Dieser Ausschnitt aus einem mündlichen Gespräch ist ein stereotypisches Beispiel, um den Gegenstand des Kontextualisierungskonzeptes darzustellen.
Bei der Betrachtung dieses Dialogs wird deutlich, dass es nicht möglich ist, eine korrekte Interpretation des Gesagten anhand der gesprochenen Worte zu vollziehen.
Ohne den Kontext, indem das Gesprochene steht zu kennen, ist nicht verständlich, ob die Reaktion „Ja klar, natürlich hattest du mir das gesagt.“ ironisch oder ernst gemeint ist. Die Kontextualisierungsforschung untersucht solche Sätze in Hinblick auf jene Dinge, welche es dem Rezipienten ermöglichen sie, in der vom Sprecher intendierten Bedeutung zu verstehen.
Untersuchungen zur Bedeutungskonstitution in mündlichen Gesprächen etablierten den Begriff „Kontextualisierungshinweise“ und bestimmte Typen von Schemata.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Konzept der Kontextualisierung nach Gumperz
2.1 Der Bezug zwischen Kontext und Kontextualisierung
2.2 Kontextualisierungsverfahren
2.2.1 Kontextualisierte Schema
2.2.2 Kontextualisierungshinweise
2.3 Kontextualisierungshinweise
3 Fünf verschiedene Ebenen der Schemata nach Auer
3.1 Vorlaufaktivitäten und die Frage: Reden wir gerade miteinander?
3.2 Wer redet (gerade) mit wem?
3.3 Was tun wir (gerade) miteinander?
3.4 Worüber reden wir (gerade) miteinander?
3.5 Wie stehen wir (gerade) zueinander?
4 Die Kontextualisierung in medial schriftlichen Texten
4.1 Fanzines und ihre Verortung in jugendlicher Subkultur (Androutsopoulos)
4.2 Protokolle von Chatsessions einer Drogenberatung (Thimm)
5 Ergebnisse zu Möglichkeiten der Übertragung des Konzepts der Kontextualisierung auf schriftliche Medien
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Aber ich hatte dir doch gesagt, dass du pünktlich sein solltest!“
„Ja klar, natürlich hattest du mir das gesagt.“
Dieser Ausschnitt aus einem mündlichen Gespräch ist ein stereotypisches Beispiel, um den Gegenstand des Kontextualisierungskonzeptes darzustellen.
Bei der Betrachtung dieses Dialogs wird deutlich, dass es nicht möglich ist, eine korrekte Interpretation des Gesagten anhand der gesprochenen Worte zu vollziehen.
Ohne den Kontext, indem das Gesprochene steht zu kennen, ist nicht verständlich, ob die Reaktion „Ja klar, natürlich hattest du mir das gesagt.“ ironisch oder ernst gemeint ist. Die Kontextualisierungsforschung untersucht solche Sätze in Hinblick auf jene Dinge, welche es dem Rezipienten ermöglichen sie, in der vom Sprecher intendierten Bedeutung zu verstehen.
Untersuchungen zur Bedeutungskonstitution in mündlichen Gesprächen etablierten den Begriff „Kontextualisierungshinweise“ und bestimmte Typen von Schemata.
Unter den Hinweisen versteht man jene Verhaltensweisen, welche das erwünschte Schema kontextualisieren. Das heißt, dass anhand von verbalen und non-verbalen Techniken - wie beispielsweise die Intonation mit welcher eine Phrase versehen wird oder die Art und Weise der angewandten Gestik und Mimik - auf einen Bereich aus dem gemeinsamen Hintergrundwissen verweist. Dies macht es dem Rezipienten möglich, die bereits beschriebene Aussage als ironisch oder ernsthaft zu verstehen. Im Folgenden wird das Konzept der Kontextualisierung, sein Ursprung und seine Funktion erläutert. Um zu verdeutlichen, wie und wann die Kontextualisierung konzeptionell mündliche Prozesse beeinflusst, werden im zweiten Teil die Untersuchungen Peter Auers vorgestellt. Dieser unterscheidet zwischen fünf verschiedenen Ebenen von Schemata und erläutert anhand diesen alle zwischenmenschlichen Vorgänge, welche sich als Teil einer Gesprächssituation darstellen. Im Anschluss werden zwei Untersuchungen zur Kontextualisierung in medial schriftlichen Texten vorgestellt. Diese veranschaulichen die medienspezifischen Eigenschaften von Kontextualisierungshinweisen. Der Schlussteil dient rückblickend zur Schlussfolgerung, inwieweit es möglich ist, das ursprüngliche Konzept der Kontextualisierung für die gesprochene Sprache auf konzeptionell schriftliche Texte zu übertragen. Darüber hinaus soll ein Ausblick über die zukünftige Entwicklung der Kontextualisierungsforschung gegeben werden.
2 Das Konzept der Kontextualisierung nach Gumperz
Das Konzept der Kontextualisierung wurde durch Jenny Cook-Gumperz und ihrem Mann John Gumperz in die wissenschaftliche Diskussionen 1976 eingeführt. Charakteristisch für dieses Modell der soziolinguistischen Analyse ist die Vereinigung dreier Forschungsbereiche. Auer betrachtet das Modell als einen gelungenen Versuch eine Verbindung zwischen der Analyse der Kinetik und Prosodie, der Konversationsanalyse und Komponenten der kognitiven Linguistik, wie auch Psychologie und Soziologie zu etablieren. Darüber hinaus nimmt die Kontextualisierungsforschung einen bedeutenden Platz in der linguistischen Variationsanalyse und der interkulturellen Kommunikation innerhalb der Soziolinguistik im Bereich der mündlichen Kommunikation ein (Vgl. Auer 1986).
2.1 Der Bezug zwischen Kontext und Kontextualisierung
Die vorgestellte Konzeption der Ehepaares Gumperz basiert auf einem neuen Verständnis der Funktion und der Eigenschaften des Begriffs „Kontext“. Um eine deutliche Differenzierung zu dem bis dahin gegenwärtigem Verständnis des Kontextes zu vollziehen, entschieden sich die Autoren für die Einführung eines neuen Begriffes. Die Autoren gehen davon aus, dass „die Beziehung zwischen dem Kontext und dem deiktischen Ausdruck bzw. seiner Bedeutung (Interpretation)“ (Auer 1999:167) nicht deterministisch sei. Die Bezeichnung „Kontextualisierung“ soll ausdrücken, dass der Kontext innerhalb eines Gespräches entsteht und durch die Interaktion der Teilnehmer kontinuierlichen Veränderungen unterliegt. Durch diese funktionelle Unterscheidung der beiden Begriffe wird die Bedeutung des Wortes „Kontext“ als „unabhängig vor der in ihm stattfindenden Interaktion“ (Auer 1986:23), die Voraussetzung der Bekanntheit von Kontextwissen unter den Gesprächsteilnehmern und die Unidirektion von Kontext auf die Interaktion in Frage gestellt. Cook-Gumperz und Gumperz schreiben der Rolle der Interaktionsteilnehmer die Eigenschaften zu, nicht nur auf den Kontext passiv zu reagieren, sondern diesen aktiv zu bestimmen. Grundlegend ist dabei die Funktion der gesprochenen Sätze, welche durch verschiedene sogenannte „Kontextualisierungshinweise“ nicht nur Inhalt übermitteln, sondern das Gesagte in einen speziellen Zusammenhang stellen und erst damit (sic!) dem Rezipienten das Verstehen ermöglichen. Der Kontext wird demzufolge während eines Gespräches aktiv durch den Sprecher aufgebaut. Äußerungen sind demnach nicht nur über ihren Inhalt definiert; sie haben auch die Eigenschaft das Gesagte interpretierbar zu machen. Die Definition in diesem Sinn führt nach Auer zum folgenden Verständnis von Kontext: „Kontext wird nicht als materiell gegeben, sondern interaktiv produziert angesehen. Seine Realität ist nicht die einer physikalischen Präsenz, sondern die eines (Ethno-)produkts, das dazu dient [...] für alle praktischen Zwecke ausreichender Weise die Situation zu definieren“ (Auer 1986:23). Diese Betrachtungsweise bringt darüber hinaus eine neue Gegenstandsdefinition des Kontextes innerhalb der Konversationsanalyse mit sich. Die Kategorisierung der Interaktionsteilnehmer beispielsweise in Berufsgruppen kann fortan nicht mehr als gegeben und als solches das Gespräch und damit auch den Kontext beeinflussendes Glied betrachtet werden. Die Begriffsbestimmung des neuen Forschungsparadigmas fordert eine genauere Untersuchung der auf den Kontext einwirkenden Elemente. Vordergründig muss hierbei die Rolle der Gesprächsteilnehmer und ihre Merkmale, mit welchen sie operieren, untersucht werden. Ferner stellt sich die Frage, ob „ein objektiv vorliegendes Kontextmerkmal (nicht nur individuell, sondern wechselseitig) wahrgenommen, d.h. zu einem Teil der Interaktion gemacht wird“ (Auer 1986:23). Auer sieht darin eine Verschiebung des wissenschaftlichen Interesses, das sich über den Inhalt der Konversation und der Verhalten der Sprecher hinaus, konsequenterweise die Untersuchung der Konstruktion des Kontextes als eigenständiges Gebiet zum Gegenstand hat (Vgl. Auer 1986:23).
Vorangegangene Untersuchungen ignorierten diesen Kontextualisierungsprozess und betrachteten den gegebenen Kontext als die Menge des Wissens, welches die Interaktionsteilnehmer miteinander teilen. Diese Sichtweise bedingte eine grobe Vernachlässigung der Erforschung der interaktiven Bereitstellung der jeweiligen Information durch die Interagierenden. Kontextualisierung schließt daher auch die Frage der Relevanz von Informationen und ihre Bedeutung für den Gesprächsverlauf ein. Des Weiteren sprechen Cook-Gumperz und Gumperz der Kontextualisierung des Handlungstyps, des Beziehungstyps und des Teilnehmerstatus im Zusammenhang einer Kontextetablierung eine essentielle Bedeutung zu.
2.2 Kontextualisierungsverfahren
„Unter Kontextualisierung wollen wir all jene Verfahren verstehen, mittels derer die Teilnehmer an einer Interaktion für Äußerungen Kontext konstituieren“ (Auer 1986:24). Darüber hinaus etabliert sie eine zeichenhafte Beziehung zwischen einem Oberflächenmerkmal sprachlicher oder nichtsprachlicher Handlungen auf der Ausdrucksebene und einer komplexen semantischen Struktur.
Diese Verfahren definieren sich insbesondere durch zwei zusammenhängende Komponenten, welche für eine erfolgreiche Operation unabdingbar sind. Zum einen dem Kontextualisierungshinweis, zum anderen den Schemata, in welchen das Hintergrundwissen organisiert ist. Ein Kontextualisierungsverfahren ist durch die Verwendung eines Kontextualisierungshinweises gekennzeichnet, welcher dem Rezipienten als Anhaltspunkt dient, das Gesagte im Sinne der Sprechers zu interpretieren und auf das dazugehörige Hintergrundwissen zurückzugreifen. Diesbezüglich gibt es eine Vielzahl von Variationen, von denen an dieser Stelle zum tieferen Verständnis nur einige tabellarisch aufgezählt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2.1 Kontextualisierte Schema
Cook- Gumperz und Gumperz orientieren sich bei der Erläuterung der kontextualisierten Schemata an Erving Goffmans Rahmenbegriff. Um die tiefere Bedeutung des Rahmens für die Interaktion zu begreifen, wird im Folgenden eine kurze Vorstellung Ervings Konzept gegeben. Im zweiten Teil wird des Weiteren auf Schemata im Sinne des Kontextualisierungskonzepts eingegangen.
2.2.1.1) Erving Goffman: Der Rahmenbegriff
Goffman stellte 1974 erstmalig sein Konzept der „Rahmen“ oder auch „Frames“ vor. Im Zusammenhang mit den Überlegungen der Begründer der Kontextualisierungsforschung ist insbesondere die Vorstellung der primären Rahmen in der face-to-face Kommunikation wichtig.
Goffman zählt hierzu zwei verschiedene Formen von Rahmen, dazu gehören soziale und natürliche Rahmen. Diese bestimmen die Reaktionen des Individuums in der Gesellschaft und machen „einen sonst sinnlosen Aspekt der Szene zu etwas Sinnvollem“ (Goffman 1977:31).
Dies bedeutet auch, dass sie dem Interagierenden ermöglichen bestimmte Vorkommnisse einzuordnen, zu lokalisieren, wahrzunehmen und zu identifizieren. Die Besonderheit der meisten primären Rahmen liegt darin, dass sie nicht bewusst wahrgenommen werden. Es sind unterbewusste Strukturen, welche der Mensch durch die Sozialisation in seiner Kultur erlernt. Andere hingegen sind mehr oder minder bewusst verankert und können vom Individuum in der jeweiligen Situation benannt werden (Regeln, Konventionen).
Natürliche Rahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf „natürliche“ Ursachen, welche nicht gesteuert werden können, zurückgeführt werden. Sie „identifizieren Ereignisse die als nicht gerichtet, nicht orientiert, nicht belebt, nicht geleitet, << rein physikalisch >> gesehen werden“ (Goffman 1977:31). Dazu gehören beispielsweise die Wetterverhältnisse oder das Verhalten von Tieren.
Soziale Rahmen hingegen können logisch nachvollzogen werden. Darüber hinaus sind sie orientiert und dienen als Struktur anhand der Einzelne sein soziales Verhalten auslegen kann. Sie liefern einen „Verständigungshintergrund für Ereignisse, an denen Wille, Ziel und steuerndes Eingreifen einer Intelligenz [...] in erster Linie des Menschen, beteiligt sind“ (Goffman 1977:32).
Das handelnde Individuum ist der sozialen Beurteilung der anderen unterworfen und definiert durch sein Verhalten seine Position der Gesellschaft. Wird ein vorangegangenes Verhalten negativ kritisiert, bemüht sich der Interagierende um eine Korrektur. Eine Eigenschaft der sozialen Rahmen ist die kontinuierliche Weiterentwicklung. So verändert sich eine Rahmung beispielsweise aufgrund eines Wertewandels.
Soziale Handlungen können jedoch als Teil eines natürlichen Schemas auftreten. Jenes erklärt Goffman mit der logischen Konsequenz, dass „zwar Naturereignisse ohne intelligenten Eingriff erfolgen, intelligente Handlungen aber nicht erfolgreich sein können, wenn man sich nicht auf die Naturordnung einläßt“ (Goffman 1977:33). Orientierte Handlungen basieren demnach auf einem ambivalenten Verständnis: Das eine weist auf den Zusammenhang zwischen der Handlung und die - die Handlung beeinflussende - natürliche Welt hin. Der andere Hintergrund einer Handlung basiert auf den besonderen Welten, in welchen sich diese abspielt. Weit aus verständlicher wird diese Theorie durch die Zuhilfenahme eines Beispiels. Ein Fußballspiel bedient sich zweier verschiedener Grundlagen von Orientierung. Die erste stellt die Summe der materiellen Bedingungen (die physische Manipulation des Zeichenträgers, nicht des Zeichens) dar, die zweite das Verhalten in der sozialen Welt.
Des Weiteren unterliegen soziale Rahmen bestimmten Regeln, welchen sich der Interaktant nicht entziehen kann. In Bezug auf ein Fußballspiel sind die Spielregeln zu nennen, allerdings auch die physische Methode der Spieler, welche das Spiel erst möglich macht. Regeln können aber auch darin differieren, in welcher Form sie befolgt werden. Die Regeln eines Fußballspiels stehen maßgeblich in Verbindung mit Überlegungen zu dem eigenen Ziel und dem der gegnerischen Mannschaft. Ganz im Gegenteil dazu sind die Regeln innerhalb einer Bedienungsanleitung nicht flexibel; sie fragen nicht nach dem Ziel des Anwenders. So gibt es Regeln die Einschränkungen bezeichnen und wiederum andere, welche Handlungsmöglichkeiten eröffnen.
Einen weiteren Aspekt, welchen Cook-Gumperz und Gumperz in ihre Analyse miteinbezogen, ist die Annahme, dass „man in jedem Augenblick seiner Tätigkeit im allgemeinen mehrere Rahmen anwendet“ (Goffman 1977:35). An diesem Ansatz findet sich die Gumperz’sche Theorie wieder, welche davon ausgeht, dass ein Kontextualisierungshinweis auf unterschiedliche Schemata hindeuten kann.
2.2.1.2) Schema als Teil des Kontextualisierungsverfahren
Schemata sind komplexe Strukturen des Wissens, welche durch die Hilfe bestimmter Kontextualisierungshinweise hervorgerufen werden. Auer beschreibt sie als Knoten und Verbindungen zwischen diesen Knoten, welche mehr oder weniger fest sind und die Übergänge zu anderen Knoten erlauben. Seine Auffassung dieser Struktur, beschreibt Gumperz folgend: „What schematic knowledge does is to provide the overall perspective which enables us to integrate what we read or hear with that what we already know, and to fit together idividual terms of information into a coherent argument” (Gumperz 1984:7).
Die Verbindungen, welche zwischen den Knoten existieren, können Objekte, Zustände, Handlungen, Personen, Normen und andere Entitäten sein. Sie sind mehr oder weniger „plausibel” für den Rezipienten. Abhängig von der Höhe der Plausibilität, wird das vom Sprecher indizierte Schema für sein Gegenüber verfügbar.
Das Schema drückt sich, wie bereits oben erwähnt, nicht nur in Form thematischer Strukturen aus. Seine Funktion liegt auch darin, Beziehungen und Handlungen der Teilnehmer zu definieren.
Charakteristisch für ein Schema ist ferner seine situativ revidierbare und dynamische Struktur, denn auch „wenn ein [...] Schema einmal kontextualisiert ist, liegt es nicht automatisch für den Rest der Interaktion fest“ (Auer 1986:25). Demnach kann ein Schema spontan ersetzt werden oder auch in seiner Form verändert werden.
Es ist als eine interaktive Realität (und nicht nur als eine kognitive), auf dessen Gültigkeit sich die Interagierenden einigen müssen, Teil der Kontextualisierungsforschung.
2.2.1.3) Unterschiede zwischen dem Rahmenkonzept und dem kontextualisierten Schema
In der Gumperz’schen Analyse finden sich gewisse Ähnlichkeiten in der Auffassung des Frames und des Begriffs „Kontext“. Die Bedeutung der beiden Begriffe weicht nur geringfügig voneinander ab. Auer expliziert jenes Verhältnis: „[Context] is not a collection of material or social 'facts' (such as the interaction taking place in such-and-such locality, between such-and-such roles-bearers, etc.) but a (number of) cognitive schema(ta) (or model(s)) about what is relevant for the interaction at any given point in time” (Auer 1992:22).
Diese Auffassung entspricht nicht der Vorstellung Goffmans, welcher den Kontext als etwas Vorangegangenes betrachtet, welches die Rahmenwahl eingrenzt. In seinen eigenen Worten, wird die Diskrepanz verdeutlicht: „[G]ewöhnlich schließt der Kontext, wie man sagt, falsche Deutungen aus und bringt die richtige zur Geltung. (Man könnte den Kontext geradezu definieren als unmittelbar vorhandene Ereignisse, die mit einer Rahmenauffassung verträglich sind und mit anderen unverträglich.)“ (Goffman 1977:472).
Kontextualisierungsmittel, wie sie Gumperz und Auer verwenden, dienen nach Goffman der Veränderung des „footing“, „der ,Gangart’ der Interaktion, sie haben mit einer Veränderung der Teilnehmerkonstellation zu tun [...] [und werden] auch sprachlich markiert, z.B. durch gestische und andere nonverbale Mittel, durch prosodische Veränderungen [...] [und] durch code-switching “ (Auer 1999:163).
Goffmans Rahmen und Kontext Verhältnis ist darüber hinaus hierarchisch gegliedert. Kontext kann demnach als dasjenige bezeichnen, welches gewisse „Rahmenbedingungen“ für das soziale Handeln festlegt. Ein bestimmter Kontext ist nicht eine Menge von Handlungsalternativen, sondern regelt, ob eine gewisse Handlung möglich ist. In diesem Zusammenhang ist Kontext etwas Objektives und Äußeres.
Der Begriff „Kontext“ bezeichnet in der Kontextualisierungsforschung jedoch einen inneren Prozess. Das Abrufen eines Schemas durch einen sprachlichen Hinweis ist keine „wirkliche“ Handlung, sondern geschieht im Gehirn des Interagierenden. Der soziale Rahmen hingegen existiert in der „realen“ Welt, wie auch im Kopf des Handelnden. Daher liegt es nahe, trotz der Abdingbarkeit einer solchen Sichtweise bei den Autoren, die Verbindung beider Konzepte in einem Teil des sozialen Rahmens zu sehen. Als kognitiver Prozess ist der soziale Rahmen gleichbedeutend mit dem Schema im Kontextualisierungsverfahren.
Andere Autoren, welche sich mit der Frame-Theorie in Bezug auf den alltäglichen Sprachgebrauch auseinandersetzen widersprechen Goffman und betonen ihre eigene Auffassung der Rahmen, „die etwa im Sinne standardisierter Situationen Kontexte [...] darstellen sowie bestimmte Regularitäten, die in diesen Kontexten gelten“ (Müller 1984:41). Dies weist darauf hin, dass keine eindeutige Definition für die Rahmen-Kontext Konstellation in der Frame-Diskussion vorherrscht und beraubt damit auch die Frage nach einer solchen ihre Gewichtung.
2.2.2 Kontextualisierungshinweise
Kontextualisierungshinweise sind in ihrer Form, Funktion und Einsetzbarkeit äußert individuell. Die Zuordnung eines solchen Hinweises zu einer bestimmten Form eines Schemas ist nicht möglich, da sie sich durch eine starke Flexibilität auszeichnen. Jedoch kann festgestellt werden, dass sie sich vom traditionellen sprachlichen Zeichen unterscheiden. Dieses etabliert eine Bedeutungsbeziehung, wohingegen eine Kontextualisierungshinweis ein Schema indiziert.
Jedoch ist eine prinzipielle Unterscheidung zwischen Arten des interaktiven Hinweises von der Forschung bereits durchgeführt worden. Sie vermittelt einen Einblick in das Repertoire der Gesprächsteilnehmer. Jenes differiert zwischen folgenden Merkmalen: Kinetik, Proxemik, Prosodie (Tonhöhenverlauf, Lautstärke, Geschwindigkeit, Rhythmus, Gliederung in Tongruppen, Akzent), Blickverhalten, zeitliche Platzierung (Pausen, Simultansprechen), Varietäten-/Sprachwahl, lexikalische Variation sowie sprachliche Formulierungen (Vgl. Auer 1986:26).
Diese Definition ist jedoch nur erfolgreich, wenn auch die zeitliche Ausdehnung innerhalb der Kontextualisierungshinweise und die damit verbundene Binnenstrukur, als eigenständiges funktionales Glied, in welchem selbst „initiale oder finale Komponenten die Grenzen kontextualisieren“ (Auer 1986:26) erkannt wird. Dieser Aspekt der Analyse verdeutlicht die Problematik einer genauen Definition. Diesem schließt sich an, dass die persönliche psychologische Konstitution der Gesprächsteilnehmer einen Einfluss auf ihr Verhalten und damit auch auf die Kontextualisierungsverfahren nimmt. Dieser Faktor ist allerdings nicht mit der soziolinguistischen Analyse zu greifen und bedeute die Unmöglichkeit einer universellen Kontextualisierungstheorie, da die individuellen Merkmale zu individuellen Ergebnissen bezüglich charakteristischer Eigenheiten zur Etablierung eines Kontextes aufdecken würden.
Es ist weiterhin notwendig zu erkennen, dass es sich bei der Kontextualisierung um einen Prozess handelt, welcher erst durch das Zusammenspiel mehrere Hinweise geschieht. Erst der Übergang vom siezen zum duzen und die damit einhergehende intimere Verhaltensweise (Mimik, Gestik, Körperkontakt) ermöglicht eine klare Abgrenzung zwischen der vorangegangenen Beziehung zu der darauffolgend intendierten vertraulichen Beziehung. Auer sieht in der Korrelation solcher Oberflächenmerkmale einen entscheidenden Vorteil: Die „Signalisierungsredundanz [...] sichert den [...] Übergang auch dann noch [...] wenn der eine oder andere Kanal ausfällt (z.B. bei Telefongesprächen) oder wenn einzelne Kontextualisierungsstrategien [...] nicht allen Teilnehmern bekannt sind“ (Auer 1986:26).
Darüber hinaus variiert die Funktion der Hinweise auf vertikaler Ebene. Besonders anschaulich wird das im Zusammenhang des Sprecherwechsels[1]. Die Art und Weise wie die Turnzuweisung erfolgt und die Länge der Redeeinheiten der Interagierenden appellieren nicht nur an das Schema „Sprecher“, sondern treffen auch subtile Aussagen über das Beziehungsschema, das zwischen den Gesprächspartnern vorliegt und weist auf „Formalität“ hin. Die übergeordnete Kontextualisierung grenzt wiederum die Möglichkeiten der Wahl der Kontextualisierungshinweise und damit der Kontextualisierung auf anderen Ebenen ein.
Die Funktion der sprachlichen Kontextualisierungshinweise erstreckt sich jedoch über den Appell zum Rückgriff auf ein Schema, ferner auf die Referenz des Gesagten.
Die Lexeme haben demnach nicht nur die Eigenschaft einen Kontext, sondern auch einen referentiellen Bezug zu etablieren. Die Denotation dialektaler und sondersprachlicher Begriffe ist nicht gleichzusetzen mit dem Schema, auf welches sie Bezug nehmen. So kann beispielweise das Lexem „Kasper“ auf einen Stereotyp verweisen als auch eine konkrete Person bezeichnen. Die Ambiguität solcher Ausdrücke fördert Missverständnisse zwischen Gesprächspartnern. Besonders in - im weitesten Sinne - interkulturellen Kommunikationsprozessen kann es zu Schwierigkeiten beim gegenseitigen Verstehen kommen. Die Kontextualisierungskonventionen variieren nicht nur zwischen Kulturen und Sprachgemeinschaften, sondern können auch schon zwischen regionalen und sozialen Varietäten derselben Sprache, Mikrokulturen, Familien und Freundeskreisen voneinander abweichen.
Dieses ist bewusst schwer zu erfassen und muss nach Auer metakommunikativ verarbeitet werden. Gumperz nennt dazu ein Beispiel (1982:173): Im englischen Flughafen gab es Missverständnisse zwischen den englischen Frachtangestellten und dem indischen und pakistanischen Bedienungspersonal aufgrund der unterschiedlichen Interpretation prosodischer Kontextualisierungshinweise. Durch die fallende Intonation am Ende der Frage „Wollen Sie Soße?“ reagierten die Engländer auf die ungewohnte Betonung beleidigt. Da es im Englischen üblich ist das Ende einer Frage steigend zu intonieren, fassten die Frachtangestellten diese fälschlicherweise als Aussage auf. Somit wurde als unhöflich sowie überflüssig interpretiert und führte zu einem gängigen Missverständnis aufgrund von fehlender Aufklärung über Eigenschaften unterschiedlicher Sprachen.
Die Kontextualisierungsverfahren grenzen sich durch die Nutzung bestimmter Hinweise in den relevanten Schemata ab. Ihre Anwendungsmöglichkeiten sind zeitlich begrenzt und sind durch die Gültigkeit des Schemas bedingt.
2.3 Kontextualisierungshinweise
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Diese Unterscheidungsmöglichkeiten basieren auf der Art und Weise, wie und wann der Sprecher und Rezipient die Nutzung von Hinweisen wahrnehmen. Einige Kontextualisierungsmerkmale sind typisch für den Beginn und das Ende einer Schemagültigkeit. Andere wiederum dienen als Vorlaufelemente und in ihrer Funktion als externe Signalisierung und schemainterne Eröffnungssignale. Ferner fungieren einige Hinweise als finalperiphere und Nachlaufsignale am Ende eines kontextualisierten Schemas, jedoch stehen diese stark hinter der Bedeutung der vorhergehend erwähnten Hinweise (Vgl. Auer 1986:27).
3 Fünf verschiedene Ebenen der Schemata nach Auer
In Auers Untersuchungen zur Kontextualisierungsforschung findet sich eine Gliederung zu den durch Hinweise indizierten Schemata (Vgl. Auer 1986:28). Diesbezüglich orientiert sich der Autor ausschließlich am gumperz’schen Konzept und ähnlichen theoretischen Annahmen. Die fünf Ebenen auf denen die Schemata manifestiert sind, bezeichnet er wie folgt: das generelle Schema des fokussierten Interagierens, die Schemata des turn-taking, Handlungsschemata, thematische Schemata und die Beziehungsschemata.
3.1 Vorlaufaktivitäten und die Frage: Reden wir gerade miteinander?
Ein grundlegendes Schema für den Beginn eines Gesprächs ist das der fokussierten Interaktion. Hierbei geht es um die Frage, ob eine Kommunikation zwischen den Partnern überhaupt stattfindet. Um diesen Fall herbeizuführen werden sogenannte externe bzw. peripher/initiale Kontextualisierungshinweise verwendet. Diese werden auch genutzt, um das Ende einer Interaktion zu markieren.
Die übliche Initiierung des Schemas verläuft bei Telefongesprächen (Schegloff 1968, 1977) durch eine Appell/Antwort-Sequenz, dazu gehört das Klingeln des Telefons, die Nennung seines Namens durch den Angerufenen, eine Grußformel und die wechselseitige Identifizierung der Teilnehmer. Letztere gehören zu der Klasse der Kontextualisierungshinweise, welche auch überlappen können (Vgl. Auer 1986:28). Die Grußsequenz hat dabei die Funktion eine friedvolle Absicht zu bekunden. Nach Goffman einen „bestätigenden Austausch“ (Goffmann 1971).
Die Anfangsphase dient demnach der Bestätigung dreier Komponenten: Interaktionsbereitschaft, Bekanntheit und Kooperationswilligkeit.
In der face-to-face Kommunikation hingegen wird die Interaktion unter Bekannten visuell, d.h. non-verbal eingeleitet. Eine Ausnahme ist der Erstkontakt: In diesem wird die Gesprächssituation durch das Aneinandervorstellen eröffnet.
Nach Untersuchungen von Kendon & Ferber (1973)[2] gehen der Grußformel jedoch Vorlaufaktivitäten voraus. Mindestens einer der Interagierenden wird auf den anderen aufmerksam und macht sich bemerkbar. Als erster Fokussierungsschritt dient ein Appell (namentliches Anrufen, Klopfen an der Tür) oder eine Handlung (Räuspern, direkter Gruß). Einer dieser Schritt wird zumeist erst nach einem Blickkontakt zwischen den zukünftigen Gesprächsteilnehmern vollzogen. Auer bezeichnet diese Phase als einseitiges Fixieren, welches durch eine „[i]ndirekte, vorlaufende Einladung, Blickkontakt herzustellen [...] sowie Synchronisierung der Körperorientierung und der Bewegungen“ (Auer 1986:28) gekennzeichnet ist. Der zweite Fokussierungsschritt äußerst sich in einem Grüßen aus der Ferne (Bewegung des Kopfes, Lächeln, Winken, eventuell begleitet von Lippenbewegungen oder Vokalisierung). Die Fokussierung ist mit diesem Schritt jedoch noch nicht vollzogen, da es zu einer Abwendung der Interaktanten voneinander kommen kann. Erst die räumliche Näherung, die meist mit der Aufgabe des ersten Blickkontakts und des Lächelns verbunden ist, ist ein Anzeichen für eine Einleitung einer Gesprächsituation. Diese kurze Phase dient den Interagierenden zum „zurecht machen“ ihres Äußeren und in einigen Fällen zur Vorbereitung auf eine zweite Grußsequenz mittels Händedruck (Hand frei machen). Die Schlusssequenz der Vorlaufelemente finden sich „Nahgruß“ wieder. Dieser kann auf viele unterschiedliche Weisen erfolgen wie z.B. Handschlag, Umarmung oder Handkuss. Ist die Annäherung erfolgt, kommt es zu einem Stillstand der Bewegung und die Interaktion ist fokussiert. Im Laufe der Konversation wird die frontale Haltung gelockert und es kann zu einer Auflösung des Blickkontakts kommen.
Andere Vorlaufaktivitäten erfolgen in formellen Situationen, diese können durch längere Fokussierungssequenzen (Heath 1982) charakterisiert sein.
Während der Konversation signalisieren die Interaktanten mittels eines gemeinsamen Rhythmus’, das „Miteinander-Sprechen“. Dieses Merkmal dient als permanenter Kontextualisierungshinweis, welcher sowohl anhand der Organisation ihrer sprachlichen Äußerungen, wie auch in ihren non-verbalen Handlungen zu beobachten ist. Diesbezüglich spielen auch Nicht-Handlungen, wie die Pausenlängen eine prägnante Rolle (Vgl. Erickson/Schultz 1982: 85ff, Erickson 1982 und 1984, Scollon 1982).
3.2 Wer redet (gerade) mit wem?
Der Gesprächsablauf ist in der Regel determiniert durch den Sprecherwechsel. Bei Untersuchungen zu diesem entwickelten Schegloff, Jefferson und Sacks das „Turn-taking“ Modell (Vgl. Sacks/Schegloff/Jefferson 1978). Dieses beschreibt die Organisation des Sprecherwechsels zwischen den Interaktanten. In der Gesprächssituation sind die „Rollen“ der Teilnehmer als Rezipient oder Sprecher zu kontextualisieren.
Vordergründig geht es darum, erkennen zu können, wann der Redebeitrag des Turninhabers beendet sein wird, um sich auf die Situation der Übernahme des Redebeitrags einstellen zu können. Dieser Vorgang gestaltet sich umso schwieriger, je mehr Interaktanten an der Konversation beteiligt sind.
Die Rollen „Sprecher“ und „Rezipient“ bedingen sich in einer Gesprächssituation gegenseitig. Dies hängt damit zusammen, dass der Sprecher erst durch die Aufmerksamkeit der anderen die Rolle erfolgreich für sich in Anspruch nehmen kann. Ob dies der Fall ist, kann erst mit Sicherheit durch die nächste (turnexterne), auf den vorherigen Sprechbeitrag bezogene Äußerung, festgestellt werden. Jedoch gibt es darüber hinaus turninterne Maßnahmen, welche Sprecher und Rezipient während der Redebeitrags ergreifen, um die aufmerksame Aufnahme des Gesagten zu bewerkstelligen bzw. zu bestätigen.
Beide Seiten nutzen hierzu simultane Kontextualisierungshinweise, die den Fortlauf eine erfolgreichen Unterhaltung garantieren. Der Rezipient operiert in diesem Zusammenhang mit sogenannten „Hörersignalen“ (back channel, continuers), jene sprachlichen Ausdrücke [...] und entsprechenden nicht-sprachlichen Signale [...] (z.B. hm, ja oder Kopfnicken), mit denen der Hörer dem Sprecher seine Aufmerksamkeit und seine Zuhörbereitschaft anzeigt (Vgl. Bußmann 1990).
Diese Hörersignale können jedoch auch weitere Funktionen haben: der Ausdruck „Yeah“ trägt beispielsweise auch eine bestätigende Eigenschaft, weist jedoch auch oftmals darauf hin, dass der Rezipient den Redebeitrag übernehmen möchte. Diese Kategorie der Hörersignale sind daher meist an syntaktisch-intonatorischen übergangsrelevanten Stellen („transition relevant places“ (Vgl. Sacks/Schegloff/Jefferson) platziert, welche die Möglichkeit eines Sprecherwechsels kennzeichnen. Ein weiterer rekurrenter Kontextualisierungshinweis ist das Blickverhalten der Interagierenden. Charles Goodwin (Vgl. Goodwin 1977/1981, 1979, 1980) fand bei seinen Untersuchungen heraus, „dass die Abfolge ,Rezipient beginnt, den Sprecher anzuschauen’ + ,Sprecher beginnt, den Rezipienten anzuschauen’ gegenüber der umgekehrten Reihenfolge präferiert ist“ (Auer 1986:31). Daraus resultiert, dass der Blick des Rezipienten häufig auf den Sprecher gerichtet ist, der Sprecher selbst aber seltener und kürzer seinem Gegenüber in sein Gesicht schaut.
Verliert der Sprecher den Blickkontakt zum Hörer, setzt er oftmals Reparaturmechanismen in Form eines „Neu-Ansetzens“ ein, um die Aufmerksamkeit wiederzuerlangen. Die Rückversicherung durch Blickkontakt wird besonders bei Phrasenenden, Enden längerer Äußerungen, Formulierungsunsicherheiten, (kurzen) Fragen, Unterbrechungen und Turnvorlaufelementen genutzt (Vgl. Kendon 1967). Darüber hinaus nutzt der Sprecher den Blickkontakt, um zu vermitteln, dass er bereit ist, seinen Rederecht zu übergeben. Diese Kontextualisierung des Wechsels der Sprecherrollen, wird anhand spezieller Hinweise vollzogen. Neben des Blickkontakts und der verbalen Anrede, spielen beispielsweise die Bekanntheit des syntaktischen Ausgangs des Beitrags, Prosodie, bestimmte Indexikalitätsstrukturen (welche nur für bestimmte Teilnehmer verständlich sind), das sequentielle Format (bestimmte Handlungen verpflichten den Sprecher, den ersten Teilnehmer als Adressaten zu wählen), Rezipientenzuschnitt und Code-switching eine große Rolle. Vor allem die letzten vier Hinweise zielen auf eine subtile Aufforderung des Sprechers durch das Einbeziehen individueller Kenntnisse zwischen ihm und dem von ihm erwählten nächsten Sprecher ab. So kann er sich auf Ereignisse beziehen, welche den anderen Teilnehmern unbekannt sind oder eine andere Sprache wählen, welche nur von bestimmten Rezipienten verstanden wird.
Die Bereitschaft das Rederecht zu übernehmen erfolgt auf eine andere Art und Weise. Dem Rezipienten steht hierbei auch eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung. So kann er körperlicher aktiver werden oder die Lautstärke beim Sprechen erhöhen. Kendon fand bei Untersuchungen heraus, dass der Zuhörer sich den Bewegungsabläufen des Sprechers anpasst, um daraufhin sein eigenes Bewegungsmuster einführen, um zu signalisieren, dass er das Rederecht übernehmen möchte (Vgl. Kendon 1973: 52ff).
Die Wahl des nächsten Sprechers erfolgt durch Fremd- oder Selbstwahl. D.h.., dass entweder der Sprecher selbst durch Hinweise auf den nächsten Sprecher weist oder, dass der Rezipient an einer übergangsrelevanten Stelle das Rederrecht ergreift.
3.3 Was tun wir (gerade) miteinander?
Die Definition der stattfindenden Handlung, äußert sich als komplexer Handlungstyp, welcher aus einfachen Handlungstypen besteht. Komplexe Handlungstypen können auf die einfachen einwirken, sind aber auch gleichzeitig Gattungen, welche sich durch jene definieren. Ein komplexer Handlungstyp kann beispielsweise eine Gerichtsverhandlung sein, welche von einfachen Handlungstypen, wie die Frage an einen Zeugen, kontextualisiert wird. Um die verschiedenen Handlungstypen voneinander abzugrenzen und zu verdeutlichen, welche Aktivität als nächstes durchgeführt wird, nutzen die Teilnehmer verbalisierte Ankündigungen, bestimmte Sprach- und Wortwahlen sowie auch prosodische und kinetische Faktoren. Kontextualisierungshinweise, welche zu einer bevorstehenden Initiierung eines komplexen Handlungstypen dienen, werden aktivitätsexterne Hinweise genannt. Jene, welche den Zentralteil von den Vorlaufelementen abgrenzen, sind periphere Kontextualisierungshinweise. Die Handlungen, die sich innerhalb des komplexen Handlungstypen abspielen werden eigenständig kontextualisiert. Zur Verdeutlichung der Kontextualisierung von komplexen Handlungstypen werden im Folgenden drei Beispiele skizziert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die einfachen Handlungstypen werden anhand sogenannter „Übergangsmarkierungen“ voneinander differenziert. Kinder nutzen beispielsweise bei der Erzählung eines Märchens unterschiedliche Tonlagen, um zwischen der indirekten und der direkten Rede zu unterscheiden (Vgl. Stern 1984).
3.4 Worüber reden wir (gerade) miteinander?
Damit beide Gesprächspartner über das Thema im Klaren sind, welches im jeweiligen Moment besprochen wird, werden die Übergänge im Gesprächsverlauf kontextualisiert. Die Themen, die den Gesprächsinhalt darstellen stellen so genannte „Gemeinplätze“ dar, welche den Interaktanten einen gewissen Spielraum von Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Diese Gemeinplätze können sich aus verschiedenen komplexen Handlungstypen zusammensetzen oder sich auch innerhalb eines Handlungstyps verändern (z.B. in Alltagskonversationen).
Die Themazität sprachlicher Handlungen wird mit Kontextualisierungshinweisen gekennzeichnet. Dies ist besonders bei den thematischen Übergängen erforderlich. Der Abschluss eines Themas wird häufig entweder durch eine Schlussformulierung (Heritage/ Watson 1980), eine ’Einleitung’ oder ‚Ankündigung’ des neuen Themas (Müller 1984: 83 ff.) oder durch vermehrte Pausen vollzogen, welche auf die Bereitschaft das Rederecht abzugeben und die Zurückweisung der Rezipienten hinweist (Maynard 1980).
Die Einstellung der Sprechers, wie die Unterstellung, dass diese von den Rezipienten geteilt wird oder, dass Wissensbestände als neu oder gegeben betrachtet werden, wird häufig durch die Prosodie auf lexikalischer und syntaktischer Ebene vermittelt. Dies wird des Weiteren vom konversationellem Stil beeinflusst, welchen der Sprecher nutzt. Auer weist in diesem Zusammenhang auf ein Beispiel hin, welches deutlich unterschiedliche Mittel, die auf ein und denselben kontextuellen Zweck in verschiedenen Sprachen darstellt: „Etwa entsprechen der Wortstellung sowie die rhythmisch-intonatorischen Herausstellung durch Isolation eines Abschnitts von der Umgebung […] im Hindi periphrastisch syntaktische Mittel im Englischen. Im Hindi dient die Wiederholung der Kohärenzbildung, im britischen/amerikanischen Englisch rhetorisch-persuasiven Zwecken“ (Auer 1986: 41).
3.5 Wie stehen wir (gerade) zueinander?
Ein weiterer kontextualisierender Faktor ist die Beziehung in der die Teilnehmer zueinander stehen. Da die verschiedenen Positionen, welche sie in der Konversation einnehmen verschiedenen komplexen Handlungstypen entsprechen, muss auch dieser Aspekt gründlich untersucht werden. Dabei ist deutlich geworden, dass im Besonderen die Eröffnungsphase einer Unterhaltung das Beziehungsschema maßgeblich beeinflusst. Gumperz erläutert dies anhand folgenden Beispiels (Gumperz 1982:133):
01 Ehemann: So y’re gonna check out ma lady, hah?
02 Student/Interviewer: Ah no. I only came to get some information.
03 They called me from the office.
04 Ehemann: ((hört auf zu lächeln, verschwindet ohne ein weiteres Wort und ruft seine Frau))
Die Kontextualisierung des Beziehungsstatus wird demnach anhand der oben bereits erwähnten Hinweise vollzogen, jedoch auch im Besonderen durch die Körpersprache und das Auftreten in der Gruppe domestifiziert. So wird beispielsweise die Dominanz des Teilnehmers durch die Anordnung bzw. Sitzordnung hervorgehoben. Dies geschieht anhand einer Abweichung von der Kreisform oder durch die Entfernung oder Reihenfolge der Interaktanten zueinander (Vgl. Kendon 1973:93).
4 Die Kontextualisierung in medial schriftlichen Texten
Die Kontextualisierung in den Medien wurde bisher nur selten untersucht. Auch die Analysen der beiden Autorinnen Androutosopoulos und Thimm dienen nur als Ansatz und stellen keine vollständige Analyse dar. Jedoch eröffnen sie einen Einblick in unterschiedlichen und spezifischen Kontextualisierungsverfahren in medial schriftlichen Texten und werden daher stellvertretend für diesen Forschungsbereich vorgestellt und mit ihren Ergebnissen dargestellt.
4.1 Fanzines und ihre Verortung in jugendlicher Subkultur (Androutsopoulos)
Jannis K. Androutsopoulos beschäftigt sich als eine von wenigen Autoren mit der Funktionsweise von Kontextualisierungshinweisen in Fanzines. Diese oft von Laien verfassten Berichte zu bestimmten Themen, sind vor allem aufgrund ihrer unspezifischen Formulierungsmöglichkeiten und der umgangssprachlichen Form ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten einen Kontext zu schaffen. Darüber hinaus ist ihre Form stark an der mündlichen Sprache angelehnt und kann damit leichter mit dem gumperz’schen Konzept in Zusammenhang gebracht werden. Um zu verdeutlichen, welche Unterschiede zwischen den kommerziell verfassten Artikel aus Jugendzeitschriften und den Fanzines besteht, definiert die Autorin die Eigenschaften der Verfasser letzterer: sie seien „between 14 and 30 years of age [and] adherents of the subculture their fanzine is devoted to“ (Androutsopoulos 1998:4). Des Weiteren seien sie durch Unprofessionalität, thematische Spezialisierung, Verfassung in unregelmäßigen Abständen und unregelmäßiger sowie beschränkter Ausgabe der Editionen gekennzeichnet.
Eine auffallende Eigenschaft dieser Berichte ist, dass sie sich immer nur an ein bestimmtes Publikum wenden. Die Autoren gehen davon aus, dass die Leser ihr Hintergrundwissen zu dem beschriebenen Thema teilen (scene-internal-consumption). Die Fanzines untereinander bilden, in Anlehnung an Androutosopoulos, eine Art „socio-textual-network“. Dabei gibt es jedoch eine hierarchische Struktur untereinander, welche durch den Zeitraum in welchem die Autoren bereits in der „Szene“ verkehren, bestimmt ist.
Wie bereits zuvor erwähnt spielt das gemeinsame Hintergrundwissen der Teilnehmer eine gewichtige Rolle bei der Kommunikation untereinander. Fanzine-Autoren greifen auf einen geteilten subkulturellen Hintergrund zurück (Vgl. Androutsopoulos 1998:5). Dieser besteht aus zwei Komponenten: der kulturellen Expertise und den Einstellungen. Besonders ersteres ist unabdinglich, um eine korrekte Interpretationen der Berichte vollziehen zu können.
Das Hintergrundwissen spielte beispielsweise beim sogenannten „labelling“ eine wichtige Rolle. Dieses beschreibt den Vorgang die Charakterisierung einer Gruppe anhand von Kategorisierungen, die Einteilung in einen spezifischen subkulturellen Bereich vorzunehmen. Augenstein fand bei seinen Untersuchungen heraus, dass „[t]he usage of music and social labels […] contextualize a subculturally restricted frame of knowledge” (Vgl. Augenstein 1998:122-124 nach Androutosopoulos 1998:6). Dieses „labelling“, welches nicht selten in Verbindung mit der Aufzählung prototypischer Eigenschaften der gefragten Gruppe („listing“) auftaucht, hat demnach die Funktion einen Rezipientenzuschnitt zu etablieren und an ein bekanntes Schema zu appellieren. Die beiden folgenden Beispiele dienen zur Verdeutlichung des „labellings“ und „listings“:
Okay, viele Leute aus den neuen Bundesgebieten kenne ich nicht, aber die welche ich traf (und die irgendwas mit Punk am Hute hatten) sahen doch alle richtig ’pankisch’ aus. So Iro in allen Farben und beschmierte Jacke + Stiefel (Pinhead 8, 1993, Stuttgart, Kolumne).
Das Publikum setzte sich zum Großteil aus Punx zusammen – sprich Iro, Lederjacke und teilweise schon übelst zugesoffen (Plastic Population 21, 1993, Paderborn, Konzert Report)
Der gemeinsame „Background“ der Mitglieder dient jedoch nicht nur dazu, ein „Insiderwissen“ zu etablieren, sondern darüber hinaus, sich klar von anderen subkulturellen Gemeinschaften abzugrenzen und zu distanzieren.
Als wir dort um kurz nach sieben uhäää ankamen wurden unsere dunklen Vorahnungen bestätigt. HEAVY METAL. Überall prolige Gestalten mit cooooooler Bekleidung und einem IQ von 2,9(Knäckebrot hat 3) (Stilbruch 1, Ebertheim, 1993, Konzert Report)
Weitere Kontextualisierungshinweise werden genutzt um auf individueller Ebene bestimmte Beziehungsschemata zu etablieren. Dies ist besonders bei Unterscheidung zwischen „original“ und „Möchtegern“-Teilnehmern zu beobachten. Um Zweitere zu charakterisieren und bloßzustellen, wird ihr Äußeres beispielsweise als lächerlich dargestellt.
Die 3. Generation ist einem auf Mayday zu Hauf vor die Füße getreten – sie sind also da, inkl. den Jungs, die auf der Toilette zwei Minuten lang ihr Lockenpracht vorm Spiegel stylen und den vielen anderen, deren geilstes Outfit aus Blue-Jeans und einem weißen T-Shirt besteht…Ich glaube nicht, das es was bringt, wenn ich davon auch nur einen (oder eine) an die Hand nehme und die „Roots“ erkläre. (Frontpage 3.08, 1994, Berlin, Leserbrief)
Das Verhalten der „Möchtegern“-Punker wird in diesem Fall als Beleidigung für das Punk-Image betrachtet. Infolgedessen wird versucht, diese Mitglieder mit Hilfe eines Vergangenheit-Gegenwart-Vergleichs (3. Generation) (Vgl. Androutosopoulos 1998:7) auszusortieren und gleichzeitig eine große Distanz zu jenen zu etablieren.
In einem zweiten Schritt betrachtet Androutosopoulos die syntaktischen Textstrukturen und ihre Funktion bezüglich des Ausdrucks der subkulturelle Identität und ihrer Abgrenzung zu anderen. Bei der oberflächlichen Betrachtung eines Texttyps soll das soziokulturelle Profil der Teilnehmer und die situativen Merkmale der Textproduktion erkannt werden. Diesbezüglich teilt die Autorin einen prototypischen Beitrag aus dem Bereich „Musik“ in einen inneren (Beginn, Bewertung am Ende), einen äußeren (Titel, Informationen zu Verfasser etc.) Rahmen und den „main textual part“ (Stil, inhaltliche Beschreibung) ein.
Dabei ist bei Fanzines besonders auffällig, dass der Titel oft eine parodistische Funktion einnimmt (Artless „Tanzparty Deutschland“ LP (was’n blöder Titel) (Untertage 1, 1992, Iserlohn)) und der Name des Verfassers oft im Zusammenhang mit seinem Musikgeschmack steht („Rude („rude boys“)+ StErn“ anstatt „StErn“). Damit wird abermals die subkulturelle Zugehörigkeit deutlich gemacht.
Der innere Rahmen ist gekennzeichnet durch 1.) Expressivität (spezifische Bewertung und andere spezifische Sprechbeiträge, 2.) Dialogbereitschaft (Weiterempfehlung oder Ablehnung und Mittel der sozialen Deixis und 3.) Intertextualität (Anlehnung an subkulturelles Wissen oder Parodie von Botschaften aus der Mitte der Gemeinschaft) (Vgl. Androutosopoulos 1998:9). Folgendes Beispiel gibt die ersten beiden Eigenschaften wieder:
[Beginn] was iss’ das? [Stil] auweia – gitarren rock oder besser pop mit geigen und gesofte. Irgendwie so schmusebaladen würd ich denken, was für schwer verliebte… [Empfehlung] also ihr verliebten dieser Erde greift zu… (zur cd ihr säue!) und…so weiter und sofort. [Bewertung] nee im ernst das ist nix für mich selbst zum einschlafen zu öde. Schnell weg damit. [Empfehlung] aber vielleicht hört ihr ja selber mal rein und bildet euch eure Meinung – not me! (Breakdown 8, 1992, Freiberg)
Diese Ausdrucksweise findet sich in vielen Fanzines wieder und obwohl diese keine eindeutige Anlehnung an ein spezifische Subkultur darstellt, ist ihr Fehlen in den Massenmedien ein Hinweis darauf, dass damit eine bestimmte Gruppe angesprochen werden soll (mediated ingroup communication). Dies betrifft auch die Orientierung an der mündlichen Sprache und die Nutzung gewisser Slangwörter im Inneren und äußerem Rahmen. Diese Charakteristika können auf eine solidarische Haltung und Zugehörigkeit zur Fanzine Szene hinweisen (Vgl. Androutosopoulos 1998:10).
Betrachtet man die Ausdrucksweise in Hinblick auf die Modifikation der Schreibweise einiger Wörter, so kann man auch diese verschiedenen Aufgaben zuordnen.
Eine Gruppe stellen die „orality markers“ dar; Wörter werden geschrieben wie sie gesprochen werden. D.h. die Art und Weise wie sie geschrieben werden, hängt maßgeblich davon ab, wie sie in der kolloquialen Sprache ausgesprochen werden. Androutosopoulos fand bei ihren Untersuchungen heraus, dass gewisse nicht standardisierte Ausdrücke bzw. Schreibweisen desto häufiger genutzt werden, je mehr sich das entsprechende Fanzine an einen speziellen Personenkreis richtet. Besonders häufig kam es zu der Reduktion des e s am Ende der Verben (hab’ anstatt habe), zu der Reduktion des indefinitiven Artikels (ne anstatt eine) und zu der Verkürzung zweier Wörter zu einem (gibt’s anstatt gibt es) in Fanzines, welche als so genannte Underground-Blätter bezeichnet werden (Vgl. Androutosopoulos 1998:10f.).
Die zweite Gruppe sind die Kontextualisierungshinweise, mit welcher Hilfe an gewisse Schemata im Hintergrundwissen appelliert wird. In der schriftlichen Sprache dient die Buchstabierung der Kontextualisierung, wie die Phonetik und Prosodie dieser in mündlichen Kontexten. Die Art und Weise wie ein Wort geschrieben wird, kann die Bedeutung des Wortes für den Leser verändern. So kontextualisiert das Wort „cooooool“ beispielsweise Ironie (Vgl. Androutosopoulos 1998:10). Jedoch ist es in der schriftlichen Sprache genauso wichtig, wie in der mündlichen Sprache die Bedeutung eines Wortes in seinem unmittelbaren Zusammenhang zu interpretieren, um Missverständnisse zu vermeiden. So können Leser mit dem gleichen Hintergrundwissen wie der Autor, aufgrund bestimmter Formulierungen und Ausdrucksweisen die Meinung dessen oftmals leichter interpretieren, als ein Außenstehender. Als Beispiel nennt Androutosopoulos den begriff „Toast“, welcher in der Alltagssprache Weissbrot, in der Reggaeszene jedoch Musik bezeichnet, welche aus einer Kombination von Rap und instrumentaler Musik besteht (Vgl. Androutosopoulos 1998:12). Besonders häufig wird darüber hinaus die Schreibart eines Wortes angepasst, um sich über etwas lächerlich zu machen: Das Wort Techno wird immer wenn es mit einer negativen Bedeutung belegt werden soll, Däschno geschrieben (Androutosopoulos 1998:12). Jedoch müssen sich die Schreibmodifikationen nicht immer als dialektale Äußerungen darstellen, sondern können auch reine Erfindungen sein, welche eine Abgrenzung zu denjenigen darstellen sollen, welche das Insiderwissen nicht teilen (Fähnziehn statt Fanzines Androutosopoulos 1998:12).
Bestimmte Arten der Buchstabierung eines Wortes dienen zur Betonung einer Eigenschaft oder einer Bedeutung. Dies kann heißen, dass jene Wortvariationen die subkulturelle Zugehörigkeit oder die Tiefe dieser markieren soll. „Examples are X for <ks>, <cs>, <cks>, ( e.g. Punx, Lyrix, Trax), Z for <s>, <ts> (e.g. boyz, Jungz, gibz), PH for <f< (e.g. phunky, phat). [They] are usually interpreted as a means of attracting the reader’s attention“ (Androutosopoulos 1998:12). Die Interpretation jener Konsonanten kann daher als Identitätsmarkierung für soziale Gruppen dienen (Vgl. Augst 1989).
Jedoch ist es sehr problematisch gruppenspezifische Ausdrücke zu ermitteln, da viele sich der gleichen bedienen. Viel mehr kommt es darauf an, wie bekannt die Variationen sind und in welchem Kontext sie stehen. Zur Verdeutlichung der Weite der Interpretationsmöglichkeiten jener Konsonantennutzung zählt Androutosopoulos folgendes Beispiel auf:
Wenn ich als Außenstehender richtig mitbekommen habe, verhält es sich bei Techno folgendermaßen: je härter die Musik, umso mehr “k“, d.h. von Techno über Tekno bis Tekkno wirds immer härter, entsprechend der phonetischen Schärfe des Worts. (Heft 8, 1992, Hamburg, Bewertung)
Die Untersuchungen der Autorin weist daraufhin, dass den jungen Textproduzenten eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um ihre subkulturelle Zugehörigkeit auszudrücken. Sie bedienen sich dabei an der Enkodierung von Signalen subkultureller Identität und der zur Schau Stellung ihrer eigener. Damit ermöglichen sie den Rezipienten den Zugang zu einer Vielzahl von Signalen und Interpretationsmöglichkeiten. Medial schriftliche Texte beinhalten im gleichen Rahmen Kontextualisierungsverfahren, wie Dialoge der gesprochenen Sprache (Androutosopoulos 1998:13f.).
4.2 Protokolle von Chatsessions einer Drogenberatung (Thimm)
Die Kontextualisierung der Chatkomponenten gestaltet sich insbesondere in Drogenberatungen äußerst komplex. Dies ist damit zu erklären, dass im Gegensatz zu einem üblichen Chat im Forum eine Drogenberatung die unterschiedliche Stellung der Berater und der zu Beratenden fortlaufend kontextualisiert werden muss. Dabei ist jedoch auch zu beachten, dass dieses Verhältnis auch eine Vertraulichkeit zulässt, um das „öffnen“ der zu Beratenden zu ermöglichen. Auffallend ist dabei, dass in allererster Linie konzeptionell mündliche Hinweise hinzugezogen werden: Mittel zur Turnorganisation, Prosodiemarkierung, und die Übermittlung der emotionalen Zustände. Im Folgenden sollen diese Hinweise anhand eines Beispiels betrachtet werden:
*** ZilvA has joined#login-essen
<ZilvA> tach tach zusammen !!!
<ZilvA> hi mccoy
<Mccoy> hi mach gerade kaffee:-)
<ZilvA> gute Sache !
<ZilvA> tks :)
<ZilvA> meinst du, wir sollen die jungs losschicken, damit sie uns woanders bekannt machen
<ZilvA> oder soll ich hier oben mal ne kleine ansprache halten?
<ZilvA> Ab in den drogenchat!
<Mccoy> genau, aber warte noch ein bisschen, bis die Drogenberater da sind…
***IDragonII has joined#login-essen
<IDragonII> hehe:)
<Mccoy> hier kommt jemand der mitreden kann *bg*
<IDragonII> hehe…klaa..
<IDragonII>Gimma @ ;)
<IDragonII>Ich mach schon keinen scheiss…
<IDragonII>th@nks :o))
<Mccoy> ich hoffs für dich :-))))
<IDragonII>hehe ;)))
<Mccoy> aber nur für dich, das reicht…
<ZilvA> aha nun sind die experten am start!!
<IDragonII>McCoy kla….:))
<ZilvA> die besetzung unserer uss-enterprise kennt sich aus mit drogen….:-)
In der Chatkommunikation sind die Vorlaufelemente auf ein Minimum reduziert. Bevor deutlich wird, ob sich zwei oder mehrere Teilnehmer miteinander unterhalten, erscheint nur das Signal der Software, dass das Betreten der Chatraums durch einen neuen User erfolgt ist. Unmittelbar danach wird festgelegt, ob es zu einer Kommunikation des neuen Teilnehmers mit anderen kommt.
Das oben genannte Beispiel deutet auf verschiedene Kontextualisierungshinweise und die dadurch angesprochenen Schemata hin. Ob gerade eine Gesprächsbereitschaft zwischen den Teilnehmern besteht, wird zu Beginn mit einer Begrüßung signalisiert. Diese kann als verschriftlichte mündliche Aussage betrachtet werden. Im obigen Beispiel sind dies die Ausdrücke „tach tach zusammen !!!“ und „hehe:-)“. Ein wichtiger Unterschied zwischen der mündlichen und chatvermittelten Kommunikation ist hierbei, die Unmöglichkeit Schemata anhand von Gestik, Mimik oder Körperhaltung anzusprechen. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird daher auf so genannte „Smilies“ zurückgegriffen, welche die Aussage mit einer Emotion verknüpfen sollen. Darüber hinaus dienen Abkürzungen (*bg*, *grins*), welche von zwei Sternchen umklammert sind, zur Gefühlsäußerung.
;-) = lachen, augenzwinkern (Scherz)
:-) = lachen
:-( = böse, traurig usw.
In diesen Bereich fallen auch typische Mittel zur Übermittlung von emotionalen Zuständen und Elemente der Prosodiemarkierung:
Emulierte Prosodie durch vollständige Großschreibung (UHURA *BG*)
Buchstaben-Reduplikationen (klaa..)
Satzzeichenreduplikationen (?????)
Akronyme (bg, tks)
Comic Sprache (lach, wunder)
(Vgl. Thimm 2001:274)
Die drei Teilnehmer im vorliegenden Chatausschnitt sind eine Drogenberaterin (McCoy), ein Zivildienstleistender (ZilvA) und ein Jugendlicher (Dragon).
Um das Beziehungsschemata „vertrauensvolle Umgebung“ zu schaffen, wählte die Drogenberaterin einen Nicknamen, welcher dem Namen einer zentralen Figur aus einer Kultfilmreihe, welche hohes Ansehen bei den Jugendlichen genießt, entspricht.
Auch der Zivildienstleistende veränderte in weiteren Chatverlauf seinen Nicknamen in „Spok“. Diese situative Markierung weist darauf hin, dass die Beraterin die Nähe zu den Jugendlichen sucht und auf ein gemeinsames Hintergrundwissen zurückgreift. Darüber hinaus passt sie sich der „Sprache“ der Jugendlichen (Akkommodation) an. Dies wird besonders bei der Begrüßung, Verabschiedung (na ja ich geh mal), den Gefühlsäußerungen, dem Adressatenbezug (spok, MCcoy) und direkten Aufforderungen (wann warst du…) deutlich (Vgl. Thimm 2001:273). Jene dienen des Weiteren zur Turnorganisation und beantworten demnach die Frage, wer gerade mit wem spricht und ob überhaupt miteinander gesprochen wird. Im Chat wird die persönliche Referenzmarkierung überdies mit der zusätzlichen semiotischen Markierung, einem @-Zeichen vervollständigt (Vgl. Thimm:274). Des Weiteren „finden sich typische Stilelemente, die sowohl die Zeichenhaftigkeit des Chatslangs als auch Anpassungsformen an die Altersgruppenzugehörigkeit beinhalten“ (Thimm 2001:274).
Jugendsprache (kicken, gimma @ ;))
Chat-Slang und Fachjargon (th@nks, flirt.de, ich sach nur http:www.hanfnet.)
Anglizismen (cyberjunkies, channel)
Tilgungen des Personalreflexivs (hatte noch keine lust)
Wotrfinale Tilgungen (klaa…)
Sprachreflexive Äußerungen
(Vgl. Thimm 2001:274)
Diese Anpassung und der Verzicht auf eine klare Markierung der hierarchischen Struktur macht deutlich, welche Rolle eine erfolgreiche Annäherung an die zu Beratenden für einen erfolgreichen Beratungschat spielt. Würden die verschiedenen Kontextualisierungshinweise nicht gezielt eingesetzt werden, wäre es unter Umständen nicht möglich eine Vertrauensbasis zwischen den verschiedenen Parteien herzustellen.
Jedoch gelten diese formalen Aspekte nicht nur für einen Beratungschat, sondern sind auch in Chaträumen mit gleichgestellten Mitgliedern zu betrachten. So wie es in der mündlichen Kommunikation beispielsweise zu einer Anpassung des Bewegungsrhythmus’ kommt, wird in der Chatkommunikation die Kommunikationsbereitschaft, wie auch das Gespräch zwischen zwei Leuten durch das „Aufeinander-Eingehen“ signalisiert.
5 Ergebnisse zu Möglichkeiten der Übertragung des Konzepts der Kontextualisierung auf schriftliche Medien
Die in dieser Arbeit erläuterten Forschungsergebnisse machen deutlich wie stark der Ablauf einer Konversation von Techniken wie Intonation bestimmter Satzteile oder die Körperhaltung beeinflusst ist. Das Äußern bestimmter Worte reicht somit nicht aus um eine Gesprächssituationen zwischen mehreren Teilnehmern erfolgreich zu vollziehen. Die Bedeutung des Gesagten steht stets in einem individuellen Zusammenhang und kann ohne kontextualisierende Hinweise nicht fehlerlos erschlossen werden. Diese können jedoch auch nur das intendierte Schema hervorrufen, wenn die Teilnehmer über ein gemeinsames Hintergrundwissen verfügen. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu Missverständnissen. Besonders deutlich wird dies bei der Untersuchung von Konversationen zwischen Teilnehmern mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund.
Auf der Basis dieser Erkenntnisse untersuchten Androutosopoulos und Thimm die Konversation durch schriftliche Medien.
Die ausführlichen Forschungen Auers zu Beziehungsschemata, Handlungsschemata, thematischen Schemata, Schemata des fokussierten Interagierens und jenes des Turn- Taking wurden in diesen Analysen jedoch nur gering einbezogen.
Erstere Autorin fokussiert sich auf den Aspekt des Beziehungsschemas bezüglich der Darstellung Fanzine-Autoren indem sie die abweichende Darstellung von Wörtern zu ihrer korrekten Schreibweise betrachtet. Thimm analysiert darüber typische Stilmittel der Sprache im internetbasierten Chat, vollzieht jedoch keine abschließende Erklärung zwischen den Hinweisen und den dadurch kontextualisierten Schemata.
Trotz dieser unvollständigen Analysen wird deutlich, dass auch mediale Texte über spezifische Kontextualisierungsverfahren verfügen. Durch die steigende Präsenz der Medien ist zu erwarten, dass sich die Erforschung der Kontextualisierungsprozesse in Zukunft ausweiten wird. Dies ist besonders von hoher Relevanz bezüglich Werbezwecken und dem Ansprechen bestimmter Zielgruppen. Wird es greifbar, wie ein gegenseitiges Verstehen zwischen Autor und Rezipient zustande kommt, eröffnen sich neue Möglichkeiten Rezipienten anzusprechen und zu beeinflussen bzw. auf deren Bedürfnisse einzugehen.
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[...]
[1] Vgl. Punkt 3.2.
[2] Vgl. auch Goffman (1971) und Bergmann (1980).
- Arbeit zitieren
- Nina Bednarz (Autor:in), 2006, Das Konzept der Kontextualisierung in Mündlichkeit und Schriftlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70942
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