Die Annahme, dass eine Überaktivität am spezifischen Serotonin- Unterrezeptor 5-HT2A bei der Entstehung von Schizophreniesymptomen beteiligt ist, untersuchten wir, indem wir die neuronalen 5-HT2A Rezeptoren von 22 Versuchspersonen mit dem halluzinogenen Wirkstoff Psilocybin stimulierten. Um die über diesen Rezeptor vermittelte Wirkung überprüfen zu können, verwendeten wir zusätzlich den spezifischen 5-HT2A Antagonisten Ketanserin.
Auf psychologischer Ebene interessierten wir uns für die Defizite des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses da dessen Beeinträchtigung ein robuster Befund bei Patienten mit Schizophrenie ist. Zudem erhoben wir die substanzinduzierten klinischen Symptome mit dem Fragebogen zu aussergewöhnlichen Bewusstseinszuständen (OAV) und dem Brief Psychatric Rating Scale (BPRS).
Auf biologischer Ebene erhoben wir ereigniskorrelierte Potentiale. Bei diesen ist die reduzierte P300 ein etabliertes Merkmal der Schizophrenie.
Die Wirkung des Psilocybins verringerte die Leistung des Arbeitsgedächtnisses. Diese Beeinträchtigung wurde durch den Antagonismus des Ketanserins gedämpft. Wir fanden eine Kausalbeziehung zwischen einer Verflachung der P300 Amplitude und der 5-HT2A-Aktivierung: Durch die agonisierende Wirkung des Psilocybins wurde die Amplitude der P300 verringert. Diese Verringerung wurde durch die antagonistische Wirkung des Ketanserins vollständig aufgehoben. Der Befund wird mit Bezug auf die State - Trait Frage der P300 Reduktion diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
1 Einführung
1.1 Der theoretische Hintergrund
1.2 Ziel dieser Studie
1.3 Die Ereigniskorrelierten Potentiale
1.3.1 N100
1.3.2 N200
1.3.3 P300
1.4 Das Konzept des Arbeitsgedächtnisses
1.4.1 Definition
1.5 Die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses
1.5.1 Phonologische Schleife
1.5.2 Visuell-räumliches Arbeitsgedächtnis
1.5.3 Die zentrale Exekutive
1.6 Arbeitsgedächtnis und Schizophrenie
1.7 Neurobiologie des Arbeitsgedächtnisses
1.7.1 Neurotransmittersysteme
1.8 Halluzinogene
1.8.1 Klassen und Wirkungsweisen
1.9 Gründe für das Experimentieren mit Psilocybin
1.9.1 Psilocybin und Schizophrenie
1.10 Dosierung
1.11 Psychische Effekte von Psilocybin
1.11.1 Optische Phänomene
1.11.2 Ich-Störungen
1.11.3 Zeit- und Raumwahrnehmung
1.11.4 Änderungen des Gefühlszustandes
1.12 Physische Effekte von Psilocybin
1.13 Geschichtliches zur Verwendung von Psilocybin
1.14 Ketanserin
1.14.1 Ketanserin und Schizophrenie
2 Hypothesen
2.1 Ereigniskorrelierte Potentiale
2.2 Arbeitsgedächtnis
2.2.1 Verbesserung oder Verschlechterung?
2.2.2 Defizit bei der Kodierung oder der Aufrechterhaltung?
3 Methoden
3.1 Versuchspersonen
3.1.1 Magical Ideation Scale
3.2 Versuchsablauf
3.2.1 Placebo- / Ketanserin- / Psilocybingabe
3.2.2 Verhaltensbewertung
3.2.3 EEG Aufnahmen
3.2.4 Statistische Analysen
4 Resultate
4.1 Verhalten
4.1.1 Beobachtbares und berichtetes Erleben der ProbandInnen
4.1.2 Aussergewöhnliche Bewusstseinszustände- Fragenkatalog
4.1.3 Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS)
4.1.4 Spatial Working Memory Test
4.2 Ereigniskorrelierte Potentiale
4.2.1 P300
4.3 Korrelationen Neuropsychologie und EKP
5 Diskussion
5.1 5-HT2A Überaktivität: Konsistente Befunde
5.1.1 OAV / BPRS: antipsychotische Wirkung der 5-HT2A Blockade
5.1.2 Arbeitsgedächtnis: Abnahme unter Psilocybineinwirkung
5.1.3 EKG: Normalisierung der P300 durch 5-HT2A Blockade
5.2 5-HT2A Überaktivität: Inkonsistente Befunde?
5.3 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abstract
Die Annahme, dass eine Überaktivität am spezifischen Serotonin- Unterrezeptor 5-HT2A bei der Entstehung von Schizophreniesymptomen beteiligt ist, untersuchten wir, indem wir die neuronalen 5-HT2A Rezeptoren von 22 Versuchspersonen mit dem halluzinoge- nen Wirkstoff Psilocybin stimulierten. Um die über diesen Rezeptor vermittelte Wirkung überprüfen zu können, verwendeten wir zusätzlich den spezifischen 5-HT2A Antagonis- ten Ketanserin.
Auf psychologischer Ebene interessierten wir uns für die Defizite des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses da dessen Beeinträchtigung ein robuster Befund bei Patienten mit Schizophrenie ist. Zudem erhoben wir die substanzinduzierten klinischen Symptome mit dem Fragebogen zu aussergewöhnlichen Bewusstseinszuständen (OAV) und dem Brief Psychatric Rating Scale (BPRS).
Auf biologischer Ebene erhoben wir ereigniskorrelierte Potentiale. Bei diesen ist die reduzierte P300 ein etabliertes Merkmal der Schizophrenie.
Die Wirkung des Psilocybins verringerte die Leistung des Arbeitsgedächtnisses. Diese Beeinträchtigung wurde durch den Antagonismus des Ketanserins gedämpft.
Wir fanden eine Kausalbeziehung zwischen einer Verflachung der P300 Amplitude und der 5-HT2A-Aktivierung: Durch die agonisierende Wirkung des Psilocybins wurde die Amplitude der P300 verringert. Diese Verringerung wurde durch die antagonistische Wirkung des Ketanserins vollständig aufgehoben. Der Befund wird mit Bezug auf die State - Trait Frage der P300 Reduktion diskutiert.
1 Einführung
Die Schizophrenie ist eine der tiefgreifendsten psychischen Erkrankungen. Sie hat eine Veränderung der Gedanken, der Wahrnehmung und des Verhaltens zur Folge. Der Begriff Schizophrenie wurde 1911 vom Schweizer Psychiater Eugen Bleuler geprägt, der ihn als einen Sammelbegriff für eine ganze Gruppe von psychischen Störungen einführte. Dabei gehört die multiple Persönlichkeit, entgegen der Volksmeinung, nicht zum Störungsbild der Schizophrenie. In den westeuropäischen Ländern leiden 0.5-1% der Menschen an dieser Krankheit und pro Jahr erkrankt 0.05% der Bevölkerung neu an Schizophrenie. Das Risiko, einmal im Leben an Schizophrenie zu erkranken liegt bei 1%, wobei das Hauptrisiko zwischen der Pubertät und dem 30. Lebensjahr liegt. Die Verteilung der Krankheit in der Bevölkerung ist weitgehend geschlechtsneutral. Schizo- phrenie verursacht, neben dem persönlichen Leid der Betroffenen und deren Angehöri- gen, sehr hohe direkte und indirekte volkswirtschaftliche Kosten.
Man zählt die Schizophrenie zu den endogenen Psychosen und es gibt starke Hinweise dafür, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser Erkran- kung spielen. Als weitere ätiologische Faktoren kommen prä- und postnatale Einflüsse in Frage, welche möglicherweise die Prädisposition, später an Schizophrenie zu erkran- ken, erheblich beeinflussen. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung bestimmter Sym- ptome der Schizophrenie spielen nach heutigen Erkenntnissen gewisse Botenstoffe, die so genannten Neurotransmitter des Gehirns, welche die Nervensignale weiterleiten.
Auf neuropsychologischer Ebene ist die verminderte Leistung des Arbeitsgedächtnisses ein zentrales Kennzeichen der Schizophrenie. Auf biologischer Ebene sind Abnormali- täten, die bei der Ableitung elektrophysiologischer Potentiale erkennbar sind, gut etab- lierte Kennzeichen der Schizophrenie. In der vorliegenden Arbeit befassten wir uns mit dem Serotonin, welches eine zentrale Rolle bei verschiedenen psychischen Erkrankun- gen, wie auch der Schizophrenie, zu spielen scheint. Wir untersuchten Zusammenhän- ge zwischen Manipulationen an diesem Serotoninsystem und den erwähnten Kernsym- ptomen der Schizophrenie auf psychologischer und biologischer Ebene.
1.1 Der theoretische Hintergrund
Seit etwa dreissig Jahren dominiert die Dopaminhypothese als Theorie für die neuronale Grundlage der Schizophrenie. Die Dopaminhypothese besagt, dass eine Überaktivität des mesolimbischen Dopaminsystems ein wesentlicher pathophysiologischer Faktor bei der Entstehung gewisser Symptome der Schizophrenie darstellt. Diese Theorie wird dadurch begründet, dass Drogen, welche das Dopaminsystem anregen, wie z.B. Ko- kain, zu schizophrenieähnlichen Symptomen führen können und Medikamente, welche die Dopaminrezeptoren blockieren, antipsychotische Wirkungen zeigen. Die klassischen Antipsychotika sind also Dopamin- Antagonisten. Die heute gebräuchliche Theorie der neuronalen Grundlage von Schizophrenie beschränkt sich auf den Dopamin- Unterrezeptor D2 (Kap. 1.7.1, Seite 20), da die Bindungsstärke antipsychotischer Medi- kamenten an diesem Rezeptor in hohem Masse mit deren Unterdrückung bestimmter Symptome der Schizophrenie korreliert.
Die neuere Entwicklung von Medikamenten, den sogenannten atypischen Antipsychotika, legt allerdings nahe, dass die D2 Rezeptorüberaktivität nicht als einziger Faktor bei der Schizophrenie eine Rolle spielt. Diese atypischen Antipsychotika weisen nämlich eine starke Wirksamkeit auf, obwohl sie den D2 Rezeptor zum Teil in geringerem Ausmasse als die klassischen Antipsychotika blockieren, hingegen unter anderem eine hohe Affinität an einem Unterrezeptor des Serotoninsystems, dem 5-HT2A Rezeptor, aufweisen. An diesem 5-HT2A Rezeptor wirken sie antagonistisch.
Diese Befunde führten zur Hypothese, welche die theoretische Basis der vorliegenden Untersuchung darstellt: die Überaktivität der 5-HT2A vermittelten Reizleitung ist ein Faktor bei der Entstehung gewisser Kennzeichen der Schizophrenie.
1.2 Ziel dieser Studie
Zielsetzung dieser Studie war, neuropharmakologische Aspekte bestimmter, gut doku- mentierter Defizite bei Schizophrenie zu untersuchen. Auf biologischer Ebene verwen- deten wir die Ableitung von Ereigniskorrelierten Potentialen (EKP). Dabei stand ein sta- biles Merkmal der Schizophrenie im Zentrum, nämlich die reduzierte P300 Welle.
Auf neuropsychologischer Ebene interessierten wir uns für die Defizite des Arbeitsge- dächtnisses, welche ebenfalls etablierte Kennzeichen der Schizophrenie sind. In unserer Versuchsanordnung testeten wir das visuelle Arbeitsgedächtnis.
Während der letzten Jahrzehnte konzentrierte sich die neurobiologische Forschung zur Schizophrenie auf verschiedene Transmittersysteme, unter denen Serotonin und im Besonderen der dazugehörende Unterrezeptor 5-HT 2A eine wichtige Rolle spielen. Wir führten unsere Versuche mit Normalprobanden durch, die unter dem Einfluss des 5- HT2A - Agonisten Psilocybin und/oder des 5-HT2A - Antagonisten Ketanserin standen. Einige Verhaltenseffekte, kognitive Defizite, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisbeein- trächtigungen unter Psilocybin ähneln denen von Patienten mit Schizophrenie. Im Wei- teren üben die meisten der so genannten atypischen Antipsychotika eine antagonisti- sche Wirkung am 5-HT2A Rezeptor aus. Aufgrund der Resultate klinischer und vorklini- scher Untersuchungen vermutet man, dass diese antagonistische Eigenschaft eine Rolle bei ihrer klinischen Wirkung spielt.
Diese Studie wurde konzipiert, um breiteres Wissen über die Rolle des serotonergen Systems bei der Schizophrenie zu gewinnen. Sie ist Teil eines grösseren Projektes zur Erforschung der neurobiologischen Basis von Informationsverarbeitung und Arbeitsge- dächtnis.
1.3 Die Ereigniskorrelierten Potentiale
Es wird generell akzeptiert, dass Ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) die Aktivität neuro- naler Populationen, vor allem von exzitatorischen und inhibitorischen postsynaptischen Potentialen reflektieren (Coles & Rugg, 1995). Ereigniskorrelierte Potentiale sind gemit- telte, zeitlich bestimmte EEG Komponenten, welche als Reaktion auf die Präsentation eines Stimulus und/oder als Ausdruck eines kognitiven Ereignisses auftreten. Die Moda- lität des Stimulus kann dabei visuell, auditorisch oder somato-sensorisch sein. EKPs sind ein objektives Mass für Hirnaktivität und erlauben die Untersuchung der dieser Aktivität zugrundeliegenden neurophysiologischen Mechanismen. Da die EKPs viel klei- nere Amplituden haben als das spontane EEG, werden sie erst sichtbar, wenn diese wird. EKPs resultieren als Folge von exzitatorischen und inhibitorischen postsynapti- schen Potentialen. Voraussetzung ist, dass grössere Zellpopulationen synchron zu feu- ern beginnen. Erst wenn sich die elektrischen Felder um die einzelnen Zellen aufsum- mieren, ist das Signal gross genug, um es auf der Schädeloberfläche aufzeichnen zu können. Damit diese Addition elektrischer Felder möglich ist, müssen die Axone und Dendriten der Nervenzellen allesamt in derselben Richtung ausgerichtet sein. Diese Situation ist beim Neokortex gegeben, wo die Pyramidenzellen und ihre apikalen Dend- riten senkrecht zur Schädeloberfläche ausgerichtet sind. Daher können Aktivierungen spezifischer, kortikaler Strukturen als Folge von bestimmten Informationsverarbeitungs- prozessen identifiziert werden. Ein grosser Vorteil der EKPs ist die Möglichkeit, neuro- nale Reaktionen auf alle Stimuli zu messen, unabhängig vom äusseren Verhalten der Versuchspersonen. Darüber hinaus lassen EKPs eine unübertroffene zeitliche Auflösung zu und zeigen eine grössere Sensitivität gegenüber kortikalen Dysfunktionen als Ver- haltensmessungen alleine (Shelley, Grochowski, Lieberman & Javitt, 1996). Verschiede- ne Komponenten von Ereigniskorrelierten Potentialen können nützlich sein, um auf phy- siologischer Ebene die Phasen der Informationsverarbeitung zu identifizieren, welche durch spezifische kognitive Variablen betroffen sind (Ritter, Simson, Vaughan & Macht, 1982). Im Folgenden werden die drei prominentesten EKP-Komponenten beschrieben. Auf die im Zusammenhang mit unserer Studie zentrale Komponente P300 wird dabei genauer eingegangen.
N steht für eine negative, P für eine positive Polarität der Welle.
1.3.1 N100
Aus der Durchsicht der Literatur über die N1 Welle der auditiven Ereigniskorrelierten Poteniale beim Menschen folgt, dass mindestens sechs verschiedene zerebrale Gene- ratoren zur negativen Welle beitragen können, welche mit einer Gipfellatenz von 50 bis 150 ms nach Ereignis auf der Schädeloberfläche gemessen werden: Eine Generator im auditorischen Kortex in der supratemporalen Ebene, einer in der lateralen Seite des Assotiationskortex des temporalen und parietalen Kortex, einer in der motorischen und prämotorischen Rinde, die sogenannte mismatch negativity, ein temporaler Generator der Verarbeitungsnegativität und einen frontaler Generator der Verarbeitungsnegativität. Die ersten drei, welche als „wahre“ N1 betrachtet werden können, werden durch physi- sche und temporale Aspekte des Stimulus und den allgemeinen Zustand des Subjektes bestimmt. Die anderen drei Generatoren sind nicht unbedingt Abhängig von einem Stimulus, sie stehen jedoch in Zusammenhang mit den Bedingungen, unter welchen der Stimulus erscheint. Sie bleiben oft viel länger bestehen als die wahren N1 Komponenten, welche sie überlappen (Näätänen & Terence, 1987).
1.3.2 N200
Die N200 ist eine EKP-Komponente mit einem Maximum an den frontozentralen Elekt- roden, welche nach einer Latenz von etwa 200 bis 300ms auftritt. Die N200 oder N2 reflektiert kognitive EKPs, welche auf aufmerksamkeitsabhängige Informationsverarbei- tung hinweisen. N2 bildet aufeinander abfolgende Phasen von Informationsverarbeitung ab, namentlich das Erkennen und Klassifizieren von Stimuli. Sie ist unter anderem ein Mass für kognitive Defizite, die mit der Schizophrenie assoziiert sind (Umbricht et al., 1998). Man nimmt an, dass die N200 eine Stimuluskategorisierung reflektiert (Duncan, Kosmidis & Mirsky, 2003; Kok & Rooyakkers, 1986). Bei der N2 kovariieren Latenz und Reaktionszeit. Diese Resultate stützen die Hypothese, dass die N2 einen Entschei- dungsprozess reflektiert, welcher bei Aufgaben, in denen sensorische Informationen diskriminiert werden müssen, die Reaktionen des Verhaltens kontrolliert (Ritter, Simson, Vaughan & Friedman, 1979).
1.3.3 P300
Die Entdeckung der P300 (auch P3) durch Sutton, Braren, Zubin und John hatte in der psychophysiologischen Forschung schnell hohe Wellen geschlagen (1965). Heute gibt es keine Komponente, die häufiger untersucht worden wäre als die P3, was an ihren Ausmassen liegen mag (5-20µV), wodurch sie leicht identifizierbar ist. Ihre Polarität auf der Schädeloberfläche ist positiv und sie erscheint ungefähr 300ms nach der Präsenta- tion eines Stimulus, auf welchen die Versuchsperson reagieren musste. Die P300 ist aufmerksamkeitsabhängig, und sie wird nicht hervorgerufen, wenn die Stimuli auf vor- hersehbare Weise erscheinen. Die P3 hat ihr Maximum über der mittleren parietalen Elektrode (Pz) und fällt seitlich symmetrisch ab. Das einfachste Paradigma, das eine P3 erzeugt, ist das so genannte Oddballparadigma. Dort werden zwei Reize in Serie dar- geboten - der eine häufig und der andere selten - wobei die Versuchspersonen den selteneren zählen oder darauf mit einem Knopfdruck reagieren müssen. Die Darbietung des seltenen Reizes führt im EKP zur Ausbildung der P3. Die Amplitude der P3 variiert mit der Häufigkeit des seltenen Reizes; je seltener, desto grösser. Im Weiteren wird die Amplitude möglicherweise auch durch die Aufgabenwichtigkeit, das Vertrauen in die Entscheidung, Ambiguität, Auflösung von Unsicherheit und den Grad der Involviertheit des Subjektes in die Experimentalsituation beeinflusst. Beispielsweise sinkt die Amplitu- de der P300 mit ansteigender Unsicherheit (Johnson, 1986). Sie ist unabhängig von der Modalität (Naumann, Huber, Maier & Plihal, 1992), was gegen eine Beteiligung perzep- tueller Prozesse spricht. Es wurde gezeigt, dass die Amplituden der Elektroden an der Mittellinie direkt korreliert sind mit der Aufgabenwichtigkeit und invers korreliert mit der subjektiven Einschätzung der Stimuluswahrscheinlichkeit. Dies legt nahe, dass die P300 assoziiert ist mit dem Aktualisieren von Erwartung bezüglich der Umgebung (Duncan- Johnson & Donchin, 1979). Mit höherer Anforderung an das Erkennen und Kategori- sieren der Stimuli vergrössert sich die Latenz der P300. Die geläufige Sichtweise zur P3 sieht in deren Latenz ein Mass für die Dauer, die es bedarf, um einen Reiz zu analysie- ren und zu bewerten (Magliero, Bashore, Coles & Donchin, 1984).
P300 und Schizophrenie
Die Abnahme/Verringerung der auditorischen P300 Amplitude ist die am besten etab- lierte biologische Abnormalität, welche mit Schizophrenie assoziiert ist. Sie stellt einen robusten, vielfach replizierten Befund dar, der schon während der ersten Episode einer schizophrenen Erkrankung beobachtet werden kann (Duncan, 1988; Salisbury, 1998).
Die Stabilität dieser reduzierten P300 Amplitude bei Schizophrenie bedeutet möglicher- weise, dass sie ein neurologischer Marker für eine angeborene Veranlagung für die Krankheit sein könnte. Allerdings deuten andere Studien darauf hin, dass sich die redu- zierte visuelle P300 Amplitude wie ein Indikator für den klinischen Zustand der Krankheit verhält, der sich parallel mit der Verbesserung der klinischen Symptome in Richtung normaler Grösse bewegt. Allerdings trifft dieser Sachverhalt auf die auditorische P300 nicht zu, denn diese scheint robust gegenüber klinischen Veränderungen zu sein (Ford, White, Csernansky & Faustman, 1994; Gallinat et al., 2001). Grundsätzlich muss aber gesagt werden, dass der Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Symptomatik und der Ausprägung der P300 bisher schlecht untersucht und daher noch recht unklar ist.
Im Hinblick auf den Einfluss von Medikamenten auf die Amplitude der P300 vermuten einige Forscher, dass die neuen, atypischen Antipsychotika die Fähigkeit haben könn- ten, die verminderte P300 zu normalisieren. So wurde berichtet, dass die Behandlung mit Clozapin mit einer angestiegenen P300 Amplitude assoziiert war (Umbricht et al., 1998). In einer anderen Publikation wurde geschildert, wie ein Clozapin-ähnliches Medi- kament, die P300 Amplitude in der Frontalregion normalisieren konnte (Gonul et al., 2003).
Eine Anzahl von Studien haben Verzögerungen der P300 Latenz bei Patienten mit Schizophrenie gefunden, welche auch bei Gabe antipsychotischer Medikamente stabil blieb (St. Clair, Blackburn, Blackwood & Tyrer, 1988). Obwohl die Evidenz nicht stark ist, scheint sich die Latenz eher wie ein Marker für die Veranlagung und weniger für den Zustand der Krankheit zu verhalten (Gonul, 2003).
Was aber bedeuten diese Veränderungen der P300? Seit der Entdeckung der reduzierten P300 Amplitude bei Schizophrenie verfolgte die Forschung zwei traditionelle Pfade: den Psychologischen, welcher die Beschädigung des Verstandes zu ergründen sucht und den Biologischen, der die Defekte des Hirnes fokussiert. Auf diese beiden Aspekte wird im Folgenden genauer eingegangen.
Psychologische Faktoren der reduzierten P300
Die P300 Amplitude kann die Menge an Ressourcen reflektieren, welche der Verarbei- tung eines spezifischen Stimulus zugewiesen wird (Isreal, Wickens, Chesney & Donchin, 1980). Diese Ressourcen werden beeinflusst durch kognitive und motivationale Variab- len wie Wahrscheinlichkeit, Anstrengung und Aufmerksamkeit. So ist die P300 Amplitu- de umso grösser, je kleiner die Wahrscheinlichkeit für das Auftauchen von bedeutsa- men Stimuli (Targets) ist. Allerdings wurde die Hypothese, dass die kleinere Amplitude bei Patienten mit Schizophrenie aufgrund Fehlkalkulationen solcher Wahrscheinlichkei- ten entsteht verworfen, da schizophrene Patienten dieselben Gesetzmässigkeiten der
P300 bei sequentiellen Wahrscheinlichkeiten zeigten, wie die Kontrollgruppe (Duncan- Johnson, Roth & Kopell, 1984).
Beim klassischen Oddball Paradigma werden den Versuchspersonen eine Reihe von Standardstimuli und Targets präsentiert, wobei die Targets mit geringerer Wahrschein- lichkeit erscheinen als die Standardstimuli. Für das Erkennen der Targets ist also ein Vergleich mit dem Standardstimulus erforderlich. In einer Versuchsreihe in welcher keine Standardstimuli, sondern nur Targets, die nach langen Intervallen auftauchten, verwen- det wurden, war die P300 Amplitude von Patienten mit Schizophrenie auf normalem Niveau (Roth, Goodale & Pfefferbaum, 1991). Ohne Standardstimulus war kein Ver- gleichsprozess erforderlich. Ob die normale P300 mit diesem fehlenden Vergleichspro- zesses erklärt werden kann, ist zurzeit Gegenstand der Untersuchung.
Fehlende Motivation ist ein verbreitetes Negativsymptom bei Schizophrenie und mag ein Grund sein für viele schwache Leistungen, verglichen mit Gesunden. Mit Schreckreflexen durch laute Töne, welche die P300 automatisch auslösen, konnte aber gezeigt werden, dass die P300 Amplitude bei Schizophreniepatienten auch in Versuchsanordnungen reduziert ist, die keine Motivation erfordern (Pfefferbaum, Ford, White & Roth, 1989). Eine andere Studie zeigte, dass auch die Steigerung der Motivation durch monetäre Anreize die P300 nicht auf Normalprobandenniveau anheben konnte und legte somit nahe, dass die Reduktion der P300 Amplitude nicht alleine durch Differenzen in der Motivation erklärt werden kann (Brecher & Begleiter, 1983).
Auch wenn sie motiviert sind, Leistung zu erbringen, ist es für Patienten mit Schizophrenie schwer, die Aufmerksamkeit aufrecht zu halten (Nuechterlein & Dawson, 1984). In einer Studie wurde aber gezeigt, dass auch bei Versuchsdurchgängen, in denen erkenntlich war, dass die Patienten die Leistung erbracht hatten, die P300 tiefer als das normale Niveau war (Ford, 1999).
Diese Befunde deuten darauf hin, dass die reduzierte P300 ein vermindertes Mass an verfügbaren Ressourcen für eine spezifische Aufgabe reflektiert. Die nächste Frage wird sein, welche Rolle neuroanatomische Defizite bei dieser Begrenzung der Ressourcen spielen könnten.
Neuroanatomische Faktoren der reduzierten P300
Personen mit Schizophrenie haben gewöhnlich grössere Ventrikel als Gesunde und die dadurch geringere Hirnsubstanz betrifft eher die graue und weniger die weisse Masse (McCarley et al., 1999). Das Volumen der grauen Masse bestimmt möglicherweise durch die Anzahl an Neuronen, welche das Potential generieren, das obere Limit der P300 Amplitude. Dieser Zusammenhang konnte bei der automatisch ausgelösten P300 Amplitude nachgewiesen werden. Anders sieht es aber bei der über Aufmerksamkeits- leistung ausgelösten P300 Amplitude aus. Hier hatten auch Patienten, bei denen MRI Aufnahmen keine reduzierte graue Masse zeigten, kleinere P300 Amplituden (Ford, Mathalon, Sullivan, Lim & Pfefferbaum, 1996). Daher kann auch das Defizit an grauer Hirnmasse die Reduktion der P300 Amplitude nicht vollständig begründen. Darüber hinaus sind solche neuroanatomischen Daten zwar wichtig für das Verständnis der Krankheit, durch ihre statische Natur können sie aber die fluktuierenden Symptome der Schizophrenie nicht erklären.
Klinische Beiträge zur Aufklärung der P300 Reduktion
Wie weiter oben bereits angedeutet, wird die Frage, ob die P300 Anomalie als Hinweis auf den klinischen Zustand, oder aber als stabiler Marker für eine überdauernde Veranlagung für Schizophrenie verstanden werden kann, kontrovers diskutiert.
Es scheint ein Zusammenhang zwischen der P300 Amplitude und den Symptomen der Schizophrenie zu bestehen: Patienten mit mehr Symptomen haben kleinere Amplituden (Ford et al., 1999; Mathalon, Ford & Pfefferbaum, 2000). Hier wird der BPRS Fragen- katalog, der im Kapitel 3.2.2 vorgestellt wird, von Interesse sein, denn die Autoren fan- den eine Korrelation zwischen Items, die positive Symptome erfassen und der P300 Amplitude (Ford et al., 1999).
Der Zusammenhang zwischen der durch Medikamente erreichten Abnahme der Krank- heitssymptome und einer damit einhergehenden Normalisierung der Amplitude wird kontrovers diskutiert. Während in der einen Studie ein solcher Zusammenhang mit der auditorischen, nicht aber mit der visuellen P300 gefunden wurde (Mathalon et al., 2000), berichtete eine andere von Verbesserungen der visuellen P300 die assoziiert waren mit klinischen Verbesserungen (Duncan, Morihisa, Fawcet & Kirch, 1987). Wieder andere jedoch fanden gar keine Verbindung zwischen Medikamentengabe und P300 Amplitude (Coburn et al., 1998).
Dass die P300 nicht ausschliesslich den klinischen Zustand der Krankheit reflektiert, zeigt die Tatsache, dass sie auch bei Patienten, die keinerlei Symptome mehr haben, reduziert ist (Mathalon et al., 2000; Rao, Ananthnarayanan, Gangadhar & Janakiramai- ah, 1995). Dies wiederum scheint darauf hinzudeuten, dass dieses Merkmal eher die Vulnerabilität für Schizophrenie und weniger den klinischen Zustand reflektiert.
Wahrscheinlich jedoch ist die P300 Amplitude beides: Ein Marker der Vulnerabilität für die Krankheit, aber auch ein Spiegel ihrer fluktuierenden klinischen Symptome. Die P300 ist klein, wenn der Patient psychotisch ist, sie wird grösser, wenn sich sein Zu- stand verbessert (Mathalon et al., 2000). Betrachtet man aber den Durchschnitt der Amplitude über viele Patienten und Aufnahmesitzungen, so sieht man, dass die kleinere P300 auch eine überdauernde Prädisposition für Schizophrenie reflektiert (Ford et al., 1996).
1.4 Das Konzept des Arbeitsgedächtnisses
Das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis ist der psychologische Aspekt, welcher uns in der vorliegenden Untersuchung interessierte. Im Folgenden wird das Konzept des Arbeitsgedächtnisses eingeführt.
Working Memory, wie es heute in der Kognitiven Psychologie verstanden wird, entspricht einem System zur temporären Speicherung und zur Bearbeitung von Information im Dienste von komplexen kognitiven Prozessen wie Sprachverständnis, Lernen und Problemlösen (Baddeley, 1990).
1.4.1 Definition
„Arbeitsgedächtnis“ bezeichnet ein kognitives System, welches uns erlaubt, eine be- grenzte Menge an Information (ungefähr 7 ± 2 Informationseinheiten) über eine kurze Zeitspanne hinweg zu behalten (einige Sekunden). Dieses System ist seit der Kognitiven Wende in den 50er Jahren eines der Forschungsschwerpunkte in der Psychologie und entwickelte sich aus dem Konzept des Kurzzeitgedächtnisses (Atkinson & Shiffrin, 1968).
1.5 Die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses
Laut dem Konzept von Alan D. Baddeley & Hitch, (1974) ist das Arbeitsgedächtnis in verschiedene Komponenten aufgeteilt. Im Folgenden werden diese eingeführt und deren einzelne Funktionen erläutert.
1.5.1 Phonologische Schleife
Die am besten entwickelte und untersuchte Komponente des Working Memory Modells ist die Phonologische Schleife. Sie speichert temporär auditorische (vor allem verbale) Informationen, welche nach einer kurzen Zeit zerfallen, ausser sie werden aktiv durch artikulatorisches „Rehearsal“ aufrechterhalten.
Die Schlaufe eignet sich vor allem für die Erhaltung von sequentieller Information bzw. für die unmittelbare, serielle Reproduktion.
Funktion der Phonologischen Schleife
Die Phonologische Schleife entwickelte sich vermutlich auf der Basis von Prozessen, welche zur Ausbildung der Sprachwahrnehmung (phonologischer Speicher) und der Sprachproduktion (artikulatorische Rehearsal-Komponente) beitrugen. Laut Baddeley & Gathercole könnte die evolutionäre Funktion des phonologischen Speichers darin liegen, dass sie den Spracherwerb erleichtert, indem sie die Repräsentation eines neuen Wortes erhält und so das Lernen optimiert (1998).
1.5.2 Visuell-räumliches Arbeitsgedächtnis
Der visuell-räumliche Speicher (Visuospatial Sketchpad, VSSP) dient der rein visuellen, visuell-vorstellungsmässigen und visuell-räumlichen Kodierung und ev. der kinästheti- schen Verarbeitung. Gemäss der Modellvorstellung des Arbeitsgedächtnisses wird im VSSP temporär visuell-räumliches Material erhalten und bearbeitet. Es wird angenom- men, dass der VSSP eine wichtige Rolle bei der räumlichen Orientierung und beim visu- ell-räumlichen Problemlösen spielt. Laut Logie bildet der VSSP eine Schnittstelle zwi- schen visueller und räumlicher Information, welche einerseits über die Sinne und andererseits über das Langzeitgedächtnis abgerufen wird (Logie, 1995).
Funktion des Visuspatial Sketchpad
Der visuell-räumlichen Komponente des Arbeitsgedächtnisses kommt beim Lesen eine wesentliche Rolle zu, und zwar scheint sie (ähnlich wie beim phonologischen Speicher) eine Art „Rückspul“-Funktion (back-tracking) einzunehmen, d.h., dass im visuellen Kurzzeitgedächtnis die visuell-räumliche Lokalisation von Information, also die räumliche Position des Textes, kurzfristig behalten wird.
1.5.3 Die zentrale Exekutive
Die zentrale Exekutive ist wohl die komplexeste, jedoch die am wenigsten differenziert ausgearbeitete und auch die am meisten umstrittene Komponente des WM-Modells. Vorerst wurde sie vage als „limited capacity pool of general processing resources“ bezeichnet. Implizit wurde sie als Instanz betrachtet, welche „Entscheidungen“ über den Einsatz der beiden untergeordneten Systeme fällt. Baddeley sieht die zentrale Exekutive als reines Aufmerksamkeitssystem mit begrenzter Kapazität, welches über keinerlei eigene Speicherkapazität verfügt. Sie steuert die Aufmerksamkeitsressourcen und den Informationsfluss von und zu den untergeordneten Systemen, und sie steht über diese mit dem Langzeitgedächtnis in Verbindung (Baddeley, 1990).
Gegen das Konzept der zentralen Exekutive spricht, dass auf neurophysiologischer Ebene keinerlei Hinweise für ihre Lokalisation gefunden werden können. Daher wurde vorgeschlagen, dieses Konzept einer einheitlichen Instanz aufzugeben (Parkin, 1998).
Baddeley antwortete auf diesen Vorwurf, dass die zentrale Exekutive nicht ein Organ sei, welches existiere oder nicht, sondern ein wissenschaftliches Konzept. Gemäss Baddeley ist die Funktion dieses Konzeptes das Separieren der Analyse exekutiver Prozesse von der Frage derer anatomischen Lokalisation (Baddeley, 1998).
Funktionen der zentralen Exekutive
Gleich wie die anderen Komponenten des Arbeitsgedächtnisses ist die zentrale Exekutive in Subsysteme aufteilbar, welchen folgende Funktionen zukommen:
- Fokussieren der Aufmerksamkeit
- Teilen und Koordinieren der Aufmerksamkeit
- Switching Attention
- Kontrolle des LZG (bzw. Schnittstelle zwischen Langzeit- und Arbeitsgedäch- nis).
Fragen der gegenwärtigen empirischen Forschung sind die Art der Interaktion dieser Subsysteme und deren anatomische Lokalisation (Baddeley, 1998).
1.6 Arbeitsgedächtnis und Schizophrenie
Defizite des Arbeitsgedächtnisses sind bei Patienten mit Schizophrenie in vielen Studien nachgewiesen worden (Keefe, 1999). Im Folgenden werden die wichtigsten Befunde kurz erläutert.
Die Annahme, dass die Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses eine gemeinsame Komponente verschiedener, komplexerer kognitiver Beeinträchtigungen sein könnte, die bei mit der Schizophrenie verwandten Krankheiten vorkommen, wurde mit einigen Stu- dien gestützt:
Bei einem Vergleich zwischen Schizophreniepatienten, Patienten mit bipolaren Störun- gen und gesunden Versuchspersonen zeigten die Schizophreniepatienten signifikant schlechtere Leistungen des Arbeitsgedächtnisses. Bei den Patienten mit bipolaren Störungen wurden keine Beeinträchtigungen gefunden (Park & Holzman, 1992).
Eine weitere Studie an Patienten mit einer schizotypen Persönlichkeitsstörung zeigte bei diesen dieselben Beeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnis wie bei Patienten mit Schizophrenie (Roitman et al., 2000).
Störungen des räumlichen Arbeitsgedächtnisses gehören zu den neurokognitiven Defi- ziten, welche möglicherweise auf eine genetische Disposition für Schizophrenie hinwei- sen. In einer Zwillingsstudie wurde gefunden, dass die Leistungen bei einer räumlich- zeitversetzten Antwortaufgabe sensitiv auf genetische Prädisposition für Schizophrenie waren. Die Autoren nehmen an, dass Defizite bei der Enkodierung oder der Speicherung von räumlichen Informationen im Arbeitsgedächtnis ein effektiver endophänotypischer Marker für Schizophrenie sein könnten (Glahn D. C. et al., 2003).
1.7 Neurobiologie des Arbeitsgedächtnisses
In der experimentalpsychologischen Gedächtnisforschung besteht seit mehreren Jahr- zehnten die Tendenz, von globalen Konzeptionen der Gedächtnisleistungen abzusehen, dafür aber stärker differenzierte Ansätze zu entwickeln. Werden beispielsweise örtliche Informationen und Objekte im Arbeitsgedächtnis separat repräsentiert? Tierexperimen- telle Studien zeigten, dass figurative Details von Gegenständen in anderen Regionen des Gehirns verarbeitet werden als die Anordnung dieser Gegenstände im Raum (Mishkin, Ungerleider & Macko, 1983). In neuerer Zeit finden sich immer mehr Konzepti- onen, welche Gedächtnisleistung prozessorientiert in Enkodier-, Speicher- und Abruf- phase zergliedern. Im Sinne dieser Entwicklung ist die vorliegende Arbeit eine prozess- spezifische Analyse des visuellen Arbeitsgedächtnisses unter Berücksichtigung ihres neuronalen Korrelats. Experimentalpsychologische Forschung ist nur möglich, wenn Leistungen des Arbeitsgedächtnisses als Zusammenwirken elementarer kognitiver O- perationen gesehen werden. Nur für solche elementaren Funktionen lassen sich expe- rimentelle Operationalisierungen finden. Die Verwendung von ereigniskorrelierten Poten- tialen (EKP) zur Beschreibung funktionaler und neuronaler Charakteristika von Arbeits- gedächtnisleistungen ist darum bedeutsam, weil diese Daten als abhängige Variablen für psychologische als auch für neurowissenschaftliche Konzepte dienen können.
1.7.1 Neurotransmittersysteme
Fortschritte bei der Identifikation, dem Klonen und der Lokalisierung von Ionenkanälen und Rezeptoren im Zentralnervensystem haben Möglichkeiten eröffnet, Zusammenhän- ge zwischen Strukturen und physiologischen Funktionen auf subzellulärem Level zu analysieren. Eine einzigartige Eigenschaft gewisser Neuronen des Zentralnervensystems ist deren Fähigkeit, die Feuerrate in Abhängigkeit einer Gedächtnisspur, die durch ein vorangegangenes Ereignis erzeugt wurde, zu erhöhen. Eben diese Eigenschaft wird auf neurologischer Basis als Arbeitsgedächtnis bezeichnet. Bei Ableitungen einzelner Zellen des PFK nichtmenschlicher Primaten wurden Neuronen entdeckt, welche „Gedächtnis- felder“ besitzen, analog zu den Rezeptiven Feldern der sensorischen Neurone (Goldman-Rakic, 1999). Aus der Forschung an Mensch und Tier ergeben sich substan- zielle Hinweise darauf, dass der präfrontale Kortex in Prozesse des Arbeitsgedächtnis- ses involviert ist. Bei der Modulation kognitiver Funktionen und der Informationsverar- beitung sind Dopamin-, Noradrenalin-, Serotonin- und Glutamatsysteme einbezogen (Cohen & Servan-Schreiber, 1992). Im Folgenden werden die dopaminerge, noradre- nerge, glutamaterge und serotonerge Neurotransmission kortikaler Neurone, die bei Arbeitsgedächtnisprozessen beteiligt sind, unter Einbezug der wesentlichen Rezepto- ren, beschrieben.
Dopamin
Man unterscheidet mindestens fünf verschiedene Untertypen von Dopaminrezeptoren, diese werden mit D1 bis D5 bezeichnet. Die klassische Theorie zur Schizophrenie geht davon aus, dass diese Krankheit durch eine Überaktivität oder Überempfindlichkeit der D2-Rezeptoren entsteht.
Beeinträchtigungen der Leistungen bei visuell-räumlichen, zeitversetzten Reaktionsauf- gaben nach Verringerung der Dopaminkonzentration im Präfrontalen Kortex (PFK) wur- den als erstes bei Affen, später bei Ratten beobachtet (Brozoski, Brown, Rosvold & Goldman, 1979; Sokolowski & Salamone, 1994). Ähnliche Defizite wurden durch lokale Infusion nichtselektiver oder selektiver D1 Rezeptorantagonisten in den PFK und durch Gabe von D1 Antagonisten induziert. Mikroinjektion eines D1-, nicht aber eines D2- Antagonisten in den PFK verringerte die Aktivität von PFK-Neuronen während der Zeit- verzögerung zwischen Cue- und Target-Präsentation (Sawaguchi & Goldman-Rakic, 1994; Williams & Goldman-Rakic, 1995). Ausserdem verbesserte ein D1/D2- Rezeptoragonist, nicht aber ein selektiver D2-Rezeptoragonist die Leistung des visuell- räumlichen Arbeitsgedächtnisses. Daher kann angenommen werden, dass die D1- Rezeptoren eine selektive Rolle bei der Arbeitsgedächtnisfunktion des PFK spielen. Jedoch wurde gezeigt, das ein D2-Rezeptoragonist günstige Wirkung auf visuell- räumliche Arbeitsgedächtnisfunktionen bei normalen menschlichen Subjekten haben kann (Kimberg, D'Esposito & Farah, 1997).
Wenn der Organismus Stress ausgesetzt wird, steigt der Dopaminumsatz im PFK mar- kant an. Dieser gesteigerte Dopaminumsatz vermindert die Leistung des visuellräumlichen Arbeitsgedächtnisses und der Grad dieser Verminderung korreliert mit dem Anstieg des Dopaminumsatzes im PFK (Hockey, 1970). Ähnliche Defizite wurden bei Patienten mit Läsionen im PFK beobachtet (Wilkins, 1987). Stressinduzierte Defizite bei Aufgaben mit zeitversetzten Reaktionen wurden verbessert durch Vorbehandlung mit Substanzen, welche Dopaminrezeptoren blockieren (z.B. Haloperidol), oder den stressinduzierten Dopaminumsatz reduzieren (z.B. Clondine).
Der normale Alterungsprozess von Mensch und Tier führt zu verringerten, präfrontalen kognitiven Funktionen. Befunde an gealterten Nagetieren und Affen legen nahe, dass der Verlust von Dopamin im PFK zu Defiziten im räumlichen Arbeitsgedächtnis führt, welche früh im Alterungsprozess auftreten und im höheren Alter markant werden (Albert & Moss, 1996).
Alle diese Resultate lassen vermuten, dass es für die saubere Funktion des PFK einen engen Rahmen optimaler Dopaminstimulation gibt: zu wenig (Dopaminrezeptor- Blockade) oder zu viel (Stressexposition) Stimulation der Dopaminrezeptoren ist abträglich für kognitive Funktionen des PFK und beeinträchtigt die Leistung des Arbeitsgedächtnisses (Arnsten & Goldman-Rakic, 1998).
Noradrenalin
Das Noradrenalinsystem projiziert in das gesamte Gehirn (Kortex, Hypothalamus, Klein- hirn, Hirnstamm, limbisches System). Man unterscheidet mindestens vier verschiedene Rezeptortypen: die präsynaptischen Alpha-2- und die postsynaptischen Alpha-1-, Beta- 1- und Beta-2-Rezeptoren. Das Noradrenalinsystem hat einen regelnden und modulie- renden Einfluss auf das gesamte Zentralnervensystem und ist besonders an der Erzeu- gung von Gefühlen und „Stimmungen“ beteiligt. Ausserdem hat es grossen Einfluss auf die Vigilanz. In psychiatrischer Hinsicht ist hier ein Angriffspunkt bei Depressionen ge- geben, bei denen seine Aktivität (ebenso wie die des Serotoninsystems) verringert ist (Pinel, 2001).
Die Dichte der alpha-2A Rezeptoren ist im PFK am höchsten. Befunde an Affen zeigen, dass sich die Leistung bei Aufgaben mit zeitversetzten Reaktionen durch alpha-2 Ago- nisten (Clonidin und Guanfacin) zumindest teilweise verbessert, indem die Ablenkung durch irrelevante Stimuli gehemmt wird (Arnsten & Contant, 1992). Dieser Befund wird dadurch gestützt, dass der günstige Effekt der Agonisten durch alpha-2A Antagonisten aufgehoben wird, jedoch nicht durch Antagonisten der alpha-2C und alpha-2D Subty- pen. Im Gegensatz dazu können tiefe Dosen von alpha-2 Antagonisten die Leistung des Arbeitsgedächtnisses durch gesteigerte Stimulation des endogenen Noradrenalins an postsynaptischen Rezeptoren verbessern (Arnsten, Cai, Steere & Goldman-Rakic, 1995). Daher kann angenommen werden, dass die gesteigerte kognitive Leistung von Wirkungen der a2 Agonisten an alpha-2A Rezeptoren herrührt. Ausserdem beeinträch- tigt Noradrenalin die Funktion des PFK über die Wirkung am alpha-1 Rezeptor (Aoki, Go, Venkatesan & Kurose, 1994). Tiefe Dosen von Clonidin (alpha-2 Agonist) reduzieren bei normalen Subjekten das räumliche Arbeitsgedächtnis, während höhere Dosen die Leistung verbessern. Dies verweist auf die Befunde an Affen, bei denen tiefe Dosen die Leistung via präsynaptische Substanzwirkung verringerten, während höhere Dosen die Leistung über postsynaptische Wirkung verbesserten (Arnsten & Goldman-Rakic, 1985).
Alpha-2 Agonisten verbessern die Funktion des PFK bei gealterten Tieren und solchen, bei denen der Noradrenalinumsatz gedrosselt ist. Diese Verbesserungen werden durch alpha-2 Antagonisten blockiert (Arnsten & Goldman-Rakic, 1985). Diese Befunde stützen die Hypothese, dass das räumliche Arbeitsgedächtnis sehr empfindlich auf den alpha-2-noradrenergen Mechanismus reagiert (Steere & Arnsten, 1997).
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass alpha-2 Agonisten bei der Erhöhung der Leistung des Arbeitsgedächtnisses speziell effektiv sind, wenn dieses durch ablenkende Stimuli belastet wird und dass diese Wirkungen durch postsynaptische alpha-2A Re- zeptoren vermittelt werden (Arnsten & Contant, 1992). Darüber hinaus beugen alpha-2 Agonisten der präfrontalen Dopaminaus-schüttung und der damit zusammenhängen- den kognitiven Defiziten während Stress vor (Murphy, Arnsten, Jentsch & Roth, 1996). Die alpha-Rezeptorstimulation scheint also vor stressinduzierten kognitiven Defiziten zu schützen.
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- lic. phil. Beat Bosshart (Author), 2006, Psychoaktive Wirkung von Psilocybin: psychologische und neurophysiologische Parallelen zur Schizophrenie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70853
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