Die Arbeit analysiert den Text „Bemerkungen zur Ethnographie des Fernsehpublikums“ von David Morley aus dem Jahre 1999 und stellt die Problematiken, auf die Morley in seinem Text eingeht, dar.
Hierbei geht es ihm zunächst um die Tatsache, dass Publikumsforschung bis jetzt nur auf quantitativer Ebene durchgeführt wird. Er fordert eine qualitative Forschung, welche das Fernsehen-Gucken in den Alltag des Publikums einordnet. Seine These ist hierbei, dass ein kultureller Akt, welcher so stark in den Alltag des Publikums integriert ist, nicht durch simple Quotenmessung ethnologisch oder kulturwissenschaftlich analysiert werden kann. Denn gerade diese starke Einbindung in die Alltagskultur der Menschen erfordert eine kulturwissenschaftliche qualitative Untersuchung des Fernsehen-Guckens.
Die Frage nach dem „Wie“ einer solchen Forschung versucht Morley in Verbindung mit dem Diskurs um die „Krise der Repräsentation“ in der Ethnologie zu beantworten, indem er das Für und Wider einer solchen Forschung abwägt. Es geht ihm also darum, die Frage nach dem richtigen Weg, die Methode der qualitativen Forschung zu nutzen, zu klären.
Auch Morleys Ausführungen bezüglich des Diskurses um die „Krise der Repräsentation“ des Ethnographen werden ausführlich vorgestellt. Jenen Diskurs bezieht er in die Suche nach einer geeigneten Methode für die Publikumsforschung ein, denn dieser hat die Kulturwissenschaft und ihr Selbstverständnis im Bezug auf ihre Methodik in den letzten Jahrzehnten geprägt. Diese „Krise der Repräsentation“ bezeichnet vor allem die Problematik der eigenen Authentizität des Ethnographen, welcher möglicherweise ‚das Andere’, welches er erforschen möchte, durch seinen verdichteten Blick darauf erst konstruiert.
Letztendlich versucht Morley, trotz des Problems der Authentizität des Forschers und des zu Erforschenden, Lösungsansätze für die Durchführung einer qualitativen Publikumsforschung zu finden.
Weiterhin werden Morleys Thesen und Ausführungen in den Kontext der Europäischen Eth-nologie/Kulturwissenschaft eingeordnet und auf einige Punkte, welche ein zentrales Thema in der Arbeit der Kulturwissenschaft und in ihrem Selbstverständnis bilden, wird näher eingegangen.
Letztendlich wird der Inhalt des Textes im Fazit kritisch beurteilt. Hierbei wird dargestellt, welche Punkte seiner Ausführungen überzeugen können und welche Punkte noch Fragen offen lassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil: Empirische Publikumsforschung und der Diskurs über Ethnographie
2.1. Methoden der Publikumsforschung
2.1.1. Die quantitativ-empirische Publikumsforschung und Morleys Kritik
2.1.2. Die qualitativ-empirische Publikumsforschung und die Bedeutung des Kontexts
2.2. Der Diskurs über Ethnographie und die „Krise der Repräsentation“
2.2.1. Forschungsansätze nach Morley – Das Publikum als Konstruktion?
2.2.2. Das Problem der Subjektivität: Der Forscher als selbstreflektierender Autor
2.2.3. Der Machtfaktor in der Ethnographie
2.2.3.1. Der Umgang des Forschers mit Macht und Subjektivität
2.2.4. Methodenvorschlag für eine kontextualisierte Publikumsforschung unter Berücksichtigung der „Krise der Repräsentation“
3. Kritik am Text und Fazit
4. Bibliographie
1. Einleitung
Ich werde in dieser Hausarbeit den Text „Bemerkungen zur Ethnographie des Fernsehpublikums“ von David Morley aus dem Jahre 1999 bearbeiten.
Im Hauptteil werde ich die beiden von Morley analysierten Problemstellungen vorstellen. Hierbei geht es ihm zunächst um die Tatsache, dass Publikumsforschung bis jetzt nur auf quantitativer Ebene durchgeführt wird. Er fordert eine qualitative Forschung, welche das Fernsehen-Gucken in den Alltag des Publikums einordnet.
Dann stelle ich Morleys Ausführungen bezüglich des Diskurses um die „Krise der Repräsentation“ des Ethnographen vor. Diesen bezieht er in die Suche nach einer geeigneten Methode für die Publikumsforschung ein, denn dieser Diskurs hat die Kulturwissenschaft und ihr Selbstverständnis im Bezug auf ihre Methodik in den letzten Jahrzehnten geprägt.
Letztendlich versucht Morley, Lösungsansätze für die Durchführung einer qualitativen Publikumsforschung zu finden.
Weiterhin werde ich versuchen, Morleys Thesen und Ausführungen in den Kontext der Europäischen Ethnologie/Kulturwissenschaft einzuordnen und auf einige Punkte näher einzugehen, welche ein zentrales Thema in der Arbeit der Kulturwissenschaft und in ihrem Selbstverständnis bilden.
Hierbei werde ich mich vor allem auf das Buch „Einführung in die Europäische Ethnologie“ von Wolfgang Kaschuba beziehen.
In der Kritik am Text, welche ich gleichzeitig als Fazit nutze, werde ich vor allem anhand meiner eigenen Überlegungen aufzeigen, was mich daran überzeugt hat und wo sich mir noch Fragen bezüglich seiner Überlegungen stellen.
Da diese Hausarbeit einen begrenzten Rahmen haben soll, werde ich nur die wichtigsten Thesen Morleys ausführen und kann auf viele Details seiner Arbeit, wie zum Beispiel die konkrete Diskursanalyse, nicht genauer eingehen.
2. Hauptteil: Empirische Publikumsforschung und der Diskurs über Ethnographie
Wie schon in der Einleitung beschrieben, beginnt David Morley seine Ausführungen über die Probleme, die bei der Arbeit eines Ethnologen auftreten können anhand des Beispiels der Methoden der Publikumsforschung beziehungsweise der Untersuchung von Kommunikationspraktiken im Alltag.
Ich möchte in diesem Kapitel zunächst Morleys Kritik an den gängigen, quantitativen Methoden näher erörtern, um damit das grundlegende Problem und der Grund für seine Rekonstruktion des kulturwissenschaftlichen Diskurses verständlich zu machen. Daraufhin werde ich die von Morley durchgeführte Diskursanalyse über diesen Diskurs um die so genannte „Krise der Repräsentation“, der sich jeder Ethnograph bei seiner Arbeit stellen muss, erörtern. Anhand dieses Diskurses erläutert Morley seine Thesen und Argumente für eine qualitativ-empirische Forschung.
In Kapitel 2.2.4. werde ich dann seine konkreten Vorstellungen und Ziele einer kontextualisierten Publikumsforschung vorstellen.
2.1. Methoden der Publikumsforschung
2.1.1. Die quantitativ-empirische Publikumsforschung und Morleys Kritik
Die bisher vorherrschende Methode der quantitativ-empirischen Publikumsforschung betrachtet Morley als eine nicht ausreichende Ebene der Forschung, da hohe Einschaltquoten seinen Überlegungen zufolge nicht mit einer hohen Intensität des Sehverhaltens gleichgesetzt werden können.[1]
Bei jener Publikumsforschung wird laut Morley durch reine Einschaltquotenmessung, isoliert vom „bedeutungsverleihenden“[2] Kontext, davon ausgegangen, dass der Zuschauer das Programm verfolgt.
Diese rein quantitative Erforschung der Zuschauer hält Morley für überholt und nicht ausreichend, da ein verändertes Verhalten der Zuschauer sichtbar geworden ist[3]:
„Lange Zeit ist die Zuschauerforschung in erster Linie mit Hilfe quantitativ-empirischer Methoden durchgeführt worden. […] Unschwer lässt sich erkennen, dass der über die Jahre entfaltete enorme Forschungsaufwand zur Beantwortung der grundlegenden Frage nach der Beeinflussung nicht eben viel beigetragen hat. Weil man glaubte, das Fernsehpublikum mit einer Art von klinisch reinem, durch methodologische Isolation und Abstraktion gekennzeichnetem Empirismus betrachten zu können, ist die Medienforschung allzu oft in die Sackgasse geraten. Fortwährend hat sie methodischen Rigorismus mit Verstehen verwechselt.“[4]
Morley begründet diese Kritik damit, dass die Seh-Entscheidung bewertet wird, ohne den Kontext des Fernseh-Guckenden einzubeziehen, da dieser aus unterschiedlichsten Gründen den Fernseher eingeschaltet haben kann und dem Programm mehr oder weniger Aufmerksamkeit schenken kann.[5] Außerdem kann die Sehentscheidung laut Morley nicht als individueller Entscheidungsprozess betrachtet werden.[6]
Der Zuschauer ist also demnach für Morley im Alltagszusammenhang nicht wirklich mit Fernsehen-Gucken beschäftigt, sondern es ist ein Prozess, der in den Alltag integriert ist und somit ist die Zugehörigkeit eines Individuums zum Fernsehpublikum nicht permanent gegeben.[7]
Der technische Weg, den die Zuschauerforschung dann geht, um das Problem der Fernsehzuschauerforschung zu lösen ist jedoch laut Morley, der dazu Wober zitiert,[8] der falsche Weg. Denn dort wird Publikumsforschung damit bedient, quantitativ unterschiedliche Typen konsumbezogenen Verhaltens[9] durch berechenbare Kategorien[10] zu erfassen, so dass das Publikum laut Morley mit einem „methodologischen Situationalismus“ dargestellt wird. Dieser stellt eine konkrete Situation in eine Analyse als ein verallgemeinertes Sehverhalten eines verallgemeinerten Publikums dar.[11]
2.1.2. Die qualitativ-empirische Publikumsforschung und die Bedeutung des Kontexts
Nun stellt sich mir die Frage nach dem kulturwissenschaftlichen Bezug zur Publikumsforschung. Die Kulturwissenschaft definiert sich selbst als Alltagsforschung.[12] Sie nimmt
„Kurs auf einen `erweiterten Kulturbegriff´, auf eine ‚Volkskunde als Ethnologie der eigenen Kultur’ (Hermann Bausinger), die nicht nur das Schöne und Wahre […] ins Auge fassen will, sondern vor allem das Normale, Alltägliche, Erfahrene, Wahrgenommene. Kultur als das ´wirkliche Leben´, als Modus der materiellen wie ideellen Daseinsbewältigung […].“[13]
Kultur wird in der Kulturwissenschaft als alltägliche Praxis verstanden und bewegt sich eher hin zu einer Deutung von Handlungsweisen im Alltagskontext der Menschen als zur klassischen Volks- und Landeskunde.[14]
Diese Sichtweise auf Kultur und ihre Erforschung in Formen des Alltags bietet meiner Meinung nach also auch Raum für eine Erforschung des Fernsehpublikums, denn gerade dies ist eine der alltäglichsten Beschäftigungen der meisten Menschen. Und dass sich der Umgang damit in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat, sollte meiner Meinung nach die Kulturwissenschaft noch mehr dazu anregen, diesen Alltagsbereich zu untersuchen. Denn gerade die Erforschung des Umgangs mit Technik im Alltagsbereich ist ein Feld, welches von der Kulturwissenschaft stark vernachlässigt wurde. Kaschuba bezeichnet es sogar als „Stiefkind“[15] der Europäischen Ethnologie, was diese „in eine immer zwielichtigere Haltung zur Wirklichkeit[16] “ drängen wird.[17]
Bei der Frage nach der geeigneten Methode zur Publikumsforschung bezieht Morley sich auf die Ausführungen von Towler (1985), der Forschungen im „Mikrobereich“[18] fordert, um sich mit der tatsächlichen Praxis des Fernsehens zu befassen.
Denn „[…] Wenn wir die gelebte Wirklichkeit hinter den Quoten verstehen wollen, müssen wir uns den Kontexten, der physischen Umgebung, in der die Rezeption stattfindet, zuwenden und fragen, was das Fernsehen-Gucken für das Publikum bedeutet.“[19]
[...]
[1] Morley 1999: S. 281-288; S. 283.
[2] Vgl. Ebd. S.282.
[3] Ebd. S. 283.
[4] Morley 1999: S. 283.
[5] Vgl. Ebd. S. 284 -285. Bezug auf Bausinger (1984) und Ang (1991)
[6] Vgl. Ebd. S. 285.
[7] Ebd. S. 314.
[8] Vgl. Ebd. S. 283.
[9] Vgl. Ebd.
[10] Ebd. S. 284 – 285. Bezug auf Ang (1991).
[11] Ebd. S. 301 - 302. Bezug auf Ang (1991, 162) und Knorr-Cetinas (1989).
[12] Vgl. Kaschuba 1999: S. 82; 93 – 94; 101; 107 – 108.
[13] Ebd. S. 94.
[14] Vgl. Ebd. S. 107 – 108.
[15] Ebd. S. 234.
[16] Ebd. Zit. Nach Bausinger (1961: 19).
[17] Ebd. S. 234 – 235.
[18] Morley 1999: S. 286. Zit. nach Towler (1985).
[19] Morley 1999: S. 286. Zit. nach Jensen (1987, 25).
- Quote paper
- Thekla Schormann (Author), 2006, Bearbeitung des Textes 'Bemerkungen zur Ethnographie des Fernsehpublikums' von David Morley , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71072
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