Bei der Bewertung von Kreditrisiken sind im letzten Jahrzehnt in der theoretischen Fundierung wie in der praktischen Umsetzung „Quantensprünge“ zu beobachten. Auf Seiten der Kreditgeber haben zum einen wachsende Ausfallraten den dringenden Bedarf an einer Verbesserung ihrer Prognose geweckt. Zum anderen hat der steigende Wettbewerbsdruck im Kreditgeschäft den Ruf nach besseren quantiativen Modellen zur risikoadäquaten Bepreisung von Krediten laut werden lassen. Des Weiteren verspricht man sich von quantitativen Kreditrisikomodellen eine effizientere Allokation des knappen Faktors Eigenkapital zur Absicherung extremer Verluste sowie die Möglichkeit, auch im Kreditgeschäft „Diversifikationschancen“ auf Portfolioebene aufdecken zu können.
Die Finanzierungstheorie hat sukzessive ausgefeiltere, vorrangig auf den Erkenntnissen der Optionspreistheorie und der Portfoliotheorie basierende Modelle entwickelt, deren praktische Umsetzung von Seiten der Banken mit enormen Entwicklungskosten vorangetrieben wird. Im Vordergrund dieser Modelle stehen die Quantifizierung des erwarteten Verlusts bei einem gegebenem Kreditportfolio sowie des Verlustwertes, den das Kreditportfolio mit einer bestimmten Wahrschein-ichkeit in der nächsten Periode nicht übersteigen wird (sog. "Value-at-Risk").
Theorie und Praxis werden zusammengeführt über die vom Basle Commitee on Banking Supervision gesetzten Anforderungen an die von Banken einzusetzenden Risikobewertungsmodelle und die sich daraus ableitenden Anforderungen an das Mindesteigenkapital von Banken. Auch hier vollzieht sich seit einiger Zeit ein Wandel. Der seit 1988 geltende Basle Capital Accord wird in mehreren Schritten reformiert, um auch bei den Eigenkapitalvorschriften für Kredite Diversifikationseffekten innerhalb Kreditportfolios Rechnung zu tragen.
Die vorliegende Arbeit analysiert den gegenwärtigen Entwicklungsstand kommerziell angebotener Kreditportfoliomodelle. Neben einer umfassenden Darstellung der unterschiedlichen theoretischen und methodischen Grundlagen sowie der praktischen Herangehensweisen der Verfahrenstypen werden vor allem auch ihre noch vorhandenen Schwächen aufgedeckt sowie Vorschläge zu deren Überwindung entwickelt. Die Diskussion der Kreditrisikomodelle wird abschließend mit Überlegungen zu einem Performancevergleich und zum den Einsatz der Modelle für die strategische Gestaltung und Optimierung des Kreditportfolios sowie der risikoadjustierte Performancemessung ergänzt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gründe für die Entwicklung quantitativer Kreditrisikomodelle
- Problemstellung
- Aufbau der Arbeit
- Kreditrisikomodelle: Grundlagen und Anforderungen
- Grundlagen
- Kreditgeschäfte und Kreditrisiko
- Die Parameter des Kreditrisikos: Expected Loss und Unexpected Loss
- Ökonomisches versus regulatorisches Eigenkapital
- Credit-Value-at-Risk und Allokation von ökonomischem Kapital
- Eigenkapital unterlegungsvorschriften und regulatorisches Kapital
- Bepreisung von Krediten
- Inkonsistente Bepreisung und Adverse Selection
- Notwendige Bestandteile des Kreditzinses
- Portfolio-Management-Prozess im Kreditgeschäft
- Anforderungen
- Contingent Claims-Analysis I (CCA I):
- Strukturformmodelle der ersten Generation
- Das Grundmodell von Merton (1974)
- Kritische Annahmen im Asset Value-Model von Merton
- Erweiterungen durch Black/Cox (1976)
- Erweiterungen durch Geske (1977)
- KMV's Portfolio Manager™: Portfolioansatz auf Basis der CCA
- Kreditrisiko-Analyse einzelner Kredite
- Parameterschätzungen
- Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Risikoneutrale vs. tatsächliche Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Ermittlung der Expected Default Frequency (EDF) bei KMV
- Loss Given Default und Verlustverteilung zum Zeithorizont
- Berechnung des Kreditrisikos
- Bepreisung von Krediten
- Bepreisung im Merton-Modell
- Bepreisung bei KMV
- Berechnung von Ausfallkorrelationen
- Zur Unterscheidung von Ausfall-und Asset Value-Korrelation
- Asset Value-Korrelationen und gemeinsame Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Gemeinsame Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Schätzung der Asset Value-Korrelationen
- Kreditrisikoanalyse von Kredit-Portfolios
- Die Risikoparameter Expected Loss und Unexpected Loss
- Credit-Value-at-Risk und ökonomisches Kapital
- Kritische Beurteilung
- Zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Zum Bewertungsmodell
- Zur Schätzung von Ausfallkorrelationen
- Mögliche Erweiterungen von Portfolio Manager™
- CCA-Modelle der zweiten Generation: SFM mit stochastischer Zinsstruktur
- Einführung von stochastischer Zinsstruktur und exogener Recovery Rate
- Einführung einer kontinuierlichen Ausfallschranke
- Bewertung von fixed-rate-bonds
- Bewertung von floating-rate-bonds
- Implikationen des L/S-Modells für die Bewertung von fixed-rate-bonds
- Zusammenfassung
- Mark-to-Market- Ansatz: Implizite Marktbewertung zum Zeithorizont
- Berechnung von impliziten "forward-Q's"
- Herleitung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen EDF
- Empirische Ermittlung
- Analytische Herleitung
- Zusammenfassung
- J.P. Morgan's Credit Metrics™: Portfolioansatz auf Basis von Ratings und Aktienrenditen
- Voraussetzungen für die Anwendung von Credit Metrics™ auf Kredite
- "Matching" zwischen (internem) Kredit-Rating-System und Bond-Rating-Systemen von Ratingagenturen
- Äquivalentes Schuldnerverhalten
- Liquidität
- Kreditrisikoanalyse einzelner Kredite
- Übergangs- und Ausfallwahrscheinlichkeiten
- Bewertung zum Zeithorizont
- Verlustverteilung zum Zeithorizont
- Berechnung des Kreditrisikos
- Schätzung von gemeinsamen Übergangswahrscheinlichkeiten auf Basis von Aktienrenditekorrelationen
- Das Asset Value-Model zur Schätzung gemeinsamer Übergangswahrscheinlichkeiten
- Berechnung der Aktienrenditekorrelation bei CM
- Berechnung der gemeinsamen Übergangsmatrix
- Kreditrisikoanalyse von Kreditportfolios
- Kreditrisiko des Zwei-Schuldner-Portfolios
- Kreditrisiko bei mehr als zwei Schuldnern
- Analytische Berechnung von EL und UL eines Kredit-Portfolios
- Monte-Carlo- Simulation der Portfolio-Verlustverteilung
- Kritische Beurteilung
- Zur Verwendung durchschnittlicher Übergangswahrscheinlichkeiten
- These: "Der Ratingprozess der Ratingagenturen ist zeitstabil"
- These: "Rating- und Bonitätsveränderungen sind identisch"
- These: "Die Übergangswahrscheinlichkeiten sind nicht autokorreliert"
- These: "Die Schätzungen der historischen Übergangswahrscheinlichkeiten sind unverzerrt"
- These: "Alle Schuldner innerhalb eines "grades" haben identische Ausfall- und Übergangswahrscheinlichkeiten. Diese entsprechen ihren historischen Durchschnittswerten"
- Zur Stabilität der Übergangsmatrix
- Zum Bewertungsmodell
- Zur Berechnung gemeinsamer Übergangswahrscheinlichkeiten
- Mögliche Erweiterungen von Credit Metrics™
- Verwendung von (konjunktur-) bedingten Übergangswahrscheinlichkeiten
- Grundidee des Makro-Modells
- Prognose der Ausfallwahrscheinlichkeit
- Die bedingte Übergangsmatrix
- Zusammenfassung
- Marktbewertung mit Modellen der CCA III
- Grundkonzept von Modellen der reduzierten Form (RFM)
- Eine Auswahl bekannter RFM
- Zusammenfassung
- Performancevergleich
- Das Datenset von Nickell et al. (1999)
- Modellapproximationen
- Korrektur von Bewertungsfehlern
- Performancemessung und Ergebnisse
- Komplementaritäten im Kredit-Portfolio-Management-Prozess
- Risikobeiträge
- Limitstrategien auf Basis des Marginal Unexpected Loss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Bewertung von Kreditportfolios und analysiert kommerzielle Anwendungssysteme für die quantitative Modellierung von Kreditrisiken. Ziel ist es, einen umfassenden Überblick über die gängigen Methoden und Modelle zur Bewertung von Kreditrisiken zu geben und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile zu beleuchten.
- Bewertung von Kreditportfolios
- Quantitative Modellierung von Kreditrisiken
- Contingent Claims Analysis (CCA)
- Portfolioansätze auf Basis von Ratings
- Performancevergleich von Risikomodellen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Kreditrisikomodellierung ein und beleuchtet die Gründe für ihre Entwicklung sowie die Problemstellung der Arbeit. Kapitel 2 beschäftigt sich mit den Grundlagen des Kreditrisikos, den wichtigsten Parametern, den Anforderungen an Risikomodell und dem Portfolio-Management-Prozess im Kreditgeschäft. Kapitel 3 stellt die Contingent Claims Analysis (CCA) vor und untersucht die Strukturformmodelle der ersten Generation, insbesondere das Merton-Modell und seine Erweiterungen. In Kapitel 4 wird KMV's Portfolio Manager™ vorgestellt, ein Portfolioansatz auf Basis der CCA, der die Modellierung von Kreditrisiken auf Einzel- und Portfoliobene ermöglicht. Kapitel 5 diskutiert mögliche Erweiterungen des Portfolio Manager™ und geht auf Modelle der zweiten Generation sowie den Mark-to-Market- Ansatz ein. Kapitel 6 untersucht J.P. Morgan's Credit Metrics™, ein Portfolioansatz auf Basis von Ratings und Aktienrenditen, und analysiert seine Vor- und Nachteile. Kapitel 7 befasst sich mit möglichen Erweiterungen von Credit Metrics™ durch die Verwendung von bedingten Übergangswahrscheinlichkeiten und Marktbewertung mit Modellen der reduzierten Form (RFM). Kapitel 8 widmet sich dem Performancevergleich der vorgestellten Modelle anhand eines Datensets von Nickell et al. (1999). Schließlich beleuchtet Kapitel 9 die Komplementaritäten der Risikomodellansätze im Kredit-Portfolio-Management-Prozess.
Schlüsselwörter
Kreditrisiko, Kreditportfolios, Risikomodell, Contingent Claims Analysis (CCA), Merton-Modell, Portfolio Manager™, Credit Metrics™, Rating, Aktienrenditen, Performancevergleich, Portfolio-Management-Prozess
- Quote paper
- Michael Grass (Author), 2000, Bewertung von Kreditportfolios - eine vergleichende Analyse kommerzieller Anwendungssysteme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7141