bereiten. Zum anderen steht das trotzige, naive Verhalten der kleinen Lotta sowie die `Probleme´, die sie damit hat, immer die Kleinste und `Dümmste´ zu sein, im Vordergrund. Von ihren älteren Geschwistern wird sie oft `auf den Arm genommen´ und ausgelacht, worauf Lotta allerdings recht selbstbewusst und fast schon trotzig reagiert.
Das in dieser Stunde thematisierte Kapitel „Wir fahren zu Großmutter und Großvater“ (gekürzt, s. didaktische Vorüberlegungen) beinhaltet vorwiegend das zuerst beschriebene Hauptthema.[2] Jonas, Mia Maria, Lotta und deren Mutter befinden sich im Zug auf dem Weg zu den Großeltern. Nachdem die Kinder zuerst ruhig in ihrem Abteil sitzen, wird es ihnen bald zu langweilig und ihre Neugier führt zu drei für die Mutter unangenehmen Situationen: 1. Lotta `überprüft´, wie gut Mettwurst am Fenster klebt, 2. Jonas und Mia Maria `müssen´ bei einem Zwischenhalt `frische Luft schnappen´ und aussteigen und 3. Lotta erzählt fremden Menschen in anderen Abteilen `was sie weiß´. Diese drei Situationen sind analog zu vielen weiteren Geschehnissen im Buch und vermitteln nicht nur das oben beschriebene experimentierfreudige Verhalten, sondern auch, dass Kinder oft schon recht selbstständig sind bzw. selbstständiger als die Erwachsenen glauben, denn es passiert letztendlich niemandem etwas.
Szenische Interpretation
Die Szenische Interpretation darf nicht mit darstellendem Spiel, Theater, o.ä. verwechselt werden; denn sie ist mehr! Szenische Interpretation versucht, nicht nur mit Mitteln des Szenischen Spiels, sondern mit vielen weiteren komplexen Verfahren[3], einen Prozess in Gang zu setzen, durch den die SchülerInnen die im Text gestalteten Geschehnisse, Personen und Beziehungen entdecken, verstehen und vielleicht auf das eigene Leben übertragen. Das Ziel der Szenischen Interpretation ist also nicht in erster Linie der Vortrag, das fertige Produkt, sondern die Interpretation des Textes durch die Handlungen der SchülerInnen.
In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass dieser literaturdidaktische Ansatz nicht ganz neu ist und durchaus im Kontext des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts (v.a. Gerhard Haas) diskutiert werden kann.
Die Szenische Interpretation unterscheidet sich v.a. durch ihre Ganzheitlichkeit von den meisten anderen literaturdidaktischen Ansätzen (vgl. Scheller 1996, 22):
-Sie ist textbezogen: Sie regt die SchülerInnen an, auf der Ebene der sinnlichen Vorstellung, die szenischen Leerstellen so genau wie möglich zu füllen und dabei sozialhistorische Gegebenheiten zu berücksichtigen.
-Sie ist erfahrungsbezogen: Die Erlebnisse, Phantasien und Verhaltensweisen der SchülerInnen werden bewusst als Potential gesehen sowie abgerufen und thematisiert.
-Sie ist handlungsbezogen: Der Interpretationsprozess verläuft hier über vielfältige sprachliche und körperliche Handlungen.3
-Sie ist produktionsbezogen: Die SchülerInnen vergegenständlichen und präsentieren ihre Deutungen immer wieder in verschiedendsten Darstellungen.
-Sie ist zugleich subjekt- und gruppenbezogen: In der Diskussion und Gestaltung gemeinsamer szenischer Deutungen kann weder auf den Einzelnen noch auf die Gruppe verzichtet werden.
Didaktische Vorüberlegungen
Lesen ist eine wichtige und kaum noch wegzudenkende Kulturtechnik, aber es ist noch mehr. Es ist auch eine eminent prägende und beeinflussende Tätigkeit, die v.a. durch drei Stichworte charakterisiert werden kann: 1. Lesen ist Denken ® durch Lesen fremder Lebensläufe und Erlebnisse erweitern die SchülerInnen den eigenen Erfahrungshorizont, bleiben aktiv und flexibel, 2. Lesen ist (Mit-) Fühlen ® sie bleiben emotional beweglich, weil Lesen immer auch mit Betroffenheit und empathischen Empfindungen verbunden ist und 3. Lesen ist Probehandeln ® Bücher bieten zwar nie konkrete Handlungsanleitungen für die Lösung eigener Probleme an, aber durch Lesen vergrößern die SchülerInnen ihr Repertoire an Verhaltensmustern, die sie als Möglichkeiten zum eigenen Handeln zur Verfügung haben (vgl. Sahr 1990, 6f.). Diesen sozialisationsfördernden Einfluss haben allerdings v.a. Kinderbücher und weniger Lesebücher. Das häppchenweise Lesen von Kurztexten hat die o.g. Effekte nur in äußerst begrenztem Maße und führt auch nicht automatisch zum `Hinauflesen´ zu langen, umfangreichen Texten.[4] Das Lesen in der Schule (und somit auch in meinem Unterricht) sollte sich also nicht auf das Lesebuch beschränken.
[...]
[1] Da die Autorin selbst immer Abstand davon genommen hat, mit ihren Büchern bei Kindern etwas Bestimmtes erreichen zu wollen, ist hier mit `Funktion´ eher eine unweigerliche Wirkung gemeint.
[2] Es werden zwar zwei `Dummheiten´ von Lotta beschrieben, jedoch hier ohne Blick auf die Beziehung zu ihren Geschwistern und daraus eventuell resultierenden Problemen.
[3] Oberbegriffe der szenischen Interpretationsverfahren: Phantasiereisen, Rollenschreiben, szenisches Lesen, Rollengespräche, Standbilder, Durchführung physischer Handlungen, Szenisches Spiel, Szenische Demonstration. (vgl. Scheller 1989, 46-79 und methodische Vorüberlegungen).
[4] Dies wird auch darin deutlich, dass – obwohl die Produktionszahlen der Kinder- und Jugendbücher relativ hoch sind – das Interesse am Lesen von ganzen Büchern bei Kindern seit den 80er Jahren drastisch gesunken ist (vgl. Sahr 1990, 2). In diesem Zusammenhang spielt wohl die `Medialisierung der Kinderzimmer´ eine bedeutende Rolle: `Adio-visuelle Medien sind einfacher und schneller!´
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