Eine Zusammenfassung der zentralen Inhalte des Werks "Der sorgende Staat" von Abram de Swaan.
Abram de Swaan ( geb. 1942), Dekan der Amsterdam School for Social Resaearch und Professor der Universität von Amsterdam, der auch schon als Gastprofessor an Hochschulen mit hohem Ansehen, wie der Columbia University und der Pariser Sorbonne tätig war, und mit Werken wie "The Management of Morality" oder "Coalition theories and cabinet formation" internationales Ansehen genießt, untersucht in seinem !993 erschienen Buch "Der sorgende Staat" die Kollektivierung von Gesundheit, Bildung und Fürsorge in westlichen Industrieländern wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und den USA von der Neuzeit bis zur heutigen Zeit, und zeigt wie sich die Sozialpolitik dieser Staaten im Laufe der Jahrhundert verändert hat, was sein Werk für die politische Achse im Themengebiet "Europäische Sozialstruktur und Globalisierung" interessant macht.
Heute gilt die Unterstützung von sozial Schwachen in diesen Staaten als ein kollektives Anliegen, das von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung befürwortet wird, wofür de Swaan vor allem zwei Gründe zur Erklärung heranzieht.
a) die immer stärkeren externen Effekte von Armut, also z. B. die Auswirkungen sozialer Notlagen bestimmter Personengruppen auf nicht direkt Betroffene, haben zu einer Sensibilisierung für diese Belange geführt.
b) Interdependenzketten, die sich im Laufe der Geschichte immer stärker ausbildeten und die verschiedenen Gesellschaftsschichten voneinander abhängig machten, sorgten dafür, daß Probleme anderer Menschen schnell zum eigenen Problem werden konnten. Immer mehr Menschen waren durch die wachsende Marktwirtschaft aufeinander angewiesen.
Der sorgende Staat“ von Abram de Swaan
Abram de Swaan ( geb. 1942), Dekan der Amsterdam School for Social Resaearch und Professor der Universität von Amsterdam, der auch schon als Gastprofessor an Hochschulen mit hohem Ansehen, wie der Columbia University und der Pariser Sorbonne tätig war, und mit Werken wie „The Management of Morality“ oder „Coalition theories and cabinet formation“ internationales Ansehen genießt, untersucht in seinem !993 erschienen Buch „Der sorgende Staat“ die Kollektivierung von Gesundheit, Bildung und Fürsorge in westlichen Industrieländern wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und den USA von der Neuzeit bis zur heutigen Zeit, und zeigt wie sich die Sozialpolitik dieser Staaten im Laufe der Jahrhundert verändert hat, was sein Werk für die politische Achse im Themengebiet „Europäische Sozialstruktur und Globalisierung“ interessant macht.
Heute gilt die Unterstützung von sozial Schwachen in diesen Staaten als ein kollektives Anliegen, das von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung befürwortet wird, wofür de Swaan vor allem zwei Gründe zur Erklärung heranzieht.
a) die immer stärkeren externen Effekte von Armut, also z. B. die Auswirkungen sozialer Notlagen bestimmter Personengruppen auf nicht direkt Betroffene, haben zu einer Sensibilisierung für diese Belange geführt.
b) Interdependenzketten, die sich im Laufe der Geschichte immer stärker ausbildeten und die verschiedenen Gesellschaftsschichten voneinander abhängig machten, sorgten dafür, daß Probleme anderer Menschen schnell zum eigenen Problem werden konnten. Immer mehr Menschen waren durch die wachsende Marktwirtschaft aufeinander angewiesen.
Als historischen Hintergrund der Kollektivierung ist die zunehmende Staatenbildung, das Aufkommen des Kapitalismus, die steigende Urbanisierung und Säkularisierung zu sehen. Konkurrierende Staaten bauten bürokratische Netze auf, die direkt in das Leben ihrer Bürger eingriffen, etwa durch Steuern, Militärdienst, schulischen und medizinische Einrichtungen, und diese dadurch miteinander verknüpften. Aber auch der verstärkte Kapitalismus, aus dem neue Märkte hervorgingen, sorgte dafür, daß sich „Arbeitnehmer und Konsumenten zu Netzwerken der Produktion und des Warenaustauschs verbanden“1.
Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den etablierten, reicheren Schichten der Gesellschaft und den armen Teilen der Bevölkerung spielt eine der entscheidenden Rollen im Kollektivierungsprozess. Armut wurde von den reicheren Schichten schon ab der Neuzeit einerseits als Gefahr, andererseits aber auch als Chance angesehen. So konnten Landstreicher und Vagabunden zu Zeiten der Feudalherrschaft als Bedrohung für Leib, Leben und Eigentum der Etablierten angesehen werden, andererseits konnte ihre Arbeitskraft z. B. bei der Ernte oder ihre zahlenmäßige Stärke bei Kriegen zugunsten des Establishments eingesetzt werden, außerdem war diese Bevölkerungsgruppe schon mit geringem Entgelt zufrieden zu stellen. Zu Beginn einer fortschreitenden Staatenbildung und kapitalistischer Entwicklung waren die Haltung der Reichen zur Armut ähnlich. Zum einen stellten die verarmten Schichten aus ihrer Sicht eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, den sozialen Frieden und die öffentliche Gesundheit dar, zum anderen sah man sie als willige Reservearmee an Arbeiterrekruten, als mögliche Konsumenten der erzeugten Waren, sowie als potentielle politische Anhänger an, die noch von Nutzen sein konnten. Die externen Effekt der Armut betrafen die Etablierten also positiv wie negativ.
So konnte sich ein soziales Engagement der Etablierten auch für sie selbst auszahlen. Schon im Mittelalter hatten sich höher gestellte Gesellschaftsschichten um arme Menschen gekümmert, vorangetrieben von Priestern, die als „Wohlfahrtsunternehmer“ auftraten und mit Hinweis auf christliche Barmherzigkeit Almosen für Bedürftige sammelten. Diese Form der Armenhilfe war allerdings immer durch Kriege, Hungersnöte und Seuchen bedroht und damit sehr labil. Deshalb zogen massenhaft Arme auf der Suche nach Nahrungsmittel durch das Land. „Die Kommunen standen vor einem Dilemma: Wenn sie die Armen duchfütterten, riskierten sie einen Ansturm von Bettlern: jagten sie diese davon, so lieferten sie alle Ernten der Region plündernden Rotten aus.“2
Als Lösungsansatz wurde die Schaffung von Armenhäusern als sinnvoll erachtet, was sich aber schon bald als ein Fehler herausstellen sollte:
Es ergab sich ein fragiles Gleichgewicht zwischen örtlichen Armenhäusern auf regionaler Ebene, weshalb große Städte oft einen viel höheren Anteil an Bedürftigen zu versorgen hatten. Die noch sehr schwachen Zentralregierungen versuchten mit Hilfe eines Zentralschlüssels für die Aufnahme von Armen dem Problem Herr zu werden. Zunächst wurden die immer wieder von der Schließung bedrohten Armenhäuser auch finanziell vom Staat unterstützt, ehe sich im 19. Jahrhundert die Staatsapparate immer weiter ausbreiten konnten und den Prozeß der Kollektivierung entscheidend prägten und selbst in die Hand nahmen.
So hatte sich das kollektive Handeln, nachdem es zunächst nur kommunal oder städtisch organisiert war , landesweit ausgebreitet.
Dies erstarkten Staatsapparate und die zunehmende Markwirtschaft führten zu immer stärkeren Interdependenzen innerhalb der Bevölkerung. Nachdem zunächst nur der Wehrdienst durch die neu gebildeten Nationalstaaten alle Schichten durchdrungen hatte, rückte nun auch die Kollektivierung der Bereiche Gesundheit, Bildung und Absicherung gegen Arbeitsunfähigkeit in den Blickpunkt der Entscheidungsträger. Es wurde allerdings nicht aus purer Wohltätigkeit gehandelt, meist waren die Kollektivierungen im Interesse der Etablierten.
Kollektivierung aufgrund externer Effekte
Die städtischen Cholera Seuchen des 19. Jahrhunderts zeigen paradigmatisch, wie sich externe Effekte der Armut auf das Handeln der reicheren Schichten auswirkten. Als die Seuche immer weitere Kreise zog, erkannte man schnell, daß die Krankheit auf mangelnde Hygiene zurückzuführen war. Privilegiertere Schichten verließen daraufhin betroffene Viertel und zogen in Stadtteile, mit vorwiegend finanziell potenter Anwohnerschaft, was zu einer Homogenisierung bestimmter Quartiers führte.
Schon bald wurde unter den Etablierten ein Konsens darüber hergestellt, daß eine Verbesserung der sanitären Verhältnisse der Städte unumgänglich sei. Unter großen finanziellen Anstrengungen wurden die Städte sanitär erschlossen. Zunächst hatten nur wohlhabendere Bürger Zugang zu diesen neuen Netzen.
Doch nach und nach wurden aus öffentlichen Mitteln auch die Slums an Wasser- und Abwasserkanäle angeschlossen, da die in den Elendsviertel herrschenden Seuchen auch auf bessere Stadtteile übergriffen.
Es folgten Gas-, Elektro-, Stromleitungen, sowie Straßenbahnschienen, die ebenfalls erst in den reicheren Stadtvierteln Einzug erhielten, ehe sie zu Kollektivgütern wurden.
Kollektivierung der Bildung
Bevor es zur Kollektivierung der Bildung kam mußte ebenfalls erst ein Interesse des Establishments reifen. Je mehr sich die Marktwirtschaft und die Staatsbürokratie durchsetzte, desto stärker fielen die Probleme mit den regionalen Dialekten ins Gewicht, die den Handel mit weiter entfernten Regionen stark erschwerten. So mußten Mittler eingesetzt werden, die gegen Entgelt übersetzten und damit in bestimmten Regionen regelrechte Monopole einnahmen, was nicht nur überregional tätigen Unternehmern, sondern auch immer mehr metropolitanischen Staatsbediensteten mißfiel.
Das Ziel einer Sprachvereinheitlichung mit Standardsprache sowie der Wunsch nach einer Massenalphabetisierung führte dazu, daß ein Elementarschulpflicht angestrebt wurde, die sich schließlich zu einem landesweit einheitlichen und zwingenden Schulwesen weiterentwickelte, das die Schüler auch in elementarer Form in Rechenkunde und Geschichte der Heimat unterrichtete.
Kollektivierung der Sozialversicherungen
Mit der Expansion der industriellen Massenproduktion nahm die Zahl der Lohnabhängigen derart rasant zu, daß sie die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ausmachten. Sie waren vollkommen von ihrer Arbeitskraft abhängig, und hatten im Gegensatz zu den Vermögenden keine Rücklagen um Risiken durch Verlust der Arbeit, sei es durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit abzudecken, was eine Verelendung großer Teile der Arbeiterschaft zur Folge hatte. Dieses allgemeine Problem der Arbeiter führte dazu, daß sich immer mehr Lohnabhängige in privaten Versicherungsvereinen zusammenschlossen, um gegen Risiken wie Arbeitsunfähigkeit abgesichert zu sein. Allerdings waren diese privaten Kassen zu klein und wurden zu unprofessionell geführt, als daß sie den Versicherten einen wirklichen Schutz bieten konnten. Durch die homogene Zusammensetzung der Versicherten kam es zu einer Häufung ähnlicher Risiken, was allzu oft zum finanziellen Kollaps des Vereins führte. Ein weiteres Problem dieser Vereine stellte die Tatsache dar, daß sie nicht für jeden Arbeiter zugänglich waren. Bestimmte Arbeitergruppen wurden, aufgrund ihrer überaus gefährlichen Arbeit, aber auch aufgrund ihrer niedrigeren sozialen Stellung, von vornherein ausgeschlossen.
Die Massenverelendung, die diese privaten Versicherungsvereine nur zu einem kleinen Teil mindern konnte, erzeugte bei der Elite der Länder zu eine große Besorgnis, ob der öffentlichen Ordnung und des sozialen Friedens. Der Staat und die Oberschicht sahen sich genötigt zu handeln. Eine ständige Polizeiüberwachung wurde eingeführt, um die Vermögenswerte vor den Besitzlosen zu schützen. Im Establishment herrschte zunehmend Angst vor Kriminalität, Rebellion, Revolution, Infektion und „sozialer Ansteckung“. Deshalb wurden gegen den Widerstand der dünnen Mittelschicht, die Kleinunternehmer und Selbständigen sahen ihre soziale Distanz zur Unterschicht gefährdet, von verschiedenen Großunternehmern, gemäßigten Arbeiterführern, aktivistischen Bürokraten und Politikern die Einrichtung von landesweit gesetzlichen Gemeinschaftskassen durchgesetzt, um soziale Spannungen und Risiken abzubauen.
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1 DE SWAAN, ABRAM: Der sorgende Staat. Wohlfahrt, Gesundheit und Bildung in Europa und den USA der Neuzeit, Frankfurt am Main, 1993. S.13
2 ebd. S.17
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