Die vorliegende Arbeit thematisiert das narrative Interview und geht der Frage nach, warum sich das narrative Interview als Forschungsmethode in Bezug auf die Biografieforschung am besten eignet.
Biographieforschung lässt sich der qualitativen Forschungsrichtung zuordnen, die sich mit interpretativen Analysen autobiographischer Erzählungen beschäftigt. Die biographische Forschungsmethode erhält immer mehr Aktualität und Akzeptanz und zielt auf die Erlangung von Kenntnissen über die soziale Wirklichkeit mithilfe des Lebenslaufes ab. Die Biographie wird auf der Grundlage von Aufzeichnungen wie formellen Lebensläufen, Tagebüchern, Briefen, Memoiren, Berichten anderer Personen oder durch ein narratives Interview analysiert. Das Erlangen über die soziale Wirklichkeit spielt nicht nur für die Forschung eine wichtige Rolle, sondern auch für die Gesellschaft.
Aus diesem Grund gliedert sich die Arbeit in drei Teile. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wird das narrative Interview theoretische vorgestellt. Darauf aufbauend, stehen im zweiten Teil die Studie „Erzählbarkeit, biographische Notwendigkeit und soziale Funktion von Kriegserzählungen – Was wird gerne und leicht“ (Rosenthal,1993) und die Fallanalyse „NS-Nachkommen im Spannungsfeld von Nichtwissen-Ahnen-Wissen“ (Reiter, 2007) im Mittelpunkt. In beiden wissenschaftlichen Quellen gelang es den Autorinnen, mit Hilfe von narrativen Einzelinterviews, die soziale Wirklichkeit während und nach dem Zweiten Weltkrieges zu skizzieren. Aus deren Ergebnissen lässt sich die Notwendigkeit der Biografieforschung ableiten, um die deutsche Geschichte aufzuarbeiten und kritisch zu hinterfragen. Den Schluss der Arbeit bildet der dritte Teil, das Fazit. Hier findet eine Zusammenfassung der Ergebnisse und eine kritische Würdigung des narrativen Interviews statt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das narrative Interview
2.1 Ablauf eines narrativen Interviews
2.2 Auswertung der Daten eines narrativen Interviews
3. Studien- und Fallbetrachtung
3.1 Erzählbarkeit, biographische Notwendigkeit und soziale Funktion von Kriegserzählungen – Was wird gerne und leicht
3.2 NS-Nachkommen im Spannungsfeld von Nichtwissen-Ahnen-Wissen
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In den Seminaren „Sozial- und Kulturgeschichte der Erziehung, Bildung und Sozialisation seit der europäischen Aufklärung: Biographieforschung. Lebenslauf als Bildungsgeschichte des Individuums“ und „Wissenschaftstheorie und Methodologie: Einführung in die rekonstruktive Sozialforschung am Beispiel der Dokumentarischen Methode“ bekamen die Studierenden die Möglichkeit, grundlegendes Wissen über qualitative Interviews mit Praxisanwendungen kennenzulernen. Aus diesem vermittelten Lehrstoff wurde das Interesse für das narrative Interview geweckt. Die vorliegende Arbeit thematisiert das narrative Interview und geht der Frage nach, warum sich das narrative Interview als Forschungsmethode in Bezug auf die Biografieforschung am besten eignet. Biographieforschung lässt sich der qualitativen Forschungsrichtung zuordnen, die sich mit interpretativen Analysen autobiographischer Erzählungen beschäftigt. Die biographische Forschungsmethode erhält immer mehr Aktualität und Akzeptanz und zielt auf die Erlangung von Kenntnissen über die soziale Wirklichkeit mithilfe des Lebenslaufes ab. Die Biographie wird auf der Grundlage von Aufzeichnungen wie formellen Lebensläufen, Tagebüchern, Briefen, Memoiren, Berichten anderer Personen oder durch ein narratives Interview analysiert. Das Erlangen über die soziale Wirklichkeit spielt nicht nur für die Forschung eine wichtige Rolle, sondern auch für die Gesellschaft. Aus diesem Grund gliedert sich die Arbeit in drei Teile. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wird das narrative Interview theoretische vorgestellt. Darauf aufbauend, stehen im zweiten Teil die Studie „Erzählbarkeit, biographische Notwendigkeit und soziale Funktion von Kriegserzählungen – Was wird gerne und leicht“ (Rosenthal,1993) und die Fallanalyse „NS-Nachkommen im Spannungsfeld von Nichtwissen-Ahnen-Wissen“ (Reiter, 2007) im Mittelpunkt. In beiden wissenschaftlichen Quellen gelang es den Autorinnen, mit Hilfe von narrativen Einzelinterviews, die soziale Wirklichkeit während und nach dem Zweiten Weltkrieges zu skizzieren. Aus deren Ergebnissen lässt sich die Notwendigkeit der Biografieforschung ableiten, um die deutsche Geschichte aufzuarbeiten und kritisch zu hinterfragen. Den Schluss der Arbeit bildet der dritte Teil, das Fazit. Hier findet eine Zusammenfassung der Ergebnisse und eine kritische Würdigung des narrativen Interviews statt.
2. Das narrative Interview
Die vorliegende Arbeit legt den Fokus auf das narrative Interview als Forschungsmethode in der qualitativen Sozialforschung. 1977 entwickelte und propagierte der Soziologe Fritz Schütze das Verfahren (Lamnek, 2008, S.357). Die Textsorte „Erzählung“ (vgl. Nohl, 2012, S.21) spielt in dieser Forschungsmethode eine besonders wichtige Rolle. Dies wurde durch Küsters (2009, S.21) unterstützt:
„Der Befragte wird nicht in distanzierter Weise zu einem Geschehen und seinem Handeln befragt, sondern wird zum Wiedererleben eines vergangenen Geschehens gebracht und dazu bewegt, seine Erinnerung daran möglichst umfassend in einer Erzählung zu reproduzieren“.
Zum anderen unterstützt auch Nohl die Ansicht von Schütze, indem er wie Küsters die Dynamik der Erzählzwänge hervorhebt und den damit einhergehenden tiefen Einblick in die Erfahrungsaufschichtungen (vgl. Nohl, 2012, S.23). Nach Schütze (1987, S.254) ist das narrative Interview „eine derjenigen Erhebungs- und Analyseverfahren, welche die Erfahrungs- und Orientierungsbestände des Informanten bei weitgehender Zurücknahme des Forschereinflusses unter den Relevanzgesichtspunkten des Informanten möglichst immanent zu rekonstruieren versucht“. Ein Merkmal dieses Erhebungsverfahren ist, dass der Verlauf des Interviews offen ist und die Befragten genügend Zeit haben, die besonderen Erlebnisse, Ergebnisse und entscheidenden Lebensabschnitte zu erzählen. Diese Ereignisabläufe sollen in Stegreiferzählungen wiedergegeben werden, hierbei handelt es sich um unvorbereitete Erzählungen bei dem die Interviewten nicht unterbrochen werden dürfen (vgl. Nohl, 2012, S.18). Erzählungen bilden den Hauptteil im narrativen Interview. Das bedeutet, dass die Befragten nach der Erzählaufforderung die selbst erlebten Ereignisse schildert. In allen narrativen Interviews handelt es sich um Erzählungen von Erlebnissen an denen der Erzähler passiv oder aktiv teilgenommen hat.
„Oberstes Handlungsziel des narrativen Interviews ist es, über expandiertes Erzählen die innere Form der Erlebnisaufschichtung des Informanten hinsichtlich der Ereignisse zu reproduzieren, in welche er handelnd und erleidend selbst verwickelt war“ (Schütze, 1987, S.49).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das narrative Interview durch die Dynamik der Erzählvorgänge und das Verlebendigen der Erzählungen die Auffrischung der Ereignisse zu Folge hat (vgl. Schütze 1987, S.237). Es entsteht dadurch eine Unverfälschtheit der Erzählungen. Ein wesentliches Merkmal des narrativen Interviews ist es, wenige Fragen zu stellen. Die Befragten sollen dazu gebracht werden, von sich aus zu erzählen. Die ausgelöste persönliche Betroffenheit sorgt dafür, dass ein Bedürfnis entsteht sich dem Fragenden gegenüber zu öffnen und durch konkrete und detailreiche Erzählungen dem Fragenden die individuellen Probleme zu schildern. Das narrative Interview findet deshalb hauptsächlich in der Biografie- und Lebenslaufforschung statt.
2.1 Ablauf eines narrativen Interviews
Die grundlegende Voraussetzung für das narrative Interview ist die Bereitschaft eines Interviewpartners über sein Leben zu erzählen. Zur Durchführung eines narrativen Interviews müssen situative Rahmenbedingungen erfüllt sein, unteranderem muss dem zu Interviewenden der Sinn, Zweck und Gegenstand des Interviews erläutert werden (vgl. Lamnek, 2008, S.401). Des Weiteren muss der Ort des Interviews richtig gewählt werden, indem haptische und akustische Störungen vermieden werden (ebd.). Der Ort sollte der natürlichen und bekannten Umgebung ähneln (ebd.). Durch vertrauenswürdiges Verhalten des Interviewers und des angepassten Sprachniveaus werden Asymmetrien in der Erhebungssituation kompensiert (ebd.).
Das narrative Interview gliedert sich nach Schütze in drei Abschnitte: die Eingangserzählung, den narrativen Nachfrageteil und den argumentativ-beschreibenden Frageteil (vgl. Nohl, 2012, S.17).
Die Eingangserzählung wird durch eine offen gehaltene „autobiographisch orientierte Erzählaufforderung“ (Schütze 1983, S. 285) begonnen. Hier wird versucht zu erklären, unter welchen Aspekten selbst erlebte Ereignisse erzählt werden sollen. Den Befragten soll klargemacht werden, dass sie frei erzählen sollen. Nach der Erzählaufforderung folgt dann die Haupterzählung. Hier beginnen die Befragten ohne Unterbrechungen zu erzählen (vgl. Stangl, 2018). Während der Haupterzählung nehmen die Interviewer die Rollen des interessierten Zuhörers ein und unterstützen gelegentlich durch aufmunternde verbale oder nonverbale Kommunikation (vgl. Glinka, 2003, S. 12). Nach Abschluss der Haupterzählung beginnt der narrative Nachfrageteil.
Im narrativen Nachfrageteil werden die angesprochenen Themen erneut aufgegriffen und vertieft (vgl. Nohl, 2012, S. 19). Durch das Formulieren von immanenten und rezitierten narrativen Nachfragen werden die Interviewten dazu bewegt an diesen Stellen noch einmal ausführlicher zu erzählen, auch wenn die zu berichtenden Erlebnisse schmerzhaft, stigmatisierend oder legitimationsproblematisch sind (ebd.). Der dritte Teil des narrativen Interviews wird als argumentativ-beschreibenden Frageteil beschrieben. Dieser zeichnet sich aus, indem sich dieser Teil nicht den Erzählungen widmet, sondern detaillierten Beschreibungen und Argumentationen (vgl. Nohl, 2012, S.19f.). Immanente Interviewfragen bezüglich Beschreibungen und Argumentationen dienen zur Nutzung der Erklärungs- und Abstraktionsfähigkeit der Befragten (ebd.).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei dem narrativen Interview die Forscher dem Prinzip der Offenheit folgen und auf eine hypothesengeleite Datenerhebung verzichten, um den Interviewten einen größtmöglichen Raum zur Selbstgestaltung, zur Ausführlichkeit und zur Präsentation der erlebten Erfahrungen zu lassen.
2.2 Auswertung der Daten eines narrativen Interviews
Für die Auswertung eines Interviews ist eine Transkription notwendig. Dabei wird eine Anonymisierung durchgeführt. Es gibt viele mögliche Auswertungsverfahren mit denen narrative Interviews analysiert werden können. Nach Schütze ist die Auswertung eines Interviews in sechs Phasen unterteilt: 1. formale Textanalyse, 2. strukturelle inhaltliche Beschreibung der Darstellungsstücke, 3. analytische Abstraktion, 4. Wissensanalyse, 5. kontrastive Vergleiche unterschiedlicher Interviewtexte, 6. Konstruktion eines theoretischen Modells (vgl. Küsters, 2009, S.77; Nohl, 2012, S.34ff.). Schütze hat die strukturelle Basis für die Auswertung von Interviews gelegt. Eine weitere Auswertungsmöglichkeit wurde durch Rosental entwickelt, welche sich spezifisch auf die Biografieforschung bezieht. Diese gliedert sich wie folgt: „1. Analyse der biographischen Daten (Ereignisdaten); 2. Text- und thematische Feldanalyse (Analyse der Textsegmente -Selbstpräsentation/erzähltes Leben); 3. Rekonstruktion der Fallgeschichte (erlebtes Leben); 4. Feinanalyse einzelner Textstellen (kann jederzeit erfolgen); 5. Kontrastierung der erzählten mit der erlebten Lebensgeschichte; 6. Typenbildung“ (Küsters, 2009, S.83). Diese Auswertungsmethode wurde in der angeführten Studie verwendet. Sie ist auf die Fallanalyse in gewisser Weise übertragbar.
3. Studien- und Fallbetrachtung
Die Betrachtung einer Studie und einer Fallanalyse bildet den Hauptteil der vorliegenden Arbeit und zeigen gleichzeitig den praktischen Anwendungsbereich von narrativen Interviews auf. Zunächst wird die Studie von Gabriele Rosenthal betrachtet, da hier mehrere Zielgruppen befragt wurden und somit das subjektive Empfinden von Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges verdeutlicht werden. Anschließend wird eine Fallanalyse von Margit Reiter betrachtet, woran das kritische Hinterfragen durch die Anwendung des narrativen Interviews verdeutlicht wird.
3.1 Erzählbarkeit, biographische Notwendigkeit und soziale Funktion von Kriegserzählungen – Was wird gerne und leicht
Die Studie „Erzählbarkeit, biographische Notwendigkeit und soziale Funktion von Kriegserzählungen – Was wird gerne und leicht erzählt“ wurde 1993 von Gabriele Rosenthal in der Zeitschrift BIOS, Biographieforschung und Oral History veröffentlicht. Rosenthal prüft die Abhängigkeit der Erzählbarkeit des Zweiten Weltkrieges und der Erzählbereitschaft anhand drei Bedingungen (vgl. Rosenthal, 1993, S.6f.). Es ist die Struktur des Kriegserlebens, die biografischen Notwendigkeit zur Erzählung und die soziale Funktion für die westdeutsche Bevölkerung (ebd.). Sie geht aufgrund der vorliegenden Forschungsergebnisse davon aus, dass unteranderem die eingenommene Rolle im Zweiten Weltkrieg, die Art des Krieges, sowie die soziale Funktion, in der Thematisierung dieser historischen Phase eine wichtige Rolle spielen (ebd.). Die Autorin hat in ihrer Arbeit auf die von ihr 1990 durchgeführte Projektstudie „Biographische Verarbeitung von Kriegserlebnissen“ zurückgegriffen, da somit das Sampling, die Datenerhebung und das Erhebungsverfahren sichergestellt wurde (ebd.). Im Zuge der genannte Projektstudie von Rosenthal und ihren Mitarbeiterinnen wurden insgesamt 56 Personen mit der Methode des narrativen Interviews befragt (ebd.). Die Anzahl der gesamten Befragten setzt sich zusammen aus 21 nicht-verfolgt Zeitzeugen des Dritten Reiches der Jahrgänge 1890-1930, 15 Männern, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg als Soldat dienten, sowie 20 europäische Juden, deren Leben durch den Holocaust in unterschiedlichster Weise geprägt wurde (ebd.). Durch das breit ausgewählte und erhobene Personenspektrum wird ausführlich verdeutlicht wie sich die Unterschiede in den Erlebnissen beider Weltkriege beschreiben lassen. Des Weiteren werden die Erlebnisse von Opfer, Mitläufer und Täter des Nationalsozialismus zur Analyse herangezogen.
Die Erzählbereitschaft und die Erzählbarkeit sind bedingt durch die Strukturen der Kriegserlebnisse (ebd.). Diese These überprüft Rosenthal, indem die Kriegserlebnisse von Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges miteinander verglichen werden und die Erlebnisse von Zivilisten und europäischen Juden, während des Zweiten Weltkrieges im Kontext betrachtet und beurteilt werden (vgl. Rosenthal, 1993, S.7ff.).
„Ich war achtzehn Jahre alt, da wurde ich eingezogen. Ich kam zum Regiment Vierzig, Rasstatt in Baden, das war mein Truppenteil. Ein halbes Jahr wurde ich da ausgebildet. Nach meiner Ausbildung kam ich an die Westfront, 1916 im Neujahr, ins Feld gell. An der Westfront hatten wir so einen großen Angriff, in Frankreich, das war bei Amiens. Da kann ich mich noch entsinne, da hatten wir ein großes Gefecht und da war ich verwundet worden, hier an diesem Arm, sehn Se.“ (ebd.; Zitiert nach der Fallgeschichte von Oskar Vogel; Rosenthal, 1988).
Auf diesen kurzen Bericht an der Front, knüpfte Herr Heinrich, der 1897 geboren wurde, mit einer ausführlichen Erzählung über die Verwundung, den Aufenthalt im Lazarett und den anschließenden Einsatz in der Heimat an (ebd.). Die Ausführungen über den Ersten Weltkrieg sind einheitlich von „der Orientierung an äußeren Daten, wie Orte Truppenteile und Einzugszeiten“ (Rosenthal, 1993, S.8) als strukturelles Textmerkmal geprägt. Die Kürze der Kriegserzählungen aus den Schützengräben des Ersten Weltkrieges lassen sich auf die schrecklichen, leidvollen und schmerzerfüllten Erlebnisse zurückführen, da die Details dieser Erlebnisse durch Black-Outs ausgeblendet wurden. Es handelt sich hierbei im Schwerpunkt über die Textsorte des Berichtes, die wie oben angeführt, verwendet wird. Verlassen die Erzählenden den Schützengraben in ihren Erzählungen ergreift die Textsorte Erzählung wieder die Oberhand (ebd.). Im Fall von Herrn Heinrichs wird vom Lazarettaufenthalt, Einsatz in der Heimat oder vom Kriegsende erzählt. Die Soldaten des Ersten Weltkrieges waren der Immobilität in den Gräben und Kampfständen, der Unsichtbarkeit des Feindes und der unkontrollierbaren Angst passiv ausgeliefert (Rosenthal, 1993, S.11), was die Berichtsform erklärt.
Die Zivilbevölkerung des Dritten Reiches ist mit den Soldaten des Ersten Weltkrieges zu vergleichen, da die Frauen die Bombenangriffe, wie ein Naturereignis vergleichen bzw. darstellen (Rosenthal, 1993, S.12). Das passive Ausgeliefertsein äußert sich, indem sie beim Berichten von Bombenangriffen nicht in Form von Erzählungen, sondern die Form von Beschreibungen verwenden (Rosenthal, 1993, S.11). Das lässt sich erkennen an den Ausführungen von Frau Heidt:
„Und wenn es dann kam über Drahtfunk die Meldung, wo die feindlichen Verbände standen, denn hieß es, größere Verbände über der Nordsee. Dann wußten wir, in absehbarer Zeit also sind wir dran. Und dann ging das also schon los, daß man dieses Angstgefühl in der Magengrube hatte. Dann war einem ganz schlecht vor Angst und wenn eine Luftmine auf den Bunker prallte, das ist ganz furchtbar, wenn da in der Nähe was runterkommt. Ich habe dann immer außen an der Wand gesessen, kricht man einen Schlach von dieser Betonwand in den Rücken, wie mit so ner Faust. Und dieser Krach und das, das ist unbeschreiblich.“ (Grote, 1990, zitiert in Rosenthal, 1993, S.11f.)
Die materiellen Lebensumstände der Zivilbevölkerung, die durch die Bombenbangriffe zerstört und verursacht wurden, sorgen wie bei den Soldaten des Ersten Weltkrieges dazu, dass es sich hierbei um eine Routinesituation handelt, die erzählerisch nicht ausgebaut, sondern durch Beschreibungen verdichtet werden kann (ebd.). Diese verdichtenden Beschreibungen verdeutlichen den Zuhörenden die Situation und tragen zur Nachvollziehbarkeit und zum Verständnis bei.
Im Vergleich zu den Darstellungen der Soldaten des Ersten Weltkrieges und der Zivilbevölkerung des Dritten Reiches ist ein eklatanter Unterschied zu den Darstellungen der Soldaten des Zweiten Weltkrieges festzustellen. Hierbei handelt es sich meist um dramatische Schilderungen von Situationen in Form von epischen Erzählungen, detailreiche Geschichten und ausgeweitete Beschreibung der Ergebnisse (vgl. Rosenthal, 1993, S.8f.). Der Soldat des Zweiten Weltkrieges ist in der Lage mindestens ein oder zwei Geschichten über den Tod detailliert zu beschreiben (ebd.). Dabei handelt es sich meist um Geschichten die aus der Routine des Krieges entstehen und somit logisch nachvollziehbar sind. Diese Soldaten neigen in ihren Erzählungen durch detailreiche Beschreibungen, dazu die Verwüstung, die Grausamkeiten, die Kriegsverbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen zu überdecken, sogenannte Deckgeschichten (ebd.). In denen wird ein positives Bild vermittelt (ebd.). Die Struktur der Erzählungen ist angelehnt an den geführten Bewegungskrieg, der von 1939 bis 1945, geführt wurde. Die Chronologie der Erzählungen orientieren sich demnach am Kriegsverlauf (ebd.). Aufgrund des Bewegungskrieges und der damit einhergehenden Anpassungsfähigkeit der Soldaten wurde der Zweite Weltkrieg als „Das war eine ganz aufregende Sache“ evaluiert (ebd.). Das Marschieren und kämpfen an mehreren verschiedenen Orten sorgten dafür, dass die Soldaten Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit hatten mit ihrer Angst aktiv umzugehen im Vergleich zu den Soldaten des Ersten Weltkrieges. Es waren keine durchgängigen Kampfhandlungen vorhanden.
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