Im Jahre 1859 veröffentlichte der spätere Parlamentsabgeordnete des britischen Unterhauses, John Stuart Mill, eines seiner Hauptwerke „On Liberty“, welches eine Grundlage darstellt für seinen Platz in der Geschichte der politischen Denker. Er versuchte darzulegen, wie bürgerliche und soziale Freiheit in einer Gesellschaft beschaffen sein muss, um dem Begriff der Freiheit überhaupt gerecht zu werden. Zudem versuchte er nachzuvollziehen, unter welchen Bedingungen der Eingriff der Gesellschaft bzw. des Staates in die Lebenswelt des Einzelnen seiner Meinung nach gerechtfertigt ist. Nicht zuletzt auch, warum der Gemeinschaft enge Grenzen für derartige Eingriffe auferlegt sein sollten. Da sein Werk bis heute in der Tradition des Liberalismus eine große Bedeutung besitzt, ist es nur gerechtfertigt, sich mit diesem auseinanderzusetzen, was in der vorliegenden Arbeit geschehen soll.
Im ersten Teil der Arbeit soll erläutert werden, wie Mill den Begriff der Freiheit überhaupt definiert, welchen Nutzen die Freiheit der Gedanken und des Handelns überhaupt bringt und welche Beschränkungen und Gefahren ihr in einer Gemeinschaft von Menschen drohen. Dieser Freiheitsbegriff hat unmittelbare Folgen für das Verständnis, das Mill vom Begriff des Staates entwickelte. Hierzu soll erläutert werden, wer überhaupt Mitglied der staatlichen Gemeinschaft ist, wer in einem Staat herrscht und wie weit die Kompetenzen eben jener Herrschenden gehen dürfen, um Freiheit nicht zu gefährden. Als Abschluss des erstens Teils werden die Thesen Mills in die Tradition des Liberalismus eingeordnet und in ihrem Stellenwert erläutert.
Im weiterführenden Teil der Arbeit werden der Stellenwert und das kritische Potential einiger ausgewählter Thesen in Bezug auf moderne Demokratien erläutert. Im Vordergrund steht dabei, ob sich durch die Veränderungen der Rahmenbedingungen im Laufe der eineinhalb Jahrhunderte die Richtigkeit der Thesen in einigen Aspekten bewahrt hat oder ob die Zeit sie zur Gänze überholt hat. Dabei soll zum einen die Gefahr der „Tyrannei der vorherrschenden Meinung“ in heutigen Demokratien erörtert werden und ob sich Mills Befürchtungen bewahrheitet haben. Des Weiteren soll geklärt werden, ob sich die Vorstellung, die Mill von Demokratie im Bezug auf Wahlrecht und Repräsentation entwickelte, in der heutigen Ausführung von Volksherrschaft wieder findet.
Inhalt
I. Einleitung
II. Die Begriffe „Freiheit” und „Staat” in „Über die Freiheit“
II. 1. Die Freiheit
II. 2. Der Staat
II. 3. Einordnung in die Tradition des Liberalismus
III. Das kritische Potential in modernen Demokratien
III. 1. Pluralismus und die Gefahren der vorherrschenden Meinung
III. 2. Repräsentation und Wahlrecht
IV. Zusammenfassung
V. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Im Jahre 1859 veröffentlichte der spätere Parlamentsabgeordnete des britischen Unterhauses, John Stuart Mill, eines seiner Hauptwerke „On Liberty“, welches eine Grundlage darstellt für seinen Platz in der Geschichte der politischen Denker. Er versuchte darzulegen, wie bürgerliche und soziale Freiheit in einer Gesellschaft beschaffen sein muss, um dem Begriff der Freiheit überhaupt gerecht zu werden. Zudem versuchte er nachzuvollziehen, unter welchen Bedingungen der Eingriff der Gesellschaft bzw. des Staates in die Lebenswelt des Einzelnen seiner Meinung nach gerechtfertigt ist. Nicht zuletzt auch, warum der Gemeinschaft enge Grenzen für derartige Eingriffe auferlegt sein sollten. Da sein Werk bis heute in der Tradition des Liberalismus eine große Bedeutung besitzt, ist es nur gerechtfertigt, sich mit diesem auseinanderzusetzen, was in der vorliegenden Arbeit geschehen soll.
Im ersten Teil der Arbeit soll erläutert werden, wie Mill den Begriff der Freiheit überhaupt definiert, welchen Nutzen die Freiheit der Gedanken und des Handelns überhaupt bringt und welche Beschränkungen und Gefahren ihr in einer Gemeinschaft von Menschen drohen. Dieser Freiheitsbegriff hat unmittelbare Folgen für das Verständnis, das Mill vom Begriff des Staates entwickelte. Hierzu soll erläutert werden, wer überhaupt Mitglied der staatlichen Gemeinschaft ist, wer in einem Staat herrscht und wie weit die Kompetenzen eben jener Herrschenden gehen dürfen, um Freiheit nicht zu gefährden. Als Abschluss des erstens Teils werden die Thesen Mills in die Tradition des Liberalismus eingeordnet und in ihrem Stellenwert erläutert.
Im weiterführenden Teil der Arbeit werden der Stellenwert und das kritische Potential einiger ausgewählter Thesen in Bezug auf moderne Demokratien erläutert. Im Vordergrund steht dabei, ob sich durch die Veränderungen der Rahmenbedingungen im Laufe der eineinhalb Jahrhunderte die Richtigkeit der Thesen in einigen Aspekten bewahrt hat oder ob die Zeit sie zur Gänze überholt hat.
Dabei soll zum einen die Gefahr der „Tyrannei der vorherrschenden Meinung“ in heutigen Demokratien erörtert werden und ob sich Mills Befürchtungen bewahrheitet haben. Des Weiteren soll geklärt werden, ob sich die Vorstellung, die Mill von Demokratie im Bezug auf Wahlrecht und Repräsentation entwickelte, in der heutigen Ausführung von Volksherrschaft wieder findet.
Der vorliegende Text konnte nur einen sehr kleinen, ausgewählten Bereich bearbeiten und ist hoffentlich dennoch in der Lage, seine oben genannten Anliegen zu erfüllen.
II. Die Begriffe „Freiheit” und „Staat” in „Über die Freiheit“
II. 1. Die Freiheit
Freiheit im Sinne von John Stuart Mill ist keine Eigenschaft, die Menschen von Natur aus gegeben ist, wie z.B. die Freiheit des eigenen Willens. Mill setzt sich mit einer Erscheinung auseinander, die er mit der Begrifflichkeit der sozialen bzw. bürgerlichen Freiheit[1] genauer eingrenzen möchte. Diese Freiheit verlangt sowohl von den Individuen, die sie besitzen wollen, als auch von der Gesellschaft, in der sie vorhanden ist, einen gewissen Stand zivilisatorischer und kultureller Entwicklung.[2]
Das bedeutet, dass der Mensch erstens ein gewisses Alter und zweitens eine gewisse innere Reife haben muss, um, gleichgültig, ob Mann oder Frau, mündig zu sein. Die innere Reife muss soweit fortgeschritten sein, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, sich selbst eigene Ziele zu setzen[3] sowie autonome Entscheidungen zu treffen[4], also er muss ein aktiver Charakter[5] sein. Diese Fähigkeit ist kein Resultat, sondern eine notwendige Vorrausetzung für Freiheit.[6]
Zugleich muss sich die Gesellschaft in einem Stadium befinden, welche die Anfangsschwierigkeiten von Zivilisation bereits überwunden hat, da in dieser Anfangsphase politische Führung in Form eines aufgeklärten Despotismus legitim und notwendig[7] ist und zwingender Weise Freiheit in der Mill´schen Bedeutung noch keine Anwendung findet. Die Gesellschaft musste auf diesem Wege den Zustand der Barbarei überwinden, weswegen diese Formen der politischen Führung zulässig waren, um dieses Ziel zu erreichen.[8]
Wenn die Gesellschaft einen Stand von zivilisatorischer und kultureller Reife[9] erreicht hat, der es erlaubt, dass die Möglichkeit besteht, freie und gleichberechtigte Erörterungen über Freiheit zu führen[10], ist der Punkt erreicht, an dem Freiheit im Sinne von John Stuart Mill beginnen kann.
Freiheit im Sinne einer bürgerlichen bzw. sozialen Freiheit bedeutet schlicht, dass der Mensch ohne äußeren Zwang das tun kann, was er tun will[11], gleich, ob es sich um Gedanken oder Taten handelt. Da in jeder Gesellschaft Grenzen festgesetzt werden müssen, die diese Freiheit beschränken, versucht Mill zu erörtern, wie die Gewalt in ihrem Wesen und ihren Grenzen beschaffen sein muss, die die Gesellschaft gegenüber einem Individuum rechtmäßig einsetzen darf[12]. Er versucht einen Grundsatz zu formulieren, der das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen in Bezug auf jegliche Art von Gewalt zum Zwecke der Einschränkung jener Freiheit, prägnant wiedergibt. Denn im Wesen und der Begrenzung dieser Gewalt liegt die Freiheit.[13]
Sein Prinzip sagt aus, dass nur dann in die Freiheit des Einzelnen eingegriffen werden darf, wenn damit die Schädigung anderer verhindert werden kann. Er schließt damit jeglichen legitimen Einfluss der Gesellschaft in Handlungen und Denkweisen aus, die nur die Interessen des Individuums selbst berühren.[14] Erst, wenn die Interessen der Gesellschaft berührt werden, darf überhaupt die Erörterung über ein Eingreifen beginnen.[15] Das Eingreifen selbst ist erst gerechtfertigt, wenn damit eine Schädigung verhindert werden kann, die nicht nur den Verursacher der Handlung selbst betrifft. Diese Maxime wird als „harm principle“[16] bzw. Schädigungsprinzip bezeichnet.
Damit untergliedert Mill von vornherein jegliche Handlung, die ein Einzelner ausführen kann, in zwei Klassen. Erstens sind dies Handlungen, die lediglich ihn selbst direkt betreffen und deren Folgen er lediglich selbst zu spüren bekommt.
Diese Handlungen können Gegenstand von Missbilligung, aber niemals Gegenstand eines Eingreifens durch Andere sein. Der Einzelne handelt hier im Bereich seiner individuellen Freiheit.[17]
[...]
[1] Mill, John Stuart, 2006: Über die Freiheit. Stuttgart, S. 17. Mill geht nicht genauer darauf ein, woran dieser Stand der Gesellschaft zu erkennen ist.
[2] Pazos, Manuel García, 1999: Die Moralphilosophie John Stuart Mills Utilitarismus. Bonn. S. 125.
[3] Baum, Bruce, 1999: John Stuart Mill´s Conception of Economic Freedom in: History of Political Thought 20, Heft 3, 1999, S. 498.
[4] Moon, J. Donald, 2003: Liberalism, Autonomy, and Moral Pluralism, in: Political Theory 31, Heft 1, 2003, S. 126.
[5] Valls, Andrew, 1999: Self-Development and the Liberal State. The Cases of John Stuart Mill and Wilhelm von Humboldt, in: The Review of Politics 61, Heft 2, S. 251-274.
[6] Baum, 1999, S. 498.
[7] Pazos, 1999, S. 125.
[8] Mill, 2006, S. 17.
[9] Baum, Bruce, 2001: Freedom, Power and Public Opinion. J. S. Mill on the Public Sphere, in: History of Political Thought 22, Heft 3, 2001, S. 506.
[10] Pazos, 1999, S. 126.
[11] Pazos, 1999, S. 126. und Mill, 2006, S. 77.
[12] Mill, 2006, S. 17.
[13] Pazos, 1999, S. 126.
[14] Mill, 2006, S. 19.
[15] Mill, 2006, S. 18.
[16] Kelly, Paul, 2002: The long shadow of John Stuart Mill. Brian Barry on culture and freedom, in: Contemporary Politics 8, Heft 2, 2002, S. 122.
[17] Mill, 2006, S. 77.
- Quote paper
- cand. paed. Martin Johannes Gräßler (Author), 2007, Liberalismus. John Stuart Mill 'Über die Freiheit': Stellenwert und kritisches Potential für moderne Demokratien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72015
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