Die geostrategische Lage der Türkei hat sich seit dem Ost-West Konflikt und dem Zerfall der Sowjetunion dramatisch geändert. Der gefallene Eiserne Vorhang präsentierte neue souveräne Staaten mit alten Problemen. Ethnologische Gegensätze auf dem Kaukasus, reformfällige Herrschaftsstrukturen in Zentralasien. Hinzu kommt die Eröffnung einer neuen Runde des „Great Game“ mit den Etiketten „War on Terror“ und Ressourcenzugang . Die Türkei erkannte diese neue Lage sehr wohl als Chance, die bisherige Wahrnehmung von Außenpolitik als Sicherheitspolitik konnte nicht aufrechterhalten werden. Schon Kemal Atatürk hatte darauf hingewiesen das große Reiche zerbrechen können und neue Staaten entstehen, dies könne auch für die Sowjetunion gelten und damit auch für die Turkvölker hinter dem Eisernen Vorhang. Man solle auf diesen Moment vorbereitet sein. Im historischen Kontext also eine Ausstiegsklausel der passiven „Friede in der Heimat; Friede in der Welt – Politik“.
Die Selbstwahrnehmung der Türkei als „Schlüsselstaat“ lässt verschiedenste Spekulationen über die Absichten türkischer Außenpolitik zu, unter anderem auch die Abkehr von der jetzigen
Hauptprämisse, der europäischen Mitgliedschaft. Diese Entwicklung wäre wahrlich ein Strategiewechsel in Ankara. Indizien für solche Ambitionen vor dem Hintergrund der schwierigen Beitrittsverhandlungen könnten massive Spekulationen über weitere türkische Optionen auslösen.
Diese Arbeit soll solchen Spekulationen, durch Analyse türkischer Möglichkeiten, entgegentreten. Die Leitfrage für die zusammengetragenen Erkenntnisse soll lauten: Welche Möglichkeiten und Perspektiven hat die türkische Außenpolitik auf dem Kaukasus und in Zentralasien vor dem Hintergrund türkisch-russischer Kooperation und Konfrontation? Reichen diese Perspektiven tatsächlich aus, um von einem Strategiewechsel in Ankara zu sprechen?
Inhaltsverzeichnis
I.) Einleitung
Eingrenzung: Warum Kaukasus und Zentralasien?
II.) Außenpolitische Zielsetzung der Türkei nach dem Ost-West Konflikt und tatsächliche Entwicklungen in Zentralasien und auf dem Kaukasus
1.) Entwicklungslinien türkischer Zentralasienpolitik. Die Pantürkische Idee und ihre Umsetzung und Perspektiven
Turkish republics to accept Turkey as a “Big Brother”
2.) Aktuelle Ziele türkischer Zentralasienpolitik:
3.) Der Südkaukasus als Bestimmungsfaktor türkischer Außenpolitik
Der Berg-Karabach Konflikt:
Georgien:
4.) Zusammenfassung
III.) Die Türkisch- Russischen Beziehungen und ihre Perspektiven: Eine Option zu Europa?
1.) Entwicklungslinien
2.) Perspektiven
IV. Zusammenfassung:
Literatur- und Quellenverzeichnis:
I.) Einleitung
Die geostrategische Lage der Türkei hat sich seit dem Ost-West Konflikt und dem Zerfall der Sowjetunion dramatisch geändert. Der gefallene Eiserne Vorhang präsentierte neue souveräne Staaten mit alten Problemen. Ethnologische Gegensätze auf dem Kaukasus, reformfällige Herrschaftsstrukturen in Zentralasien. Hinzu kommt die Eröffnung einer neuen Runde des „Great Game“ mit den Etiketten „War on Terror“ und Ressourcenzugang[1]. Die Türkei erkannte diese neue Lage sehr wohl als Chance, die bisherige Wahrnehmung von Außenpolitik als Sicherheitspolitik konnte nicht aufrechterhalten werden. Schon Kemal Atatürk hatte darauf hingewiesen das große Reiche zerbrechen können und neue Staaten entstehen, dies könne auch für die Sowjetunion gelten und damit auch für die Turkvölker hinter dem Eisernen Vorhang. Man solle auf diesen Moment vorbereitet sein.[2] Im historischen Kontext also eine Ausstiegsklausel der passiven „Friede in der Heimat; Friede in der Welt – Politik“.
Aktive Außenpolitik war gefordert und wurde, durch die Reisediplomatie des damaligen Präsidenten Turgut Özal (1989- 1992), auch schlagartig umgesetzt. Die nachfolgenden Legislaturperioden waren danach jedoch nicht durch außenpolitische Stringenz geprägt, weshalb sich heute die Frage nach einer türkischen außenpolitischen Strategie stellt, zumal der Beitritt in die Europäische Union noch lange nicht als gesicherter Prozess bewertete werden kann. Ist die Türkei damit auf dem Weg zur Regionalmacht, zum Vermittler aufgrund pan-türkischer Einflusssphären oder zeichnet sich ein noch grundlegenderer Strategiewechsel ab? Gerade der letzte Punkt ist Parallel zu Tiefpunkten türkischer EU- Vollmitgliedschaftsbestrebungen oft diskutiert. Klar ist, der Kaukasus und Zentralasien bieten Chancen und Perspektiven für die Türkei.
Unter der Annahme die Vollmitgliedschaft der Türkei bleibe eine unbekannte Variable, da sich auch zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwierige Verhandlungen abzeichnen ist es von großem Interesse die tatsächlichen Chancen und Perspektiven der Türkei auszuloten. Unter den genannten Vorraussetzungen kann der türkischen Führung die verschiedensten Ambitionen unterstellt werden.
Die Selbstwahrnehmung der Türkei als „Schlüsselstaat“[3] lässt verschiedenste Spekulationen über die Absichten türkischer Außenpolitik zu, unter anderem auch die Abkehr von der jetzigen
Hauptprämisse, der europäischen Mitgliedschaft. Diese Entwicklung wäre wahrlich ein Strategiewechsel in Ankara. Indizien für solche Ambitionen vor dem Hintergrund der schwierigen Beitrittsverhandlungen könnten massive Spekulationen über weitere türkische Optionen auslösen.
Diese Arbeit soll solchen Spekulationen, durch Analyse türkischer Möglichkeiten, entgegentreten. Die Leitfrage für die zusammengetragenen Erkenntnisse soll lauten: Welche Möglichkeiten und Perspektiven hat die türkische Außenpolitik auf dem Kaukasus und in Zentralasien vor dem Hintergrund türkisch-russischer Kooperation und Konfrontation? Reichen diese Perspektiven tatsächlich aus, um von einem Strategiewechsel[4] in Ankara zu sprechen?
Eingrenzung: Warum Kaukasus und Zentralasien?
Die Eingrenzung auf den Südkaukasus und Zentralasien vor dem Hintergrund türkisch-russischer Kooperation und Konfrontation ist keineswegs willkürlich gewählt. Die Spekulation reichen, wie vorgestellt, von Regionalmachtbestrebungen bis zur Relativierung der westlich Grundausrichtung der Türkei. Indizien für die Extrempunkte dieser Spekulationen werden sich im Nahen Osten nur schwerlich herausfiltern lassen.
Die nach wie vor starke Kooperationsbeziehung mit Israel und den USA, die politische Präsenz der Region und die damit verbundene hohe Anzahl externer Akteure sind schlechte Rahmenbedingungen, die außenpolitischen Absichten Ankaras genauer zu betrachten. Es kann in der betreffenden Region nicht von einer Vormachtstellung der USA gesprochen werden, die ethnisch-kulturelle Verbindung der Türken ist größer als zu den arabischen Staaten im Süden und die westliche Medienöffentlichkeit hat die Region noch nicht für sich entdeckt, wie dies zum Beispiel im Nahen Osten der Fall ist. Zuletzt dürfen außerdem Regionalmachtbestrebungen oder strategische Partnerschaften mit den arabischen Staaten im Süden der Türkei, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, als unwahrscheinlich bewertet werden.
In dieser Arbeit soll daher die Zielsetzung und Umsetzung türkischer Außenpolitik auf dem Kaukasus und in Zentralasien untersucht werden. Russland als hauptsächlicher Einflussfaktor auf beide Regionen kann bei dieser Analyse nicht ausgeschlossen werden. Die türkisch russischen Kooperationsbeziehungen und Perspektiven müssen daher ebenfalls analysiert werden. In der Konklusion soll dann versucht werden herauszustellen, welche Möglichkeiten die türkische Außenpolitik besitzt und welche Spekulationen damit ausgeschlossen werden können oder näher in Betracht gezogen werden müssen.
II.) Außenpolitische Zielsetzung der Türkei nach dem Ost-West Konflikt und tatsächliche Entwicklungen in Zentralasien und auf dem Kaukasus
1.) Entwicklungslinien türkischer Zentralasienpolitik.
Die Pantürkische Idee und ihre Umsetzung und Perspektiven
Türkische Zentralasienpolitik[5] im Sinne der vorliegenden Arbeit bezieht sich auf die Länder: Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgistan[6]. Aserbaidschan befindet sich geografisch auf dem Südkaukasus, aus Perspektive der türkischen Außenpolitik gehört Aserbaidschan allerdings zum geografisch übergreifenden Komplex der Turkvölker. Dies hat zur Folge das Aspekte türkische Kaukasus wie Zentralasienpolitik ihre Schnittmengen in den Beziehungen zu Aserbaidschan finden können.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion bemühte sich die Türkei die neuen Staaten möglichst schnell anzuerkennen und diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Präsident Özal (1989 – 1993) machte sich im März auf den Weg nach Moskau, auf dem Rückweg besuchte er Kasachstan und Aserbaidschan. Aserbaidschan wurde sogar noch vor dem offiziellen Zerfall der UdSSR im November 1991 anerkannt. Kurz darauf folgten gegenseitige Besuche der neuen Staatspräsidenten aus Usbekistan, Turkmenistan und Kirgistan. Schließlich wurden alle neuen Staaten der ehemaligen Sowjetunion, am 16. Dezember 1991, durch die Türkei anerkannt. Im Frühjahr 1992 folgten Reisen durch alle Turkstaaten entweder mit Ministerpräsident Demirel oder Präsident Özal. Diese verstärkte Reisediplomatie war Ausdruck der türkischen Erwartungen über eine neue pantürkische Konstellation, von der Adria bis an die Chinesische Mauer.[7]
Doch wirtschaftliche wie politische Ambitionen wurden früh enttäuscht: „The Turkish government as well as the Turkish entrepreneurs, who expected
to be given preferential treatment in the region, were disappointed by the reluctance of the
Turkish republics to accept Turkey as a “Big Brother”.
Die türkische[8] Öffentlichkeit hatte durch die Reisediplomatie ebenfalls den Eindruck die neuen „Bruderstaaten“ würden sich positiv auf die Türkei auswirken. Die vielen Staatsbesuche suggerierten den Beginn einer neuen politischen Konstellation auf dem Weg der Einigung. „Mit einem Mal gab es außer der Türkei noch andere souveräne Staaten in denen “Türken“ den Ton angaben, in denen eine verwandte Sprache gesprochen wurde und die kulturelle Gemeinsamkeiten mit Anatolien aufwiesen. Die Isolation der Türkei zwischen Europa auf der einen Seite, zu dem man gehören wollte, aber abgewiesen wurde, und der arabischen Welt auf der anderen Seite, zu der man nicht gehören wollte und die der Türkei gleichfalls höchst reserviert gegenüberstand, schien mit einem Schlag beendet.“[9] Trotz Ablehnung der Rolle des „Großen Bruders“ musste die Türkei ihr außen- und sicherheitspolitisches Koordinatensystem neu definieren. Aus dieser Sicht ist der Versuch, sich mit pantürkischen Tönen als potentielle Regionalmacht zu positionieren, durchaus verständlich. Die Türkei hatte ihre feste Rolle in der Bipolaren Welt verloren und damit auch die „großen, aber überschaubaren sicherheitspolitischen Risiken“[10]. Die neue Situation mit religiös-ethnischen Konfliktlagen in politisch schwachen Ländern gestaltete sich partiell sogar komplexer und unberechenbarer.[11] Man kann daher zunächst attestieren, dass es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion tatsächlich einen Strategiewechsel in der türkischen Außenpolitik gab.
Die Türkei wandte sich einer aktiven Außenpolitik zu, die zuvor gemäß den kemalistischen Prämissen nicht forciert worden war, da man die innere Konsolidierung der Türkei abschließen wollte. Es handelte sich um einen Paradigmenwechsel der türkischen Außenpolitik (erzwungen oder nicht) dessen Veränderungen, gemäß der Tragweite ihrer Konsequenzen, als Strategiewechsel bezeichnet werden können. In Bezug auf die Fragestellung dieser Analyse soll dieser Strategiewechselbegriff also der Maßstab sein. Nach der außenpolitischen Stunde Null für die türkische Außenpolitik besann man sich auf die alte Bande der Turkvölker als „Überbau“ für die neuen Regionalmachtspläne[12].
Während die politischen Parteien der Türkei vor 1990/91 keine Position zu den Turkstaaten im Verbund der Sowjetunion entwickelten, machten sich pantürkische Eliten schon früher über gemeinsame Wurzeln Gedanken, die pantürkische Idee hatte somit einen geistigen Vorsprung vor der Genese anderer Konzepte[13]. Der erste Ansatzpunkt in der neuen und unübersichtlichen Lage war also gegeben, man wollte erster Sprecher einer pantürkischen Staatenkonstellation sein, eine Regionalmacht. Diese Ambitionen fanden den Zuspruch der Führungseliten in den neuen Zentralasiatischen Staaten und auch Europa und die USA sahen in der Türkei den besten Kandidaten für eine Führungsrolle in der Region[14]. Für die westlichen Staaten hatte die Türkei Vorbildcharakter, eine laizistische Demokratie auf „Westkurs“ mit potentiellen Bruderstaaten vom Kaukasus bis China. „All dies rechtfertigte anfangs die neue Rolle der Türkei, die sie in der postsowjetischen Weltordnung gerne zu spielen beabsichtigte, und unterstrich ihr neues Regionalkonzept sowie ihre organisatorischen Schritte wie die Gründung der TIKA[...]“[15] am 24.01.1992. TIKA[16] war zunächst dem Außenministerium zugeordnet und sollte im Schwerpunkt den pantürkischen Überbau durch kulturelle Förderung ausgestalten.
Es ging darum, an gemeinsame Wurzeln zu erinnern und eine kulturelle Kohäsion vor allem mit den sprachlich entfernten Zentralasienstaaten zu schaffen. Nachdem die Sowjetunion in einer „Sprachenassimilierungspolitik“ die Kommunikationsbarriere zwischen Türken und Turkvölkern erhöht hatte, sollte TIKA dem, durch die Einrichtung von Schulen und Sprachzentren, entgegenwirken. TIKA hatte Zweigstellen in jedem zentralasiatischen Staat außer Tadschikistan. Die bilateralen Abschlüsse über die Wiedereinführung der türkischen Sprache in zentralasiatischen Schulen 1992 sind maßgeblich auf die Initiative von TIKA zurückzuführen. Ein weiterer Erfolg stellte die Installation des eigenen Fernsehprogramms „EurasiaTV“ (Avrasya Kanali) mit eigenem Satelliten dar. Außerdem wurden Abkommen über Stipendien getroffen um den kulturellen Austausch zu fördern. Alle betroffenen Staaten fanden in dieser Anfangsphase großen Zuspruch für die türkische Führungsrolle mit pantürkischem Unterton.
Es wäre jedoch verfehlt zu behaupten dieser Zuspruch sei das Ergebnis jahrzehntelang getrennter Bruderschaft gewesen, die nun nur noch romantische Einigkeit in den Beziehungen erwarten ließ. Das Motiv für den Zuspruch der zentralasiatischen Staaten lag eher bei der Diversifizierung der Auslandsbeziehungen, vor allem zu westlichen Staaten. Es scheint aus heutiger Sicht fast naiv den zentralasiatischen Eliten pantürkischen Gefolgschaftssinn zu unterstellen, die Türkei war für sie eher ein „Türöffner- und Fürsprecher“[17]. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass es keine grundsätzliche Zuneigung gab, beziehungsweise die türkische Agenda keinerlei politische Früchte trug. Die aktive Außenpolitik unter Präsident Özal hatte durchaus wirtschaftliche Erfolge zu verzeichnen, die auf kulturelle Zusammenarbeit zurückzuführen ist. Der Ausbau von Flugrouten, Telekommunikationsnetzen wurde vertraglich festgehalten. Ein Bündel bilateraler Abkommen über wirtschaftliche Maßnahmen hatte eine positive Auswirkung auf die Wirtschaftsdaten aller Länder. Zenit aller pantürkischen Ambitionen Anfang der 90´er Jahre war der von Präsident Özal einberufene Turkgipfel 1992. Präsident Özal sprach in der Eröffnungsrede zum ersten Mal vom „Welttürkentum“ und hatte dementsprechende Punkte auf die Agenda gesetzt.
Es sollte unter anderem die türkische Währung in allen zentralasiatischen Staaten eingeführt werden und eine art Zollunuion gegründet werden. Doch die türkischen Vorstöße wurden abgelehnt und reichten über Grundsatzabstimmungen nicht hinaus. Damit hatte der Turkgipfel vor allem zwei Dinge deutlich gemacht, die für die Analyse der vorliegenden Arbeit von großer Wichtigkeit sind:
1.) Es „[...] war deutlich geworden, daß die Entwicklung eines wie auch immer verbundenen Blocks der Turkstaaten unter Führung Ankaras auf absehbare Zeit nicht zu verwirklichen war.“[18] Die pantürkische Klammer war nicht stark genug, um nationale Interessen für ein solches Projekt zu bündeln.
2.) Der Kreml war durch die pantürkische Rhetorik von Präsident Özal aufgeschreckt und sah die eigenen Interessen in Zentralasien in Gefahr.
Es wäre ein leichtes den Anspruch der Russischen Föderation als alleinigen Faktor, für das Scheitern der pantürkischen- multilateralen Gesamtlösung, auszumachen. Darüber hinaus müssen jedoch auch die innenpolitischen Zustände der Türkei mit in Betracht gezogen
werden. Dazu kommen „innere“ Faktoren der zentralasiatischen Region, bestehend aus sicherheitspolitischen Verwerfungen, Grenzstreitigkeiten und divergierender nationaler Interessen. Diese Faktoren waren maßgeblich mitverantwortlich für das Scheitern türkischer Regionalmachtsträume. Diese Konfliktlinien sind auch heute noch ein Hemmnis für eine umfassende türkische Zentralasienpolitik und daher für die Fragestellung dieser Arbeit von Interesse. Es ist daher wichtig, wirtschaftliche-, sicherheitspolitische und kulturelle Kooperationen und ihre Kehrseite zu untersuche. Dabei bleibt der russische Anspruch, Zentralasien als exklusive Einflusssphäre zu deklarieren, prägender Faktor türkischer Versuche den eigenen Einfluss zu erweitern[19]. Es scheint daher aus türkischer Sicht fast eine logische Folge eine multilaterale Annäherung zu versuchen, die sich dem russischen Argwohn entzieht den der Turkgipfel verursacht hatte.
Die Wiederbelebung der Econonmomic Cooperation Organization“ (ECO) im Februar 1992 erfüllte dieses Kriterium. Im Unterschied zum Turkgipfel, fasst die ECO auch Gegenspieler im Einfluss auf Zentralasien, wie Pakistan und Iran, zusammen. Die Organisation hat sich hauptsächlich wirtschaftlichen Zielen verschrieben.[20] Durch diesen multilateralen und wirtschaftlichen Charakter konnte potentieller Argwohn über pantürkische Rhetorik entkräftet werden. Turkgipfel und Wiederbelebung der ECO sind Höhepunkt und Endpunkt türkischer Regionalmachtsbestrebungen und aktiver Außenpolitik unter Präsident Özal. Unter seinem Nachfolger Demirel erfuhr die türkische Zentralasienpolitik eine deutliche Abkühlung, was nicht zuletzt auf innenpolitische Probleme der Regierung unter Ministerpräsidentin Çiller zurückzuführen ist. „Die diplomatischen Aktivitäten Ankaras in Zentralasien wurden selektiver [...]“[21], der leidenschaftliche brüderliche Ton der Politik unter Turgut Özal wurde durch problembezogene Sachfragen ersetzt[22]. „Turgut Özal hatte ein politisches Vakuum hinterlassen das niemand zu Füllen imstande war.“[23] Özals Idee der Turkgipfel wurde zwar 1994 und 1995 fortgeführt jedoch ohne politisch wichtige Themen zu behandeln. Die ECO ist spielt heute eine eher untergeordnete Rolle vor dem Hintergrund neuer Kooperationen, wie die Shanghai
[...]
[1] Rothacher, Albrecht (2007). Das neue „Große Spiel“ – Zentralasien und der Kampf der Großmächte; in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2007, S. 102
[2] Vgl.: Koknar, Ali M.(2005). „Turkey´s Security Relations in Central Asia“; in: Eurasia in Balance Hrsg.: Cohen, Ariel, zitiert von Ozkan, S. (2000), Ataturk ve Turk Dunyasi” (Ataturk and the turkish World) S.101
[3] Bağcı, Hüseyin (2000). “Die“Grand Strategy” der Türkei“; in: Studien und Berichte zur Sicherheitpolitik Hrsg.: Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie Wien, S. 14
[4] Strategiewechsel im Sinne dieser Arbeit wären politische Bemühungen die darauf abzielen weitere Optionen zur EU bereitzustellen.
[5] Wie bereits in der Formulierung der Fragestellung erwähnt, wird dabei der Bezug zur Russischen Föderation mit in Betracht gezogen, andere Akteure können in dieser Arbeit nur am Rande erwähnt werden.
[6] Der Begriff „Turkvölker“ umfasst die gleichen Staaten inklusive Aserbaidschan und exklusive Tadschikistan.
[7] Vgl. Rothacher, Albrecht (2007). S. 103
[8] Vgl.: Koknar, Ali M.(2005). S.103
[9] Kramer, Heinz (1995). Zentralasien im Interessenfeld der Türkei; in: Stiftung Wissenschaft und Politik AP 2930, S.14
[10] Pradetto, August/ Bahadir, Tural/ Starke, Michael (2005). „Türkische und europäische Sicherheitsperzeptionen im Horizont eines EU-Beitritts der Türkei“; in: Die Türkei auf dem Weg in die Europäische Union – Aspekte und Perspektiven. Hrsg.: Europäische Akademie Berlin, S. 53
[11] Vgl. ebd.
[12] Vgl. Riemer, Andrea (2005). „Die Türkei: Brücke oder Bruchstelle zwischen Europa und Asien?“; in: Bruchlinien der Sicherheitspolitik: Die Türkei und das Spannungsfeld Naher Osten. Hrsg. in „Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie“ 20/2005. S.29
[13] Vgl. Çaman, Efe (2004). „Türkische Außenpolitik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts - Außenpolitische Kontinuität und Neuorientierungen zwischen der EU-Integration und neuer Regionalpolitik“; in: Universität Augsburg, Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät, 2005 (Online Ressource: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=97577705X) S. 272 - 273
[14] Vgl. Ebd. S. 284 - 285
[15] Ebd. S. 286
[16] “Turkish International Cooperation Agency” oder “Turkish Cooperation and Development Agency” (Turk Isbirligi ve Kalkinma Ajansi)
[17] Kramer, Heinz (1995). Zentralasien im Interessenfeld der Türkei; in: Stiftung Wissenschaft und Politik AP 2930, S.19
[18] Ebd. S.21
[19] Vgl. Çaman, Efe (2004). S.275
[20] Als erstes Ziel im Internetauftritt gibt die Organisation an: “Sustainable economic development of Member States”. (http://www.ecosecretariat.org/)
[21] Kramer, Heinz (1995). S.21
[22] Vgl. Biyikli, Derya (2004). „Die außenpolitische Stellung der Türkei im Nahen und Mittleren Osten, besonders nach dem Kalten Krieg bis Ende 1999, Kontinuität oder Wandel?“; in: Universität Hamburg (2005), Online Ressource: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975889710, S. 218
[23] Ebd. S.217
- Quote paper
- Tobias Herzog (Author), 2007, Strategiewechsel in Ankara? Die Möglichkeiten türkischer Außenpolitik vor dem Hintergrund des russisch-türkischen Verhältnisses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72404
-
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