Bernd Alois Zimmermann nimmt eine zentrale Stellung in der Nachkriegsmusik in Deutschland ein, wenngleich sein veröffentlichtes Œuvre vergleichsweise schmal geriet. Während seiner knapp 30-jährigen Kompositionstätigkeit fand der 1918 in Bliesheim bei Köln geborene Komponist sein eigenes, philosophisch bedingtes Kompositionsverfahren. In dieser Arbeit steht zunächst die Betrachtung von Zimmermanns kompositorischem ‚Leitmotiv’ zur Debatte, seine intensive philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zeit und schließlich sein pluralistisches Kompositionsverfahren, welches auf dem mit ‚Kugelgestalt der Zeit’ umschriebenen Zeit-Konzept basiert (Gliederungspunkt 2). Zimmermanns pluralistisches Kompositionsverfahren, das auch die Vielschichtigkeit der musikalischen Wirklichkeit abbilden soll, nimmt Bezug auf eine Reihe von ästhetischen Erkenntnissen und menschlichen Seinserfahrungen, u.a. beruft der Komponist sich auf jene Zeitdiskussion, die Augustinus in seinen Confessiones anstellt. B. A. Zimmermann hat sich mit elektronischer Musik verhältnismäßig spät beschäftigt, und so stellt die in Gliederungspunkt 3 betrachtete Komposition Tratto (1966) sein erstes rein elektronisches Werk dar. In Tratto werden ausschließlich Sinustongemische verwendet, ein in den 60er-Jahren eigentlich überholtes Klangmaterial. Tratto ist insofern ein zentrales Werk, da Zimmermann mit ihm zusätzlich das Prinzip der ‚Zeitdehnung’ einführte, das, aufbauend auf seinem pluralistischen Kompositionsverfahren, zum bestimmenden Kompositionselement seines ‚Spätwerks’ wurde. Schließlich wird der Versuch unternommen, einen Ausschnitt des Tratto als Hörpartitur visuell darzustellen, da außer ein paar Skizzen des Komponisten keine Notation existiert. Die dabei entstandenen Schwierigkeiten finden auch Beachtung und sind unter Gliederungspunkt 4.3 formuliert. Das erkenntnisleitende Interesse des Verfassers dieser Arbeit lenkt außerdem den Fokus auf die Kompositionstechnik, die Tratto zugrunde liegt. Dabei findet im Zuge einer detailreichen Erarbeitung der strukturformenden Parameter der Komposition auch das unter Gliederungspunkt 3 diskutierte Konzept der ‚Zeitdehnung’ Beachtung.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bernd Alois Zimmermann: Musik und Zeit
- Philosophisches Konzept der ,Kugelgestalt der Zeit'
- Pluralistisches Kompositionsverfahren
- Tratto - Komposition für elektronische Klänge in Form einer choreographischen Studie (1966)
- Einführung
- Tratto und ,Zeitdehnung'
- Hörpartitur & Kompositionstechnik des Tratto
- Versuch der Erstellung einer Hörpartitur
- Kompositionstechnik des Tratto
- Probleme bei der Erstellung der Hörpartitur
- Literatur
- Anlagen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das musikalische Schaffen von Bernd Alois Zimmermann mit Fokus auf seine philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zeit und seinem daraus resultierenden pluralistischen Kompositionsverfahren. Im Zentrum steht dabei die Analyse der elektronischen Komposition Tratto (1966) und die Erforschung der für Zimmermann charakteristischen „Zeitdehnung“ als zentralem Element seines Spätwerks.
- Philosophisches Konzept der „Kugelgestalt der Zeit“ bei Bernd Alois Zimmermann
- Zimmermanns pluralistisches Kompositionsverfahren
- Die Rolle der Zeitdehnung in Zimmermanns Komposition Tratto
- Analyse der Kompositionstechnik und der Hörpartitur von Tratto
- Die Bedeutung von Zimmermanns Werk für die Nachkriegsmusik in Deutschland
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und beleuchtet die zentrale Stellung Bernd Alois Zimmermanns in der Nachkriegsmusik. Sie stellt seine intensive Beschäftigung mit dem Phänomen der Zeit und seinem daraus resultierenden pluralistischen Kompositionsverfahren dar.
Kapitel 2 befasst sich mit Zimmermanns philosophischer Konzeption der „Kugelgestalt der Zeit“, die auf Augustinus' Theorie der „Bewusstseinzeit“ aufbaut. Es zeigt auf, wie Zimmermann von einem linearen Zeitbegriff zu einem subjektiven Zeitverständnis wechselt, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als Einheit begreift.
Kapitel 3 widmet sich der Komposition Tratto, Zimmermanns erstem rein elektronischen Werk. Es erläutert die Bedeutung von Sinus-Tongemischen als Klangmaterial und das Prinzip der „Zeitdehnung“, das in Tratto zum ersten Mal Anwendung findet und zum bestimmenden Kompositionselement in Zimmermanns Spätwerk wird.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem Versuch, einen Ausschnitt von Tratto in Form einer Hörpartitur zu visualisieren, da keine Notennotation existiert. Es beschreibt die Schwierigkeiten und Herausforderungen dieser Aufgabe und analysiert die Kompositionstechnik des Werkes, mit besonderem Fokus auf die Zeitdehnung.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter der Arbeit sind: Bernd Alois Zimmermann, Zeitdehnung, Kugelgestalt der Zeit, pluralistisches Kompositionsverfahren, elektronische Musik, Tratto, Hörpartitur, Nachkriegsmusik, Augustinus, Zeitphilosophie.
- Quote paper
- Martin Straka (Author), 2005, Bernd Alois Zimmermann: Tratto (1966), Komposition für elektronische Klänge in Form einer choreographischen Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71698