Einleitung und Fragestellung
„ Trutz Simplex oder Ausführliche und wunderseltsame Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörzterin Courage“ ist die der siebte Roman in Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausens simplicianischen Zyklus. Wie der Titel schon ankündigt, handelt der Roman von dem Leben der Schelmin Libuschka, genannt Courage. Er schildert aus der „ Ich-Perspektive“ ihre Erlebnisse, von ihrer Jugend bis zu einem Alter von circa 66 Jahren, in den Wirren des 30-jährigen Krieges.
Ich werde mich in dieser Hausarbeit mit dem Thema beschäftigen, warum die Wahl Grimmelshausens auf eine weibliche Hauptfigur fiel. Hierzu werde ich mich mit mehren Fragen auseinander setzen. Der aktuelle Stand der Wissenschaft vertritt zur Zeit mehrere Thesen zur Absicht Grimmelshausens, als er sich mit der Courage im Trutz Simplex für eine Frau als Erzählerin entschied. Die Spanne dieser Meinungen reicht von ihrer Darstellung als negatives Exempel - als Warnung an die Frauen, sowie an Eltern von Töchtern, teilweise wird die Courage sogar als „ babylonische Hure“ und Allegorie der „Frau Welt“ an sich betrachtet, bis zu der These, die Courage sei als das Bild einer starken Frau, die sich im 30 jährigen Krieg gegen die Männerwelt durchsetzt, geschaffen worden. Mit dieser Bandbreite an Meinungen werde ich mich eingehender beschäftigen. Zu diesem Zweck, werde ich im ersten Kapitel zunächst einmal darlegen, dass die Courage überhaupt als Exempel konstruiert wurde, indem ich das notwendige Hintergrundwissen für die folgende Argumentation liefere. Die spanische Schelmenliteratur sowie die Funktion der Literatur und das Publikum im barocken Zeitalter sind hier die Bereiche, die ich näher untersuche. Erst auf dieser Grundlage aufbauend, kann man sich der Frage widmen, wofür die Courage als Exempel gilt. >Frau Welt< oder die starke Frau? Das erste Kapitel bietet dazu wichtige Ansatzpunkte. Daher werde ich an diesem, die verschieden Argumentationsstränge der Forschung darstellen. Weiterführend widme ich mich im nächsten Kapitel, der Frage, welche Möglichkeiten die Wahl einer weiblichen Hauptperson bietet, welche Effekte und Wirkungen möglicherweise damit erzieht wurden. Zum Schluss meiner Arbeit fasse ich die gewonnenen Erkenntnisse in einem Fazit zusammen, beantworte die oben gestellten Fragen und stelle unklare Aspekte der Forschung explizit heraus, um im Endeffekt zu einem Schluss zu kommen, der meine Stellung zu diesen brisanten Fragen darstellt.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
2. Die Courage als Exempel
2.1 Die spanische Vorlage: der Pikaroroman
2.2 Die Pikara in der spanischen Literatur
2.3 Die Funktion der Literatur und das Publikum Grimmeshausens
3. verschiedene Interpretationsansätze im Diskurs
3.1 Courages Einstellung zur Reue
3.2 Trutz Simplex Motiv
3.3 Grimmelshausens Antikriegsroman
3.3.1 Grimmelshausens Satire Verständnis
4. Möglichkeiten und Wirkung einer weiblichen Hauptfigur
4.1 Die weibliche Froschperspektive
4.2 Darstellung der Frauenwelten
4.3 Darstellung der Männerwelt durch die Courage
Fazit
1. Einleitung und Fragestellung
„ Trutz Simplex oder Ausführliche und wunderseltsame Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörzterin Courage“ ist die der siebte Roman in Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausens simplicianischen Zyklus. Wie der Titel schon ankündigt, handelt der Roman von dem Leben der Schelmin Libuschka, genannt Courage. Er schildert aus der „ Ich-Perspektive“ ihre Erlebnisse, von ihrer Jugend bis zu einem Alter von circa 66 Jahren, in den Wirren des 30-jährigen Krieges.
Ich werde mich in dieser Hausarbeit mit dem Thema beschäftigen, warum die Wahl Grimmelshausens auf eine weibliche Hauptfigur fiel. Hierzu werde ich mich mit mehren Fragen auseinander setzen. Der aktuelle Stand der Wissenschaft vertritt zur Zeit mehrere Thesen zur Absicht Grimmelshausens, als er sich mit der Courage im Trutz Simplex für eine Frau als Erzählerin entschied. Die Spanne dieser Meinungen reicht von ihrer Darstellung als negatives Exempel - als Warnung an die Frauen, sowie an Eltern von Töchtern, teilweise wird die Courage sogar als „ babylonische Hure“ und Allegorie der „Frau Welt“ an sich betrachtet, bis zu der These, die Courage sei als das Bild einer starken Frau, die sich im 30 jährigen Krieg gegen die Männerwelt durchsetzt, geschaffen worden. Mit dieser Bandbreite an Meinungen werde ich mich eingehender beschäftigen. Zu diesem Zweck, werde ich im ersten Kapitel zunächst einmal darlegen, dass die Courage überhaupt als Exempel konstruiert wurde, indem ich das notwendige Hintergrundwissen für die folgende Argumentation liefere. Die spanische Schelmenliteratur sowie die Funktion der Literatur und das Publikum im barocken Zeitalter sind hier die Bereiche, die ich näher untersuche. Erst auf dieser Grundlage aufbauend, kann man sich der Frage widmen, wofür die Courage als Exempel gilt. >Frau Welt< oder die starke Frau? Das erste Kapitel bietet dazu wichtige Ansatzpunkte. Daher werde ich an diesem, die verschieden Argumentationsstränge der Forschung darstellen. Weiterführend widme ich mich im nächsten Kapitel, der Frage, welche Möglichkeiten die Wahl einer weiblichen Hauptperson bietet, welche Effekte und Wirkungen möglicherweise damit erzieht wurden. Zum Schluss meiner Arbeit fasse ich die gewonnenen Erkenntnisse in einem Fazit zusammen, beantworte die oben gestellten Fragen und stelle unklare Aspekte der Forschung explizit heraus, um im Endeffekt zu einem Schluss zu kommen, der meine Stellung zu diesen brisanten Fragen darstellt.
2. Die Courage als Exempel
Das der Trutz Simplex als Exempelroman geschrieben wurde, ergibt sich aus der Geschichte der Gattung, der Funktion der Literatur für die Gesellschaft und dem Publikum, das Grimmelshausens Romane las. Dieses zu belegen wird Inhalt des folgenden Kapitels sein.
2.1. Die spanische Vorlage: der Pikaroroman
Der Pikaroroman entstand im Spanien des 16. Jahrhunderts er wurde jedoch in Frankreich zur Blüte getragen. Als Gipfelleistungen bezeichnet Günther Weydt die Werke „ Lazarillo de Tormes“ aus dem Jahr 1554, ein „ Prototyp der Gattung“[1], und Guzman de Alfarache, das 1599 erschien. Das Aufkommen der Pikaroliteratur hatte, als „ [strukturelle] Voraussetzung die Gründung des modernen zentralistischen Staates, im Anschluss an die Ende des XV.Jh.s abgeschlossene Verdrängung der Araber von der Iberischen Halbinsel“[2] und der damit folgenden Zerstörung der Synthese der drei, zuvor nebeneinander existierenden Weltreligionen: Christentum, Islam und Judentum. Dadurch entstand ein Charakteristikum des spanischen Schelmenromans: Die Herkunft der Autoren, die zum Teil Neuchristen waren, also zum Christentum konvertierte Juden oder Muslime. Ein Beispiel dafür wäre der Autor Mateo Aleman, der Verfasser des Guzman de Alfarache. Denn das Spanien der Neuzeit, war durch die Vereinigung der Königreiche Avalon und Kastilien gekennzeichnet. Folge war, die Ausweitung der Machtbefugnisse der katholischen Kirche, vor allem durch das Instrument der spanischen Inquisition. Weitere Merkmale finden sich in der Vertreibung der Mauren wieder, und, in der schon erwähnten, Zwangstaufe vieler Juden, welche oft am Rande der Gesellschaft standen[3]. So ist der Pikaro „ aus sozial geschichtlicher Perspektive gesehen [...] das Produkt einer „ gefrorenen sozialen Revolution““[4]. Durch diese Tatsachen, entstanden auch die besonderen Merkmale des Pikaro. Er stellte die niedere Welt der unteren Schichten, im Kontrast zu der idealen Welt der hohen Romane dar und zeichnete so ein Bild der Sitten der Zeit. Nach Chandler gehört der Schelm in die Kategorie der Gewohnheitsverbrecher, die häufig ein Produkt ihrer Umwelt waren und durch die Umstände ihres Aufwachsens geprägt wurden. Unter günstigen Bedingungen, wäre es ihnen auch durchaus möglich, ein normales Leben zu führen, jedoch führen Versuchungen sie zum Begehen von Verbrechen. Diese Verbrechen erreichen jedoch selten den Status von verabscheuungswürdigen Gewaltverbrechen, können jedoch nah an die Grenze dieser kommen. Meistens handelt der Schelmenroman der Spätrenaissance von Menschen, die vom Gelegenheitsverbrecher auf dem Weg zum Gewohnheitsverbrecher sind. Ein entscheidendes Merkmal muss jedoch das Hervorstechen des Schelmischen im Roman sein, auch wenn dieser zuweilen in die Kategorie des Schurken abrutscht.[5] Generell ist dieser „ ein gesellschaftlicher Außenseiter [... der sich] -horizontal- durch den geographischen Raum und – vertikal- durch die verschiedenen hierarchischen Ebenen der Gesellschaft“[6] bewegt. „Die Figuren sind moralisch haltlos, sind tückisch, verlogen, listig, intrigant und betrügerisch, schelmisch eben. Und sie erzählen die Geschichte in Ich- Form- als ihre Lebensgeschichte, sie sind damit die unzuverlässigsten Erzähler (oder auch Erzählerinnen), die die Literaturgeschichte kennt.“[7] Ihre Funktion ist es, die Gesellschaft , oder besser die Mängel der Gesellschaft aufzudecken. Jedoch ist es wichtig zu unterscheiden, dass die Absicht des spanischen Schelmes, den Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft darzustellen, eine Kritik der Verhältnisse ist, die darauf abzielt, dass der Pikaro von der Gesellschaft isoliert wird. Die deutschen Pikaros sind jedoch nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen, weil sie der Gesellschaft nicht passen, sondern sie verzichten, am Ende des Romans, von sich aus auf die Gesellschaft, die sie für verderbt halten.[8] So muss auch Grimmelshausens Simplicissimus sich am Ende von der Welt abkehren um endlich zu dem Seelenheil zu kommen, das er sich so oft selbst verwehrte. Wichtig ist, dass die Gattung in Bezug auf die Moral nicht homogen ist, wie es vielleicht Chandler darstellt. Der Grad der Moral reicht von einer nebensächlichen Rolle, die zum Zweck der Legitimation gilt, bis hin zum hochgradig moralisierenden Roman, der im Grunde eine „erweiterte Predigt“[9] ist.
2.2 Die Pikara in der spanischen Literatur
Die Pikara Justina, welche als die literarische Vorlage der Courage gilt, ist 1605 die erste Schelmin, die in einer Hauptrolle die Bühne der Schelmenromane betritt. Ihr Autor betont die moralischen Ziele seines Werkes, aber auch in anderen Werken, wie La Garduna de Servilla, kann man in Vorwort lesen, dass das Werk „ als mahnendes Beispiel für die Eltern [ dient], daß sie ihre Töchter richtig erziehen und sie nicht gegen ihren Willen verheiraten“[10]. Beachtet man allerdings, dass so gut wie alle Bücher dieser Epoche auf ihre Nützlichkeit hinwiesen, auch die Unterhaltungsromane, so kann man sich des Verdachts nicht erwehren, dass diese Hinweise der Legitimation vor den strengen kirchlichen und zivilen Autoritäten dienen. „ Trotz [ Hinweise der Autoren] sind die Nützlichkeits- und Moralbeteuerungen nicht überzeugend“[11].
In der Form ist der spanische Pikararoman dem Pikaroroman sehr ähnlich. Die Figuren gleichen sich in Eigenschaften und Herkunft. Beide sind sie niedriger Herkunft - Die Pikara Justina ist die Tochter eines Neuchristen und einer Kupplerin. Diese niedere Abkunft können die Schelminnen nichtsdestotrotz meist so geschickt tarnen, dass die ihr verfallenen Männer, selbst wenn sie die Wahrheit erfahren, dieses nicht glauben wollen. Denn im Unterschied zu ihrem männlichen Kollegen, muss die Schelmin, die vor allem durch ihre Schönheit hervor sticht, auf ihren Ruf achten. Dies bedeutet, nach außen achtet sie stets darauf, fromm und sittsam zu wirken. Dennoch steht sie dem Mann in List und betrügerischen Verhalten in Nichts nach. Ihr Ziel, ihre Habsucht zu befriedigen, erreicht sie oft mit den Mitteln einer Frau. Sie erweckt die Liebe eines reichen Mannes, vergießt im richtigen Augenblick ihre Tränen und setzt die ihr gegebene Schönheit, gekonnt ein. Sie selbst jedoch „ hütet sich davor, der Liebe zu verfallen“[12] denn „ nur die Macht der Liebe ist groß genug, um die Schelmin zu Fall zu bringen“[13], wie das Beispiel der Dona Pestana von Linan zeigt. Was alle Werke gemein haben, ist ihn antifeministischer bzw. halb- antifeministischer Charakter.[14] Die Opfer der Pikara stoßen in vielen Abwandlungen immer die gleichen Klagen über die Eigenschaften der Frauen aus. Habsucht, Neid, Eifersucht, Scheinheiligkeit und die Eitelkeit: Eigenschaften, die der Frau in traditionellen christlichem Sinne, zugesprochen werden. Jonas Andries van Praag weist jedoch darauf hin, dass der Antifeminismus jener Autoren aus der Zeit des „ Herbstes des Mittelalters“ eine nicht wörtlich zu nehmende „ blague“ sei.[15] Denn ebenso ist deutlich die Sympathie der Autoren für ihre Protagonistinnen zu spüren, die sie als geeignetes Mittel sahen um die selbstsüchtige und scheinheilige Menschlichkeit zu strafen.
2. 3 Die Funktion der Literatur und das Publikum Grimmelshausens.
Bevor es zu einer Herausbildung eines „ Ich- Bewusstseins“ kam, war es „ fraglos Kunst [...die] unmittelbarer ein Soziales [war] als danach.“[16]. Dass heißt, die deutsche Dichtung, als ein gesamtes gesehen, war ein Mittel der Gesellschaft sich auszudrücken. Die Literatur begleitet den barocken Menschen, beispielsweise in Form von Gelegenheitsdichtung, von der Geburt bis zum Tod. In dieser Form, war allerdings ein Auftrag die Voraussetzung zur Entstehung eines neuen Werkes. Dennoch zeigen die Ergebnisse der Forschung, dass die Kunst sehr präsent war. Sie stand durchaus auch im Zuge der Öffentlichkeit. Und zwar insofern, dass es der Grundcharakter der Literatur des 17. Jahrhunderts war, eine didaktische Absicht zu haben. Sie war so verfasst, dass der „ lehrhafte Zweck am besten zu erzielen sei“[17]. Dies beinhaltet aber nicht, dass sie Vorschriftcharakter annahm und die Gefahr bestand, dass es wie ein Katalog von Verboten wirkte. Stattdessen griffen die Autoren zu einem Exempel, das den Leser auf eine wohltuende Art und Weise lehren sollte und ihm nicht die Lust am zu Vermittelnden nahm. Mitinbegriffen in die Lehrinhalte, waren aber nicht nur gesellschaftliche und religiöse Themen, sondern auch das gewünschte politische Verhalten der Menschen wurde in Form von Literatur vermittelt. Zweck war „Ruhe und Ordnung“ im absolutistischen Staat“[18] zu bewahren. Besonders tat sich hier der so genannte, „ hohe Roman“ oder „ höfische Roman“ als Lehrapostel hervor, der „als offene Propagandaschrift“[19] für den Staat warb und diente. Grund für dieses Phänomen war, dass die politische und gesellschaftliche Ordnung auch der der Ethischen entsprach. „ Diese [ ständische] Ordnung ist zugleich auch ethische“[20] bzw. Entsprach der Vorstellung der Gottgewollten Ständeordnung, der sich ein religiöser Mensch verpflichtet fühlen sollte. Ob die Tatsache, dass Grimmelshausen „wie jeder andere Barockdichter in einer „ vom Geist der Sozialregulierung der Stadt und der absolutistischen Tendenz des Staates gemeinsam bestimmten, ganz realen Umwelt“ lebt ( Oestereich in Barock-Symposion)“[21] Auswirkungen auf die Aussagen seiner Werke hatte, sei hier als fragwürdig angemerkt. Die Antwort darauf ergibt sich mit der Antwort auf die Hauptfrage dieser Arbeit.
Das Publikum, welches die Werke Grimmelshausens las bzw. zu lesen vermochte, und an die er sich demnach gewendet haben muss, war längst nicht so weit gefächert, wie man annehmen mag. Neben einer gewissen Bildung, die auch das Interesse an weltlicher Literatur miteinschloss, gehörte auch Wohlstand dazu. Ein Buch im 17 Jahrhundert war relativ teuer. Mit einem Preis von acht Reichstalern entsprach dies ungefähr „“ 130 Kilo Rindfleisch ohne Knochen oder 80 Kilo Speck[...]““[22], wobei man nicht davon ausgehen kann, dass nur die Käufer die Bücher auch gelesen haben müssen. Doch schränkt sich auch die Leserschaft durch den vorausgesetzten Alphabethismus ein. Die potentielle Leserschaft kann man anhand der Universitätsbildung ermitteln. Diese hatte im 17. Jahrhundert etwa 50000 Personen. Dieses Publikum muss durch die Zwischenschicht derer, die die Lateinschule besucht hatten, erweitert werden. „ zu dieser Schicht zählten viele Kaufleute, Buchdrucker, Apotheker, Wundärzte, Schreiber und kleinere Advokaten“[23]. Anhand von Nachlässen kann man erkennen, dass die Landbevölkerung zum größten Teil Analphabeten waren. Das städtische Proletariat war eher ein Markt für Dichtung, die mit der gelehrten Dichtung nichts gemeinsam hatte, wie zum Beispiel Volks- und Schwankbücher.
Obwohl die Werke Grimmelshausens für seine Zeit einen großer Erfolg hatten , „ kann von einer massenhaften Verbreitung der Schriften Grimmelshausens keine Rede sein“[24]
In den Jahren von 1668- 1671 entsprach die Gesamtauflage ca. 10000 bis 12000. Das entspricht, unter Einbeziehung der Tatsache, dass ein Buch von fünf oder sechs Personen gelesen wurde, einer Zahl, die noch unter einem Prozent der erwachsenen Reichsbewohner entsprach.„ die vorhandenen Zeugnisse [ legen] den Schluss nahe, daß Grimmelshausens Romane vom gleichen Publikum rezipiert worden sind, das auch die übrige zeitgenössische Kunstdichtung trug“[25].
Aufgrund dieser Voraussetzungen - der spanischen Vorbilder der deutschen Schelmenromane, der Charakter der spanischen Pikara, die Funktion der Literatur im 17. Jahrhundert sowie das Publikum, dass die Grimmelshausischen Romane las - kann man schließen, dass der Autor etwas Bestimmtes im Sinn hatte, als er den Simplicianischen Zyklus verfasste. Man kann also davon ausgehen, dass er moralisieren wollte. Deutlich ist dies der spanischen Pikaro Vorlage zu entnehmen, deren Grundcharakter, trotz der Veränderungen, auf die ich oben hinwies, erhalten blieb. Der schelmisch Charakter, mit allen seinen Eigenschaften wurde übernommen, ebenso wie seine Funktion Mängel in der Gesellschaft aufzuweisen. Jedoch war Grimmelshausen , im Gegensatz zu den meisten Verfassern der Pikaroromane, kein gesellschaftlicher Außenseiter. Im Gegenteil, sein Leben ist geprägt durch den gesellschaftlichen Aufstieg. Er wurde als Regimentssekretär zu einem wichtigen Mann. Der gesellschaftliche Fortschritt ist auch an seinem Namen zu bemerken, wurde er doch 1649 plötzlich als Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausen, statt des bisherigen Johann Christoffel in das Kirchenbuch eingetragen. In den letzten Jahren seines Lebens wirkte er als Schultheiß des Bischofs von Straßburg. Man sieht also, dass die Aussage Grimmelshausens eine andere sein muss, als die der gesellschaftlichen Außenseiter in Spanien.
Aufgrund der Tatsache, dass zumindest ein spanischer Schelminnenroman, um genauer zu sein, die Picara Justina, als Vorlage zur Courage gedient hat, kann man davon ausgehen, dass wenigstens einige Elemente aus dem Spanischen übernommen wurden, wie beispielsweise die Motivation, eine Moral zu vermitteln, auch wenn diese sich nicht zwingend mit der der Justina decken muss. Man muss berücksichtigen, dass in dem Trutz Simplex auch der Hintergrund der Erzählung, der 30. Jährige Krieg, meiner Meinung nach, einen entscheidenden Faktor zur Interpretation, besonders der Bedeutung ihrer Person, darstellt. Doch dazu mehr in Kapitel drei. Doch auch andere Elemente, wie der Charakter der Schelmin oder einen anklingenden Antifeminismus in den Aussagen der männlichen Charaktere zum Thema Frauen, der nicht unbedingt eine „ blague“ also ein Scherz oder Schelmenstreich, des Autors sein muss. Nicht zuletzt, ist die Klientel Grimmelshausens und die Funktion der Literatur im allgemeinen, ein Indiz dafür, dass die Courage in Sinne einer bestimmten Moral konstruiert wurde.
[...]
[1] Weydt, Günther. Nachwort. In: Courage. Reclam Verlag 1971. S. 170.
[2] Sabourin, Vladimir: Der Schelm und die Europäisierung. S.1.
[3] Korman Eva. Schelmische Metamorphosen des Geschlechts.S.1.
[4] Sabourin, Vladimir: Der Schelm und die Europäisierung. S.2.
[5] Chandler, Frank W.: Definition der Gattung. S. 5.
[6] Korman, Eva: Schelmische Metamorphosen des Geschlechts. S. 2.
[7] Ebd.
[8] Tunturi, Anna- Riitta:Der Pikareske Roman als Katalisator in geschichtlichen Abläufen. S. 26- 27.
[9] Grass, Roland: Der Aspekt des Moralischen im Pikaresken Roman. S. 335.
[10] Van Praag, Jonas Andries: Die Schelmin in der spanischen Literatur. S. 150.
[11] Van Praag, Jonas Andries: Die Schelmin in der spanischen Literatur. S. 150.
[12] Van Praag, Jonas Andries: Die Schelmin in der spanischen Literatur. S. 155.
[13] Van Praag, Jonas Andries: Die Schelmin in der spanischen Literatur. S. 159.
[14] Van Praag, Jonas Andries: Die Schelmin in der spanischen Literatur. S. 162.
[15] Van Praag, Jonas Andries: Die Schelmin in der spanischen Literatur. S. 163.
[16] Meid, Volker:Epoche -Werk- Wirkung. S. 50.
[17] Meid, Volker:Epoche- Werk- Wirkung S. 50.
[18] Meid, Volker:Epoche -Werk- Wirkung S. 51.
[19] Ebd.
[20] Meid, Volker:Epoche -Werk -Wirkung S. 52.
[21] Ebd.
[22] Meid, Volker: Epoche- Werk- Wirkung S.62.
[23] Ebd.
[24] Meid, Volker:Epoche- Werk- Wirkung S. 64.
[25] Meid, Volker:Epoche- Werk -Wirkung S.64.
- Arbeit zitieren
- Charlotte Baier (Autor:in), 2007, Die Courage als weibliche Hauptfigur des "Trutz Simplex" , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70915
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