Als Wilhelm II, König von Preußen und deutscher Kaiser, in der Kabinettsordre vom 1. Mai 1889 erklärt, die Schule „nutzbar zu machen, um der Ausbreitung sozialistischer und kommunistischer Ideen entgegenzuwirken“ (Wilhelm II, 1891: S. 3f., zit. n. Massing/ Kuhn, 1990: S. 35), beginnt in Deutschland eine Auseinandersetzung über die staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend. Wie weite Teile der Gesellschaft, war auch die Schule bis zu diesem Zeitpunkt unpolitisch und versuchte, die Politik aus ihren Mauern heraus zu halten. Nun sollte schon in den Schulen begonnen werden, den Bürger zu einem staatstreuen Untertanen zu erziehen, der in den Lehren der Sozialdemokratie „Irrtümer und Entstellungen“ (Ebd.) erkennt und so einen „freiwilligen und blind vertrauenden Gehorsam“ (Hoffmann, 1970: S. 55) gegenüber dem Staat entwickelt. Im Rahmen dieser Arbeit soll unter besonderer Berücksichtigung der Ansätze von Georg Kerschensteiner und Friedrich Wilhelm Foerster der Frage nachgegangen werden, wie die liberalen Vertreter der politischen Pädagogik im Kontext sich verstärkender Demokratisierungstendenzen in der Monarchie mit der Forderung Wilhelms II umgegangen sind und welche Konsequenzen sich daraus für die staatsbürgerliche Erziehung ergaben.
Zunächst werde ich wichtige historische Ereignisse aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts skizzieren, die die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen aufzeigen, die zu der Auseinandersetzung in Politik und Erziehungswissenschaft geführt haben.
Im Hauptteil meiner Arbeit vergleiche ich die Auseinandersetzung mit den staatlichen Vorgaben innerhalb der Konzeptionen von Foerster und Kerschensteiner. Diesbezüglich sollen die besonderen politischen und gesellschaftlichen Idealvorstellungen beider Pädagogen diskutiert werden und welche konkreten Maßnahmen sie zur Umsetzung ihrer Theorie vorschlagen. Aufgrund des vergleichenden Verfahrens, werden nicht nur Gemeinsamkeiten und Unterscheide deutlich, sondern fließen auch Kritikpunkte in die Betrachtung mit ein, weshalb eine kritische Würdigung unnötig wird. Abschließend soll in einem Fazit die Tragweite und der Einfluss der Ansätze von Foerster und Kerschensteiner in ihrer Zeit dargestellt werden und auch kurz auf die auch über die Zeit des deutschen Reiches hinausreichende Debatte zur staatsbürgerlichen Erziehung eingegangen werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung & Themeneingrenzung
- Hauptteil
- Historischer Bezug: Demokratisierungstendenzen und staatsbürgerliche Erziehung in der Monarchie
- Die politische Pädagogik zwischen Demokratie und Monarchie: Liberale Ansätze von Friedrich W. Foerster und Georg Kerschensteiner
- Georg Kerschensteiner/ Friedrich W. Foerster: Begründung der Auswahl
- Das vorrangige Erziehungsziel
- Die Idealstaatstheorien
- Gleiche Vorstellungen über eine Individualpädagogik - zwei unterschiedliche Wege
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der staatsbürgerlichen Erziehung im Kontext des sich wandelnden politischen Klimas in Deutschland im späten 19. Jahrhundert. Sie konzentriert sich auf die Auseinandersetzung zwischen dem staatlichen Bestreben, eine patriotische und gehorsame Bevölkerung zu schaffen, und den liberalen Ansätzen von Georg Kerschensteiner und Friedrich Wilhelm Foerster, die eine Erziehung zur politischen Teilhabe forderten.
- Die Rolle der staatsbürgerlichen Erziehung in der Monarchie
- Der Einfluss der Sozialdemokratie auf die politische Bildung
- Die Idealstaatstheorien von Kerschensteiner und Foerster
- Der Vergleich der pädagogischen Ansätze von Kerschensteiner und Foerster
- Die Bedeutung einer individuellen und selbstbestimmten staatsbürgerlichen Erziehung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung & Themeneingrenzung
Die Einleitung führt in das Thema der staatsbürgerlichen Erziehung in der späten Monarchie ein und legt die Problematik des Spannungsverhältnisses zwischen staatlicher Kontrolle und liberaler Pädagogik dar. Die Arbeit konzentriert sich auf den Vergleich der Ansätze von Georg Kerschensteiner und Friedrich Wilhelm Foerster.
Historischer Bezug: Demokratisierungstendenzen und staatsbürgerliche Erziehung in der Monarchie
Dieses Kapitel analysiert die historischen Entwicklungen im ausgehenden 19. Jahrhundert, die zu einer Diskussion über die politische Bildung führten. Die Emanzipation des Bürgertums und die Arbeiterschaft führten zu einem Wandel in der Gesellschaft, während die politische Emanzipation der Bürger in der Monarchie zurückblieb. Die steigende Einflussnahme der Sozialdemokratie löste beim Obrigkeitsstaat Ängste aus, was zu Forderungen nach einer staatlichen Erziehung zur Untertanentreue führte.
Die politische Pädagogik zwischen Demokratie und Monarchie: Liberale Ansätze von Friedrich W. Foerster und Georg Kerschensteiner
Dieser Teil der Arbeit befasst sich mit den Ansätzen von Kerschensteiner und Foerster. Er diskutiert ihre Idealstaatstheorien, ihre Ziele der staatsbürgerlichen Erziehung und die konkreten Maßnahmen, die sie vorschlugen. Der Vergleich ihrer Ansätze hebt Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie die Kritikpunkte an ihren Konzeptionen hervor.
- Georg Kerschensteiner/ Friedrich W. Foerster: Begründung der Auswahl: Dieses Unterkapitel begründet die Auswahl von Kerschensteiner und Foerster als Vertreter der liberalen Pädagogik.
- Das vorrangige Erziehungsziel: Hier werden die unterschiedlichen Ziele der staatsbürgerlichen Erziehung bei Kerschensteiner und Foerster beleuchtet.
- Die Idealstaatstheorien: Dieser Abschnitt untersucht die politischen Idealvorstellungen der beiden Pädagogen und ihre Vorstellungen von einer idealen Gesellschaftsordnung.
- Gleiche Vorstellungen über eine Individualpädagogik - zwei unterschiedliche Wege: Dieser Abschnitt beleuchtet die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Ansätzen von Kerschensteiner und Foerster in Bezug auf Individualpädagogik.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie staatsbürgerliche Erziehung, politische Pädagogik, Demokratie, Monarchie, Sozialdemokratie, liberale Ansätze, Georg Kerschensteiner, Friedrich Wilhelm Foerster, Idealstaatstheorien, Individualpädagogik und die historischen Entwicklungen im späten 19. Jahrhundert.
- Quote paper
- Katja Erben (Author), 2006, Von der staatsbürgerlichen Erziehung in der Monarchie zur staatsbürgerlichen Erziehung in der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71374